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Kennung: 5101

Zürich, 29. Oktober 1895 (Dienstag), Postkarte

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Postkarte.
Carte postale.
– Cartolina postale.

Nur für die Adresse.
Côté réservé à l’adresse.
Lato riservato all’indirizzo.

––––––––––

Frau Dr. E. Wedekind.
Lenzburg.
Aargau |


Liebe Mama, mein VortragWedekind trat seit kurzem unter dem Namen Cornelius Minehaha mit dramatischen Vorträgen von Henrik Ibsens „Gespenstern“ auf und suchte nach Auftrittsmöglichkeiten [vgl. Wedekind an Hans Bodmer, 24.10.1895]. Über Wedekinds Vortrag in Zürich (spätestens am 28.10.1895) berichtete die Presse: „Henrik Ibsens ‚Gespenster‘ wurden auf der kleinen Bühne des Festsaales der Eintracht am Neumarkt von dem bekannten Rezitator Cornelius Minehaha in sehr bedeutsamer Weise interpretiert. Diese Rezitation war eine wirkliche Kunstleistung, wenn man auch über das äußere Arrangement, namentlich die Markierung der verschiedenen Personen, zweierlei Meinung sein kann. Herr Minehaha markiert die Personen durch sehr geschickte Modulation der Stimme, ferner durch Platzwechsel für jedes Hin und Her eines Gesprächs, aber nur durch sehr wenig Gesten. Er ist in seinen Bewegungen sehr gewandt und fast möchte man sagen graziös. Sein Organ ist außerordentlich biegsam und so fein getönt, daß selbst die leisesten Worte zum letzten Winkel des großen, übervollen Saales drangen. Ungekünstelt, ohne den mindesten Anklang an Deklamation zauberte der eigenartige Künstler doch die Illusion der Wirklichkeit so lebensvoll hervor, daß man nur bewundernde Anerkennung über ihn aussprechen hörte. Daß diejenigen Zuhörer, welche an die feine Berechnung des Ibsen’schen Zwiegesprächs noch nicht gewöhnt sind und dieses darum noch nicht recht verstehen, eingeschlafen sind, konnte dieser Anerkennung keinen Abbruch thun. Man muß auch mit der durch das Tages Last und Müh erzeugten Müdigkeit rechnen, die das Verständnis dieser Feinheiten erschwert. Und dann ist es doch keine kleine Aufgabe volle drei Stunden einem einzigen Mann mit voller Frische zuzuhören. Es war im Gegenteil bewunderungswürdig, daß Herr Minehaha die Aufmerksamkeit der meisten Zuhörer so lange fesseln konnte. Und in welchem Grade hat er sie gefesselt! Es war rührend zu sehen, wie wachen Geistes die Mehrheit des Publikums der künstlerischen Leistung folgte. Also auch hier erwies sich das Eintracht-Publikum als ein besonders dankbares.“ [Tages Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich, Nr. 259, 4.11.1895, 2. Beilage, S. (1)] ist nicht sehr glänzend aber glücklich vonstatten gegangen. Darf ich dich bitten mir eventuelle Briefe zu schicken an Fr. W. Hôtel zum Goldenen Stern, SchiffländeDie Anlegestelle der Dampschiffe befand sich in unmittelbarer Nähe zum Hotel Goldener Stern am Bellevueplatz. Zürich. Ich werde vermutlich erst in drei, vier Tagen meine Sachen holen. Ich wünsche euch herzlich Glück zur ReiseEmilie Wedekind fuhr mit ihrer Tochter Emilie (Mati) mehrere Wochen nach Italien. „Wir reisen auf jeden Fall am 30. Okt. hier weg“ [AfM Zürich, Nachlass Armin Wedekind, PN 165.5.76], schrieb Mati ihrem Bruder Armin Wedekind am 20.10.1895 aus Lenzburg. Als Wedekinds Postkarte dort eintraf, waren Mutter und Schwester bereits abgereist.. Mit den besten Wünschen und Grüßen an Mati und Dich dein

Dankbarer
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 14 x 9 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Empfängeradresse Lenzburg wurde von fremder Hand gestrichen und durch die Angabe „postlagernd Rom“ ersetzt. Die Postkarte ist mit einer aufgeklebten Briefmarke zu 5 Rappen frankiert. Sie ist außerdem mit einer italienischen Nachgebührenmarke „SEGNATASSE 10 CENTESIMI“ sowie Markierungen durch den Zustellbeamten mit blauem Buntstift versehen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Postausgangsstempels – 29.10.1895 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Postausgangsstempel Zürich: „3“ (= 15 Uhr); Uhrzeit im 1. Zwischenstempel Lenzburg: „9“ (= 21 Uhr), im 2. Zwischenstempel Lenzburg: „XI“ (= 11 Uhr). Uhrzeit im Zwischenstempel Rom: „12 S“ (= 0 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Rom: „4 – 5“ (= 4 bis 5 Uhr).

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
278
Briefnummer:
133
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Konvolut Burkhardt, Nidderau
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 29.10.1895. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

25.07.2024 14:48
Kennung: 5101

Zürich, 29. Oktober 1895 (Dienstag), Postkarte

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

Postkarte.
Carte postale.
– Cartolina postale.

Nur für die Adresse.
Côté réservé à l’adresse.
Lato riservato all’indirizzo.

––––––––––

Frau Dr. E. Wedekind.
Lenzburg.
Aargau |


Liebe Mama, mein VortragWedekind trat seit kurzem unter dem Namen Cornelius Minehaha mit dramatischen Vorträgen von Henrik Ibsens „Gespenstern“ auf und suchte nach Auftrittsmöglichkeiten [vgl. Wedekind an Hans Bodmer, 24.10.1895]. Über Wedekinds Vortrag in Zürich (spätestens am 28.10.1895) berichtete die Presse: „Henrik Ibsens ‚Gespenster‘ wurden auf der kleinen Bühne des Festsaales der Eintracht am Neumarkt von dem bekannten Rezitator Cornelius Minehaha in sehr bedeutsamer Weise interpretiert. Diese Rezitation war eine wirkliche Kunstleistung, wenn man auch über das äußere Arrangement, namentlich die Markierung der verschiedenen Personen, zweierlei Meinung sein kann. Herr Minehaha markiert die Personen durch sehr geschickte Modulation der Stimme, ferner durch Platzwechsel für jedes Hin und Her eines Gesprächs, aber nur durch sehr wenig Gesten. Er ist in seinen Bewegungen sehr gewandt und fast möchte man sagen graziös. Sein Organ ist außerordentlich biegsam und so fein getönt, daß selbst die leisesten Worte zum letzten Winkel des großen, übervollen Saales drangen. Ungekünstelt, ohne den mindesten Anklang an Deklamation zauberte der eigenartige Künstler doch die Illusion der Wirklichkeit so lebensvoll hervor, daß man nur bewundernde Anerkennung über ihn aussprechen hörte. Daß diejenigen Zuhörer, welche an die feine Berechnung des Ibsen’schen Zwiegesprächs noch nicht gewöhnt sind und dieses darum noch nicht recht verstehen, eingeschlafen sind, konnte dieser Anerkennung keinen Abbruch thun. Man muß auch mit der durch das Tages Last und Müh erzeugten Müdigkeit rechnen, die das Verständnis dieser Feinheiten erschwert. Und dann ist es doch keine kleine Aufgabe volle drei Stunden einem einzigen Mann mit voller Frische zuzuhören. Es war im Gegenteil bewunderungswürdig, daß Herr Minehaha die Aufmerksamkeit der meisten Zuhörer so lange fesseln konnte. Und in welchem Grade hat er sie gefesselt! Es war rührend zu sehen, wie wachen Geistes die Mehrheit des Publikums der künstlerischen Leistung folgte. Also auch hier erwies sich das Eintracht-Publikum als ein besonders dankbares.“ [Tages Anzeiger für Stadt und Kanton Zürich, Nr. 259, 4.11.1895, 2. Beilage, S. (1)] ist nicht sehr glänzend aber glücklich vonstatten gegangen. Darf ich dich bitten mir eventuelle Briefe zu schicken an Fr. W. Hôtel zum Goldenen Stern, SchiffländeDie Anlegestelle der Dampschiffe befand sich in unmittelbarer Nähe zum Hotel Goldener Stern am Bellevueplatz. Zürich. Ich werde vermutlich erst in drei, vier Tagen meine Sachen holen. Ich wünsche euch herzlich Glück zur ReiseEmilie Wedekind fuhr mit ihrer Tochter Emilie (Mati) mehrere Wochen nach Italien. „Wir reisen auf jeden Fall am 30. Okt. hier weg“ [AfM Zürich, Nachlass Armin Wedekind, PN 165.5.76], schrieb Mati ihrem Bruder Armin Wedekind am 20.10.1895 aus Lenzburg. Als Wedekinds Postkarte dort eintraf, waren Mutter und Schwester bereits abgereist.. Mit den besten Wünschen und Grüßen an Mati und Dich dein

Dankbarer
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 14 x 9 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Empfängeradresse Lenzburg wurde von fremder Hand gestrichen und durch die Angabe „postlagernd Rom“ ersetzt. Die Postkarte ist mit einer aufgeklebten Briefmarke zu 5 Rappen frankiert. Sie ist außerdem mit einer italienischen Nachgebührenmarke „SEGNATASSE 10 CENTESIMI“ sowie Markierungen durch den Zustellbeamten mit blauem Buntstift versehen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Postausgangsstempels – 29.10.1895 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Postausgangsstempel Zürich: „3“ (= 15 Uhr); Uhrzeit im 1. Zwischenstempel Lenzburg: „9“ (= 21 Uhr), im 2. Zwischenstempel Lenzburg: „XI“ (= 11 Uhr). Uhrzeit im Zwischenstempel Rom: „12 S“ (= 0 Uhr). Uhrzeit im Posteingangsstempel Rom: „4 – 5“ (= 4 bis 5 Uhr).

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
278
Briefnummer:
133
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Konvolut Burkhardt, Nidderau
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 29.10.1895. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

25.07.2024 14:48