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Kennung: 5217

München, 6. Mai 1904 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Liebe Mama!

Mit großer Freude übersende ich Dir meine herzlichsten Glückwünsche zu Deinem heutigen GeburtstagAm 8.5.1904 hatte Emilie Wedekind ihren 64. Geburtstag.. Wie schön muß es jetzt in Deinem Garten in Lenzburg sein! Vermutlich hast Du für diesen Tag auch einige Deiner sch hübschen klugen Enkelkinder bei Dir, die Dir den Tag feiern | helfen. Und nun wird ja auch wol in einigen Wochen Mati wieder bei Dir sein, mit Der DuSchreibversehen, statt: mit der Du. allem Anschein nach doch sehr glücklich zusammenlebst. Mati zeigte mir heute einen Brief von DirDer Brief von Emilie Wedekind an ihre Tochter Emilie (Mati) ist nicht überliefert., aus dem ich zu meiner Freude sah, wie sehr Du sie liebst und wie ungern Du sie entbehrst. Daß sich Mati noch einmal verheiraten wirdEmilie (Mati) Wedekind heiratet am 9.7.1910 in Paris den französischen Wein- und Champagnerhändler Eugène Perré, den sie von früheren Aufenthalten (1889/90) auf Schloss Lenzburg kannte., halte ich für nicht sehr wahrscheinlich. Deshalb würde ich mich auch nicht zu sehr um | ihr Lebensglück grämen, denn thatsächlich ist sie ja glücklich, glücklicher vielleicht als mancher andere von uns. Warum soll ihr das also nicht vergönnt bleiben! Ihren Münchner AufenthaltEmilie (Mati) Wedekind war seit dem 29.3.1904 zu Besuch bei ihrem Bruder Frank in München („Mati kommt nach München.“ [Tb]) und blieb bis zum 9.5.1904 (mit kurzer Unterbrechung durch eine Reise nach Lenzburg vom 2. bis 4.4.1904). Sie reiste dann weiter nach Pettighofen („Mati reist ab nach Pettighofen.“ [Tb]), wo sie von 1899 bis 1902 bei der Unternehmerfamilie Hamburger als Hauslehrerin tätig gewesen war. hat sie sehr praktisch ausgenützt. Sie hat eine Menge Kunst gesehen und gehörtAm 8.4.1904 notierte Wedekind: „Abend mit Mati in Salome und Kammersänger.“ [Tb] Ob ihn seine Schwester außer bei diesem Theaterabend im Münchner Schauspielhaus mit den beiden Einaktern von Oscar Wilde und Frank Wedekind auch bei den anderen, im Tagebuch vermerkten Theater- und Konzertbesuchen begleitete, ist ungewiss; Armin Wedekinds (undatierter) Brief an Emilie (Mati) Wedekind legt nahe, dass sie am Ankunftstag mit ihm die „Aufführung der Büchse der Pandora in München“ [Tb 29.3.1904] besuchte, das Gastspiel des Nürnberger Intimen Theaters am Münchner Schauspielhaus: „Wenn ich hören musst dass Du in München der Aufführung eines seiner Stücke beiwohnst, das nach der Aussage hiesiger Litteraturkenner das Schweinischste ist, was man auf der Bühne sehen kann.“ [AfM Zürich, Nachlass Armin Wedekind, PN 160.5:102]. Frank Wedekind besuchte während des Aufenthalts seiner Schwester außerdem am 26.4.1904: „Dreßler Conzert“ [Tb], ein „Konzert zum Besten der deutschen Truppen in Südwestafrika […] im Bayerischen Hof“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 107, Nr. 191, 28.4.1904, S. (1)] seines Freundes Anton Dreßler (Gesang) mit Augst Schmid-Lindner (Klavier) und Liedern von Wolf, Schillings und Thuille; und am 29.4.1904 das Stück „Evchen Humbrecht oder Ihr Mütter merkts Euch!“ von Heinrich Leopold Wagner am Münchner Volkstheater („‘Evchen Humbrecht‘“ [Tb]). und eine Anzahl Menschen kennen gelernt, die Alle freundlich zu ihr waren ohne im geringsten Nach nachsichtig gegen ihre Schwächen zu sein. Auf jeden Fall wird | wird sieSchreibversehen (Wortwiederholung beim Seitenwechsel), statt: wird sie. Dir allerhand ganz interessante gesellschaftliche Schilderungen geben können, vorausgesetzt, daß sie in Pettighofen nicht alles wieder vergißt, was ich schon für möglich halte.

Mit mir selber geht es langsam vorwärts. In einigen Tagen erscheint das Buch„Hidalla oder Sein und Haben“, Schauspiel in fünf Akten, erschien Ende Mai 1904 im Verlag Dr. J. Marchlewski & Co in München [vgl. KSA 6, S. 386]. Wedekind versandte am 31.5.1904 seinem Tagebuch zufolge Freiexemplare („Exemplare von Hidalla verschickt“), angezeigt war das Buch allerdings erst einige Tage später [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 71, Nr. 132, 10.6.1904, S. 5042]. Als Entstehungszeit des Stücks notierte Wedekind später Juli 1903 bis März 1904 [vgl. Nb 54, Blatt 60v]., das ich letzten Sommer in Lenzburg begonnen habe. Vielleicht wird das Stück am Münchner Hoftheater gespieltWedekinds Schauspiel „Hidalla oder Sein und Haben“ wurde am 18.2.1905 am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) unter der Regie von Georg Stollberg mit Wedekind in der Rolle des Karl Hetmann uraufgeführt.. In Berlin ist es bereits | zur Aufführung am Lessingtheater angenommenDie Uraufführung von „Hidalla“ war zunächst am Lessingtheater in Berlin unter der Leitung von Otto Brahm geplant gewesen, war aber nach Wedekinds Protest gegen die Besetzung der Hauptrolle [vgl. Wedekind an Otto Brahm, 11.1.1905] kurzfristig abgesagt worden [vgl. Otto Brahm an Wedekind, 16.1.1905].. In Berlin kommt nächsten Winter auch mein Marquis von Keith wieder an die ReiheDer „Marquis von Keith“ wurde am Berliner Kleinen Theater erst am 13.12.1905 aufgeführt, mit Wedekind als Gast in der Titelrolle., was mir sehr erquicklich ist, da mir das Stück von allem, was ich geschrieben habe am meisten am Herzen liegt. Wirthschaftlich bin ich diesen Winter nicht sehr vorwärts gekommen, da mir durch meine KrankheitWedekind hatte sich Anfang November 1903 eine Lungenentzündung zugezogen [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 14.11.1903 und 3.12.1903]. immerhin zwei Monate verloren gingen. Aber das kümmert mich nicht sehr, da die Aussichten um so bessere sind. |

Diesen Sommer werde ich voraussichtlich wieder nach LenzburgWedekind war vorigen Sommer vom 14.7.1903 bis Mitte September in Lenzburg gewesen. kommen. Mieze singt hier in München mitten im Sommer. Ich würde ihr Gastspielnicht belegt. Vermutlich sollte Erika Wedekind bei den Münchner Mozartfestspielen auftreten, die vom 1. bis 11.8.1904 am Königlichen Residenztheater und am Königlichen Hof- und Nationaltheater stattfanden und zahlreiche auswärtige Gäste präsentierten (aus Dresden: Minnie Nast; aus Berlin: Emilie Herzog) [vgl. Neue Zeitschrift für Musik, Jg. 71, Bd. 100, Nr. 29, 13.7.1904, S. 537f.], unter denen sie sich jedoch nicht befand. Wedekind besuchte Vorstellungen der „Zauberflöte“ [vgl. Tb 5.8.1904] und von „Cosi fan tutte“ [vgl. Tb 10.8.1904]. nicht gerne versäumen. Vielleicht kommen wir dann zusammen nach Lenzburg oder reisen zusammen hierher zurück. Das Zerwürfnisvgl. dazu Erika Wedekind an Frank Wedekind, 30.3.1904. Die Auseinandersetzung zwischen den Schwestern war offenbar der Anlass für Matis unangekündigte Abreise nach München. zwischen Mieze und Mati habe ich nach Kräften zu schlichten gesucht und das ist mir wol auch gelungen. Mati hat hier in | München übrigens auch viell/l/es gehört, was sie ihre eigene Lebensstellung etwas ernster betrachten lehrt.

Und nun leb wohl, liebe Mama; was es sonst noch neues giebt, werde ich Dir alles am liebsten erzählen. Ich weiß, ich bin ein schwacher Briefschreiber, aber ich bin es der ganzen Welt gegenüber, sonst gingen meine Geschäfte auch viel rascher vonstatten.

Noch einmal meine herzlichsten Glückwünsche und meine | besten Wünsche für Dein gesundheitliches Wohlergehen. Von Donald wirst Du ja wol auch etwas hören. Es scheint ihm in Berlin ganz gut zu gehenDonald Wedekind äußerte sich zuletzt zuversichtlich über seine Karriere als Schriftsteller, bat seinen Bruder aber erneut um Geld [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 11.4.1904].. Jedenfalls ist er auch über das Schlimmste hinaus. Wenn Du Armin oder Emma siehst, dann grüße sie.

Mit den herzlichsten Grüßen auf baldiges Wiedersehn
Dein getreuer Sohn
Frank.

München, den 6. Mai 1904.


[Kuvert:]


Frau Dr. Emilie Wedekind
Lenzburg
Streinbrüchli
Schweiz

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 5 Blatt, davon 9 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20 cm. 8 Seiten beschrieben. Gelocht. Kuvert 13 x 10,5 cm. 1 Seite beschrieben. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 ist unten rechts mit Bleistift „10“ notiert. Das Kuvert ist mit einer aufgeklebten Briefmarke von 20 Pfennig frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Uhrzeit im Postausgangsstempel München: „V. 5–6“ (= 5 bis 6 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Lenzburg: „6“ (= 18 Uhr).

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

(Band 2)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
118-120
Briefnummer:
226
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 337-339 (Nr. 171).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 6.5.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

09.04.2024 15:16
Kennung: 5217

München, 6. Mai 1904 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

Liebe Mama!

Mit großer Freude übersende ich Dir meine herzlichsten Glückwünsche zu Deinem heutigen GeburtstagAm 8.5.1904 hatte Emilie Wedekind ihren 64. Geburtstag.. Wie schön muß es jetzt in Deinem Garten in Lenzburg sein! Vermutlich hast Du für diesen Tag auch einige Deiner sch hübschen klugen Enkelkinder bei Dir, die Dir den Tag feiern | helfen. Und nun wird ja auch wol in einigen Wochen Mati wieder bei Dir sein, mit Der DuSchreibversehen, statt: mit der Du. allem Anschein nach doch sehr glücklich zusammenlebst. Mati zeigte mir heute einen Brief von DirDer Brief von Emilie Wedekind an ihre Tochter Emilie (Mati) ist nicht überliefert., aus dem ich zu meiner Freude sah, wie sehr Du sie liebst und wie ungern Du sie entbehrst. Daß sich Mati noch einmal verheiraten wirdEmilie (Mati) Wedekind heiratet am 9.7.1910 in Paris den französischen Wein- und Champagnerhändler Eugène Perré, den sie von früheren Aufenthalten (1889/90) auf Schloss Lenzburg kannte., halte ich für nicht sehr wahrscheinlich. Deshalb würde ich mich auch nicht zu sehr um | ihr Lebensglück grämen, denn thatsächlich ist sie ja glücklich, glücklicher vielleicht als mancher andere von uns. Warum soll ihr das also nicht vergönnt bleiben! Ihren Münchner AufenthaltEmilie (Mati) Wedekind war seit dem 29.3.1904 zu Besuch bei ihrem Bruder Frank in München („Mati kommt nach München.“ [Tb]) und blieb bis zum 9.5.1904 (mit kurzer Unterbrechung durch eine Reise nach Lenzburg vom 2. bis 4.4.1904). Sie reiste dann weiter nach Pettighofen („Mati reist ab nach Pettighofen.“ [Tb]), wo sie von 1899 bis 1902 bei der Unternehmerfamilie Hamburger als Hauslehrerin tätig gewesen war. hat sie sehr praktisch ausgenützt. Sie hat eine Menge Kunst gesehen und gehörtAm 8.4.1904 notierte Wedekind: „Abend mit Mati in Salome und Kammersänger.“ [Tb] Ob ihn seine Schwester außer bei diesem Theaterabend im Münchner Schauspielhaus mit den beiden Einaktern von Oscar Wilde und Frank Wedekind auch bei den anderen, im Tagebuch vermerkten Theater- und Konzertbesuchen begleitete, ist ungewiss; Armin Wedekinds (undatierter) Brief an Emilie (Mati) Wedekind legt nahe, dass sie am Ankunftstag mit ihm die „Aufführung der Büchse der Pandora in München“ [Tb 29.3.1904] besuchte, das Gastspiel des Nürnberger Intimen Theaters am Münchner Schauspielhaus: „Wenn ich hören musst dass Du in München der Aufführung eines seiner Stücke beiwohnst, das nach der Aussage hiesiger Litteraturkenner das Schweinischste ist, was man auf der Bühne sehen kann.“ [AfM Zürich, Nachlass Armin Wedekind, PN 160.5:102]. Frank Wedekind besuchte während des Aufenthalts seiner Schwester außerdem am 26.4.1904: „Dreßler Conzert“ [Tb], ein „Konzert zum Besten der deutschen Truppen in Südwestafrika […] im Bayerischen Hof“ [Allgemeine Zeitung, Jg. 107, Nr. 191, 28.4.1904, S. (1)] seines Freundes Anton Dreßler (Gesang) mit Augst Schmid-Lindner (Klavier) und Liedern von Wolf, Schillings und Thuille; und am 29.4.1904 das Stück „Evchen Humbrecht oder Ihr Mütter merkts Euch!“ von Heinrich Leopold Wagner am Münchner Volkstheater („‘Evchen Humbrecht‘“ [Tb]). und eine Anzahl Menschen kennen gelernt, die Alle freundlich zu ihr waren ohne im geringsten Nach nachsichtig gegen ihre Schwächen zu sein. Auf jeden Fall wird | wird sieSchreibversehen (Wortwiederholung beim Seitenwechsel), statt: wird sie. Dir allerhand ganz interessante gesellschaftliche Schilderungen geben können, vorausgesetzt, daß sie in Pettighofen nicht alles wieder vergißt, was ich schon für möglich halte.

Mit mir selber geht es langsam vorwärts. In einigen Tagen erscheint das Buch„Hidalla oder Sein und Haben“, Schauspiel in fünf Akten, erschien Ende Mai 1904 im Verlag Dr. J. Marchlewski & Co in München [vgl. KSA 6, S. 386]. Wedekind versandte am 31.5.1904 seinem Tagebuch zufolge Freiexemplare („Exemplare von Hidalla verschickt“), angezeigt war das Buch allerdings erst einige Tage später [vgl. Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Jg. 71, Nr. 132, 10.6.1904, S. 5042]. Als Entstehungszeit des Stücks notierte Wedekind später Juli 1903 bis März 1904 [vgl. Nb 54, Blatt 60v]., das ich letzten Sommer in Lenzburg begonnen habe. Vielleicht wird das Stück am Münchner Hoftheater gespieltWedekinds Schauspiel „Hidalla oder Sein und Haben“ wurde am 18.2.1905 am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) unter der Regie von Georg Stollberg mit Wedekind in der Rolle des Karl Hetmann uraufgeführt.. In Berlin ist es bereits | zur Aufführung am Lessingtheater angenommenDie Uraufführung von „Hidalla“ war zunächst am Lessingtheater in Berlin unter der Leitung von Otto Brahm geplant gewesen, war aber nach Wedekinds Protest gegen die Besetzung der Hauptrolle [vgl. Wedekind an Otto Brahm, 11.1.1905] kurzfristig abgesagt worden [vgl. Otto Brahm an Wedekind, 16.1.1905].. In Berlin kommt nächsten Winter auch mein Marquis von Keith wieder an die ReiheDer „Marquis von Keith“ wurde am Berliner Kleinen Theater erst am 13.12.1905 aufgeführt, mit Wedekind als Gast in der Titelrolle., was mir sehr erquicklich ist, da mir das Stück von allem, was ich geschrieben habe am meisten am Herzen liegt. Wirthschaftlich bin ich diesen Winter nicht sehr vorwärts gekommen, da mir durch meine KrankheitWedekind hatte sich Anfang November 1903 eine Lungenentzündung zugezogen [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 14.11.1903 und 3.12.1903]. immerhin zwei Monate verloren gingen. Aber das kümmert mich nicht sehr, da die Aussichten um so bessere sind. |

Diesen Sommer werde ich voraussichtlich wieder nach LenzburgWedekind war vorigen Sommer vom 14.7.1903 bis Mitte September in Lenzburg gewesen. kommen. Mieze singt hier in München mitten im Sommer. Ich würde ihr Gastspielnicht belegt. Vermutlich sollte Erika Wedekind bei den Münchner Mozartfestspielen auftreten, die vom 1. bis 11.8.1904 am Königlichen Residenztheater und am Königlichen Hof- und Nationaltheater stattfanden und zahlreiche auswärtige Gäste präsentierten (aus Dresden: Minnie Nast; aus Berlin: Emilie Herzog) [vgl. Neue Zeitschrift für Musik, Jg. 71, Bd. 100, Nr. 29, 13.7.1904, S. 537f.], unter denen sie sich jedoch nicht befand. Wedekind besuchte Vorstellungen der „Zauberflöte“ [vgl. Tb 5.8.1904] und von „Cosi fan tutte“ [vgl. Tb 10.8.1904]. nicht gerne versäumen. Vielleicht kommen wir dann zusammen nach Lenzburg oder reisen zusammen hierher zurück. Das Zerwürfnisvgl. dazu Erika Wedekind an Frank Wedekind, 30.3.1904. Die Auseinandersetzung zwischen den Schwestern war offenbar der Anlass für Matis unangekündigte Abreise nach München. zwischen Mieze und Mati habe ich nach Kräften zu schlichten gesucht und das ist mir wol auch gelungen. Mati hat hier in | München übrigens auch viell/l/es gehört, was sie ihre eigene Lebensstellung etwas ernster betrachten lehrt.

Und nun leb wohl, liebe Mama; was es sonst noch neues giebt, werde ich Dir alles am liebsten erzählen. Ich weiß, ich bin ein schwacher Briefschreiber, aber ich bin es der ganzen Welt gegenüber, sonst gingen meine Geschäfte auch viel rascher vonstatten.

Noch einmal meine herzlichsten Glückwünsche und meine | besten Wünsche für Dein gesundheitliches Wohlergehen. Von Donald wirst Du ja wol auch etwas hören. Es scheint ihm in Berlin ganz gut zu gehenDonald Wedekind äußerte sich zuletzt zuversichtlich über seine Karriere als Schriftsteller, bat seinen Bruder aber erneut um Geld [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 11.4.1904].. Jedenfalls ist er auch über das Schlimmste hinaus. Wenn Du Armin oder Emma siehst, dann grüße sie.

Mit den herzlichsten Grüßen auf baldiges Wiedersehn
Dein getreuer Sohn
Frank.

München, den 6. Mai 1904.


[Kuvert:]


Frau Dr. Emilie Wedekind
Lenzburg
Streinbrüchli
Schweiz

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 5 Blatt, davon 9 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20 cm. 8 Seiten beschrieben. Gelocht. Kuvert 13 x 10,5 cm. 1 Seite beschrieben. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 ist unten rechts mit Bleistift „10“ notiert. Das Kuvert ist mit einer aufgeklebten Briefmarke von 20 Pfennig frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Uhrzeit im Postausgangsstempel München: „V. 5–6“ (= 5 bis 6 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Lenzburg: „6“ (= 18 Uhr).

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

(Band 2)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
118-120
Briefnummer:
226
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 337-339 (Nr. 171).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 6.5.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
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Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

09.04.2024 15:16