Geehrte gnädige FrauAdressatin des sarkastischen Briefes ist die Rentiere Rosa Meyer (geb. Wollmann), die mit ihrer Tochter im Stockwerk unter Wedekind wohnte: Berlin, Kurfürstenstraße 125, 2. Stock [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 1572].
Ihrer TochterAnna Meyer; ihren Namen nennt Wedekind in einem Brief an seinen Vermieter [vgl. Wedekind an Wilhelm Hamann, 28.10.1907]. ist es richtig geglückt, mich durch
ihr KlavierspielWedekind hatte eine Abneigung gegen „Klaviergeklimper“ [Wedekind an Maximilian Harden, 10.9.1913; Gästebucheintrag], hier gegen das von Anna Meyer, das er als Ruhestörung empfand. Die Auseinandersetzung darüber mit den unter ihm wohnenden Damen war bereits im Frühjahr manifest und kam auch in Briefentwürfen an den Vermieter zum Ausdruck [vgl. Wedekind an Wilhelm Hamann, 12.4.1907 und 17.4.1907]. Wedekind hatte mit der Rentiere Rosa Meyer am 17.4.1907 in ihrer Wohnung ein Gespräch über den Konflikt: „Besuch bei Frau Meier wegen Klavierspielen.“ [Tb] zum Haus hinaus zu jagen. Ich habe meine Wohnung heute
endgültig gekündigtWedekind, der die Wohnung im 3. Stock rechts in der Kurfürstenstraße 125 am 31.8.1906 bezogen hat [vgl. Tb], hielt am 25.10.1907 fest: „Wohnungskündigung.“ [Tb]. Der jungen Dame gratuliere wünsche ich Glück ich zu diesem großen
künstlerischen Erfolg. Ich finde, daß die junge Dame auf diesen Sieg ihrer
Musik ihr ganzes Leben lang stolz sein
kann. Ich möchte dabei nicht mißverstanden werden, was ich bei Ihnen in diesem Fall nicht für ganz gut ausgeschlossen unmöglich halte. Ich selber habe, bevor ich Erfolg mit meiner
Schriftstellerei Erfolg hatte, Jahre hindurch von
meinen musikalischen Vorträgen gelebt. Es haben tausende und tausende von
Menschen in ganz
Deutschland meiner
Musik mit Vergnügen zugehört und die höchsten Eintrittspreise dafür
bezahlt. Dabei bin ich ganz sicher nie einem Menschen auch nur eine Stunde lang durch mein Musizieren zur Last gefallen zu sein. Bei
Ihrer Tochter verhält sich das hoffentlich ver umgekehrt. wird
sich daß Bei der jungen Dame, deren Wer/Ku/nst mich hier zum Haus hinaus jagt,
wird es, so weit ich mich meines/m/ Erachtens Urtheil nach umgekehrt sein. Abgesehen
davon daß ich ihr noch Jahre möglichst viele derartige künstlerische
Erfolge wünsche, | wird ihre/die/ Bewunderung die sie die ihre Musik bei Fachleuten finden/t/
voraussichtlich immer ebenso gering sein, wie die Höllenqualen die ihr Studium einem
musikalischen Menschen verursacht ungeheuerliche sind bleiben werden. Nun sagten Sie mir aber,
gnädige Frau, daß dieses MusikStudium unumgänglich
notwendig sei. Ich fragte mich nach den Gründen und glaube die
Lösung gefunden zu haben. Ich will mich kurz fassen und bitte Sie, das folgende
rein geschäftlich aufzufassen. Ich biete verpflichte mich Ihnen für in die/en/ nächsten
Monaten, die ich noch in der Wohnung zu bleiben genötigt bin, für jeden Tag, an
dem in der unter mir liegenden Wohnung nicht Klavier gespielt oder sonst musiziert wird zwei Mark, also pro
Monat M. 60 bis M 62 zu bezahlen. Wenn ich eine zusagende Antwort erhalte, dann ist das/die/
Geschäft Abmachung dadurch rechtsgültig und
das gnädige Fräulein hat das stolze Bewußtsein wenn in/fü/r diese Monaten das
Musizieren endgültig eingestellt wird daß ihre
Kunst wenigstens keine brodlose ist.
Hochachtungsvoll
FrW.