Montag
AbendDer 10.12.1883 war ein Montag..
Weh mir, es ist gescheh’n!
Mit Absicht ließ ich „aus Verseh’n“
Das PoemDas zweite Gedicht Wedekinds an Blanche Zweifel, in die er sich auf der Tanzveranstaltung bei der Familie Hünerwadel (25.11.1883) verliebt hatte: „FRAU VENUS / O, wie lange soll ich harren, / Bis ich wiederum dich seh? – / Wenn Dein dunkler Blick voll Güte / Nicht mein Herze noch durchglühte, / Ach, es hätte längst erstarren / Müssen in der Liebe Weh. – // Heiße Sehnsucht läßt mich wachen, / Wenn die Welt in Träumen ruht. / Doch was soll mir auch der Schlummer? / Denn für allen Liebeskummer / Finde ich ja tausendfachen / Trost in Deiner Augen Gluth! / Tannhäuser.“ [KSA 1/I, S. 111] in der Kleidertasche,
Dazu die rosa LockenmascheGemeint sein dürfte eine rosa Haarschleife, auch als Haarmasche bezeichnet.;
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Weh mir! Weh Dir! Weh uns! –
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Weiter
reicht’s heut mit dem besten Willen nicht mehr mit dem Verse schmieden, denn
nachdem ich um ½ 10 Uhr aufgestanden, hatte ich allüberall Ordnung zu machen,
so auch | in der Theatergarderobe, u da ist’s nun vollbracht worden, was wir
gestern, wollt ich sagen heute früh ausgesonnen haben. Nein es ist entsetzlich
,/!/
Statt Dich von solchen Thorheiten zu kuriren, lasse ich mich hinreißen Deine
Gymnasiastenstreiche auszuführen! Himmel wann wird sich mein Tollkopf endlich
mal in die vielgepriesene, echte, weibliche Sphäre hineinfinden? Ich amüsire
Dich mit meiner, | nicht nach der Schablone gebildeten Art u Weise, das kann
ich mir theilweis denken, allein als Freundin sollte ich Dir mehr denn bloßes
Amüsement bieten u das fehlt eigentlich, das fühle ich mit tiefem Bedauren! Ich
habe nun mein Herz wegen der „
Frau Venus“-AffäreWedekind hatte sich, wie er selbst gestand, auf der Tanzveranstaltung bei Hünerwadels am 25.11.1883 in eine junge Frau verliebt [vgl. Wedekind an Anny Barck, 28.11.1883] und gleich am nächsten Tag ein Gedicht auf sie gemacht (mit dem in hebräischen Lettern geschriebenen Titel „Blanche Zweifel“), das er Tage später seiner Cousine zur Kritik zusandte [Wedekind an Minna von Greyerz, 30.11.1883]. Noch am 4.12.1883 wusste Minna von Greyerz nichts von „Frau Venus“, wie Wedekind Blanche Zweifel in dem oben zitierten Gedicht [siehe Anm. „Das Poem“] titulierte, das Minna von Greyerz im vorliegenden Brief bekannt gewesen sein dürfte.
bereits der
Anny
gegenüber erleichtert u bin gespannt was sie dazu sagen wird; wenn nur die, an
u für sich harmlose Geschichte, nicht schief heraus kommt, das wäre fatal! Es
war | doch eigentlich recht hübsch
am CäcilienfestEinmal im Jahr „am Tag der heiligen Cäcilia (22. November) sollte der Musikverein Lenzburg, 1865 eine größere musikalische Veranstaltung mit einem nachfolgenden frugalen Abendessen“ veranstalten, ein Fest, das in der Folge oft einige Tage nach dem Gedenktag gefeiert wurde [vgl. Argovia. Jahresschrift der historischen Gesellschaft des Kantons Aargau, Bd. 20, 1889. S. 176, Nr. 343]. 1883 muss das Cäcilienfest am Sonntag, den 9.12.1883, stattgefunden haben. Dafür gibt es zahlreiche Indizien. In einem Brief erzählt Wedekind von der Tanzveranstaltung bei Hünerwadels (am 25.11.1883) und erwähnt dabei, dass in 8 Tagen Cäcilienfest sei – also in der Woche nach dem 2.12.1883 [vgl. Wedekind an Anny Barck, 28.11.1883]. Minna von Greyerz erwähnt in einem Brief [Minna von Greyerz an Wedekind, 2.12.1883], dass am kommenden Sonntag (9.12.1883) ein Fest mit Tanzveranstaltung sei. Das Datum nennt auch Emil Braun im Zusammenhang mit dem 1883 neu gewählten Leiter des Musikvereins Eugen Gugel, der sich an „der Cäcilienfeier (9. Dezember)“ vorteilhaft eingeführt habe [vgl. Emil Braun: Geschichte des Orchesters des Musikvereins Lenzburg. Festschrift zur Feier des Hundertjährigen Bestehen 1832-1932. Lenzburg 1932, S. 75]., besonders der Tanz mit Dir, da wir uns nach unsern theilweis zuwiderlaufenden
Ansichten, dennoch mit dem gleichem Gefühl, mit wahrer Tanzwuth uns unter die
Wirbelnden mischten, war flott!
Du u Herr
Spilker waren mir die angenehmsten Unterhalter,
warum sollte ich’s verhelen? Heute Nachmittag hab ich von 1-5 Uhr
EisgelaufenDas fürs Eislaufen gut geeignete trockene Frostwetter mit sinkenden Temperaturen hatte sich zum Wochenende eingestellt, hielt aber nur bis Montag, den 10.12.1883, an: „Das Wetter hat vollständig umgeschlagen. Am Montag noch ansehnliche Kälte, am Dienstag Vormittag starker Schneefall, Nachmittags Regen, gestern früh Glatteis bei 6° Reaumur über Null und heute wieder Schnee.“ [Aargauer Nachrichten, Jg. 29, Nr. 295, 13.12.1883, S. (2); vgl. ebd., Nr. 291, 8.12.1883, S. (3)] – Eine Woche zuvor (Montag, den 3.12.1883) lud das Wetter mit „Regen und Schneefall“ zum Eislaufen nicht ein [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 63, Nr. 337, 3.12.1883, Ausgabe 2, S. (2)]., richte Dich doch
mit
Deinen AufgabenEs dürfte sich um die Hausaufgaben für den Schulunterricht handeln. (!)
wenn Du kannst so danach, daß Du am
Mittwochzur wöchentlichen Chorprobe, die Minna von Greyerz wie auch Blanche Zweifel besucht haben dürften., wenn’s der
Himmel erlaubtBei starkem Schneetreiben drohte der Zugverkehr zwischen Aarau, wo Wedekind die Kantonsschule besuchte, und Lenzburg eingestellt zu werden, so dass er die Nacht in seinem Pensionszimmer in Aarau hätte bleiben müssen., auch kommen kannst, das wäre allerliebst! Mit
innigem Gruß wünscht Dir eine gute Nacht mit schönen Träumen
Dein „
Sturmwind“.