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Kennung: 672

Berlin, 23. April 1916 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Harden, Maximilian

Inhalt

Deutsche Gesellschaft 1914

Berlin W.
Wilhelmstr. 67Wedekind schrieb den vorliegenden Brief dem Briefkopf zufolge in den Räumlichkeiten der Deutschen Gesellschaft 1914, wo er am 23.4.1916 zu Mittag aß: „Mittagessen im Klub.“ [Tb].


23.4.16.


Lieber verehrter Herr Harden!

Wollen Sie erlauben, Ihnen bewunderungsvollen Dank für Ihre Tat zu sagen. Sie stehen als Einziger unter sechzig Millionen da, der die Kraft und die Macht hat, in die Speichen zu greifen. Diese Tatsache läßt mit Zuversicht die entscheidende Wirkung hoffen. Wie Sie dem Sturm Ihrer Gegner standhalten | werden, übersteigt mein Begriffsvermögen, obschon ich ein heiliges Vertrauen auf Ihre Unerschütterlichkeit und Stärke habe. Für diesen bevorstehenden Kampf empfinde ich, wie für die Tat selber nur schrankenlose Bewunderung. Wie nichtig ist unser ganzer Parlamentarismus gegen Ihr „Wenn ich Wilson wäre“!In diesem berühmt gewordenen Artikel legte Maximilian Harden dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson die Rolle des Friedensvermittlers nahe. Im ersten, „Krieg?“ überschriebenen Abschnitt stellte er die moderne Kriegsrealität heraus: „Der Krieg von heute, der Belagerungsgeschoß gröbsten Kalibers in Hagelsdichte auf Menschen niederprasseln läßt, der mit Flattermienen, Stickgas, Flammenwurf, Spreng- und Giftstoff, Trug und Tücke jeglicher Art arbeitet, hat mit Ritterkampf, hat auch mit den auf Fußvolk, Reiter, Feldgeschütz beschränkten Kriegen des neunzehnten Jahrhunderts nicht mehr die schmalste Gemeinschaft.“ [Wenn ich Wilson wäre. In: Die Zukunft, Jg. 24, Nr. 29, 22.4.1916, S. 55-82, hier S. 61]. Im zweiten, „Friede“ überschriebenen Abschnitt plädierte er für „Waffenstillstand“ [S. 77] und, als weitere Zukunftsperspektive, als „unseres Strebens Ziel: organisirter Friede.“ [S. 76] Angestrebt wird eine internationale Friedenssicherung: „Meines Geistes Auge sieht die Zeit, in der Staaten einander sich in Interessengemeinschaft verbünden“ [S. 77]; ausgesprochen wird außerdem die Überzeugung, dass nach dem Krieg „Demokratie unaufhaltsam ist“ [S. 78]. Die segensvolle Lösung des Welt-Unheils, die Sie mit größter geistiger Schöpferkraft der Menschheit vor Augen stellen, | entzieht den Böswilligen den Boden unter den Füßen. Vielleicht wird ein künftiges Deutschland auf Sie e/E/inzigen ebenso stolz, vielleicht auch stolzer sein als auf seine Siege.

Der vorangegangene KampfAnspielung auf das Verbot der „Zukunft“ vom 22.12.1915, das bald wieder aufgehoben wurde. um die „Zukunft“ scheint mir von größter Bedeutung für die durchschlagende Wirkung Ihrer Worte, da der Hörer heute außer von Ihren Worten selbst auch von Ihrer Macht durchdrungen ist. Das Bild des Kämpfers überragt das Bild des Politikers.

Eben im Begriff abzureisenWedekind notierte am 24.4.1916: „Fahrt nach München.“ [Tb] | bitte ich Sie noch, für die reiche GastlichkeitWedekind war während seines Aufenthalts in Berlin nachweislich am 21.4.1916 zu Gast bei Maximilian Harden: „Zu Mittag bei Harden“ [Tb]., die ich in Ihrem Hause genoß und durch die ich mich noch lange gestärkt fühlen werde aufrichtigen herzlichen Dank entgegen zu nehmen.

Mit der Bitte, mich Ihren verehrten Damen ergebenst zu empfehlen
Ihr alter
Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 13,5 x 22 cm. Mit gedrucktem Briefkopf.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Berlin
    23. April 1916 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Berlin
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Pharus V. Frank Wedekind, Thomas Mann, Heinrich Mann – Briefwechsel mit Maximilian Harden

Herausgeber:
Ariane Martin
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag Jürgen Häusser
Jahrgang:
1996
Seitenangabe:
131
Briefnummer:
93
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Bundesarchiv Koblenz

Potsdamer Straße 1
56075 Koblenz
Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Maximilian Harden
Signatur des Dokuments:
Nr. 109
Standort:
Bundesarchiv Koblenz (Koblenz)

Danksagung

Wir danken dem Bundesarchiv Koblenz für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Maximilian Harden, 23.4.1916. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

30.10.2023 22:35
Kennung: 672

Berlin, 23. April 1916 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Harden, Maximilian
 
 

Inhalt

Deutsche Gesellschaft 1914

Berlin W.
Wilhelmstr. 67Wedekind schrieb den vorliegenden Brief dem Briefkopf zufolge in den Räumlichkeiten der Deutschen Gesellschaft 1914, wo er am 23.4.1916 zu Mittag aß: „Mittagessen im Klub.“ [Tb].


23.4.16.


Lieber verehrter Herr Harden!

Wollen Sie erlauben, Ihnen bewunderungsvollen Dank für Ihre Tat zu sagen. Sie stehen als Einziger unter sechzig Millionen da, der die Kraft und die Macht hat, in die Speichen zu greifen. Diese Tatsache läßt mit Zuversicht die entscheidende Wirkung hoffen. Wie Sie dem Sturm Ihrer Gegner standhalten | werden, übersteigt mein Begriffsvermögen, obschon ich ein heiliges Vertrauen auf Ihre Unerschütterlichkeit und Stärke habe. Für diesen bevorstehenden Kampf empfinde ich, wie für die Tat selber nur schrankenlose Bewunderung. Wie nichtig ist unser ganzer Parlamentarismus gegen Ihr „Wenn ich Wilson wäre“!In diesem berühmt gewordenen Artikel legte Maximilian Harden dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson die Rolle des Friedensvermittlers nahe. Im ersten, „Krieg?“ überschriebenen Abschnitt stellte er die moderne Kriegsrealität heraus: „Der Krieg von heute, der Belagerungsgeschoß gröbsten Kalibers in Hagelsdichte auf Menschen niederprasseln läßt, der mit Flattermienen, Stickgas, Flammenwurf, Spreng- und Giftstoff, Trug und Tücke jeglicher Art arbeitet, hat mit Ritterkampf, hat auch mit den auf Fußvolk, Reiter, Feldgeschütz beschränkten Kriegen des neunzehnten Jahrhunderts nicht mehr die schmalste Gemeinschaft.“ [Wenn ich Wilson wäre. In: Die Zukunft, Jg. 24, Nr. 29, 22.4.1916, S. 55-82, hier S. 61]. Im zweiten, „Friede“ überschriebenen Abschnitt plädierte er für „Waffenstillstand“ [S. 77] und, als weitere Zukunftsperspektive, als „unseres Strebens Ziel: organisirter Friede.“ [S. 76] Angestrebt wird eine internationale Friedenssicherung: „Meines Geistes Auge sieht die Zeit, in der Staaten einander sich in Interessengemeinschaft verbünden“ [S. 77]; ausgesprochen wird außerdem die Überzeugung, dass nach dem Krieg „Demokratie unaufhaltsam ist“ [S. 78]. Die segensvolle Lösung des Welt-Unheils, die Sie mit größter geistiger Schöpferkraft der Menschheit vor Augen stellen, | entzieht den Böswilligen den Boden unter den Füßen. Vielleicht wird ein künftiges Deutschland auf Sie e/E/inzigen ebenso stolz, vielleicht auch stolzer sein als auf seine Siege.

Der vorangegangene KampfAnspielung auf das Verbot der „Zukunft“ vom 22.12.1915, das bald wieder aufgehoben wurde. um die „Zukunft“ scheint mir von größter Bedeutung für die durchschlagende Wirkung Ihrer Worte, da der Hörer heute außer von Ihren Worten selbst auch von Ihrer Macht durchdrungen ist. Das Bild des Kämpfers überragt das Bild des Politikers.

Eben im Begriff abzureisenWedekind notierte am 24.4.1916: „Fahrt nach München.“ [Tb] | bitte ich Sie noch, für die reiche GastlichkeitWedekind war während seines Aufenthalts in Berlin nachweislich am 21.4.1916 zu Gast bei Maximilian Harden: „Zu Mittag bei Harden“ [Tb]., die ich in Ihrem Hause genoß und durch die ich mich noch lange gestärkt fühlen werde aufrichtigen herzlichen Dank entgegen zu nehmen.

Mit der Bitte, mich Ihren verehrten Damen ergebenst zu empfehlen
Ihr alter
Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 13,5 x 22 cm. Mit gedrucktem Briefkopf.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Berlin
    23. April 1916 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort

    Berlin
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Pharus V. Frank Wedekind, Thomas Mann, Heinrich Mann – Briefwechsel mit Maximilian Harden

Herausgeber:
Ariane Martin
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag Jürgen Häusser
Jahrgang:
1996
Seitenangabe:
131
Briefnummer:
93
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Bundesarchiv Koblenz

Potsdamer Straße 1
56075 Koblenz
Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Maximilian Harden
Signatur des Dokuments:
Nr. 109
Standort:
Bundesarchiv Koblenz (Koblenz)

Danksagung

Wir danken dem Bundesarchiv Koblenz für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Maximilian Harden, 23.4.1916. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

30.10.2023 22:35