[1. Erster Briefentwurf:]
Darf ich Ew. Hochwohlgeboren höflichst ersuchen von dem
Inhalt beiliegender Zeilen Kenntnis zu nehmen.
Hochachtungsvoll ergebenst.
F.W.
Ew. Hochwohlgeboren.
Ew. Hochwohlgeboren Darf ichumgestellt, zuerst: Darf ich Ew. Hochwohlgeboren. höflichst ersuchen von den hier
beigelegten TagebuchZeilen Kenntnis zu
nehmen, aus denen Ew. Hochwohlgeboren gütigst ersehen dürften wollen
weshalb ich mich gezwungen sehe war Sie mit dieser Streitsache Zusendung zu belästigen zur Last zu fallen.
In vorzüglicher Hochschätzung
ergebenst
F.W.
An
die Herren Societäre des Deutschen Theaters in Berlin.
[2. Zweiter Briefentwurf:]
Da mir Herr Direktor Reinhart die Direktion des
Deutschen Theaters
das Recht streitig macht über meine eigene geistige Arbeit zu verfügen, ersuche ich Sie höflichst von
beiliegenden Zeilen Kenntnis nehmen zu wollen.
[3. Abgesandter Brief:]
Ew. HochwohlgeborenDa diese Anrede in der Regel für adelige Personen bestimmt war und in dem siebenköpfigen Adressatenkreis des Reinhardt-Tagebuchs nur Robert von Mendelssohn geadelt war, dürfte er der Adressat dieses Briefes gewesen sein (unsicher ermittelt). Erhalten ist als abgesandter Brief in diese Runde ansonsten nur noch der an Maximilian Harden [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 17.10.1908].!
Da mir die Direktion des Deutschen Theaters das
Verfügungsrecht über meine geistige Arbeit streitig macht, ersuche ich Ew.
Hochwohlgeboren höflichst von beiliegenden ZeilenDem abgesandten Brief liegt heute nichts mehr bei. Briefbeilage war ein von Wedekind verfasstes „Tagebuch“ [KSA 5/II, S. 278-281; vgl. 5/III, S. 695-702] über seine Auseinandersetzungen mit Max Reinhardt um die Auflösung seiner Verträge mit dem Deutschen Theater, das er seinem tatsächlichen Tagebuch zufolge am 11.9.1908 in Berlin schrieb (Entwurf der Beilage): „Ich stelle das Reinhardttagebuch zusammen bei Steinert und C. d. W.“ Am 14.9.1908 notierte er zur Herstellung des Typoskripts (Beilage): „Abschrift des Reinhardt-Tagebuches. Gebe Reinhardt Tagebuch zum Verfielfältigen.“ Eines der vervielfältigten Exemplare ging an Robert von Mendelssohn. Kenntnis nehmen zu wollen.
Hochachtungsvoll ergebenst
Frank Wedekind.
17.10.8.Im Tagebuch hält Wedekind am 17.10.1908 fest: „Tagebuch nach Berlin verschickt.“ Das ist die Beilage, die Wedekind mit Anschreiben am 17.10.1908 außer an Robert von Mendelssohn an Maximilian Harden, Emmy Loewenfeld, Fritz Andreae, Hermann Rosenberg, Walther Rathenau und Paul Cassirer sandte.
[4. Entwurf der Beilage:]
Tagebuch
Ich habe von Max Reinhardt das schmutzigste geschäftliche
Vorgehen erfahren, das ich in meiner zwanzigjährigen Schriftstellerpraxis
erlebt habe.
21.12.5.
Abschluß eines Schauspielervertrages zwischen der Direktion
Max Reinhart und mir gültig vom 1.X.6 bis und mit 31.III 07 zu M. 1000 pro
Monat. Direktor Reinhart hat das Recht, den Vertrag auf ein weiteres Jahr 1 X
1907 ‒ 31 III 1908 unter
gleichen Bedingungen verlängert zu erklären.
15.III 06
Tartuffeprobe. Herr
Max Reinhart führt Regie. Nachdem Herr
Reinhart die h zwei Stunden hindurch die Rolle des Tartuffe | sehr
anstrengend mit mir probiert hat stürzt Felix Holländer in der Pause mit einem
fertig aufgesetzten Kontrakt auf mich zu, von dem vorher nie mit einer Sylbe
die Rede war. Er bittet mich ins Bureau zu kommen und sagt versichert mir der gleiche Contrakt
sei von allen übrigen Autoren des Deutschen Theaters unterzeichnet worden, ich
werde daher nicht zögern ihn auch ebenfalls zu unterschreiben. Der Kontrakt verpflichtet den
Unterzeichner ohne jeder Gegenleistung, ohne daß auch nur ein
Aufführungstermin ++ für die einzelnen Stücke fixirt ist auf fünf Jahre
alle seine dramatischen Werke zum Zweck der Aufführung zuerst dem Deutschen
Theater
einzureichen. Irgendwelche Gegenleistung | die dieser Verpflichtung entspräche ist in dem Kontrakt
nicht fixiert. Es ist nicht einmal ein Aufführungstermin für die einzureichenden
Stücke festgesetzt.
Ich unterschreibe Angespannt und verwirrt wie ich bin unterzeichne
ich den Kontrakt/Vertrag/.
Nachdem dann die Probe noch etwa eine Stunde gedauert hat
lädt mich Felix Holländer zum Mittagessen bei Borchart ein, an dem auch außer uns Reinhart theilnimmt
Else Frl. Heims und Herr Lewin
theilnehmen.
19.6.07.
Reinhardt fragt mich im Deutschen Theater ob ich dazu bereit
bin meinen Schauspielervertrag mit ihm auf ein weiteres Jahr zu verlängern. Ich
erkläre mich damit einverstanden.
1.X.07
Vom Seit dem 19.6.07 warte | ich vergeblich auf eine schriftliche Erledigung
der von uns besprochenen Kontraktverlängerung Abmachungen, treffe aber heute trotzdem pünktlich am 1.X. in Berlin ein nachdem ich die
vorhergehenden drei Wochen anstrengend an den Vorbereitungen für die Aufführung
gearbeitet habe, die als erste der Saison festgesetzt ist.
8.X.07 Ich gehe Nachdem ich 8 Tage auf Benachrichtigung gewartet ich ins die Kammerspielhaus,
betheilige mich an den Proben und frage Felix Holländer, da schriftlichen/es/
nichts darüber abgeschlossen
ist, ob mein Schauspielervertrag als verlängert zu betrachten ist oder nicht. Felix
Holländer giebt die feste Zusicherung, daß der Vertrag durch die mündliche
Vereinbarung thatsächlich verlängert worden ist. |
10.X.07 Felix Holländer erklärt auf der Probe sämmtlichen Beteiligten, daß vorderhand keine
weiteren Proben des festgesetzten Stückes stattfinden.
11.X.07 Ich erhalte einen Brief von Herrn Edmund Reinhart, daß die Proben des festgesetzten Stückes bis auf weiteres verschoben
eingestellt sind.
29.X.07 Die Proben werden unter meiner Mitwirkung wieder aufgenommen
und finden bis 8.XI täglich statt.
4 XI 07 Ich gehe in die Kanzlei um meine Gage zu erheben. Der
Rendant theilt mir mit, daß er keine Anweisung hat mir etwas zu bezahlen. Ich
mache Herrn Max Reinhart davon Mitteilung. Herr | Max Reinhart sagt mir: „Ich
werde die Sache sofort in Ordnung bringen“.
5.XI 07 Ich gehe in die Kanzlei um meine Gage zu erheben. Der
Rendant theilt mir mit, daß er immer noch keine Anweisung hat mir etwas zu
bezahlen. Daraufhin
mache ich keine weiteren Versuche mehr meine Gage zu erheben und habe sie auch
thatsächlich nicht erhalten.
8 XI 8
XI 07 Herr Reinhardt bietet mir auch eine Verlängerung des Kontraktes unter anderen
veränderten Daten an, eine
Verlängerung des Kontraktes unter abgeänderten Daten an, auf die ich mich aber
nicht mehr einlasse.
14 XI 07 Ich mache Herrn Dramaturg Holländer Kahane Holländer Mittheilung daß ich auf mein
Engagement für den laufenden Winter (M. 6000) verzichte, wenn ich dafür den am
15 III 06 unterzeichneten Autorenvertrag zurückerhalte. Herr Holländer Kahane Holländer sagt entgegnet mir daß nicht er,
sondern Herr Reinhart darüber zu entscheiden habe. |
15.II 08 Herr Reinhart sagt mir, daß nicht er, sondern Herr
Holländer den Autorenvertrag vom 15.III.06 mit mir vereinbart habe. und giebt
mir aber in Gegenwart des
Herrn Direktor André die Versicherung daß er mir für die in dem Vertrag noch
vorgesehenen drei Jahre eine entsprechende Entschädigung für meine Verpflichtungen auszahlen werde.
[Einweisungszeichen am
linken Seitenrand]
22.4.8 Herr Max Reinhardt
unterbreitet mir einen Vertrag in dem im Gegensatz zu unserer Unterredung vom [Lücke] keine Bezahlung für meine
Verpflichtungen festgesetzt ist sondern von denen statt einer Garantie der
Forderungen meines Verlegers | unter der Bedingung, daß ich in/an/ den
Kammerspielen zu Spielhonoraren auftrete, die dreimal niedriger sind, als wie
sie mir von irgend einem andern Theaterdirektor bezahlt werden. Theaterdirektor
bezahlt werden.
[Einweisungszeichen am
linken Seitenrand]
Ich bitte Herrn Max Reinhart inständig mir den
Autorenvertrag vom 15 III 06 zurückzugeben. Meine Zugehörigkeit zum Deutschen
Theater werde dadurch keinerlei Schaden erleiden, dagegen werde eine Quelle
fortlaufenden Mißtrauens dadurch befestigt.
Ich erkläre Herrn Reinhart, daß ich nicht zwanzig Jahre
um meine persönliche Freiheit gekämpft habe, um | schließlich ein unbezahlter
Angestellter des Deutschen Theaters zu sein.
8.4.8. Herr Direktor Reinhart weigert sich mir irgendwelche
Bezahlung für den Autorenvertrag zuzugestehen. Ich bitte Herrn Reinhart
inständig mir den Vertrag zurückzugeben. Meine Zugehörigkeit zum Deutschen
Theater werde dadurch keinerlei Schaden erleiden, dagegen werde mein Gefühl
persönlicher Erniedrigung und Entwürdigung dadurch die Zurückgabe beseitigt. Ich suche Herrn
Reinhardt begreiflich zu machen daß ich nicht zwanzig Jahre um meine
persönliche Freiheit gekämpft habe, um | schließlich unbezahlter Angestellter
des Deutschen Theaters zu sein, um schließlich weniger Rechte (in Berlin)
zu haben, als jeder erste beste beliebige hergelaufene andere Schriftsteller der nach Berlin kommtzu
haben. Ich
suche Herrn Reinhardt ganz vergeblich davon zu überzeugen, daß der zwischen uns
bestehende Vertrag zwischen anständigen Menschen unmöglich ist. und daß ein
anständiger Mensch niemals auf der Erfüllung eines so unbilligen
Vertrages bestehen würde.
Herr Reinhart entgegnet mir, daß den Vertrag ohne
Einwilligung seiner Sozietäre nicht lösen dürfe/arf/. Auf diese
handgreifliche Unwahrheit hin erkläre ich ihm daß ich mich | mit meinen
Beschwerden dann eben dann eben notwendigerweise an seine Sozietäre
wenden (müsse.) muß werde
Aus den mir vorgelegten Verträgen ersehe ich daß nicht ein
einziger Autor des Deutschen Theaters den gleichen Vertrag wie ich unter den gleichen
Bedingungen unterzeichnet hat, daß ich also durch die mir von Herrn Felix
Holländer am 15.III 06 gegebene Versicherung schlechtweg betrogen worden bin. [Darunter durchgezogener Trennstrich,
darunter Text in anderem Zusammenhang] |
Sollten
sich die Herren Sozietäre das Deutsche Theater nicht zur
Lösung des Kontraktes
dazu entschließen können
Sollte der in Rede stehende Vertrag nicht gelöst werden, dann würde ich andere Maßnahmen
vorbehalten mich
eben gezwungen sehen für die nächsten drei Jahre meine dramatische Produktion
einzustellen. In diesem Falle wäre es aber ziemlich ausgeschlossen, daß das
Deutsche Theater nach Ablauf dieser Frist noch jemals eine Bühnenarbeit von mir
zur Aufführung erhielte. |
Ich sage mir ganz bescheiden, daß sich der Mensch nicht zum
Künstler emporringt, um durch die Thatsache daß er sich zum Künstler
emporgerungen hat eine solche Ansammlung von Ekelhaftigkeiten erleben zu
müssen.
Datum 1 VIII 08
1
VIII 08 Für die Gefahr Möglichkeit daß mir Herr Max Reinhart am 8. April die Wahrheit gesagt haben
sollte, stelle ich aus meinen Tagebuchaufzeichnungen die auf obigen diesen Blättern enthaltenen
Daten zusammen für die Sotietäre des Deutschen Theaters und richte an die
Herren Sozietäre die erg des Deutschen Theaters die ergebene
Bitte Herrn Direktor Reinhart zur Rückgabe Lösung des unbilligen und für mich unwürdigen Kontraktes zu
bevollmächtigen, damit ich nicht nach dreijähriger künstlerischer Thätigkeit in
Berlin diese Stadt mit dem Gefühl persönlicher Demütigung und Erniedrigung
verlassen muß. Ich
sage mir ganz bescheiden, daß sich der Mensch nicht zum Künstler emporringt um
durch die Thatsache daß er Künstler geworden ist, eine solche Ansammlung von
Ekelhaftigkeiten zu erleben.
Frank Wedekind
[5. Beilage:]
Tagebuch.
21. Dezember 1905In Wedekinds Tagebuch ist unter diesem Datum der Abschluss des Schauspielervertrags nicht vermerkt..
Abschluss eines Schauspielervertrages zwischen der Direktion
Max Reinhardt vom Deutschen Theater in Berlin und mir, gültig vom 1. Oktober
1906 bis 31. März 1907 zu M. 1000 pro Monat. Direktor Reinhardt hat das Recht,
den Vertrag auf ein weiteres Jahr unter gleichen Bedingungen für verlängert zu
erklären.
15. März
1906Im Tagebuch ist unter diesem Datum notiert: „Tartuffeprobe. Diner mit Lewin Reinhart Holländer und Else Heims bei Borchart. Kontract auf 5 Jahre unterschrieben“. Molieres Lustspiel „Tartüff“ hatte unter der Regie von Max Reinhardt mit Frank Wedekind in der Rolle des Tartüff am 25.4.1906 am Deutschen Theater Premiere und erlebte 7 Aufführungen..
Probe von „Tartüffe“. Herr Max Reinhardt führt Regie.
Nachdem Herr Reinhardt die Rolle des Tartüffe zwei Stunden hindurch sehr
anstrengend mit mir probiert hat, kommt Herr Felix Holländer in der Pause mit
einem fertig aufgesetzten Kontrakt auf mich zu, von dem vorher nie mit einer
Silbe die Rede war. Er bittet mich ins Bureau zu kommen und versichert mir
dort, der gleiche Kontrakt sei von allen übrigen Autoren des Deutschen Theaters
unterzeichnet worden, ich werde daher nicht zögern ihn ebenfalls zu
unterschreiben. Der Kontrakt verpflichtet den Unterzeichner, auf fünf Jahre
alle seine dramatischen Werke zum Zweck der Aufführung zuerst dem Deutschen
Theater einzureichen. Irgendwelche Gegenleistung, die dieser Verpflichtung
entspräche, ist in dem Kontrakt nicht stipuliertvertraglich vereinbart.. Es ist nicht einmal ein
Aufführungstermin für die einzelnen Stücke festgesetzt. |
2.
Abgespannt und verwirrt, wie ich infolge der vorangegangenen
Anstrengungen bin, unterzeichne ich den Vertrag.
Nachdem dann die Probe noch etwa eine Stunde gedauert, lädt
mich Herr Holländer zum Mittagessen bei Borchardt ein, an dem auch Herr
Direktor Reinhardt und Herr Lewin teilnehmen.
19. Juni 1907Im Tagebuch ist unter diesem Datum notiert: „Besprechung mit Reinhardt.“.
Herr Reinhardt fragt mich im Deutschen Theater, ob ich dazu
bereit bin, meinen Schauspielervertrag auf ein weiteres Jahr mit ihm zu
verlängern. Ich erkläre mich damit einverstanden.
1. Oktober 1907Im Tagebuch hat Wedekind unter diesem Datum lediglich notiert, er habe „an Censur gearbeitet.“.
Seit dem 19. Juni warte ich vergeblich auf eine schriftliche
Erledigung der zwischen uns besprochenen Kontraktverlängerung, treffe aber
heute trotzdem pünktlich in Berlin ein, nachdem ich seit drei Wochen an den
Vorbereitungen für die als erste der bevorstehenden Saison festgesetzte
Aufführung gearbeitet habe.
8. Oktober 1907Im Tagebuch ist unter diesem Datum notiert: „Ich gehe auf die Probe M. v. K. Gespräch mit Holländer“. Die Premiere des „Marquis von Keith“ in den Kammerspielen des Deutschen Theaters unter der Regie von Frank Wedekind, der zugleich die Rolle des Konsul Kasimir spielte, fand am 9.11.1907 statt..
Nachdem ich acht Tage auf Benachrichtigung gewartet, gehe
ich ins Kammerspielhaus, wo ich mich an den Proben beteilige, und frage Herrn
Holländer, ob mein Schauspielervertrag, da schriftlich |
3.
nichts darüber abgeschlossen ist, als verlängert zu betrachten ist oder nicht.
Herr Holländer gibt mir die feste Versicherung, dass der Vertrag durch die
mündliche Vereinbarung vom 19. Juni tatsächlich verlängert worden ist.
4. November 1907Im Tagebuch ist unter diesem Datum notiert: „Keithprobe. Ich suche vergeblich Gage zu erheben.“.
Nachdem ich seit dem 8. Oktober an sämtlichen stattgehabten
Proben teilgenommen, gehe ich in die Kanzlei, um meine Gage zu erheben. Der
RendantBuchhalter. teilt mir mit, dass er keine Anweisung hat, mir etwas auszubezahlen.
Ich mache Herrn Max Reinhardt davon Mitteilung. Herr Reinhardt sagt mir: „Ich
werde die Sache sofort in Ordnung bringen.“
5. November 1907Im Tagebuch ist unter diesem Datum wie am Vortag notiert: „Keithprobe [...] Ich suche vergeblich Gage zu erheben.“.
Ich gehe in die Kanzlei, um meine Gage zu erheben. Der
Rendant teilt mir mit, dass er immer noch keine Anweisung hat, mir etwas zu
bezahlen. Daraufhin mache ich keine weiteren Versuche mehr zu meiner Gage zu
kommen und habe sie auch tatsächlich nicht erhalten.
8. November 1907Im Tagebuch ist unter diesem Datum in diesem Zusammenhang lediglich notiert: „Generalprobe.“.
Herr Reinhardt bietet mir schriftlich eine Verlängerung des
Kontraktes unter abgeänderten Daten an, worauf ich mich aber nicht mehr
einlasse. |
4.
14. November 1907Im Tagebuch ist unter diesem Datum in diesem Zusammenhang lediglich notiert: „Keith 4.“.
Ich mache Herrn Holländer Mitteilung, dass ich auf mein
Engagement für den laufenden Winter (Mark 6000) verzichte, wenn ich dafür den
am 15. März 1906 während der Tartüffe-Probe unterzeichneten Autoren-Vertrag
zurückerhalte. Herr Holländer entgegnet mir, dass nicht er, sondern Herr Max
Reinhardt darüber zu entscheiden habe.
15. Februar 1908Im Tagebuch ist unter diesem Datum notiert: „Große Abendgesellschaft bei Reinhart“..
Auf meine Vorstellung, dass der zwischen uns bestehende
Vertrag vom 15.III.06 unbillig sei, lehnt Herr Max Reinhardt die Verantwortung
ab, da nicht er, sondern Herr Holländer ihn mit mir vereinbart habe. Herr
Reinhardt gibt mir aber in Gegenwart des Herrn Direktor André wiederholt die
feste Versicherung, dass er mir für die in dem Vertrag noch vorgesehenen drei
Jahre eine entsprechende Entschädigung für meine Verpflichtung auszahlen werde.
8. April 1908Im Tagebuch ist unter diesem Datum notiert: „Abends Unterredung mit Reinhardt und Holländer im Deutschen Theater. Nachher allein bei Steinert.“.
Herr Reinhardt weigert sich auf das entschiedenste,
irgendwelche Bezahlung für die durch den Autoren-Kontrakt vom 15.III.06 mir
auferlegten Verpflichtungen kontraktlich mit mir zu vereinbaren, erbietet sich
aber mündlich, die Forderungen meines Verlegers an das |
5.
Deutsche Theater für die drei Jahre in bestimmter Höhe zu garantieren. Ich
ersuche Herrn Reinhardt inständig, mir den strittigen Kontrakt, für den er
nicht einen Pfennig bezahlt hat, zurückzugeben. Meine Zugehörigkeit zum
Deutschen Theater werde dadurch in keiner Weise beeinträchtigt werden, dagegen
werde mein Gefühl persönlicher Entwürdigung durch die Zurückgabe beseitigt. Ich
suche Herrn Reinhardt begreiflich zu machen, dass ich nicht zwanzig Jahre um
meine persönliche Freiheit gekämpft habe, um schliesslich unbezahlter
Angestellter der Direktion Max Reinhardt zu sein; um schliesslich
weniger Rechte in Berlin zu haben als jeder erste beste beliebige andere
Schriftsteller. Ich suche Herrn Reinhardt ganz vergeblich davon zu überzeugen,
dass der zwischen uns bestehende Vertrag zwischen Menschen, die
gesellschaftlich miteinander verkehren, unmöglich ist und dass ein anständiger
Mensch dem anderen gegenüber nie auf der Erfüllung eines so unbilligen
Vertrages bestehen würde.
Herr Reinhardt entgegnet mir, dass er den Vertrag ohne
Einwilligung der Sozietäre des Deutschen Theaters nicht lösen darf. Auf
diese handgreifliche Unwahrheit hin erkläre ich ihm, dass ich mich dann eben an
die Sozietäre des Deutschen Theaters wenden werde.
Aus den mir vorgelegten mit anderen Autoren abgeschlossenen
Verträgen ersehe ich, dass kaum ein einziger mit dem von mir unterzeichneten
übereinstimmt, dass ich also durch die mir am 15. März 1906 von Herrn Felix
Holländer gegebene Versicherung schlechtweg betrogen worden bin. |
6.
22. April 1908Im Tagebuch findet sich unter diesem Datum kein Hinweis auf den vorliegenden Zusammenhang..
Herr Max Reinhardt unterbreitet mir schriftlich einen
Vertrag, in dem auf drei Jahre eine Garantie der Forderungen meines Verlegers
festgesetzt ist unter der Bedingung, dass ich in den Kammerspielen und am
Deutschen Theater zu Spielhonoraren auftrete, die dreimal niedriger sind, als
wie sie mir zur Zeit von anderen Theaterdirektoren bezahlt werden.
1. Juli 1908Im Tagebuch findet sich unter diesem Datum kein Hinweis auf den vorliegenden Zusammenhang. Wedekind stellte das „Reinhardttagebuch“ erst am 11.9.1908 zusammen..
Für die Möglichkeit, dass mir Herr Max Reinhardt am 8. April
die Wahrheit gesagt haben sollte, stelle ich aus meinen Tagebuchaufzeichnungen
die auf diesen Blättern enthaltenen Daten für die Herren Sozietäre des
Deutschen Theatershier Unterstreichung und mit Einweisungszeichen versehen unten auf der Seite notierte Ergänzung zu dieser Stelle von fremder Hand: „zu denen Dr. R. gehörte, / Gaitner / Sekr.“ zusammen und richte an die Herren Sozietäre das Gesuch,
Herrn Direktor Reinhardt zur Lösung des unbilligen und für mich unwürdigen
Kontraktes zu bevollmächtigen, damit ich nicht nach dreijähriger künstlerischer
Tätigkeit in Berlin diese Stadt mit dem Gefühl persönlicher Demütigung
verlassen muss. Ich sage mir ganz bescheiden, dass sich der Mensch nicht zum
Künstler emporringt, um durch die Tatsache, dass er Künstler geworden ist, eine
solche Ansammlung von Ekelhaftigkeiten zu erleben. Sollte sich das Deutsche
Theater nicht zur Lösung des Kontraktes entscheiden können, dann würde ich, ‒ andere Massnahmen
vorbehalten ‒ mich
eben gezwungen sehen, für die nächsten drei Jahre meine dramatische Produktion
einzustellen. In diesem Falle wäre es aber ziemlich ausgeschlossen, dass das
Deutsche Theater nach Ablauf dieser Frist noch jemals eine Bühnenarbeit von mir
zur Aufführung erhielte.
Frank Wedekind.