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Kennung: 5124

München, 28. Mai 1896 (Donnerstag), Erschlossenes Korrespondenzstück

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Grote, Otto von

Inhalt

[Hinweis und Referat in Otto von Grotes Brief an Michael Georg Conrad vom 30.5.1896 aus Wannsee (Mü, MGC B 265):]


Gestern erhielt ich ein eingeschriebenes Manuskript; auf dem Umschlage steht: exp. Wedekind, Adalbertstr. 34, München, – im Inneren sind 83 Quartseiten in ein Papier eingeschlagen, auf welchem: „Das Sonnenspectrum“ mit Blaustift geschrieben steht. – Da der Titel „allenfalls“ zu meiner Idee jenes weltlichen OratoriumsOtto von Grote suchte Wedekind „im Frühjahr 1896“ durch Vermittlung Michael Georg Conrads als Autor für „ein Oratorien-Projekt“ [KSA 3/II, S. 1459] zu gewinnen, das dann in ein Opernprojekt – „Nirwana“ [vgl. KSA 3/II, S. 1459-1467] – umgewandelt wurde. passen könnte, war ich angenehm überrascht; ich erstaunte aber nicht wenig, als ich auf den 83 SeitenWedekinds Dramenfragment „Das Sonnenspektrum. Ein Idyll aus dem modernen Leben“ [KSA 3/I, S. 669-708] ist handschriftlich neben diversen Konzepten in Notizbüchern und einer fragmentarischen Reinschrift auch in einer Fassung überliefert, die 84 Seiten (auf 84 Blatt) mit dem gesamten 1. Akt (allerdings ohne diese Kennzeichnung und ohne Szeneneinteilung) enthält [vgl. KSA 3/II, S. 1360f.]. die (allerdings mit hervorragender Gestaltungskraft geschilderten) modernisirten Hurengespräche, wie solche Luciander aus Samosata (Syrien) stammende griechische Sophist und Satiriker Lukian oder Lukianos, jener antike Dichter, der unter anderem für seine vielfach übersetzten oder nachgedichteten „Hetärengespräche“ bekannt ist [vgl. Paul Englisch: Geschichte der erotischen Literatur. Stuttgart 1927, S.43-45]. und eine ungezählte Reihe oft meisterhaft schilderten. [...] – Aber keine Silbe der Beantwortung meines langen an W. gerichteten Schreibebriefesnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Otto von Grote an Wedekind, 9.5.1896. Otto von Grote hat Wedekind in seinem offenbar ausführlichen Brief zum Schreiben eines Textes zu einem von ihm geplanten Oratorium (siehe oben) aufgefordert; entsprechend überrascht war er, als er stattdessen von Wedekind das Manuskript „Das Sonnenspektrum“ zugeschickt bekam.. – Nun ich werde am Montag das Manuskript an W. zurücksenden, ihm meine Hülfe zu einer etwa gewünschten „Indrucklegung“ des dichterisch werthvollen opusculum(lat.) kleines Opus, kleine Schrift. antragen, obgleich „mir der dichterische Vorwurf meinem Behagen nicht zusagt; solche Verrichtungen entre la morde et le pisse(frz.) zwischen Beißen und Pissen.t zeigen doch den tiefen Hohn, der in unserer Erscheinungswelt überall sich offenbart. – Doch ist es allerdings das gute Recht des Künstlers, seinen Stoff nach Gutdünken zu wählen.“ –

Nun bin ich aber mit meinem weltlichen Oratorium noch auf derselben Stelle! – [...]

NB. Soeben finde ich auf Seite 71. des Wedekindschen Manuskriptes seine Antwort auf mein Schreiben: „... das ist wie beiZitat aus Wedekinds „Sonnenspectrum“ (1. Akt, Figurenrede Dr. Puslowsky): „Das ist wie bei unserem Dichter Eoban. Dem kann man auch nicht vorschreiben, auf welche Weise er dichten soll.“ [KSA 3/I, S. 699] unserem Dichter Eobander Sänger im „Sonnenspectrum“ (1. Akt, letzte Szene), vermutlich „Anspielung auf Helius Eobanus Hessus“, den lebensfrohen evangelischen Humanisten des frühen 16. Jahrhunderts, „der unter seinen Zeitgenossen als der größte dt. Dichter galt.“ [KSA 3/II, S. 1425f.].. Dem kann man auch nicht vorschreiben, auf welche Weise er dichten soll ...“

– Diese Art zu antworten ist fein u. originell; sie bestimmt mich jedoch dazu, meine Hülfe nicht anzubieten. Suum cuique!(lat.) Jedem das Seine! Ich sende das Manuskript „eingeschrieben“ zurück, – ohne Begleitschreiben, so wie es angekommen! – Ich schreibe diese Zeilen während der Lecture des „Sonnenspectrums“. Jedenfalls ist es inconsequent von W.; denn er forderte mich aufHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Otto von Grote, 8.5.1896., ihm die Idee mitzutheilen (er wollte ebenso Ihnen für die Empfehlung danken), folglich mußte er auch direct antworten. Wie die Antwort ausfiel, war ja gleichgültig! Ich hatte W. ausdrücklich erklärt, daß ich absolut nicht empfindlich sei; denn ich sei weder Dichter noch Musiker! –

[...]

P.S. Ich werde W. mit zwei Worten für seine Zusendung danken. Wenn er Ihnen gegenüber nicht die Initiative ergreift, bedarf es ja keiner Anregung Ihrerseits? – Der Schlußaccord – ein Lieddas Lied, das Eoban am Ende des 1. Akts („Das Sonnenspectrum“) zur Harfe singt [vgl. KSA 3/1, S. 703-705]. – ist hervorragend und versöhnend, so daß ich doch wohl die Abdruckkosten dran wenden würde, so wenig sympathisch mir diese Bordell-Scene ist.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 28.5.1896 ist als Ankerdatum gesetzt – das späteste mögliche Schreibdatum des nicht überlieferten Korrespondenzstücks (die Sendung das Manuskripts „Das Sonnenspectrum“), einen Tag für den Postweg gerechnet, abgeleitet von dem Brief, nach dem es erschlossen ist.

  • Schreibort

    München
    28. Mai 1896 (Donnerstag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wannsee
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Otto von Grote, 28.5.1896. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

04.03.2024 14:11
Kennung: 5124

München, 28. Mai 1896 (Donnerstag), Erschlossenes Korrespondenzstück

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Grote, Otto von
 
 

Inhalt

[Hinweis und Referat in Otto von Grotes Brief an Michael Georg Conrad vom 30.5.1896 aus Wannsee (Mü, MGC B 265):]


Gestern erhielt ich ein eingeschriebenes Manuskript; auf dem Umschlage steht: exp. Wedekind, Adalbertstr. 34, München, – im Inneren sind 83 Quartseiten in ein Papier eingeschlagen, auf welchem: „Das Sonnenspectrum“ mit Blaustift geschrieben steht. – Da der Titel „allenfalls“ zu meiner Idee jenes weltlichen OratoriumsOtto von Grote suchte Wedekind „im Frühjahr 1896“ durch Vermittlung Michael Georg Conrads als Autor für „ein Oratorien-Projekt“ [KSA 3/II, S. 1459] zu gewinnen, das dann in ein Opernprojekt – „Nirwana“ [vgl. KSA 3/II, S. 1459-1467] – umgewandelt wurde. passen könnte, war ich angenehm überrascht; ich erstaunte aber nicht wenig, als ich auf den 83 SeitenWedekinds Dramenfragment „Das Sonnenspektrum. Ein Idyll aus dem modernen Leben“ [KSA 3/I, S. 669-708] ist handschriftlich neben diversen Konzepten in Notizbüchern und einer fragmentarischen Reinschrift auch in einer Fassung überliefert, die 84 Seiten (auf 84 Blatt) mit dem gesamten 1. Akt (allerdings ohne diese Kennzeichnung und ohne Szeneneinteilung) enthält [vgl. KSA 3/II, S. 1360f.]. die (allerdings mit hervorragender Gestaltungskraft geschilderten) modernisirten Hurengespräche, wie solche Luciander aus Samosata (Syrien) stammende griechische Sophist und Satiriker Lukian oder Lukianos, jener antike Dichter, der unter anderem für seine vielfach übersetzten oder nachgedichteten „Hetärengespräche“ bekannt ist [vgl. Paul Englisch: Geschichte der erotischen Literatur. Stuttgart 1927, S.43-45]. und eine ungezählte Reihe oft meisterhaft schilderten. [...] – Aber keine Silbe der Beantwortung meines langen an W. gerichteten Schreibebriefesnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Otto von Grote an Wedekind, 9.5.1896. Otto von Grote hat Wedekind in seinem offenbar ausführlichen Brief zum Schreiben eines Textes zu einem von ihm geplanten Oratorium (siehe oben) aufgefordert; entsprechend überrascht war er, als er stattdessen von Wedekind das Manuskript „Das Sonnenspektrum“ zugeschickt bekam.. – Nun ich werde am Montag das Manuskript an W. zurücksenden, ihm meine Hülfe zu einer etwa gewünschten „Indrucklegung“ des dichterisch werthvollen opusculum(lat.) kleines Opus, kleine Schrift. antragen, obgleich „mir der dichterische Vorwurf meinem Behagen nicht zusagt; solche Verrichtungen entre la morde et le pisse(frz.) zwischen Beißen und Pissen.t zeigen doch den tiefen Hohn, der in unserer Erscheinungswelt überall sich offenbart. – Doch ist es allerdings das gute Recht des Künstlers, seinen Stoff nach Gutdünken zu wählen.“ –

Nun bin ich aber mit meinem weltlichen Oratorium noch auf derselben Stelle! – [...]

NB. Soeben finde ich auf Seite 71. des Wedekindschen Manuskriptes seine Antwort auf mein Schreiben: „... das ist wie beiZitat aus Wedekinds „Sonnenspectrum“ (1. Akt, Figurenrede Dr. Puslowsky): „Das ist wie bei unserem Dichter Eoban. Dem kann man auch nicht vorschreiben, auf welche Weise er dichten soll.“ [KSA 3/I, S. 699] unserem Dichter Eobander Sänger im „Sonnenspectrum“ (1. Akt, letzte Szene), vermutlich „Anspielung auf Helius Eobanus Hessus“, den lebensfrohen evangelischen Humanisten des frühen 16. Jahrhunderts, „der unter seinen Zeitgenossen als der größte dt. Dichter galt.“ [KSA 3/II, S. 1425f.].. Dem kann man auch nicht vorschreiben, auf welche Weise er dichten soll ...“

– Diese Art zu antworten ist fein u. originell; sie bestimmt mich jedoch dazu, meine Hülfe nicht anzubieten. Suum cuique!(lat.) Jedem das Seine! Ich sende das Manuskript „eingeschrieben“ zurück, – ohne Begleitschreiben, so wie es angekommen! – Ich schreibe diese Zeilen während der Lecture des „Sonnenspectrums“. Jedenfalls ist es inconsequent von W.; denn er forderte mich aufHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Otto von Grote, 8.5.1896., ihm die Idee mitzutheilen (er wollte ebenso Ihnen für die Empfehlung danken), folglich mußte er auch direct antworten. Wie die Antwort ausfiel, war ja gleichgültig! Ich hatte W. ausdrücklich erklärt, daß ich absolut nicht empfindlich sei; denn ich sei weder Dichter noch Musiker! –

[...]

P.S. Ich werde W. mit zwei Worten für seine Zusendung danken. Wenn er Ihnen gegenüber nicht die Initiative ergreift, bedarf es ja keiner Anregung Ihrerseits? – Der Schlußaccord – ein Lieddas Lied, das Eoban am Ende des 1. Akts („Das Sonnenspectrum“) zur Harfe singt [vgl. KSA 3/1, S. 703-705]. – ist hervorragend und versöhnend, so daß ich doch wohl die Abdruckkosten dran wenden würde, so wenig sympathisch mir diese Bordell-Scene ist.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 28.5.1896 ist als Ankerdatum gesetzt – das späteste mögliche Schreibdatum des nicht überlieferten Korrespondenzstücks (die Sendung das Manuskripts „Das Sonnenspectrum“), einen Tag für den Postweg gerechnet, abgeleitet von dem Brief, nach dem es erschlossen ist.

  • Schreibort

    München
    28. Mai 1896 (Donnerstag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wannsee
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Otto von Grote, 28.5.1896. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
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Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

04.03.2024 14:11