Vergleichsansicht

Bitte wählen Sie je ein Dokument für die linke und rechte Seite über die Eingabefelder aus.

Kennung: 5356

München, 6. Mai 1886 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

München, 6. Mai 86.


Liebe Mama,

ich wünsche dir alles Liebe, Gute und Schöne zu Deinem GeburtstagAm 8.5.1886 hatte Emilie Wedekind ihren 46. Geburtstag.. Mögest Du noch recht manchen so herrlichen Frühling aufblühen sehen und dabei stehtsSchreibversehen, statt: stets. mit der nämlichen inneren Ruhe und philosophischen Zufriedenheit in dich und um Dich blicken können. Zwar kann ich mir wol denken, daß auch | Dich die letzten Wochen, Willys plötlicheSchreibversehen, statt: plötzliche. Reise nach AmerikaWilliam Wedekind schiffte sich am 24.4.1886 in Le Havre nach New York ein [vgl. Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 23.4.1886]. und der Abschied von ihm, nicht wenig in Aufregung erhalten haben mögen. Aber gerade von seinem rastlosen und unternehmungslustigen Naturell läßt sich doch erwarten, daß er sich auch in jenen ungewohnten Verhältnissen practisch zurechtfinden wird, und was die Gefahren einer noch nicht so civilisirten Welt anbelangt, so werden dieselben all den mannigfaltigen sorglich maskirten Fallgruben, die ihm | in jeder europäischen Großstadt im Weg gelegen wären, wol kaum an Bösartigkeit nachstehen. Mir kam die Nachricht seiner Abreise sehr unerwartet. Das liebe Mati hatte mich zwar schon vorher in einem sehr interessanten Briefvgl. Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 23.4.1886. davon unterrichtet; dieser Brief aber hatte leider, eh’ er zu mir gelangte, in einer Zeitung eingeschoben, einen kleinen Abstecher in’s Böhmische, nach dem reizenden Städtchen Winterberg unternommen, so daß er erst einen Tag vor Papa’s Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 27.4.1886. bei mir eintrafDa Wedekind im letzten Brief an seinen Vater [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 26.4.1886], die Informationen aus Emilie (Mati) Wedekinds Brief noch nicht hatte, kann deren Brief frühestens am folgenden Tag in München eingetroffen sein. Daraus abgeleitet ergibt sich das Schreibdatum des nicht überlieferten Briefs von Friedrich Wilhelm Wedekind, der am Tag darauf eintraf., der mich/r/ dann in ausführlichster | Weise über den Hergang und das Zustandekommen des ganzen Unternehmens Auskunft gab. Zu meinem großen Bedauern ersah ich daraus auch, daß Papa unter dem Einfluß der übermäßigen Anstrengungen und Strapazen jener Tage nicht unbedeutend zu leiden hatte. Der liebe Brief kündigte mir gottlob aber auch den ersten Schritt zur Besserung an und ich hoffe, daß sich das hartnäckige beängstigende Halsübel derweil von Tag zu Tag mehr gelegt haben wird. – Und Dir, | liebe Mama, bin ich auch noch den herzlichsten Dank schuldig, für deinen lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1886. aus dem Monat Me/ä/rz. Mit großer Freude erseh ich daraus wie auch aus Papa seinem Schreiben, daß sich diesen Winter wieder ein recht lebhaftes geistiges Leben in Lenzburg entfaltet hat. Wie könnte das auch anders sein in einer Stadt, wo zu den einheimischen nicht zu unterschätzenden Talenten sich noch Dichter und Sänger der verschiedensten Nationen, ja der verschiedensten Richtungen | und neueren Schulen zu sa gesellen. Ich kann mir des lebhaftesten vorstellen, welch ein Gesicht Tante Jahn zum Beispiel, diese begeisterte Vorkämpferin des Idealismus, zu den ultrarealistischen NaturlautenKarl „Henckell hatte sich als sozial engagierter naturalistischer Lyriker bereits einen Namen gemacht“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 103]. In der von Wilhelm Arent herausgegebenen Anthologie „Moderne Dichter-Charaktere“ verfasste er die Einleitung „Die neue Lyrik“ [vgl. Wilhelm Arent (Hg.): Moderne Dichter-Charaktere. Berlin 1885, S. V-VII], in der er dafür plädierte, „eine Poesie, also auch eine Lyrik zu gebären, die, durchtränkt von dem Lebensstrome der Zeit und der Nation, ein charakteristisch verkörpertes Abbild alles Leidens, Sehnens, Strebens und Kämpfens unserer Epoche darstellt“ [S. VII], und steuerte 20 Gedichte bei. 1885 war sein erster Lyrikband, das „Poetische Skizzenbuch“, erschienen mit einem Vorwort von Heinrich Hart, Anfang 1886 folgte der von ihm unter Mitwirkung von Arthur Gutheil, Erich Hartleben und Alfred Hugenberg herausgegebene Band „Quartett“. Als „Naturlaute“, die Wedekind in seiner Opposition von Idealismus und Realismus Henckells Lyrik als Stilmerkmal zuschrieb, galten der zeitgenössischen Wortlehre „Interjektionen“ als „[u]nmittelbarer Widerhall der Seele“: Dazu zählten „Empfindungslaute […], welche aus dem Innern stammende Empfindung ausdrücken (subjektiv), ein Schrei des Schmerzes, ein Jauchzen der Freude usw. – dumpfe unartikulierte Laute“ und „solche, die eine Erregtheit der Seele infolge einer äußeren Wahrnehmung ausdrücken (objektiv), also Staunen, Wohlgefallen, Überraschung, Furcht, Ekel usw. – reine Vokale oder mit Hauchlaut vorn oder hinten“ sowie „Begehrungslaute oder Lautgebärden, die einem andern Menschen etwas andeuten sollen […] Alle diese Naturlaute sind noch keine Wörter, sie drücken nur eine Empfindung oder einen sinnlichen Eindruck aus“ [August Englien: Grammatik der neuhochdeutschen Sprache. Berlin 1883, S. 76]. eines Herrn Henckel machen wird. Die leidige Natur ist ja, Gott sei’s geklagt, bekanntlich nicht überall schön, nicht einmal genußbringend und wenn man ihr nun zuerst jeden Funken von Geist austreibt und dem armen Gezöpfwohl in Anspielung auf allegorische Darstellungen von Mutter Natur, zugleich Verballhornung von ‚Geschöpf‘. dann noch dazu jeden mitleidigen Kleiderfetzen vom | Leib reißt, so muß ja nothwendiger Weise gar vieles zum Vorschein kommen, an dem sich das erhohlungsdurstige Menschenherz auch mit dem besten Willen nicht sonderlich erbauen kann. Paul Heyse schließt ein kurzes KnittelgedichtDas achtteilige Gedicht „Naturalismus“ (1885) von Paul Heyse enthält in Strophe 5 die zitierten Verse: „Sie konnten im Unsittlichen / Nicht kecker sich erdreisten; / Nur im Unappetitlichen / Blieb Großes noch zu leisten. / Die Muse wandelt in stolzer Ruh’ / Vorbei und hält sich die Nase zu.“ [Paul Heyse: Spruchbüchlein. Berlin 1885, S. 112] womit er diese himmelstürmenden Schulknaben beehrt, mit dem zarten Vers: „Die Muse wandelt in stolzer Ruh vorbei und hält sich die Nase zu.“ – Ich habe übrigens die Ehre eine der Koryphäen dieser sterilen Lasterdichterschulezu Wedekinds Auseinandersetzung mit der aktuellen Lyrik anläßlich der von Wilhelm Arent herausgegebene Anthologie „Moderne Dichter-Charaktere“ (1885) siehe auch den Briefwechsel mit dem Vater aus dieser Zeit. persönlich zu kennen, nämlich den Herrn Dr. KonradWedekind hat den naturalistischen Schriftsteller Michael Georg Conrad, Mitbegründer und Herausgeber der seit 1885 erscheinenden Literaturzeitschrift „Die Gesellschaft“, vermutlich kennengelernt, als er einen Brief Olga Plümachers überbrachte, worum sie ihn kurz zuvor gebeten hatte [vgl. Olga Plümacher an Wedekind, 2.5.1886]., einen ganz ergrimmten Zolaistenzeitgenössisch verbreitete abfällige Bezeichnung für die Nachahmer und Verteidiger der naturalistischen Prosa Émile Zolas. Michael Georg Conrad hat mehrfach zu Zola publiziert, so den Aufsatz „Zola und Duadet“ [in: Die Gesellschaft, Jg. 1, Nr. 40, 3.10.1885, S. 746-750 und Nr. 43, 24.10.1885, S. 800-805] und später mit den Büchern „Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann. Erinnerungen zur Geschichte der Moderne“ (1902) sowie „Emile Zola“ (1906).. Es gieb/n/g ihm aber in der Nachahmung | dieses großen Meisters, vor dem ich, nicht als Dichter sondern als Künstler, alle Hochachtung hege, ungefähr wie einem neueren Münchner Componistennicht identifiziert. mit seinem Vorbild Schumann. Derselbe fieng nämlich in übergroßem Eifer gerade damit an, womit sein Meister aufgehört hatte, mit dem VerrücktwerdenRobert Schumann verbrachte nach einem Selbstmordversuch am 27.2.1854 die letzten beiden Jahre seines Lebens in der Anstalt für Behandlung und Pflege von Gemütskranken und Irren in Endenich bei Bonn.. – Daß Dich bei deiner schönen Züricherfahrt Wagners WalküreRichard Wagners Oper „Die Walküre“ hatte am 27.1.1886 am Aktientheater (Direktion: Paul Schrötter) in Zürich Premiere und wurde bis zum Ende der Spielzeit am 15.4.1886 insgesamt 14 Mal gegeben [vgl. Neue Zürcher Zeitung, Jg. 66, Nr. 119, 30.4.1886, Erstes Blatt, S. (2)]. Emilie Wedekind besuchte zusammen mit Armin Wedekind die Vorstellung am 8.2.1886 [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 12.2.1886]. Wedekind kannte die Oper von einer Aufführung am Königlichen Hoftheater in München am 11.3.1885 [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 12.3.1885]. nicht besonders angesprochen hat, finde ich sehr begreiflich. Das ist eben auch so ein Kunstgenuß der eigentlich keiner ist, sondern im besten Fall Gelegenheit giebt, zu einem tiefen ästhetischen Studium. Das Werk enthält ja unzweifelhaft | viele großartige, fast übermenschliche Schönheiten, die aber nur demjenigen aufgehen, der sich ganz in den Wagnerischen philosophischen und künstlerischen Ideenkreisen zurechtgefunden hat, während die wahre reine Kunst doch gerade DasSchreibversehen, statt: gerade das. naive Gemüth direkt, unmittelbar erfassen sollte. – Mit schmerzlichem Bedauern vernahm ich zuerst aus deinem BriefEs dürfte sich hier ebenfalls um den Brief der Mutter vom März handeln (s. o.)., wie ernstlich gefährlich es um Hermanns Pl. GesundheitDer mit Wedekind befreundete Hermann Plümacher, Sohn von Olga Plümacher, war bereits seit mehreren Monaten schwer erkrankt. stehe. Papa schrieb mirs. o., daß er nun in GersauKurort im Kanton Schwyz am Nordufer des Vierwaldstättersees, den „bedeutende mediz. Autoritäten“ empfahlen, da er „vermöge seiner südlichen Lage, absoluten Schutzes vor kalten Windströmungen, gleichmässiger Temperatur mit geringen Schwankungen für Brustkranke, Blutschwache und Bleichsüchtige etc. von eminenter Bedeutung sei. […] Die Erfahrung gab Besserung und Heilung besonders bei Lungenspitzenkatarrhen ohne erhebliches Fieber, Rekonvaleszenten von schweren Lungen- und Rippenfellkrankheiten bei chronischen Pneumonien, wo eine allmälige Resorption erzielt wird, sowie bei Scrophulose und Anämie jugendlicher Individuen, wenn sie der Einleitung zur Phthisis verdächtig sind“.“ [Bäder-Almanach. Mittheilungen der Bäder, Luftkurorte und Heilanstalten in Deutschland, Oesterreich, Schweiz und der angrenzenden Gebiete für Aerzte und Heilbedürftige. 3. Ausg. Frankfurt a. M., Berlin 1886, S. 51]. In Gersau war Hermann Plümacher seit dem 20.3.1886 [vgl. Olga Plümacher an Frank Wedekind, 2.5.1886]. sei und sich besser befinde. Vor drei Tagen erhielt ich nun einen ausführlichen Brief | von Tante Plümachervgl. Olga Plümacher an Frank Wedekind, 2.5.1886.. Sie scheint ein/gef/aßt und ruhig geworden zu sein. Aber die schwere Zeit seit Neujahr muß d/s/ie doch furchtbar niedergedrückt haben. Irh/hr/ früher so objectiver PessimismusOlga Plümacher hatte zum philosophisch begründeten Pessimismus publiziert: „Der Pessimismus in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichtliches und Kritisches“ (1884). beginnt sich ins Practische zu übersetzen. Ein sanfter Trost in Leiden kann ja eine solche festgeschlossene Weltanschauung schwerlich sein; um so mehr aber ein Stütze, ein fundamentaler Halt, der die Seele nie aus einem gewissen Gleichgewicht kommen läßt. Vor einiger Zeit hab ich auch an Hermann geschriebennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 3.4.1886.. Um die selbe Zeit, da ihr in Lenzburg jene Abendunterhaltungnicht ermittelt. | besuchtet, hatte ich hier in München ebenfalls Gelegenheit, einer solchen beizuwohnen. Die hiesige SängerzunftDie Münchner Bürger-Sänger-Zunft, ein Männergsangsverein, hatte ihren Treffpunkt im „Hackerbräu Eing. Hackenstraße.“ [Adressbuch von München 1886, Teil III, S. 70]. eine Vereinigung aus den ersten Bürgerkreisen hatte Frl. Herzog eingeladen an ihrer Abendunterhaltung„Das Frühjahrskonzert der Bürger-Sängerzunft“ fand am 17.4.1886, „Abends 8 Uhr in Kils Kolosseum“ [Neueste Nachrichten und Münchener Anzeiger. Jg. 39, Nr. 104, 14.4.1886, Erstes Blatt, S. 3] „unter gütiger Mitwirkung der kgl. bayr. Hofopernsängerin Fräulein Emilie Herzog und des k. bayr. Hofmusikers Herrn Carl Ebner“ [ebd., S. 6] statt. einige LiederZu dem Chorprogramm steuerte Emilie Herzog laut Programmankündigung das „Mädchenlied von R. Steuer“ und „Zwei Gesänge aus Victor Scheffels ‚Trompeter von Säkingen‘ von Hugo Brückler“ bei sowie ein „Ständchen von Charl. Gounod“, „Der Schelm von Carl Reineke“ und „Sommerabend von Eduard Lassen“ [Neueste Nachrichten und Münchener Anzeiger. Jg. 39, Nr. 104, 14.4.1886, Erstes Blatt, S. 6]. zu singen und auf diesem Wege kam denn auch ich zu einem Billet. Wir saßen im gemüthlichen Verein um einen der Ehrentische herum, sie, die Königin des Abends, der Präsident der GesellschaftDer „Meister“ der Bürger-Sänger-Zunft war der Kunstanstaltsbesitzer Johann Baptist Obpacher (Karlstraße 41, 1. Stock) [Adreßbuch von München 1886, Teil I, S. 363], verheiratet mit Elise Obpacher, geborene Wirbser. Der Name des Kindes ist nicht ermittelt., ein respectabler feiner Mann, mit Weib und Kind, Dann Dr WeltiDer Theater-, Musik- und Literaturkritiker Dr. Heinrich Welti war ein Freund Armin Wedekinds aus der Aarauer Schulzeit, der Frank Wedekind in das kulturelle Angebot Münchens einführte. Er heiratete 1890 Emilie Herzog., eine Schwester der HerzogWelche der beiden Schwestern Emilie Herzogs hier gemeint ist, konnte nicht ermittelt werden. Laut seinem Münchner Tagebuch hatte Wedekind sich mehrfach mit beiden getroffen [vgl. Tb 7.7.1889, 27. und 28.8.1889]. und meine Wenigkeit. Später kam noch ein Polenicht identifiziert. dazu, ebenfalls Doctor | der Philologie, und noch ein lustger Musikanteder Cellist und Komponist Carl Ebner, königlich bayerischer Kammervirtuos., der einige unglaublich virtuose SalonpiecenAuf dem Programm standen ein „Larghetto von Mozart“ und eine „Tarantelle von Popper“, „Ein Liedchen“ und „Träumerei“ von Carl Ebner selbst sowie der „Elfentanz von Popper“ [Neueste Nachrichten und Münchener Anzeiger. Jg. 39, Nr. 104, 14.4.1886, Erstes Blatt, S. 6]. auf dem Cello vorgetragen hatte. Wir waren unter den sonoren Eindrücken verschiedener Männerchöre lustig und andächtig zugleich bis nach Mitternacht. Da entführte ein herbei geholter Fiaker das so angenehme weibliche Element aus unserer Mitte; und wir Übrigen, untröstlich über den Verlust eines so schönen Gutes, verharrten noch einige Stunden in dumpfer Verzweiflung.

Liebe Mama, ich hoffe daß ich euch Alle Zusammen in einigen | Monaten glücklich und vor allem Gesund wiedersehe. Mögen für Dich alle Wünsche in Erfüllung gehen, die dir der morgige Tag liebend zu Füßen legt. Im Fall sich Papa noch nicht ganz wieder erholt haben sollte, laß ich ihm von ganzem Herzen baldige Besserung wünschen. Ebenso melde ihm meinen wärmsten Dank für den großen so interessanten Brief; dann auch für das Geld das er demselben beigelegt hatte. Da ich mit Bezahlen der CollegiengelderWedekind war in München als Jurastudent eingeschrieben. ohne Anstand zu erregen da/b/is zum letzten Mai warten kann, so ist es nicht nöthig das/ß/ sich Papa die Mühe einer Extrasendung macht. |

M/D/em liebem Mati werd’ ich ihren lieben Briefs. o. in den nächsten Tagen beantworten. Sie soll sich aber durch meine Nachlässigkeit nicht davon abschrecken lassen, mich auch fürderhin in so angenehmer Weise zu überraschen.

Und nun leb wohl, liebe Mama! Mit den herzlichsten Grüßen an Dich, an Papa, an Mieze Doda und Mati bin ich Dein treuer Dankbarer Sohn
Franklin.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 7 Blatt, davon 14 Seiten beschrieben

Schrift:
Im Hochformat beschrieben.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 3 Doppelblatt + 1 Einzelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Doppelblätter sind oben rechts nummeriert (hier nicht wiedergegeben) mit „2“ und „3“, das Einzelblatt auf beiden Seiten mit „4“ (auf Seite 14 wieder gestrichen).

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    6. Mai 1886 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
142-147
Briefnummer:
44
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 171-174 (Nr. 67).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 6.5.1886. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

05.09.2024 12:06
Kennung: 5356

München, 6. Mai 1886 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

München, 6. Mai 86.


Liebe Mama,

ich wünsche dir alles Liebe, Gute und Schöne zu Deinem GeburtstagAm 8.5.1886 hatte Emilie Wedekind ihren 46. Geburtstag.. Mögest Du noch recht manchen so herrlichen Frühling aufblühen sehen und dabei stehtsSchreibversehen, statt: stets. mit der nämlichen inneren Ruhe und philosophischen Zufriedenheit in dich und um Dich blicken können. Zwar kann ich mir wol denken, daß auch | Dich die letzten Wochen, Willys plötlicheSchreibversehen, statt: plötzliche. Reise nach AmerikaWilliam Wedekind schiffte sich am 24.4.1886 in Le Havre nach New York ein [vgl. Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 23.4.1886]. und der Abschied von ihm, nicht wenig in Aufregung erhalten haben mögen. Aber gerade von seinem rastlosen und unternehmungslustigen Naturell läßt sich doch erwarten, daß er sich auch in jenen ungewohnten Verhältnissen practisch zurechtfinden wird, und was die Gefahren einer noch nicht so civilisirten Welt anbelangt, so werden dieselben all den mannigfaltigen sorglich maskirten Fallgruben, die ihm | in jeder europäischen Großstadt im Weg gelegen wären, wol kaum an Bösartigkeit nachstehen. Mir kam die Nachricht seiner Abreise sehr unerwartet. Das liebe Mati hatte mich zwar schon vorher in einem sehr interessanten Briefvgl. Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 23.4.1886. davon unterrichtet; dieser Brief aber hatte leider, eh’ er zu mir gelangte, in einer Zeitung eingeschoben, einen kleinen Abstecher in’s Böhmische, nach dem reizenden Städtchen Winterberg unternommen, so daß er erst einen Tag vor Papa’s Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Friedrich Wilhelm Wedekind an Frank Wedekind, 27.4.1886. bei mir eintrafDa Wedekind im letzten Brief an seinen Vater [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 26.4.1886], die Informationen aus Emilie (Mati) Wedekinds Brief noch nicht hatte, kann deren Brief frühestens am folgenden Tag in München eingetroffen sein. Daraus abgeleitet ergibt sich das Schreibdatum des nicht überlieferten Briefs von Friedrich Wilhelm Wedekind, der am Tag darauf eintraf., der mich/r/ dann in ausführlichster | Weise über den Hergang und das Zustandekommen des ganzen Unternehmens Auskunft gab. Zu meinem großen Bedauern ersah ich daraus auch, daß Papa unter dem Einfluß der übermäßigen Anstrengungen und Strapazen jener Tage nicht unbedeutend zu leiden hatte. Der liebe Brief kündigte mir gottlob aber auch den ersten Schritt zur Besserung an und ich hoffe, daß sich das hartnäckige beängstigende Halsübel derweil von Tag zu Tag mehr gelegt haben wird. – Und Dir, | liebe Mama, bin ich auch noch den herzlichsten Dank schuldig, für deinen lieben Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1886. aus dem Monat Me/ä/rz. Mit großer Freude erseh ich daraus wie auch aus Papa seinem Schreiben, daß sich diesen Winter wieder ein recht lebhaftes geistiges Leben in Lenzburg entfaltet hat. Wie könnte das auch anders sein in einer Stadt, wo zu den einheimischen nicht zu unterschätzenden Talenten sich noch Dichter und Sänger der verschiedensten Nationen, ja der verschiedensten Richtungen | und neueren Schulen zu sa gesellen. Ich kann mir des lebhaftesten vorstellen, welch ein Gesicht Tante Jahn zum Beispiel, diese begeisterte Vorkämpferin des Idealismus, zu den ultrarealistischen NaturlautenKarl „Henckell hatte sich als sozial engagierter naturalistischer Lyriker bereits einen Namen gemacht“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 103]. In der von Wilhelm Arent herausgegebenen Anthologie „Moderne Dichter-Charaktere“ verfasste er die Einleitung „Die neue Lyrik“ [vgl. Wilhelm Arent (Hg.): Moderne Dichter-Charaktere. Berlin 1885, S. V-VII], in der er dafür plädierte, „eine Poesie, also auch eine Lyrik zu gebären, die, durchtränkt von dem Lebensstrome der Zeit und der Nation, ein charakteristisch verkörpertes Abbild alles Leidens, Sehnens, Strebens und Kämpfens unserer Epoche darstellt“ [S. VII], und steuerte 20 Gedichte bei. 1885 war sein erster Lyrikband, das „Poetische Skizzenbuch“, erschienen mit einem Vorwort von Heinrich Hart, Anfang 1886 folgte der von ihm unter Mitwirkung von Arthur Gutheil, Erich Hartleben und Alfred Hugenberg herausgegebene Band „Quartett“. Als „Naturlaute“, die Wedekind in seiner Opposition von Idealismus und Realismus Henckells Lyrik als Stilmerkmal zuschrieb, galten der zeitgenössischen Wortlehre „Interjektionen“ als „[u]nmittelbarer Widerhall der Seele“: Dazu zählten „Empfindungslaute […], welche aus dem Innern stammende Empfindung ausdrücken (subjektiv), ein Schrei des Schmerzes, ein Jauchzen der Freude usw. – dumpfe unartikulierte Laute“ und „solche, die eine Erregtheit der Seele infolge einer äußeren Wahrnehmung ausdrücken (objektiv), also Staunen, Wohlgefallen, Überraschung, Furcht, Ekel usw. – reine Vokale oder mit Hauchlaut vorn oder hinten“ sowie „Begehrungslaute oder Lautgebärden, die einem andern Menschen etwas andeuten sollen […] Alle diese Naturlaute sind noch keine Wörter, sie drücken nur eine Empfindung oder einen sinnlichen Eindruck aus“ [August Englien: Grammatik der neuhochdeutschen Sprache. Berlin 1883, S. 76]. eines Herrn Henckel machen wird. Die leidige Natur ist ja, Gott sei’s geklagt, bekanntlich nicht überall schön, nicht einmal genußbringend und wenn man ihr nun zuerst jeden Funken von Geist austreibt und dem armen Gezöpfwohl in Anspielung auf allegorische Darstellungen von Mutter Natur, zugleich Verballhornung von ‚Geschöpf‘. dann noch dazu jeden mitleidigen Kleiderfetzen vom | Leib reißt, so muß ja nothwendiger Weise gar vieles zum Vorschein kommen, an dem sich das erhohlungsdurstige Menschenherz auch mit dem besten Willen nicht sonderlich erbauen kann. Paul Heyse schließt ein kurzes KnittelgedichtDas achtteilige Gedicht „Naturalismus“ (1885) von Paul Heyse enthält in Strophe 5 die zitierten Verse: „Sie konnten im Unsittlichen / Nicht kecker sich erdreisten; / Nur im Unappetitlichen / Blieb Großes noch zu leisten. / Die Muse wandelt in stolzer Ruh’ / Vorbei und hält sich die Nase zu.“ [Paul Heyse: Spruchbüchlein. Berlin 1885, S. 112] womit er diese himmelstürmenden Schulknaben beehrt, mit dem zarten Vers: „Die Muse wandelt in stolzer Ruh vorbei und hält sich die Nase zu.“ – Ich habe übrigens die Ehre eine der Koryphäen dieser sterilen Lasterdichterschulezu Wedekinds Auseinandersetzung mit der aktuellen Lyrik anläßlich der von Wilhelm Arent herausgegebene Anthologie „Moderne Dichter-Charaktere“ (1885) siehe auch den Briefwechsel mit dem Vater aus dieser Zeit. persönlich zu kennen, nämlich den Herrn Dr. KonradWedekind hat den naturalistischen Schriftsteller Michael Georg Conrad, Mitbegründer und Herausgeber der seit 1885 erscheinenden Literaturzeitschrift „Die Gesellschaft“, vermutlich kennengelernt, als er einen Brief Olga Plümachers überbrachte, worum sie ihn kurz zuvor gebeten hatte [vgl. Olga Plümacher an Wedekind, 2.5.1886]., einen ganz ergrimmten Zolaistenzeitgenössisch verbreitete abfällige Bezeichnung für die Nachahmer und Verteidiger der naturalistischen Prosa Émile Zolas. Michael Georg Conrad hat mehrfach zu Zola publiziert, so den Aufsatz „Zola und Duadet“ [in: Die Gesellschaft, Jg. 1, Nr. 40, 3.10.1885, S. 746-750 und Nr. 43, 24.10.1885, S. 800-805] und später mit den Büchern „Von Emile Zola bis Gerhart Hauptmann. Erinnerungen zur Geschichte der Moderne“ (1902) sowie „Emile Zola“ (1906).. Es gieb/n/g ihm aber in der Nachahmung | dieses großen Meisters, vor dem ich, nicht als Dichter sondern als Künstler, alle Hochachtung hege, ungefähr wie einem neueren Münchner Componistennicht identifiziert. mit seinem Vorbild Schumann. Derselbe fieng nämlich in übergroßem Eifer gerade damit an, womit sein Meister aufgehört hatte, mit dem VerrücktwerdenRobert Schumann verbrachte nach einem Selbstmordversuch am 27.2.1854 die letzten beiden Jahre seines Lebens in der Anstalt für Behandlung und Pflege von Gemütskranken und Irren in Endenich bei Bonn.. – Daß Dich bei deiner schönen Züricherfahrt Wagners WalküreRichard Wagners Oper „Die Walküre“ hatte am 27.1.1886 am Aktientheater (Direktion: Paul Schrötter) in Zürich Premiere und wurde bis zum Ende der Spielzeit am 15.4.1886 insgesamt 14 Mal gegeben [vgl. Neue Zürcher Zeitung, Jg. 66, Nr. 119, 30.4.1886, Erstes Blatt, S. (2)]. Emilie Wedekind besuchte zusammen mit Armin Wedekind die Vorstellung am 8.2.1886 [vgl. Armin Wedekind an Frank Wedekind, 12.2.1886]. Wedekind kannte die Oper von einer Aufführung am Königlichen Hoftheater in München am 11.3.1885 [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 12.3.1885]. nicht besonders angesprochen hat, finde ich sehr begreiflich. Das ist eben auch so ein Kunstgenuß der eigentlich keiner ist, sondern im besten Fall Gelegenheit giebt, zu einem tiefen ästhetischen Studium. Das Werk enthält ja unzweifelhaft | viele großartige, fast übermenschliche Schönheiten, die aber nur demjenigen aufgehen, der sich ganz in den Wagnerischen philosophischen und künstlerischen Ideenkreisen zurechtgefunden hat, während die wahre reine Kunst doch gerade DasSchreibversehen, statt: gerade das. naive Gemüth direkt, unmittelbar erfassen sollte. – Mit schmerzlichem Bedauern vernahm ich zuerst aus deinem BriefEs dürfte sich hier ebenfalls um den Brief der Mutter vom März handeln (s. o.)., wie ernstlich gefährlich es um Hermanns Pl. GesundheitDer mit Wedekind befreundete Hermann Plümacher, Sohn von Olga Plümacher, war bereits seit mehreren Monaten schwer erkrankt. stehe. Papa schrieb mirs. o., daß er nun in GersauKurort im Kanton Schwyz am Nordufer des Vierwaldstättersees, den „bedeutende mediz. Autoritäten“ empfahlen, da er „vermöge seiner südlichen Lage, absoluten Schutzes vor kalten Windströmungen, gleichmässiger Temperatur mit geringen Schwankungen für Brustkranke, Blutschwache und Bleichsüchtige etc. von eminenter Bedeutung sei. […] Die Erfahrung gab Besserung und Heilung besonders bei Lungenspitzenkatarrhen ohne erhebliches Fieber, Rekonvaleszenten von schweren Lungen- und Rippenfellkrankheiten bei chronischen Pneumonien, wo eine allmälige Resorption erzielt wird, sowie bei Scrophulose und Anämie jugendlicher Individuen, wenn sie der Einleitung zur Phthisis verdächtig sind“.“ [Bäder-Almanach. Mittheilungen der Bäder, Luftkurorte und Heilanstalten in Deutschland, Oesterreich, Schweiz und der angrenzenden Gebiete für Aerzte und Heilbedürftige. 3. Ausg. Frankfurt a. M., Berlin 1886, S. 51]. In Gersau war Hermann Plümacher seit dem 20.3.1886 [vgl. Olga Plümacher an Frank Wedekind, 2.5.1886]. sei und sich besser befinde. Vor drei Tagen erhielt ich nun einen ausführlichen Brief | von Tante Plümachervgl. Olga Plümacher an Frank Wedekind, 2.5.1886.. Sie scheint ein/gef/aßt und ruhig geworden zu sein. Aber die schwere Zeit seit Neujahr muß d/s/ie doch furchtbar niedergedrückt haben. Irh/hr/ früher so objectiver PessimismusOlga Plümacher hatte zum philosophisch begründeten Pessimismus publiziert: „Der Pessimismus in Vergangenheit und Gegenwart. Geschichtliches und Kritisches“ (1884). beginnt sich ins Practische zu übersetzen. Ein sanfter Trost in Leiden kann ja eine solche festgeschlossene Weltanschauung schwerlich sein; um so mehr aber ein Stütze, ein fundamentaler Halt, der die Seele nie aus einem gewissen Gleichgewicht kommen läßt. Vor einiger Zeit hab ich auch an Hermann geschriebennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Hermann Plümacher, 3.4.1886.. Um die selbe Zeit, da ihr in Lenzburg jene Abendunterhaltungnicht ermittelt. | besuchtet, hatte ich hier in München ebenfalls Gelegenheit, einer solchen beizuwohnen. Die hiesige SängerzunftDie Münchner Bürger-Sänger-Zunft, ein Männergsangsverein, hatte ihren Treffpunkt im „Hackerbräu Eing. Hackenstraße.“ [Adressbuch von München 1886, Teil III, S. 70]. eine Vereinigung aus den ersten Bürgerkreisen hatte Frl. Herzog eingeladen an ihrer Abendunterhaltung„Das Frühjahrskonzert der Bürger-Sängerzunft“ fand am 17.4.1886, „Abends 8 Uhr in Kils Kolosseum“ [Neueste Nachrichten und Münchener Anzeiger. Jg. 39, Nr. 104, 14.4.1886, Erstes Blatt, S. 3] „unter gütiger Mitwirkung der kgl. bayr. Hofopernsängerin Fräulein Emilie Herzog und des k. bayr. Hofmusikers Herrn Carl Ebner“ [ebd., S. 6] statt. einige LiederZu dem Chorprogramm steuerte Emilie Herzog laut Programmankündigung das „Mädchenlied von R. Steuer“ und „Zwei Gesänge aus Victor Scheffels ‚Trompeter von Säkingen‘ von Hugo Brückler“ bei sowie ein „Ständchen von Charl. Gounod“, „Der Schelm von Carl Reineke“ und „Sommerabend von Eduard Lassen“ [Neueste Nachrichten und Münchener Anzeiger. Jg. 39, Nr. 104, 14.4.1886, Erstes Blatt, S. 6]. zu singen und auf diesem Wege kam denn auch ich zu einem Billet. Wir saßen im gemüthlichen Verein um einen der Ehrentische herum, sie, die Königin des Abends, der Präsident der GesellschaftDer „Meister“ der Bürger-Sänger-Zunft war der Kunstanstaltsbesitzer Johann Baptist Obpacher (Karlstraße 41, 1. Stock) [Adreßbuch von München 1886, Teil I, S. 363], verheiratet mit Elise Obpacher, geborene Wirbser. Der Name des Kindes ist nicht ermittelt., ein respectabler feiner Mann, mit Weib und Kind, Dann Dr WeltiDer Theater-, Musik- und Literaturkritiker Dr. Heinrich Welti war ein Freund Armin Wedekinds aus der Aarauer Schulzeit, der Frank Wedekind in das kulturelle Angebot Münchens einführte. Er heiratete 1890 Emilie Herzog., eine Schwester der HerzogWelche der beiden Schwestern Emilie Herzogs hier gemeint ist, konnte nicht ermittelt werden. Laut seinem Münchner Tagebuch hatte Wedekind sich mehrfach mit beiden getroffen [vgl. Tb 7.7.1889, 27. und 28.8.1889]. und meine Wenigkeit. Später kam noch ein Polenicht identifiziert. dazu, ebenfalls Doctor | der Philologie, und noch ein lustger Musikanteder Cellist und Komponist Carl Ebner, königlich bayerischer Kammervirtuos., der einige unglaublich virtuose SalonpiecenAuf dem Programm standen ein „Larghetto von Mozart“ und eine „Tarantelle von Popper“, „Ein Liedchen“ und „Träumerei“ von Carl Ebner selbst sowie der „Elfentanz von Popper“ [Neueste Nachrichten und Münchener Anzeiger. Jg. 39, Nr. 104, 14.4.1886, Erstes Blatt, S. 6]. auf dem Cello vorgetragen hatte. Wir waren unter den sonoren Eindrücken verschiedener Männerchöre lustig und andächtig zugleich bis nach Mitternacht. Da entführte ein herbei geholter Fiaker das so angenehme weibliche Element aus unserer Mitte; und wir Übrigen, untröstlich über den Verlust eines so schönen Gutes, verharrten noch einige Stunden in dumpfer Verzweiflung.

Liebe Mama, ich hoffe daß ich euch Alle Zusammen in einigen | Monaten glücklich und vor allem Gesund wiedersehe. Mögen für Dich alle Wünsche in Erfüllung gehen, die dir der morgige Tag liebend zu Füßen legt. Im Fall sich Papa noch nicht ganz wieder erholt haben sollte, laß ich ihm von ganzem Herzen baldige Besserung wünschen. Ebenso melde ihm meinen wärmsten Dank für den großen so interessanten Brief; dann auch für das Geld das er demselben beigelegt hatte. Da ich mit Bezahlen der CollegiengelderWedekind war in München als Jurastudent eingeschrieben. ohne Anstand zu erregen da/b/is zum letzten Mai warten kann, so ist es nicht nöthig das/ß/ sich Papa die Mühe einer Extrasendung macht. |

M/D/em liebem Mati werd’ ich ihren lieben Briefs. o. in den nächsten Tagen beantworten. Sie soll sich aber durch meine Nachlässigkeit nicht davon abschrecken lassen, mich auch fürderhin in so angenehmer Weise zu überraschen.

Und nun leb wohl, liebe Mama! Mit den herzlichsten Grüßen an Dich, an Papa, an Mieze Doda und Mati bin ich Dein treuer Dankbarer Sohn
Franklin.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 7 Blatt, davon 14 Seiten beschrieben

Schrift:
Im Hochformat beschrieben.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 3 Doppelblatt + 1 Einzelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Doppelblätter sind oben rechts nummeriert (hier nicht wiedergegeben) mit „2“ und „3“, das Einzelblatt auf beiden Seiten mit „4“ (auf Seite 14 wieder gestrichen).

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    6. Mai 1886 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
142-147
Briefnummer:
44
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 171-174 (Nr. 67).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 6.5.1886. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

05.09.2024 12:06