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Kennung: 5076

Paris, 8. Mai 1893 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Paris, 8. Mai 1893.


Liebe Mama,

meine herzlichen Gratulationen zu deinem GeburtstagEmilie Wedekind hatte am 8.5.1893 ihren 53. Geburtstag.. Du selber hast mir auf meinen letzten Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 20.2.1893., den ich dir nach Dresden schickte noch nicht wieder geantwortet. Indessen weiß ich aus Mittheilungen von Hami, Mieze und | DonaldVon den Briefen der Geschwister aus dem relevanten Zeitraum ist nur ein Schreiben Donald Wedekinds überliefert [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 1.3.1893]; erschlossene Korrespondenzstücke: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1893; Armin Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1893., daß du von deiner Reise im besten Wohlbefinden zurückgekehrtEmilie Wedekind kehrte Ende Februar vom Besuch ihrer Tochter Erika in Dresden nach Lenzburg zurück, vermutlich am 26.2.1893 [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 1.3.1893]. bist und reichlich zu erzählen hattest. Ich freue mich von ganzenSchreibversehen, statt: ganzem. Herzen darauf deine Erlebnisse über kurz oder lang auch mitanhören zu DürfenSchreibversehen, statt: dürfen.. Mieze soll wie mir Frl SchäppiSophie Schäppi aus Winterthur; die schweizerische Künstlerin besuchte seit 1874 die Académie Julian in Paris und hatte eine Ateliergemeinschaft mit Louise-Cathérine Breslau. Als Fayencemalerin war sie für die Keramik-Manufaktur Théodore Deck tätig. Sie zählte zu Wedekinds Kontakten in Paris; dem mit ihr befreundeten Michael Georg Conrad gab er ihre aktuelle Adresse (Avenue des Ternes 40) weiter [vgl. Wedekind an Michael Georg Conrad, 13.5.1892]. erzählte ein glänzendes ExamenAm 29.3.1893 erhielt Erika Wedekind vom Königlichen Konservatorium in Dresden das „Preiszeugnis, die höchste Auszeichnung der Anstalt“ [Dresdner Journal, Nr. 74, 30.3.1893, abends, S. 571]. hinter sich haben. | Das ist freilich von Mieze nicht anders zu erwarten und ich gratulire dir auch dazu. Daß du nach deiner Rückkehr die ungeheuren Geschäfte des UmzugesEmilie Wedekind war anlässlich des Verkaufs von Schloss Lenzburg im März 1893 ins Haus Steinbrüchli am Fuße des Schlossbergs umgezogen. glücklich erledigt, habe ich auch gehört, ebenso daß du dich hübsch und gemüthlich im Steinbrüchli eingerichtet und daß Mati jetzt seit einigen Tagen bei dir ist, was | dir, so hoffe ich von Mati, gleichfalls zur Freude gereicht. Ich habe Mati noch für ihr liebes Neujahrsgeschenkvermutlich das früher bereits erwähnte Geschenk zu Weihnachten 1892 [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.1.1893], für das Wedekind seiner Schwester noch Dank schuldete. nicht gedankt. Ich lasse sie bitten, darüber nicht ungehalten sein zu wollen. Ich werde es gelegentlich wieder gut zu machen suchen.

Ende Juni führen mich dringende Geschäftemöglicherweise zur Vorbereitung des von Wedekind angestrebten Verlagswechsels für „Frühlings Erwachen“ (1891), der im Oktober von Jean Groß zu Cäsar Schmidt in Zürich erfolgte [vgl. Kutscher 1, S. 254]. | nach Zürich und da freue ich mich dies mal wirklich wie ein Kind darauf, einige Tage in Lenzburg zu sein. Ich verspreche dir im Voraus, dir in keiner Weise zur Last fallen zu wollen. Ich werde wie Hami und Donald in der Krone wohnen und hoffe mich nur tagsüber in deiner /So/nne wandeln und mich Abends an deiner | Herzenswärme erlaben zu dürfen. Man weiß das, je älter man wird um so mehr zu schätzen, zumal wenn mann nicht verheiratet ist, was bei mir wol noch in weitem, sehr weitem Felde steht. Deine diesbezüglichen Prophezeiungen scheinen in der That in Erfüllung gehen zu wollen. Es wäre auch kein Wunder, indem | man mit jedem Jahr wählerischer wird und dabei doch schließlich an Werth als präsumtivermutmaßlicher, wahrscheinlicher. Ehegatte nicht zunimmt. Ich lebe hier jetzt im engsten Verkehr mit der alten Frau Herwegh,Die 75jährige Schriftstellerin und Politikerin Emma Herwegh, Witwe des Dichters und Revolutionärs Georg Herwegh, lebte seit 1878 in Paris und zählte dort Wedekinds Tagebuch zufolge zu seinen engen Kontakten. der ich so ziemlich alles was ich in Paris Gesellschaftliches kennen gelernt und genossen, zu danken habe. Sie hat mich mit SarasatePablo de Sarasate, berühmter spanischer Geigenvirtuose und Komponist, der das Pariser Konservatorium besucht hatte. nicht weniger | als mit einer Menge Comptessen und Marquisen bekannt gemacht. Sie hegt für alles Interesse. Sie ist ebenso jung wie alt, ebenso arm wie geehrt, ja sogar einflußreich.

Und nun leb wohl, liebe Mama. Nochmals meine besten Glückwünsche. In froher Hoffnung auf baldiges Wiedersehen mit den innigsten Grüßen an Mati und dich dein treuer Sohn
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Paris
    8. Mai 1893 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Paris
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
257-258
Briefnummer:
103
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 269-270 (Nr. 125).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 8.5.1893. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

06.02.2024 17:03
Kennung: 5076

Paris, 8. Mai 1893 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

Paris, 8. Mai 1893.


Liebe Mama,

meine herzlichen Gratulationen zu deinem GeburtstagEmilie Wedekind hatte am 8.5.1893 ihren 53. Geburtstag.. Du selber hast mir auf meinen letzten Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 20.2.1893., den ich dir nach Dresden schickte noch nicht wieder geantwortet. Indessen weiß ich aus Mittheilungen von Hami, Mieze und | DonaldVon den Briefen der Geschwister aus dem relevanten Zeitraum ist nur ein Schreiben Donald Wedekinds überliefert [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 1.3.1893]; erschlossene Korrespondenzstücke: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 7.3.1893; Armin Wedekind an Frank Wedekind, 15.3.1893., daß du von deiner Reise im besten Wohlbefinden zurückgekehrtEmilie Wedekind kehrte Ende Februar vom Besuch ihrer Tochter Erika in Dresden nach Lenzburg zurück, vermutlich am 26.2.1893 [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 1.3.1893]. bist und reichlich zu erzählen hattest. Ich freue mich von ganzenSchreibversehen, statt: ganzem. Herzen darauf deine Erlebnisse über kurz oder lang auch mitanhören zu DürfenSchreibversehen, statt: dürfen.. Mieze soll wie mir Frl SchäppiSophie Schäppi aus Winterthur; die schweizerische Künstlerin besuchte seit 1874 die Académie Julian in Paris und hatte eine Ateliergemeinschaft mit Louise-Cathérine Breslau. Als Fayencemalerin war sie für die Keramik-Manufaktur Théodore Deck tätig. Sie zählte zu Wedekinds Kontakten in Paris; dem mit ihr befreundeten Michael Georg Conrad gab er ihre aktuelle Adresse (Avenue des Ternes 40) weiter [vgl. Wedekind an Michael Georg Conrad, 13.5.1892]. erzählte ein glänzendes ExamenAm 29.3.1893 erhielt Erika Wedekind vom Königlichen Konservatorium in Dresden das „Preiszeugnis, die höchste Auszeichnung der Anstalt“ [Dresdner Journal, Nr. 74, 30.3.1893, abends, S. 571]. hinter sich haben. | Das ist freilich von Mieze nicht anders zu erwarten und ich gratulire dir auch dazu. Daß du nach deiner Rückkehr die ungeheuren Geschäfte des UmzugesEmilie Wedekind war anlässlich des Verkaufs von Schloss Lenzburg im März 1893 ins Haus Steinbrüchli am Fuße des Schlossbergs umgezogen. glücklich erledigt, habe ich auch gehört, ebenso daß du dich hübsch und gemüthlich im Steinbrüchli eingerichtet und daß Mati jetzt seit einigen Tagen bei dir ist, was | dir, so hoffe ich von Mati, gleichfalls zur Freude gereicht. Ich habe Mati noch für ihr liebes Neujahrsgeschenkvermutlich das früher bereits erwähnte Geschenk zu Weihnachten 1892 [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.1.1893], für das Wedekind seiner Schwester noch Dank schuldete. nicht gedankt. Ich lasse sie bitten, darüber nicht ungehalten sein zu wollen. Ich werde es gelegentlich wieder gut zu machen suchen.

Ende Juni führen mich dringende Geschäftemöglicherweise zur Vorbereitung des von Wedekind angestrebten Verlagswechsels für „Frühlings Erwachen“ (1891), der im Oktober von Jean Groß zu Cäsar Schmidt in Zürich erfolgte [vgl. Kutscher 1, S. 254]. | nach Zürich und da freue ich mich dies mal wirklich wie ein Kind darauf, einige Tage in Lenzburg zu sein. Ich verspreche dir im Voraus, dir in keiner Weise zur Last fallen zu wollen. Ich werde wie Hami und Donald in der Krone wohnen und hoffe mich nur tagsüber in deiner /So/nne wandeln und mich Abends an deiner | Herzenswärme erlaben zu dürfen. Man weiß das, je älter man wird um so mehr zu schätzen, zumal wenn mann nicht verheiratet ist, was bei mir wol noch in weitem, sehr weitem Felde steht. Deine diesbezüglichen Prophezeiungen scheinen in der That in Erfüllung gehen zu wollen. Es wäre auch kein Wunder, indem | man mit jedem Jahr wählerischer wird und dabei doch schließlich an Werth als präsumtivermutmaßlicher, wahrscheinlicher. Ehegatte nicht zunimmt. Ich lebe hier jetzt im engsten Verkehr mit der alten Frau Herwegh,Die 75jährige Schriftstellerin und Politikerin Emma Herwegh, Witwe des Dichters und Revolutionärs Georg Herwegh, lebte seit 1878 in Paris und zählte dort Wedekinds Tagebuch zufolge zu seinen engen Kontakten. der ich so ziemlich alles was ich in Paris Gesellschaftliches kennen gelernt und genossen, zu danken habe. Sie hat mich mit SarasatePablo de Sarasate, berühmter spanischer Geigenvirtuose und Komponist, der das Pariser Konservatorium besucht hatte. nicht weniger | als mit einer Menge Comptessen und Marquisen bekannt gemacht. Sie hegt für alles Interesse. Sie ist ebenso jung wie alt, ebenso arm wie geehrt, ja sogar einflußreich.

Und nun leb wohl, liebe Mama. Nochmals meine besten Glückwünsche. In froher Hoffnung auf baldiges Wiedersehen mit den innigsten Grüßen an Mati und dich dein treuer Sohn
Frank.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Paris
    8. Mai 1893 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Paris
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
257-258
Briefnummer:
103
Kommentar:
Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 269-270 (Nr. 125).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 8.5.1893. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

06.02.2024 17:03