Kennung: 127

Zürich, 10. Februar 1908 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Donald (Doda)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Société du Musée
à
ZURICH


Museumsgesellschaft
in
ZÜRICH


Zürich Den 10. Februar 1908
17. Mythenstraße


Mein lieber Frank!
Letzten Sonnabendam 8.2.1908. war ich wiederum bei Dr. v. Monakowder Neurologe Constantin von Monakow, Donald Wedekinds behandelnder Arzt, bei dem er auf Anraten seines Bruders Frank seinen Gesundheitszustand überprüfen ließ. und er empfahl mir für einige Zeit vollständige Enthaltung„Mißbrauch von Alkohol und Tabak spielen“ nach zeitgenössischem Verständnis „eine bedeutende Rolle“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. Bd 14. Leipzig, Wien 1908, S. 528] bei der Entstehung von Neurasthenie. geistiger Getränke und Einschränkung im Nikotingenuß, welchen zwei Principien ich augenblicklich recht gerne nachlebe, schon deswegen, weil mit einem solchen Beginn ein sparsameres Leben Hand in Hand geht. Ich vermutete, Du würdest Dich vielleicht brieflich an Dr. v. M. gewandt haben, um auf diese | Weise eine Begutachtung, die er mir noch nicht geben will, zu erhalten. Ich glaube dieser Modus wäre der Beste, um den anfänglichen Zweck zu erreichen und mit den jedenfalls nicht billigen ConsultationSchreibversehen, statt: Consultationen. ein Ende zu machen. Ich sprach ihm also von Dir und er wäre jedenfalls/gewiß/ nicht verwundert, von Dir im obigen Sinne einige Zeilen zu erhalten.

Was nun meine materielle Existenz anbelangt, so ist mit einer Rückgängigmachung der KündigungDonald Wedekind war seine Stelle als Redakteur des „Zürcher Theater-, Konzert- und Fremdenblatts“ gekündigt worden [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 1.5.1908], die er seit Ende Mai 1906 inne hatte [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 10.4.1906]. Sein Nachfolger wurde „Herr Willy Bierbaum, der Bb.-Mitarbeiter der ‚Neuen Zürcher Zeitung‘“ [Zürcherische Freitagszeitung, Nr. 14, 3.4.1908, Beilage, S. (3)]. kaum zu rechnen, da es eigentümlicherweise J. C. HeerDer Schweizer Schriftsteller Jakob Christoph Heer war 1892 Feuilletonredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung“ und 1899 Mitarbeiter der „Gartenlaube“ gewesen. 1908 war er nach Rüschlikon bei Zürich übergesiedelt [vgl. Adreßbuch der Stadt Zürich 1909, Teil I, S. 179]. Sein im Engadin angesiedelter, überaus erfolgreicher Roman „Der König der Bernina“ (1900) hatte 1908 bereits die 40. Auflage erreicht. ist, der Dichter des Königs der Bernina, der den Keil zwischen meine KommissionDas „Zürcher Theater-, Konzert- und Fremdenblatt“ wurde von der Verkehrskommission Zürich herausgegeben: „Die offizielle Verkehrskommission (30 Mitglieder, worunter 3 vom Stadtrat Zürich gewählte Vertreter), der Vorstand der offiziellen Verkehrskommission (7 Mitglieder) und ein stehendes Bureau als Offizielles Verkehrsbureau im Hause Nr. 1, Stadthausquai, Parterre, dem als Chef der Sekretär der offiziellen Verkehrskommsission vorsteht.“ [Adreßbuch der Stadt Zürich 1908, Teil IV, S. 114f.]. und mich getrieben hat. Was diesen Mann, der doch der Einkünfte überreichlich hat, veranlassen konnte, sich um die Leitung | eines mehr verkehrstechnischen als litterarischen, kleinen Blattes zu bewerben, ist mir unerklärlich. Aber die Liebe zur Zeitungsschreiberei mag ja bei vielen Leuten groß sein. Ich meinesteils schrieb in diesen Tagen an drei maßgebende, mir persönliche Stellen in Berlinnicht ermittelt., im Sinne einer Bewerbung um einen Korrespondenzposten, und werde in nächster Zeit noch mehr Weckrufe erlassen, außerdem sehe ich jeden Tag die Annoncenteile der Zeitungen nach, mache natürlich hier auf dem Platze Gebrauch von allen meinen persönlichen RelationenBeziehungen., um von der verlorenen Position allenfalls noch zu retten, was zu retten ist. Mehr kann ich nicht tun. Glaube mir, daß ich Dich beneide, daß es Dir gelungen ist, Deinem freien Schaffen/Arbei/ten und Dei|ner Persönlichkeit so Durchbruch zu verschaffen, daß Du auch materiell gesichert bist; daß für mich Solches ausgeschlossen ist, weiß ich heute und damit auch, daß das Frühjahr, ohne neue, feste Betätigung und ohne Subsistenz, ziemlich sicher katastrophal werden muß. Ich bitte dich deshalb noch einmal, vielleicht in Hinsicht auf unsere alte Mutter, die ohne Not keine herbe Lebenserfahrung mehr in’s Jenseits hinüber nehme, tue in meiner Sache, was du kannst. Und was ich jederzeit für dich getan hätte.

Damit bin ich, Dich in Treuen grüßend und dir nochmals versichernd, daß ich mich von Herzen an Deinem Glücke freue, Dein Bruder
Donald

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22 cm. Mit gedrucktem Briefkopf. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Zürich
    10. Februar 1908 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Zürich
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 304
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Donald (Doda) Wedekind an Frank Wedekind, 10.2.1908. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

14.11.2023 14:53