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Kennung: 5332

Zürich, 7. Mai 1888 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Zürich 7.V.88.


Liebe Mama,

ich gratulire dir herzlich zu deinem GeburtstagAm 8.5.1888 wurde Emilie Wedekind 48 Jahre alt. und wünsche dir daß du mit dem kommenden Jahr zufrieden sein mögest, daß dir keine neuen Sorgen, keine Enttäuschungen, keine unangenehmen Überraschungen zu theil werden mögen und daß sich dafür auch wo du es nicht erwartest dieses oder jenes beiläufige Ereigniß einstelle, an | dem du deine Freude haben mögest. Papa hat mir, wie du vernommen haben wirst gestattet meine juristischen StudienWedekind nahm am 30.4.1888 in Zürich sein Jurastudium wieder auf [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 4.5.1888], das er im Sommer 1886 abgebrochen hatte, nachdem sein Vater ihm weitere Unterstützung verweigerte. wieder aufzunehmen. Ich betreibe sie nicht nur mit Eifer sondern auch mit Wohlgefallen. Ja es ist mir eine wahre Erholung.

Ich bin gespannt zu erfahren wie sich die Lenzburger Künstler mit dem fliegenden Holländerdie Aufführung von Richard Wagners romantischer Oper „Der fliegende Holländer“ (1843) durch den Musikverein Lenzburg unter der Leitung von Hermann Hesse [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 131]. abgefunden haben. Armin hab ich noch nicht gesehen. Gestern morgenam 6.5.1888. war ich bei ihm, traf ihn aber nicht zu Hause, woraus ich schließe daß er an der Abendunterhaltung theilgenommen hat. Bei der Gelegenheit sah ich Miezes neues Bildnicht identifiziert.. zum Es gefällt mir vorzüglich und ich wäre Mieze | sehr dankbar wenn sie mir auch ein Exemplar dedicirenwidmen. wollte. Es scheint mir gerade das Charakteristische gut wiederzugeben. Übrigens soll sie ja noch andere Aufnahmen besitzen.

Vielleicht hast du auch erfahren, daß Frl BuchmannAnna Buchmann, die Stieftochter der Pensionswirtin Anna Barbara Buchmann (Seefeldstraße 1, Riesbach) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für das Jahr 1889, Teil I, S. 57], in deren Pension Wedekind regelmäßig zu Mittag gegessen hat. Mit Anna Buchmann „führte Karl Henckell eine platonische Liebesbeziehung“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 127]. schwer krank ist. Sie schwebt seit mehreren Tagen zwischen Leben und Tod. Die allopathischen ÄrzteÄrzte, die auf wissenschaftliche, nicht-homöopathische Behandlungsmethoden zurückgreifen, bei denen „Mittel angewendet werden, welche der Krankheit entgegengesetzte Wirkungen hervorbringen“ [Ferdinand Adolf Weber: Erklärendes Handbuch der Fremdwörter. 14. Aufl. Leipzig 1877, S. 29]. haben sie aufgegeben. Unter homöopathischer Behandlug/n/g„das (von Samuel Hahnemann) aufgestellte Heilverfahren, nach welchem die Krankheiten durch solche Mittel geheilt werden sollen, welche ähnliche Leiden bei Gesunden hervorbringen.“ [Ferdinand Adolf Weber: Erklärendes Handbuch der Fremdwörter. 14. Aufl. Leipzig 1877, S. 256]. ist indessen ihr Zustand seit 3 Tagen zum wenigsten nicht verschlimmert worden. Frau Buchmann ist außer Rand und Band. Sie weiß kaum mehr was sie thut. |

Vom Besuch meiner Gott sei’s geklagSchreibversehen, statt: geklagt. zukünftigen SchwägerinEmma Frey, die Verlobte von Armin Wedekind. in Lenzburg hab ich mir viel Erbauliches erzählen lassen. Armin wird zum erbärmlichsten Gespött mit seiner Wahl, die nicht er sondern die ihn getroffen hat. Übrigens scheint ja auch Mieze ins andere Lager übergegangen zu sein, wenn es wenigstens wenn es wahr ist, daß sie zu Freys zu Besuch gehen will. Sollte sie wirklich schon vergessen haben wie unsterblich sie sich voriges Jahr dort gelangweilt hat. Ich selber war, seitdem die Geschichteunklar, gemeint ist vermutlich die Verlobung Armin Wedekinds mit Emma Frey. ausgebrochen, nicht mehr bei Frey’s zu Besuch, weniger aus Prinzip, als weil es mir geradezu | zuwider ist. Wenn ichs denn doch schon nicht hindern kann, so will ich doch wenigstens nicht zum Mitschuldigen werden. Aus Doda seinen BriefenIn den letzten beiden Briefen Donald Wedekinds [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 12.4.1888 und 4.5.1888], der sich in Livorno aufhielt, ist von der geplanten Hochzeit seines Bruders Armin nicht die Rede. spricht die unverkennbare Wonne darüber, daß er dank seiner Abwesenheit der Antheilnahme an d/e/iner eventuellen Hochzeit überhoben sein wird und ich bin überzeugt daß ich an seiner Stelle ebenso fühlen würde. Armin wird sich natürlich zum TraualtarDie Trauung zwischen Emma Frey und Armin Wedekind fand am 21.3.1889 statt. schleppen lassen wie das Lamm zur s/S/chlachtbank, aber wollten wir noch diesen traurigen Act bei Champagner feiern, das wäre denn doch eine Blasphemie und Gefühllosigkeit die nicht ihres gleichen hat. |

Ich muß in’s Collegzu Wedekinds juristischem Studienprogramm vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 4.5.1888.. Ich schließe. Also noch einmal die herzlichsten Glückwünsche.

Dein treuer Sohn
Franklin.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt + Einzelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Zürich
    7. Mai 1888 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Zürich
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
185
Briefnummer:
64
Kommentar:
Im Erstdruck ist nur erste Absatz ediert, die folgende Auslassung ist mit 12 Gedankenstrichen markiert. Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 220-221 (Nr. 97).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.5.1888. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

29.05.2024 09:50
Kennung: 5332

Zürich, 7. Mai 1888 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

Zürich 7.V.88.


Liebe Mama,

ich gratulire dir herzlich zu deinem GeburtstagAm 8.5.1888 wurde Emilie Wedekind 48 Jahre alt. und wünsche dir daß du mit dem kommenden Jahr zufrieden sein mögest, daß dir keine neuen Sorgen, keine Enttäuschungen, keine unangenehmen Überraschungen zu theil werden mögen und daß sich dafür auch wo du es nicht erwartest dieses oder jenes beiläufige Ereigniß einstelle, an | dem du deine Freude haben mögest. Papa hat mir, wie du vernommen haben wirst gestattet meine juristischen StudienWedekind nahm am 30.4.1888 in Zürich sein Jurastudium wieder auf [vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 4.5.1888], das er im Sommer 1886 abgebrochen hatte, nachdem sein Vater ihm weitere Unterstützung verweigerte. wieder aufzunehmen. Ich betreibe sie nicht nur mit Eifer sondern auch mit Wohlgefallen. Ja es ist mir eine wahre Erholung.

Ich bin gespannt zu erfahren wie sich die Lenzburger Künstler mit dem fliegenden Holländerdie Aufführung von Richard Wagners romantischer Oper „Der fliegende Holländer“ (1843) durch den Musikverein Lenzburg unter der Leitung von Hermann Hesse [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 131]. abgefunden haben. Armin hab ich noch nicht gesehen. Gestern morgenam 6.5.1888. war ich bei ihm, traf ihn aber nicht zu Hause, woraus ich schließe daß er an der Abendunterhaltung theilgenommen hat. Bei der Gelegenheit sah ich Miezes neues Bildnicht identifiziert.. zum Es gefällt mir vorzüglich und ich wäre Mieze | sehr dankbar wenn sie mir auch ein Exemplar dedicirenwidmen. wollte. Es scheint mir gerade das Charakteristische gut wiederzugeben. Übrigens soll sie ja noch andere Aufnahmen besitzen.

Vielleicht hast du auch erfahren, daß Frl BuchmannAnna Buchmann, die Stieftochter der Pensionswirtin Anna Barbara Buchmann (Seefeldstraße 1, Riesbach) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für das Jahr 1889, Teil I, S. 57], in deren Pension Wedekind regelmäßig zu Mittag gegessen hat. Mit Anna Buchmann „führte Karl Henckell eine platonische Liebesbeziehung“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 127]. schwer krank ist. Sie schwebt seit mehreren Tagen zwischen Leben und Tod. Die allopathischen ÄrzteÄrzte, die auf wissenschaftliche, nicht-homöopathische Behandlungsmethoden zurückgreifen, bei denen „Mittel angewendet werden, welche der Krankheit entgegengesetzte Wirkungen hervorbringen“ [Ferdinand Adolf Weber: Erklärendes Handbuch der Fremdwörter. 14. Aufl. Leipzig 1877, S. 29]. haben sie aufgegeben. Unter homöopathischer Behandlug/n/g„das (von Samuel Hahnemann) aufgestellte Heilverfahren, nach welchem die Krankheiten durch solche Mittel geheilt werden sollen, welche ähnliche Leiden bei Gesunden hervorbringen.“ [Ferdinand Adolf Weber: Erklärendes Handbuch der Fremdwörter. 14. Aufl. Leipzig 1877, S. 256]. ist indessen ihr Zustand seit 3 Tagen zum wenigsten nicht verschlimmert worden. Frau Buchmann ist außer Rand und Band. Sie weiß kaum mehr was sie thut. |

Vom Besuch meiner Gott sei’s geklagSchreibversehen, statt: geklagt. zukünftigen SchwägerinEmma Frey, die Verlobte von Armin Wedekind. in Lenzburg hab ich mir viel Erbauliches erzählen lassen. Armin wird zum erbärmlichsten Gespött mit seiner Wahl, die nicht er sondern die ihn getroffen hat. Übrigens scheint ja auch Mieze ins andere Lager übergegangen zu sein, wenn es wenigstens wenn es wahr ist, daß sie zu Freys zu Besuch gehen will. Sollte sie wirklich schon vergessen haben wie unsterblich sie sich voriges Jahr dort gelangweilt hat. Ich selber war, seitdem die Geschichteunklar, gemeint ist vermutlich die Verlobung Armin Wedekinds mit Emma Frey. ausgebrochen, nicht mehr bei Frey’s zu Besuch, weniger aus Prinzip, als weil es mir geradezu | zuwider ist. Wenn ichs denn doch schon nicht hindern kann, so will ich doch wenigstens nicht zum Mitschuldigen werden. Aus Doda seinen BriefenIn den letzten beiden Briefen Donald Wedekinds [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 12.4.1888 und 4.5.1888], der sich in Livorno aufhielt, ist von der geplanten Hochzeit seines Bruders Armin nicht die Rede. spricht die unverkennbare Wonne darüber, daß er dank seiner Abwesenheit der Antheilnahme an d/e/iner eventuellen Hochzeit überhoben sein wird und ich bin überzeugt daß ich an seiner Stelle ebenso fühlen würde. Armin wird sich natürlich zum TraualtarDie Trauung zwischen Emma Frey und Armin Wedekind fand am 21.3.1889 statt. schleppen lassen wie das Lamm zur s/S/chlachtbank, aber wollten wir noch diesen traurigen Act bei Champagner feiern, das wäre denn doch eine Blasphemie und Gefühllosigkeit die nicht ihres gleichen hat. |

Ich muß in’s Collegzu Wedekinds juristischem Studienprogramm vgl. Frank Wedekind an Friedrich Wilhelm Wedekind, 4.5.1888.. Ich schließe. Also noch einmal die herzlichsten Glückwünsche.

Dein treuer Sohn
Franklin.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt + Einzelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Zürich
    7. Mai 1888 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Zürich
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
185
Briefnummer:
64
Kommentar:
Im Erstdruck ist nur erste Absatz ediert, die folgende Auslassung ist mit 12 Gedankenstrichen markiert. Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 220-221 (Nr. 97).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.5.1888. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

29.05.2024 09:50