Sehr geehrter Herr Directorein Theaterdirektor, der plante, „Hidalla“ demnächst zu inszenieren; insofern dürfte es sich um Julius Otto in Elberfeld (Sophienstraße 14) [vgl. Adreß-Buch der Stadt Elberfeld für 1906, Teil III, S. 652] handeln, Direktor des Stadttheaters in Elberfeld [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 365]; dort wurde am 7.1.1906 „Hidalla“ unter der Regie von Leopold Dahlberg inszeniert [vgl. KSA 6, S. 538], eine Matinee, die von der Presse vor Ort gelobt wurde [vgl. KSA 6, S. 563f.]. Das Stadttheater in Elberfeld hatte starkes Interesse an Wedekinds Stücken. „Elberfelds Zahl von 7 Premieren vor 1914 wird von keinem anderen Stadttheater dieser Größenordnung erreicht“, darunter die „Aufführung von ‚Hidalla‘ [...], die dritte Premiere nach der Uraufführung in München; sie erzielt [...] einen ungewöhnlichen Erfolg“ [Seehaus 1973, S. 150]. „Hidalla“ war am 18.2.1905 am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) uraufgeführt worden, hatte dann am 25.3.1905 am Nürnberger Intimen Theater (Direktion: Emil Meßthaler) Premiere, ein Gastspiel Wedekinds (er spielte die Hauptrolle des Karl Hetmann), vor dem er dem Tagebuch zufolge gemeinsam mit dem Theaterdirektor den Verleger am 21.2.1905 aufsuchte („Abends bei Marchlewsky mit Meßthaler“), am 16.4.1905 am Stuttgarter Residenztheater (Direktion: Hans Zillich und Oskar Fuchs) und schließlich am 26.9.1905 am Kleinen Theater (Direktion: Victor Barnowski) in Berlin (siehe unten).
darf ich Sie höflichst ersuchen, für den Fall, daß Ihnen von
der VerlagsfirmaDer Verlag Dr. J. Marchlewski & Co. in München (Franz Josephstraße 36) [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1905, Teil I, S. 321], gegründet und geleitet von Julian Marchlewski und Israel Helphand (Alexander Parvus), auf russische und skandinavische Literatur spezialisiert, der aber auch Franziska zu Reventlows ersten Roman „Ellen Olestjerne“ (1903) zuerst verlegte, hat Wedekinds Schauspiel „Hidalla“ (1904) herausgebracht [vgl. KSA 6, S. 386] und besaß für dieses Stück den Bühnenvertrieb. Diesen konnte Wedekind schließlich erwerben, wie er am 6.10.1905 notierte: „Marchlewsky verkauft mir den Bühnenvertrieb v. Hidalla für M. 300.“ [Tb] Dr. J. Marchlewski & Cie
in München mein Schauspiel „Hidalla“ gegen Zahlung einer Garantiesumme
angeboten wird sich auf einen derartigen Vertrag nicht einzulassen. Von der von
Herrn Director Barnowsky u
a an die Firma gezahlten Garantie
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Von der Garantiesumme, die Herr Director BarnowskyVictor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 277], wo seit der Premiere am 26.9.1905 fast allabendlich „Hidalla“ mit Wedekind in der Hauptrolle des Karl Hetmann zu sehen war. vor drei Monaten
für Hidalla an die erwähnte SummeSchreibversehen, statt: Firma. auszahlte habe ich den mir zukommenden Theil trotz mehrfacher MahnungWedekind notierte am 21.9.1905 in Berlin: „Brief an Marchlewsky“ [Tb], vermutlich eine Mahnung [vgl. Wedekind an Julian Marchlewski, 21.9.1905]. bis heute noch nicht
erhaltenWedekind hat dem Tagebuch zufolge vom Verlag Dr. J. Marchlewski & Co. diverse Summen erhalten – so nach dem Vorschuss für das „Hidalla“-Manuskript am 28.4.1904 („Von Marchlewsky erhalten. M. 100“) im laufenden Jahr Zahlungen am 11.3.1905 („Von Marchlewski erhalten M. 313.92“), am 9.4.1905 („v. Marchlewsky eingenommen M. 278,08“), am 9.6.1905 („Von Marchlewsky an Tantiemen erhalten M 17.90 ₰“), am 30.6.1905 („Von Marchlewski für Hidalla Buchausgabe erhalten M 208,80“), am 13.9.1905 („Eingenommen von Marchlewsky M. 35.88“) und schließlich die zuletzt wohl noch ausstehende Summe am 12.10.1905 („Von Marchlewsky Tantieme M. 43.82“).. Außerdem höhreSchreibversehen, statt: höre. ich aus Jos zuverlässiger Quellenicht ermittelt., daß die Firma
schon vor längerer Zeit die Absicht hatte zu liquidirenDer Verlag Dr. J. Marchlewski & Co., der sich in finanziellen Schwierigkeiten befand und kurz vor der Liquidation stand, ging am 15.12.1905 an einen neuen Besitzer über, wie der Verlag unter diesem Datum in einem offenen Brief aus München im Branchenblatt (Rubrik „Geschäftliche Einrichtungen und Veränderungen“) mitteilte: „Wir beehren uns, Ihnen die Mitteilung zu machen, daß wir unseren gesamten Verlag mit allen darauf ruhenden Verlagsrechten an die Herren Richard Etzold und Ludwig Pickelmann verkauft haben, die die Firma unter der Bezeichnung Etzold & Co. vormals Dr. J. Marchlewski & Cie. weiterführen werden. Die Abrechnung zur Ostermesse 1906 geschieht mit der neuen Firma. Für das Interesse, das der verehrl. Buchhandel unserem Unternehmen entgegengebracht hat, sprechen wir an dieser Stelle unsern verbindlichsten Dank aus. Hochachtungsvoll Dr. J. Marchlewski & Cie.“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 73, Nr. 8, 11.1.1906, S. 363] Kurz darauf war nochmals der „Besitzwechsel“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 73, Nr. 14, 18.1.1906, S. 650] angezeigt. und Herrn Maxim Gorki
eine so enorme Summe für NachtasylDer erfolgreichste Titel des Verlags Dr. J. Marchlewski & Co. war Maxim Gorkis erfolgreichstes Stück, zugleich in russischer Sprache in Deutschland herausgebracht [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 70, Nr. 11, 15.1.1903, S. 398] und in der autorisierten deutschen Übersetzung „Nachtasyl. Scenen aus der Tiefe in vier Akten“ (1903) von August Scholz [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 70, Nr. 25, 31.1.1903, S. 858], die Grundlage der deutschen Erstaufführung am 23.1.1903 im Kleinen Theater in Berlin, eine Inszenierung, die Wedekind während des Ensemblegastspiels des Kleinen und Neuen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 291] am Münchner Volkstheater, das am 17.6.1904 mit Maxim Gorkis „Nachtasyl“ eröffnet und am 3.7.1904 mit dem Stück beschlossen wurde, gesehen hat; er notierte am 17.6.1904 „Abends Nachtasyl“ [Tb], am 3.7.1904 „Abschiedsvorstellung des Kleinen Theaters“ [Tb]. Klar war, bei welchem Verlag die Rechte lagen; eine im Spätsommer 1903 in München veröffentlichte Pressenotiz lautet: „Gorkis Nachtasyl sollte nächsten Samstag in einer Uebersetzung von Korfiz Holm im Münchner Schauspielhause in Szene gehen. Die Aufführung kann aber, wie wir hören, nicht stattfinden, da die Rechtsvertreter Gorkis in Deutschland, der Verlag Dr. Marchlewski & Co. hier, gegen die Aufführung des Werkes in der nicht autorisierten Holmschen Uebersetzung Einspruch erhoben haben.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 56, Nr. 441, 22.9.1903, Vorabendblatt, S. 2] schuldet daß ich ernstlich fürchten muß, daß die von Ihnen eingezahlte Garantie
könnte verloren gehen.
Mit der Bitte, den Ausdruck meiner vorzüglichsten
Hochschätzung entgegen zu nehmen