Vergleichsansicht

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Kennung: 5100

Zürich, 2. August 1895 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Liebe Mama,

aus dem Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 23.7.1895., den du mir zu meinem Geburtstag schriebst, konnte ich mit dem besten ehrlichen Willen kein herzliches Wort herauslesen. Ich las nichts heraus als den Hohn und die Vorwürfe, die ich, wenn ich deiner EinladungTatsächlich folgte Wedekind der Einladung der Mutter und fuhr am 4.8.1895 nach Lenzburg [vgl. Frank Wedekind an Hans Kaeslin, 6.8.1895]. Folge leiste, am dritten, wenn nicht schon am zweiten Tage zu hören bekommen würde. Am Abend | desselben Tages kam MiezeErika Wedekind war am 7.7.1895 als Solistin in der vom Musikverein Lenzburg veranstalteten Aufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ in Lenzburg aufgetreten [vgl. Neue Zürcher Zeitung, Jg. 116, Nr. 175, 26.6.1895, Erstes Abendblatt, S. (4)] und blieb danach offenbar gut drei Wochen in Lenzburg., der gegenüber ich mich in meinen Briefen und wo ich sie sonst getroffen, so correct benommen wie sich ein Mensch nur benehmen kann und beschuldigt mich der Erpressung. Mir ist das Leben zu ernst und zu schwer als dass ich solche Dinge ruhig hinnemenSchreibversehen, statt: hinnehmen. kann. Ich bitte dich um alles, nicht glauben zu wollen dass ich mich irgendwie beklage. Wenn ich kein Geld mehr habe, so habe ich es dafür weiter in der Welt gebracht als hunderte die den gleichen Weg mit mir eingeschlagen haben. Hätte ich | im Traum ahnen können, wie niedrig Mieze von mir denkt, dann wäre sie sicher gewesen, von mir verschont zu bleiben. Und hätte ich eine Ahnung davon gehabt, dass sie sich wieder mal verlobtder seinerzeit aktuelle Verlobte Erika Wedekinds ist nicht ermittelt. hat, dann würde ich mich gleichfalls wol besonnen haben, mich immer an sie zu wenden. Von dem Augenblick an, wo ich das erfuhr, war mir ihr Verhalten vollkommen klar, nur hätte ich geglaubt, dass sie der BettelKram, nutzloses Zeug; hier wohl im Sinne von Almosen., den ich ihr schulde, darum doch noch nicht so schwer zu drücken braucht.

Mieze stellt mir in Aussicht, dass ich mein Unrecht an dir eventuell wieder gut machen kann. Schreib mir bitte, was ich thun soll, was du | von mir forderst. Du weisst sehr wol, liebe Mama, dass ich dir nie etwas Böses gewünscht! Es ist mir in meiner Lage nur schlect/c/hterdings unmöglich, mich beschimpfen zu lassen, wie mich Mieze um deinetwillen gethan hat. Der Werth meiner eigenen Person ist in diesem Augenblick alles was ich habe und da lasse ich mir von niemandem daran rühren. In wenigen MonatenWedekind hoffte auf einen Erfolg seiner Tragödie „Der Erdgeist“, deren Publikation bei Albert Langen er in den nächsten Wochen erwartete [vgl. Wedekind an Hans Kaeslin, 6.8.1895]. werde ich darüber hinaus sein und mir den Luxus erlauben können, weniger exact zu empfinden. Vorderhand muss ich mich selber rein halten. Das ist das, was Mieze in ihrem Briefnicht überliefert, erschlossenes Korrespondenzstück: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 30.7.1895. an mich einen moralischen Sumpf nennt. |

Ich bitte dich also aufrichtig um Verzeihung, liebe Mama, wegen des Briefes den ich dir schriebnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 21.7.1895.. Es thut mir aufrichtig leid, dir das schwere Unrecht zugefügt zu haben; es thut mir mehr leid als ein Unrecht, das man mir selber zufügt. Wenn du mir ein paar Worte schreiben willst, so kannst du sicher sein, dass du mir eine drückende Last abnimmst.

Dein treuer, dich unverändert liebender Sohn
Frank.

Universitäts Strasse 15.
3.8.95.Wie der Postausgangsstempel belegt, hat Wedekind den Brief bereits am Vortag geschrieben.


[Kuvert:]


Frau Dr. Emilie Wedekind
Lenzburg.
Aargau.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt und Einzelblatt. Seitenmaß 11 x 17,5 cm. 5 Seiten beschrieben. Kuvert. 12 x 9 cm. 1 Seite beschrieben.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Von fremder Hand ist auf Seite 1 oben mit Bleistift das Datum „2.VIII.95“ notiert. Das Kuvert ist mit einer aufgeklebten Briefmarke zu 10 Rappen frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Schreibdatum wird das Datum des Postausgangsstempels – 2.8.1895 – angenommen. Wedekind hat den Brief auf den Folgetag datiert.

Uhrzeit im Postausgangsstempel Zürich: „5“ (= 17 Uhr); Uhrzeit im Posteingangsstempel Lenzburg: „8“ (= 20 Uhr).

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
277-278
Briefnummer:
132
Kommentar:
Im Erstdruck ist der Brief auf den 1.8.1895 datiert.
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Konvolut Burkhardt, Nidderau
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 2.8.1895. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

15.03.2024 12:19
Kennung: 5100

Zürich, 2. August 1895 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

Liebe Mama,

aus dem Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 23.7.1895., den du mir zu meinem Geburtstag schriebst, konnte ich mit dem besten ehrlichen Willen kein herzliches Wort herauslesen. Ich las nichts heraus als den Hohn und die Vorwürfe, die ich, wenn ich deiner EinladungTatsächlich folgte Wedekind der Einladung der Mutter und fuhr am 4.8.1895 nach Lenzburg [vgl. Frank Wedekind an Hans Kaeslin, 6.8.1895]. Folge leiste, am dritten, wenn nicht schon am zweiten Tage zu hören bekommen würde. Am Abend | desselben Tages kam MiezeErika Wedekind war am 7.7.1895 als Solistin in der vom Musikverein Lenzburg veranstalteten Aufführung von Joseph Haydns Oratorium „Die Schöpfung“ in Lenzburg aufgetreten [vgl. Neue Zürcher Zeitung, Jg. 116, Nr. 175, 26.6.1895, Erstes Abendblatt, S. (4)] und blieb danach offenbar gut drei Wochen in Lenzburg., der gegenüber ich mich in meinen Briefen und wo ich sie sonst getroffen, so correct benommen wie sich ein Mensch nur benehmen kann und beschuldigt mich der Erpressung. Mir ist das Leben zu ernst und zu schwer als dass ich solche Dinge ruhig hinnemenSchreibversehen, statt: hinnehmen. kann. Ich bitte dich um alles, nicht glauben zu wollen dass ich mich irgendwie beklage. Wenn ich kein Geld mehr habe, so habe ich es dafür weiter in der Welt gebracht als hunderte die den gleichen Weg mit mir eingeschlagen haben. Hätte ich | im Traum ahnen können, wie niedrig Mieze von mir denkt, dann wäre sie sicher gewesen, von mir verschont zu bleiben. Und hätte ich eine Ahnung davon gehabt, dass sie sich wieder mal verlobtder seinerzeit aktuelle Verlobte Erika Wedekinds ist nicht ermittelt. hat, dann würde ich mich gleichfalls wol besonnen haben, mich immer an sie zu wenden. Von dem Augenblick an, wo ich das erfuhr, war mir ihr Verhalten vollkommen klar, nur hätte ich geglaubt, dass sie der BettelKram, nutzloses Zeug; hier wohl im Sinne von Almosen., den ich ihr schulde, darum doch noch nicht so schwer zu drücken braucht.

Mieze stellt mir in Aussicht, dass ich mein Unrecht an dir eventuell wieder gut machen kann. Schreib mir bitte, was ich thun soll, was du | von mir forderst. Du weisst sehr wol, liebe Mama, dass ich dir nie etwas Böses gewünscht! Es ist mir in meiner Lage nur schlect/c/hterdings unmöglich, mich beschimpfen zu lassen, wie mich Mieze um deinetwillen gethan hat. Der Werth meiner eigenen Person ist in diesem Augenblick alles was ich habe und da lasse ich mir von niemandem daran rühren. In wenigen MonatenWedekind hoffte auf einen Erfolg seiner Tragödie „Der Erdgeist“, deren Publikation bei Albert Langen er in den nächsten Wochen erwartete [vgl. Wedekind an Hans Kaeslin, 6.8.1895]. werde ich darüber hinaus sein und mir den Luxus erlauben können, weniger exact zu empfinden. Vorderhand muss ich mich selber rein halten. Das ist das, was Mieze in ihrem Briefnicht überliefert, erschlossenes Korrespondenzstück: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 30.7.1895. an mich einen moralischen Sumpf nennt. |

Ich bitte dich also aufrichtig um Verzeihung, liebe Mama, wegen des Briefes den ich dir schriebnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 21.7.1895.. Es thut mir aufrichtig leid, dir das schwere Unrecht zugefügt zu haben; es thut mir mehr leid als ein Unrecht, das man mir selber zufügt. Wenn du mir ein paar Worte schreiben willst, so kannst du sicher sein, dass du mir eine drückende Last abnimmst.

Dein treuer, dich unverändert liebender Sohn
Frank.

Universitäts Strasse 15.
3.8.95.Wie der Postausgangsstempel belegt, hat Wedekind den Brief bereits am Vortag geschrieben.


[Kuvert:]


Frau Dr. Emilie Wedekind
Lenzburg.
Aargau.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt und Einzelblatt. Seitenmaß 11 x 17,5 cm. 5 Seiten beschrieben. Kuvert. 12 x 9 cm. 1 Seite beschrieben.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Kuvert im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Von fremder Hand ist auf Seite 1 oben mit Bleistift das Datum „2.VIII.95“ notiert. Das Kuvert ist mit einer aufgeklebten Briefmarke zu 10 Rappen frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Schreibdatum wird das Datum des Postausgangsstempels – 2.8.1895 – angenommen. Wedekind hat den Brief auf den Folgetag datiert.

Uhrzeit im Postausgangsstempel Zürich: „5“ (= 17 Uhr); Uhrzeit im Posteingangsstempel Lenzburg: „8“ (= 20 Uhr).

Erstdruck

Briefwechsel mit den Eltern 1868‒1915. Band 1: Briefe

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2021
Seitenangabe:
277-278
Briefnummer:
132
Kommentar:
Im Erstdruck ist der Brief auf den 1.8.1895 datiert.
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Konvolut Burkhardt, Nidderau
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 2.8.1895. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

15.03.2024 12:19