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Kennung: 5554

Schloss Lenzburg, 22. Juli 1885 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Friedrich Wilhelm

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Schloß Lenzburg, 22. Juli 1885.


Mein lieber Bebi!

Zunächst meinen besten und herzlichsten Glückwunsch zu Deinem GeburtstageWedekinds 21. Geburtstag am 24.7.1885., von welchem ich hoffe, daß Du ihn bei guter Gesundheit dort zubringen mögest. Durch constante Sorge für deren Erhaltung und fleißiges Schaffen in Deinem BerufsstudiumWedekind studierte im 2. Semester Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. kannst Du mir und den Deinigen, vor allen aber Dir selbst nun den besten Dienst und das größte Gefallen erzeigen und es dahin bringen, daß Du auch fürderhin und auf eine lange Reihe von Jahren hinaus Deinen Geburtstag frisch und gesund und zufrieden mit Deinem Geschick zu feiern im Stande sein wirst. Daß solches der Fall sein möge ist mein einziger und höchster Wunsch, den ich Dir heute darbringe.

Gleichzeitig mit diesem Briefe sende ich ein MandatPostmandat, Formular zur Einziehung von Geldbeträgen über Postämter. für M 20. als mein Geburtstagsgeschenk an Dich ab.

Da das jetzige Semester bald zu Ende geht und ich wünsche, daß Du das nächste zusammen mit Armin in ZürichNachdem Armin und Frank Wedekind das Wintersemester 1884/85 gemeinsam in München verbracht hatten, war Armin Wedekind für sein Medizinstudium bereits zum Sommersemester 1885 nach Zürich gewechselt; zum Wunsch des Vaters, Frank Wedekind möge nun nachfolgen, siehe auch Armin Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1885. zubringst, so schreibe mir umgehends, an welchem Datum Du von dort abzureisen gedenkst, wie viel Geld Du noch für dort für die Zeit vom 1. Aug. bis zum Tage Deiner Abreise und für Deine Reise hieher bedarfst, damit ich Dir den Betrag noch rechtzeitig bis zum 1. August zusenden kann.

Wenn Du mir einen Gefallen erzeigen willst, dann suche dort den Universitätsprofessor und berühmten Reisenden Moritz WagnerDer Naturforscher Moritz Wagner (Maximilianstraße 21, 1. Stock links) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1885, Teil I, S. 548] war seit 1862 Honorarprofessor für Ethnographie und Geographie an der Universität München und Direktor der ethnographischen Sammlungen. Friedrich Wilhelm Wedekind hatte ihn während seines Türkeiaufenthalts am 1.10.1843 in Samsun kennengelernt [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind: Tagebuch 1835 – 1847. AfM Zürich, PN 169.1: 301]. auf, der aber Alters halber nicht mehr liest, und überbringe ihm einen freundlichen Gruß von mir, der ich im Jahr 1844 mit ihm und dem Dr. med. StollFranz Stoll hatte in Würzburg Medizin studiert und war als Arzt seit 1843 in Konstantinopel; seit 1846 leitete er dort das neu eröffnete erste deutsche Krankenhaus. Friedrich Wilhelm Wedekind hatte ihn während seines Türkeiaufenthalts gleich nach seiner Ankunft in Konstantinopel am 4.9.1843 kennengelernt [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind: Tagebuch 1835 – 1847. AfM Zürich, PN 169.1: 301 und Friedrich Wilhelm Wedekind an Friederike Dorothee Wedekind. Diarbekir, 20.5. bis 7.6.1844; AfM Zürich, PN 169.1: 266]. in Constantinopel in demselben Hause wohnte und mit beiden eng befreundet war. Im Oktober desselben Jahres, als wir abends gerade vor einem Café auf dem Piccolo campoein im Stadtteil Pera in Istanbul gelegener, „sehr ausgedehnte[r] türkische[r] Begräbnisplatz mit riesenhaften Cypressen, in dessen Nähe mehrere Wirthschaften sind, in deren Gärten des Abends vielbesuchte Conzerte stattfinden“ [Johann Kränzle: Reise nach Jerusalem über Wien, Constantinopel, Aegypten und zurück über Damaskus, Neapel und Rom in Pilgerbriefen. Augsburg 1868, S. 23]. unsern Mokka einnahmen, ertönte plötzlich das Feuersignal, jankin warYangin var (türk.) = Feuer!, und obgleich der BrandausbruchFriedrich Wilhelm notierte am 2.10.1844 im Tagebuch: „Abends 9 Uhr bricht eine Feuersbrunst am kleinen Campo aus; ich habe aber Zeit genug, meine Effecten zu retten, als auch unser Haus in Flammen steht. Wir bivouakiren im Hofe der russischen Canzlei bis 5 Uhr morgens, wo dem Brande Einhalt gethan wird.“ Die Presse berichtete: „Konstantinopel, 9. Oct. In der Nacht vom 2 auf den 3. Oct. hat Pera, das oft und schwer heimgesuchte, wieder arge Feuersnoth erlitten. Um 8 Uhr Abends erscholl das gräßliche ‚Jangin war‘ der hier auch dem Muthigsten das Mark im Beine erschütternde Feuerruf, vom südlichen Theile der kleinen Friedhöfe. Das Feuer griff in dem völlig hölzernen Quartiere und bei dem, wenn auch nur mäßigen Südwinde in nördlicher und nordwestlicher Richtung mit großer Schnelligkeit um sich, und als man seiner nach achtstündigem Kampfe ganz Meister geworden, wobei die Hauptstraße Pera’s ihre Rettung großentheils nur der langen steinernen Mauer des russischen Kanzleigebäudes verdankt, war schon eine beträchtliche Zahl der zwischen letzterer und den Friedhöfen gelegenen Häuser bis auf den Grund niedergebrannt.“ [Allgemeine Zeitung, Nr. 298, 24.10.1844, S. 2384] | mehr als hundert Häuser von unserer Wohnung entfernt stattfand, eilten wir dennoch sofort heim, packten schleunigst unsere Koffer, ließen sie in den geräumigen Hof der russischen Gesandtschaft tragen und, die ganze Nacht auf ihnen sitzend, sahen wir von hier aus auch unser Haus in Flammen aufgehen. Professor Wagner ist besonders bekanntZu Moritz Wagners Publikationen zählten: „Reise nach dem Ararat und dem Hochlande Armenien“ (1848), „Reise nach Persien und dem Lande der Kurden“ (1852), „Republik Costa-Rica in Central-Amerika“ (1856), „Beiträge zur Meteorologie und Klimatologie von Mittel-Amerika“ (1864) und „Beiträge zu einer physisch-geographischen Skizze des Isthmus von Panama“ (1861). durch seine Reisen am Urmia und Sewan-SeeDer Urmiasee ist heute der größte See im Norden Irans, der Sewansee der größte See Armeniens. in ArmenienBergland in Vorderasien, das zeitgenössisch unter teils osmanischer, teils russischer Herrschaft stand. und später in Central-Amerika und besonders auf dem IsthmusLandenge, der engste Abschnitt einer Landbrücke. von Panama, von woher ihn auch der Nationalrath Dr. JoosWilhelm Joos bereiste seit 1848 mehrfach Süd- und Mittelamerika, seit 1863 war er Schweizer Nationalrat. „Als Antwort auf die ländl. Überbevölkerung und die Arbeitslosigkeit in der Schweiz propagierte J. nicht die Industrialisierung, sondern die geregelte Auswanderung nach Übersee. Er schloss 1860 einen Vorvertrag mit der Regierung von Costa Rica zwecks Übernahme von Regierungsland durch die Schweiz und versuchte vergeblich, die Schweiz. Gemeinnützige Gesellschaft für den Plan zu gewinnen.“ [Historisches Lexikon der Schweiz: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/004232/2008-02-04/. Zugriff am 8.10.2024]. kennt. Dieser besucht ihn von Zeit zu Zeit in München; von mir bringe ihm wenigstens einen Gruß, erzähle ihm von meinen Schicksalen seit jener Stambuler ZeitIn Istanbul (Konstantinopel) hielt sich Friedrich Wilhelm Wedekind vom 3. bis 29.9.1843 und vom 22.8.1844 bis zum 30.9.1845 auf [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind: Tagebuch 1835 – 1847. AfM Zürich, PN 169.1: 301]. , die ihm schwerlich bekannt sind, und lade ihn ein, gelegentlich einer etwaigen Schweizerreise uns hier oben zu besuchen. Frage ihn auch, ob der Dr. Stoll noch lebtFranz Stoll war am 2.2.1882 in Konstantinopel gestorben. und wenn, wo er sich aufhält. –

Anny BarkAnny Barck aus Freiburg im Breisgau war Mitglied des im Herbst 1883 gegründeten Freundschaftsbundes „Fidelitas“. Wedekind hatte sie im Juli 1883 während ihres Besuchs (bei Minna von Greyerz) in Lenzburg kennengelernt. ist seit einigen Wochen mit einem H. Otto Petervermutlich der Straßburger Kaufmann und Inhaber eines Baumaterialien-Geschäfts Otto Peter (Weissenburgerstraße 5) [vgl. Adreßbuch der Stadt Straßburg. 1884–85, Teil I, S. 162]. in Straßburg verlobt. – Morgen früham 23.7.1885. denke ich auf einen Tag mit Doda nach Bern zu reisen, um ihm die Bundeshauptstadt zu zeigen und mit ihm das Eidgenössische SchützenfestDas 31. Eidgenössische Schützenfest war am 19.7.1885 in Bern eröffnet worden und dauerte bis zum 28.7.1885. Die Presse berichtete: „Der Einzug in das festlich geschmückte Bern war glänzend. Ueberhaupt spottet die Prachtentfaltung Bern’s jeglicher Beschreibung.“ [Walliser Bote, Jg. 28, Nr. 30, 25.7.1885, S. 3] zu besuchen, das diesmal sehr brillant sein soll.

Indem auch Doda und Mati Dir ihre herzlichen Glückwünsche senden empfange nochmals meine besten Grüße, der ich verbleibe stets
Dein treuer Papa

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. 21 x 27 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Textverlust durch Abriss der rechten oberen Ecke des Blatts.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Die aufgrund von Papierverlust fehlende Jahreszahl ergibt sich aus dem Briefkontext.

  • Schreibort

    Schloss Lenzburg
    22. Juli 1885 (Mittwoch)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
96-97
Briefnummer:
37
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 312
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 22.7.1885. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

17.10.2024 10:29
Kennung: 5554

Schloss Lenzburg, 22. Juli 1885 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Friedrich Wilhelm

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Schloß Lenzburg, 22. Juli 1885.


Mein lieber Bebi!

Zunächst meinen besten und herzlichsten Glückwunsch zu Deinem GeburtstageWedekinds 21. Geburtstag am 24.7.1885., von welchem ich hoffe, daß Du ihn bei guter Gesundheit dort zubringen mögest. Durch constante Sorge für deren Erhaltung und fleißiges Schaffen in Deinem BerufsstudiumWedekind studierte im 2. Semester Jura an der Ludwig-Maximilians-Universität in München. kannst Du mir und den Deinigen, vor allen aber Dir selbst nun den besten Dienst und das größte Gefallen erzeigen und es dahin bringen, daß Du auch fürderhin und auf eine lange Reihe von Jahren hinaus Deinen Geburtstag frisch und gesund und zufrieden mit Deinem Geschick zu feiern im Stande sein wirst. Daß solches der Fall sein möge ist mein einziger und höchster Wunsch, den ich Dir heute darbringe.

Gleichzeitig mit diesem Briefe sende ich ein MandatPostmandat, Formular zur Einziehung von Geldbeträgen über Postämter. für M 20. als mein Geburtstagsgeschenk an Dich ab.

Da das jetzige Semester bald zu Ende geht und ich wünsche, daß Du das nächste zusammen mit Armin in ZürichNachdem Armin und Frank Wedekind das Wintersemester 1884/85 gemeinsam in München verbracht hatten, war Armin Wedekind für sein Medizinstudium bereits zum Sommersemester 1885 nach Zürich gewechselt; zum Wunsch des Vaters, Frank Wedekind möge nun nachfolgen, siehe auch Armin Wedekind an Frank Wedekind, 7.7.1885. zubringst, so schreibe mir umgehends, an welchem Datum Du von dort abzureisen gedenkst, wie viel Geld Du noch für dort für die Zeit vom 1. Aug. bis zum Tage Deiner Abreise und für Deine Reise hieher bedarfst, damit ich Dir den Betrag noch rechtzeitig bis zum 1. August zusenden kann.

Wenn Du mir einen Gefallen erzeigen willst, dann suche dort den Universitätsprofessor und berühmten Reisenden Moritz WagnerDer Naturforscher Moritz Wagner (Maximilianstraße 21, 1. Stock links) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1885, Teil I, S. 548] war seit 1862 Honorarprofessor für Ethnographie und Geographie an der Universität München und Direktor der ethnographischen Sammlungen. Friedrich Wilhelm Wedekind hatte ihn während seines Türkeiaufenthalts am 1.10.1843 in Samsun kennengelernt [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind: Tagebuch 1835 – 1847. AfM Zürich, PN 169.1: 301]. auf, der aber Alters halber nicht mehr liest, und überbringe ihm einen freundlichen Gruß von mir, der ich im Jahr 1844 mit ihm und dem Dr. med. StollFranz Stoll hatte in Würzburg Medizin studiert und war als Arzt seit 1843 in Konstantinopel; seit 1846 leitete er dort das neu eröffnete erste deutsche Krankenhaus. Friedrich Wilhelm Wedekind hatte ihn während seines Türkeiaufenthalts gleich nach seiner Ankunft in Konstantinopel am 4.9.1843 kennengelernt [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind: Tagebuch 1835 – 1847. AfM Zürich, PN 169.1: 301 und Friedrich Wilhelm Wedekind an Friederike Dorothee Wedekind. Diarbekir, 20.5. bis 7.6.1844; AfM Zürich, PN 169.1: 266]. in Constantinopel in demselben Hause wohnte und mit beiden eng befreundet war. Im Oktober desselben Jahres, als wir abends gerade vor einem Café auf dem Piccolo campoein im Stadtteil Pera in Istanbul gelegener, „sehr ausgedehnte[r] türkische[r] Begräbnisplatz mit riesenhaften Cypressen, in dessen Nähe mehrere Wirthschaften sind, in deren Gärten des Abends vielbesuchte Conzerte stattfinden“ [Johann Kränzle: Reise nach Jerusalem über Wien, Constantinopel, Aegypten und zurück über Damaskus, Neapel und Rom in Pilgerbriefen. Augsburg 1868, S. 23]. unsern Mokka einnahmen, ertönte plötzlich das Feuersignal, jankin warYangin var (türk.) = Feuer!, und obgleich der BrandausbruchFriedrich Wilhelm notierte am 2.10.1844 im Tagebuch: „Abends 9 Uhr bricht eine Feuersbrunst am kleinen Campo aus; ich habe aber Zeit genug, meine Effecten zu retten, als auch unser Haus in Flammen steht. Wir bivouakiren im Hofe der russischen Canzlei bis 5 Uhr morgens, wo dem Brande Einhalt gethan wird.“ Die Presse berichtete: „Konstantinopel, 9. Oct. In der Nacht vom 2 auf den 3. Oct. hat Pera, das oft und schwer heimgesuchte, wieder arge Feuersnoth erlitten. Um 8 Uhr Abends erscholl das gräßliche ‚Jangin war‘ der hier auch dem Muthigsten das Mark im Beine erschütternde Feuerruf, vom südlichen Theile der kleinen Friedhöfe. Das Feuer griff in dem völlig hölzernen Quartiere und bei dem, wenn auch nur mäßigen Südwinde in nördlicher und nordwestlicher Richtung mit großer Schnelligkeit um sich, und als man seiner nach achtstündigem Kampfe ganz Meister geworden, wobei die Hauptstraße Pera’s ihre Rettung großentheils nur der langen steinernen Mauer des russischen Kanzleigebäudes verdankt, war schon eine beträchtliche Zahl der zwischen letzterer und den Friedhöfen gelegenen Häuser bis auf den Grund niedergebrannt.“ [Allgemeine Zeitung, Nr. 298, 24.10.1844, S. 2384] | mehr als hundert Häuser von unserer Wohnung entfernt stattfand, eilten wir dennoch sofort heim, packten schleunigst unsere Koffer, ließen sie in den geräumigen Hof der russischen Gesandtschaft tragen und, die ganze Nacht auf ihnen sitzend, sahen wir von hier aus auch unser Haus in Flammen aufgehen. Professor Wagner ist besonders bekanntZu Moritz Wagners Publikationen zählten: „Reise nach dem Ararat und dem Hochlande Armenien“ (1848), „Reise nach Persien und dem Lande der Kurden“ (1852), „Republik Costa-Rica in Central-Amerika“ (1856), „Beiträge zur Meteorologie und Klimatologie von Mittel-Amerika“ (1864) und „Beiträge zu einer physisch-geographischen Skizze des Isthmus von Panama“ (1861). durch seine Reisen am Urmia und Sewan-SeeDer Urmiasee ist heute der größte See im Norden Irans, der Sewansee der größte See Armeniens. in ArmenienBergland in Vorderasien, das zeitgenössisch unter teils osmanischer, teils russischer Herrschaft stand. und später in Central-Amerika und besonders auf dem IsthmusLandenge, der engste Abschnitt einer Landbrücke. von Panama, von woher ihn auch der Nationalrath Dr. JoosWilhelm Joos bereiste seit 1848 mehrfach Süd- und Mittelamerika, seit 1863 war er Schweizer Nationalrat. „Als Antwort auf die ländl. Überbevölkerung und die Arbeitslosigkeit in der Schweiz propagierte J. nicht die Industrialisierung, sondern die geregelte Auswanderung nach Übersee. Er schloss 1860 einen Vorvertrag mit der Regierung von Costa Rica zwecks Übernahme von Regierungsland durch die Schweiz und versuchte vergeblich, die Schweiz. Gemeinnützige Gesellschaft für den Plan zu gewinnen.“ [Historisches Lexikon der Schweiz: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/004232/2008-02-04/. Zugriff am 8.10.2024]. kennt. Dieser besucht ihn von Zeit zu Zeit in München; von mir bringe ihm wenigstens einen Gruß, erzähle ihm von meinen Schicksalen seit jener Stambuler ZeitIn Istanbul (Konstantinopel) hielt sich Friedrich Wilhelm Wedekind vom 3. bis 29.9.1843 und vom 22.8.1844 bis zum 30.9.1845 auf [vgl. Friedrich Wilhelm Wedekind: Tagebuch 1835 – 1847. AfM Zürich, PN 169.1: 301]. , die ihm schwerlich bekannt sind, und lade ihn ein, gelegentlich einer etwaigen Schweizerreise uns hier oben zu besuchen. Frage ihn auch, ob der Dr. Stoll noch lebtFranz Stoll war am 2.2.1882 in Konstantinopel gestorben. und wenn, wo er sich aufhält. –

Anny BarkAnny Barck aus Freiburg im Breisgau war Mitglied des im Herbst 1883 gegründeten Freundschaftsbundes „Fidelitas“. Wedekind hatte sie im Juli 1883 während ihres Besuchs (bei Minna von Greyerz) in Lenzburg kennengelernt. ist seit einigen Wochen mit einem H. Otto Petervermutlich der Straßburger Kaufmann und Inhaber eines Baumaterialien-Geschäfts Otto Peter (Weissenburgerstraße 5) [vgl. Adreßbuch der Stadt Straßburg. 1884–85, Teil I, S. 162]. in Straßburg verlobt. – Morgen früham 23.7.1885. denke ich auf einen Tag mit Doda nach Bern zu reisen, um ihm die Bundeshauptstadt zu zeigen und mit ihm das Eidgenössische SchützenfestDas 31. Eidgenössische Schützenfest war am 19.7.1885 in Bern eröffnet worden und dauerte bis zum 28.7.1885. Die Presse berichtete: „Der Einzug in das festlich geschmückte Bern war glänzend. Ueberhaupt spottet die Prachtentfaltung Bern’s jeglicher Beschreibung.“ [Walliser Bote, Jg. 28, Nr. 30, 25.7.1885, S. 3] zu besuchen, das diesmal sehr brillant sein soll.

Indem auch Doda und Mati Dir ihre herzlichen Glückwünsche senden empfange nochmals meine besten Grüße, der ich verbleibe stets
Dein treuer Papa

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Kariertes Papier. 21 x 27 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Textverlust durch Abriss der rechten oberen Ecke des Blatts.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Die aufgrund von Papierverlust fehlende Jahreszahl ergibt sich aus dem Briefkontext.

  • Schreibort

    Schloss Lenzburg
    22. Juli 1885 (Mittwoch)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
96-97
Briefnummer:
37
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 312
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 22.7.1885. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
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Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

17.10.2024 10:29