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Kennung: 5165

Festung Königstein, 17. Dezember 1899 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Liebe Mama,

das ist ja eine recht traurige Botschaftder Tod von Wedekinds Tante Auguste Bansen, der Schwester seines Vaters, aus Hannover am 15.12.1899. Zugleich Hinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 16.12.1899.. Mir bleibt nichts anderes, als zu condolierenBeileid zu bekunden.. Meine Dienste kann ich Dir nun leider nicht anbieten. Ich denke, es wäre wol Armins Sache nach Hannover zureisen, vorausgesetzt daß du von Dresden momentan nicht abkommen kannst. Mir sind diese Verhältnisse sämmtlich so vollkommen fremd, indem ich außer dir und meinen Geschwistern ja thatsächlich nicht einen einzigen Verwandten | persönlich kenne, daß man mich nicht vermissen wird.

Hier oben war es die letzten drei Tage empfindlichst kalt, während man sich jetzt wieder vollkommen wol fühlt. Was du mir schriebst von dem Urlaubsgesuch wegen der Aufführungdie Uraufführung von „Der Kammersänger“ (Regie: Martin Zickel) am Neuen Theater in Berlin (Direktion: Nuscha Butze-Beermann) am 10.12.1899. in Berlin muß sich einer von Miezes guten Freunden aus den Fingern gesogen haben. Es ist nicht ein wahres Wort daran, indem ich im Traum nicht daran dachte um Urlaub einzukommen sondern mich herzlich darüber freute, daß ich weit vom Schuß war. Dem Menschen war es offenbar nur darum zu thun ein | Dementi von mir zu erhalten, damit er seinen LesernDie Zeitung, in der vom angeblichen Urlaubsgesuch Wedekinds berichtet wurde, ließ sich nicht identifizieren. noch mal unter die Nase reiben kann, daß ich hier oben sitze. Ich habe deshalb natürlich auch gar nicht darauf reagirt.

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen fröhliche Feiertage. Vielleicht schickst du Donald zu Weihnachten wieder eine Kleinigkeit, vorausgesetzt natürlich, daß er sich in der Zwischenzeit anständig gegen dich betragen hat. Auf diese Weise wird das a/A/ufkommen unheilvoller Spannungen verhindert. Und er ist ja nun einmal im Pech; des wegenSchreibversehen, statt: deswegen. kann man nicht von ihm erwarten, daß er das Gleiche thut. |

An Neuigkeiten habe ich natürlich nichts zu bieten. Wir sind augenblicklich nur unserer ZweiWedekinds Mithäftling war ein nicht näher identifizierter „Agrarier“, wie er seinem Schwager schrieb [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 21.12.1899]. und leben wie in einem Trappistenklosterdas heißt, ohne miteinander zu sprechen; andere Ordensverpflichtungen der Trappisten, wie vielstündige Gebete und Feldarbeit, können hier kaum gemeint sein..

Die Pantoffeln und Strümpfe habe ich glücklich erhaltenDas Begleitschreiben zu der Sendung ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Frank Wedekind, 11.12.1899. und lasse Walther bestens dafür danken. Deine EinsamkeitEmilie Wedekinds Tochter Erika und ihr Schwiegersohn waren in die Schweiz gereist [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 4.12.1899], vermutlich zu den Eltern von Walther Oschwald in Basel. wird ja nun auch bald zu Ende sein. Meine dauert nur noch anderthalb MonatWedekind wurde am 3.2.1900 aus der Haft entlassen. und ich fürchte nur daß ich das mir gesetzte Pensumdie Fertigstellung des „Marquis von Keith“. Tatsächlich zog sich die Arbeit an dem Stück bis in den Mai 1900 hin [vgl. KSA 4, S. 413]. nicht zu Ende bringe. Auf alle Fälle aber hoffe ich dich auf der Durchreise in Dresden zu sehen.

Mit den herzlichsten Grüßen bin ich dein treuer Sohn
Frank


Festung Königstein, 17.12.99.


[Kuvert:]


Frau Dr. Emilie Wedekind
Dresden-Strehlen
9. Julius-Otto-Strasse 9.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 5 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 18 cm. 4 Seiten beschrieben. Kuvert. 12 x 9,5 cm. 1 Seite beschrieben.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Briefmarke wurde aus dem Kuvert ausgeschnitten.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Datum und Ort des Postausgangsstempels fehlen (erschlossen). Uhrzeit im Postausgangsstempel Königstein (Festung): „8–9 V“ (= 8 bis 9 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Dresden: „1–2 N“ (= 13 bis 14 Uhr).

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

(Band 2)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
30-31
Briefnummer:
166
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 315-316 (Nr. 155).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 17.12.1899. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

18.06.2024 16:40
Kennung: 5165

Festung Königstein, 17. Dezember 1899 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

Liebe Mama,

das ist ja eine recht traurige Botschaftder Tod von Wedekinds Tante Auguste Bansen, der Schwester seines Vaters, aus Hannover am 15.12.1899. Zugleich Hinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 16.12.1899.. Mir bleibt nichts anderes, als zu condolierenBeileid zu bekunden.. Meine Dienste kann ich Dir nun leider nicht anbieten. Ich denke, es wäre wol Armins Sache nach Hannover zureisen, vorausgesetzt daß du von Dresden momentan nicht abkommen kannst. Mir sind diese Verhältnisse sämmtlich so vollkommen fremd, indem ich außer dir und meinen Geschwistern ja thatsächlich nicht einen einzigen Verwandten | persönlich kenne, daß man mich nicht vermissen wird.

Hier oben war es die letzten drei Tage empfindlichst kalt, während man sich jetzt wieder vollkommen wol fühlt. Was du mir schriebst von dem Urlaubsgesuch wegen der Aufführungdie Uraufführung von „Der Kammersänger“ (Regie: Martin Zickel) am Neuen Theater in Berlin (Direktion: Nuscha Butze-Beermann) am 10.12.1899. in Berlin muß sich einer von Miezes guten Freunden aus den Fingern gesogen haben. Es ist nicht ein wahres Wort daran, indem ich im Traum nicht daran dachte um Urlaub einzukommen sondern mich herzlich darüber freute, daß ich weit vom Schuß war. Dem Menschen war es offenbar nur darum zu thun ein | Dementi von mir zu erhalten, damit er seinen LesernDie Zeitung, in der vom angeblichen Urlaubsgesuch Wedekinds berichtet wurde, ließ sich nicht identifizieren. noch mal unter die Nase reiben kann, daß ich hier oben sitze. Ich habe deshalb natürlich auch gar nicht darauf reagirt.

Ich wünsche Dir von ganzem Herzen fröhliche Feiertage. Vielleicht schickst du Donald zu Weihnachten wieder eine Kleinigkeit, vorausgesetzt natürlich, daß er sich in der Zwischenzeit anständig gegen dich betragen hat. Auf diese Weise wird das a/A/ufkommen unheilvoller Spannungen verhindert. Und er ist ja nun einmal im Pech; des wegenSchreibversehen, statt: deswegen. kann man nicht von ihm erwarten, daß er das Gleiche thut. |

An Neuigkeiten habe ich natürlich nichts zu bieten. Wir sind augenblicklich nur unserer ZweiWedekinds Mithäftling war ein nicht näher identifizierter „Agrarier“, wie er seinem Schwager schrieb [vgl. Wedekind an Walther Oschwald, 21.12.1899]. und leben wie in einem Trappistenklosterdas heißt, ohne miteinander zu sprechen; andere Ordensverpflichtungen der Trappisten, wie vielstündige Gebete und Feldarbeit, können hier kaum gemeint sein..

Die Pantoffeln und Strümpfe habe ich glücklich erhaltenDas Begleitschreiben zu der Sendung ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Walther Oschwald an Frank Wedekind, 11.12.1899. und lasse Walther bestens dafür danken. Deine EinsamkeitEmilie Wedekinds Tochter Erika und ihr Schwiegersohn waren in die Schweiz gereist [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 4.12.1899], vermutlich zu den Eltern von Walther Oschwald in Basel. wird ja nun auch bald zu Ende sein. Meine dauert nur noch anderthalb MonatWedekind wurde am 3.2.1900 aus der Haft entlassen. und ich fürchte nur daß ich das mir gesetzte Pensumdie Fertigstellung des „Marquis von Keith“. Tatsächlich zog sich die Arbeit an dem Stück bis in den Mai 1900 hin [vgl. KSA 4, S. 413]. nicht zu Ende bringe. Auf alle Fälle aber hoffe ich dich auf der Durchreise in Dresden zu sehen.

Mit den herzlichsten Grüßen bin ich dein treuer Sohn
Frank


Festung Königstein, 17.12.99.


[Kuvert:]


Frau Dr. Emilie Wedekind
Dresden-Strehlen
9. Julius-Otto-Strasse 9.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 5 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Liniertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 18 cm. 4 Seiten beschrieben. Kuvert. 12 x 9,5 cm. 1 Seite beschrieben.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Briefmarke wurde aus dem Kuvert ausgeschnitten.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Datum und Ort des Postausgangsstempels fehlen (erschlossen). Uhrzeit im Postausgangsstempel Königstein (Festung): „8–9 V“ (= 8 bis 9 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Dresden: „1–2 N“ (= 13 bis 14 Uhr).

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

(Band 2)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
30-31
Briefnummer:
166
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 315-316 (Nr. 155).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 17.12.1899. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

18.06.2024 16:40