Kennung: 1003

Leipzig, 4. Februar 1898 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Weinhöppel, Hans Richard

Inhalt

Leipzig, 4.II.1898.


Lieber Freund,

warum haben Sie mir denn nicht gleich geschriebenHinweis auf eine nicht überlieferte Mitteilung; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Richard Weinhöppel an Wedekind, 3.2.1898. Hans Richard Weinhöppel dürfte seine Freundin Sophie Schröter als „vollständig verrückt“ beschrieben haben – und zwar nachdem sie am 1.2.1898 zu ihrem Gastauftritt in Leipzig war (siehe unten)., daß die Person vollständig verrückt ist. Ich hätte mich dann weiß Gott nicht in Ihre Angelegenheitendie Beziehung Hans Richard Weinhöppels zur Münchner Konzertsängerin Sophie Schröter [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 23.12.1897], die Wedekind befürwortet und zu intensivieren vorgeschlagen hat [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 21.1.1898]. gemischt. Ihren letzten Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Richard Weinhöppel an Wedekind, 31.1.1898. Wedekinds Freund dürfte in diesem Brief seine Reise nach Leipzig zu dem Konzert am 1.2.1898 (siehe unten) krankheitsbedingt kurzfristig abgesagt haben; er enthielt womöglich intime Mitteilungen und die Bitte, ihn zu vernichten, da Wedekind ihn zerrissen hat. an mich habe ich Gott sei Dank sofort nach Empfang zerrissen. Ihren vorigen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Richard Weinhöppel an Wedekind, 19.12.1897. Dieser Brief dürfte schwärmerische Äußerungen über Sophie Schröter enthalten haben, wie Wedekinds Antwort vermuten lässt [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 23.12.1897]. hat sie selber aus meinen Papieren herausgeklaubtSophie Schröter hat Wedekind also in seiner Wohnung besucht – wahrscheinlich am 7.1.1898 [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 7.1.1898]. Wedekind wohnte in Leipzig seinerzeit offenbar bei Kurt Martens in der Haydnstraße 1 (Parterre) [vgl. Frank Wedekind an Erika Wedekind, 5.1.1898].. Ich konnte sie mit aller Gewalt nicht daran hindern. Es fehlt nur sehr wenig daran, daß sie mich hier nicht vollkommen lächerlich gemacht hätte. Wenn sie mir erzählt, daß sie noch Jungfrau sei, so denke ich natürlich, sie thut es aus persönlicher Sympathie. Sie hat es aber jedem erzählt, der ihr in den Weg kam.

Ich habe mich sehr gefreut, Ihre Lieder im ConcertWedekind hat das Konzert am 1.2.1898 in der Alberthalle in Leipzig besucht, wo Sophie Schröter zwei Lieder von Hans Richard Weinhöppel (Pseudonym: Hans Richard) gesungen hat, wie angezeigt war: „Alberthalle. Dienstag, den 1. Februar, Abends 7½ Uhr: VII. Philharmonisches Concert. Leitung: Hans Winterstein. Solisten: [...] Fräulein Sophie Schröter aus München (Gesang). [...] 4. Lieder: [...] c. Geheimnis, d. Schlummre, Kind, v. Hans Richard.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 53, 31.1.1898, Morgen-Ausgabe, S. 770] Die Sängerin war angekündigt: „Fräulein Sophie Schröter aus München, eine zwar in Leipzig noch unbekannte, aber bedeutende, mit einer phänomenalen Stimme begabte Altistin, die erst kürzlich in einem in Berlin veranstalteten Brahms-Abend durch hinreißende Vorträge das Publicum begeisterte.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 46, 27.1.1898, Morgen-Ausgabe, S. 665] zu hören. Sie wirkten noch entschieden am besten von allem was gesungen wurdeSophie Schröter sang am 1.2.1898 in Leipzig (siehe oben) zwei von Wedekinds Freund komponierte Lieder, „‚Geheimniß‘ und ‚Schlummre, mein Kind‘ von Richard“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 59, 3.2.1898, Morgen-Ausgabe, S. 860] Ihr Gastauftritt ist kritisch besprochen worden: „Die Sängerin Fräulein Schröter hat weder in Beziehung auf Stimme und Methode, noch auf Vortragsmanier einen vortheilhaften Eindruck auf uns hervorgebracht, und namentlich waren uns das chronische Tremoliren und das öftere Schreien statt des Singens zuwider. Das Publicum zeigte sich der Dame günstiger gestimmt, denn es applaudirte nicht nur lebhaft und erging sich in Hervorrufen, sondern es setzte sogar auch noch das Spenden einer Zugabe durch. Die von Fräulein Schröter zu Gehör gebrachten Sachen hießen übrigens: Recitativ und Arie (‚Wohin, unglückliche Alveste‘ aus Gluck’s ‚Alceste‘) und die Lieder ‚Ruhe, meine Seele‘ und ‚All’ mein’ Gedanken‘ von Richard Strauß, ‚Geheimniß‘ und ‚Schlummre, Kind‘ von Hans Richard. Daß die Wahl dieser Lieder eine glückliche gewesen sei, möchten wir für unseren Theil nicht behaupten.“ [Signale für die Musikalische Welt, Jg. 56, Nr. 12, 8.2.1898, S. 179] „Frl. Schröter war bisher in Leipzig noch nicht aufgetreten. Sie führte sich mit Gluck’s ‚Ihr Götter ewiger Nacht‘ ein und sang später [...] am Flügel begleitete Lieder von Rich. Strauss ([...] zwei warm empfundene und musikalisch interessante Gesänge) und H. Richard (‚Geheimniss‘ und ‚Schlummre, Kind‘, eine dem künstlerischen Geschmack der Gastin keine besondere Ehre machende Wahl), denen sie eine uns unbekannte Zugabe folgen liess. Frl. Schröter schien nicht ganz im Besitz des ihrem Organ nach auswärtigen Berichten sonst eignenden Vollklangs zu sein, zeigte sich aber als intelligente und warmfühlende Künstlerin mit allerdings etwas eigenthümlichen äusserlichen Attitüden.“ [Musikalisches Wochenblatt, Jg. 29, Nr. 7, 10.2.1898, S. 100] „Die rücksichtslose Zeit ist an ihrem stimmlichen Material nicht spurlos vorübergegangen und hat ihm außer der Ausgeglichenheit der Register und der Leichtigkeit des Tonansatzes eigentlich nur noch im Forte einen als vortheilhaft zu bezeichnenden Klangcharakter belassen, während es im Mezzoforte und Piano des gesunden Timbres entbehrt, spröde, farblos und nicht tragfähig ist und durch ein beständiges Flackern der Töne noch ein Uebriges an Reiz verliert. Es ist das um so mehr zu bedauern, als die Sängerin mit Geschmack und Empfindung vorzutragen versteht und [...] Ausdrucksmomente zu verzeichnen hatte, die es einigermaßen erklärlich erscheinen ließen, daß der größere Theil des Publicums nicht mit Beifall kargte und eine – bereitwilligst gewährte – Zugabe begehrte.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 92, Nr. 59, 3.2.1898, Morgen-Ausgabe, S. 860]. Ueber meinen Erdgeistdie anstehende Uraufführung von Wedekinds Tragödie „Der Erdgeist“ (1895) durch die Literarische Gesellschaft in Leipzig unter der Regie von Carl Heine am 25.2.1898 im Leipziger Kristallpalast, deren Proben Wedekind dem Freund gegenüber bereits erwähnt hatte [vgl. Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 21.1.1898]. werden Sie alles von ihr erfahrenvon Sophie Schröter, von Leipzig zurück in München., vorausgesetzt daß sich bis München die Dinge in ihrem Kopf nicht völlig umgestaltet haben.

Mit großem Bedauern höre ichwohl wiederum von Sophie Schröter, die Wedekind von dem Befinden des Freundes berichtet haben dürfte., wie sehr Sie leidend sind. Sie sollten von München fort. Vielleicht kommen Sie wenigstens auf ein paar Tage hierher, um wieder etwas frischen Lebensmut zu schöpfen.

Meine Correspondenz mit der Damenicht überliefert (eine nicht bestimmbare Anzahl an Korrespondenzstücken); erschlossenes Korrespondenzstück (exemplarisch eines von mehreren): Wedekind an Sophie Schröter, 9.1.1898. werde ich einstellen, da sie mir zu gefährlich erscheint und ich keine Ursache habe, neues Gewölk über meinem Haupte zusammen zu ziehen. Zeigen Sie diese Zeilen bitte niemandem. Zerreißen Sie sie, denn sonst bekommt sie sie doch in die Hände.

In alter Freundschaft Ihr
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Sonstiges:
Das Korrespondenzstück ist nur im Druck überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Leipzig
    4. Februar 1898 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    Leipzig
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
297-298
Briefnummer:
135
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Hans Richard Weinhöppel, 4.2.1898. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (03.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Überarbeitet von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

27.09.2024 10:53