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Kennung: 5068

Paris, 3. Mai 1892 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

Paris 3.V.92.


Liebe Mama,

ich beeile mich die unterzeichnete BevollmächtigungAls Miterbe von Schloss Lenzburg musste Wedekind seiner Mutter eine Vollmacht zu dessenVerkauf ausstellen. Die Presse berichtete: „Ein Herr Jessup aus Philadelphia hat von der Erbschaft des Hrn. Dr. Wedekind das Schloß Lenzburg gekauft. Derselbe gedenkt an der alten Ritterburg bedeutende Restaurationsbauten vorzunehmen.“ [Der Bund, Jg. 43, Nr. 120, 29.4.1892, Erstes Blatt, S. (3)]. Tatsächlich verzögerte sich der Verkauf des Schlosses aufgrund von Streitigkeiten mit dem Gemeinderath von Lenzburg wegen der Sicherung des Schlossfelsens [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 155-157] bis Mitte März 1893 [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 1.3.1893]. so rasch wie möglich zu expedirenabzusenden.. Daß ich mich bei der Unterzeichnung als Schweizer ausgewiesenDurch den Eintrag im Familienpass seines Vaters war Frank Wedekind US-amerikanischer Staatsbürger [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 157f.]. ist eine Unrichtigkeit. Herr Dr. StummMitarbeiter des Schweizer Konsulats in Paris. Veranlasst durch einen Brief seiner Mutter [vgl. Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 30.4.1892], hatte Wedekind die benötigte Vollmacht dort beantragt und nach einem fehlgeschlagenen Versuch („Ich komme zu spät in’s Schweizer Consulat“, Tb 2.5.1892) erhalten: „Unterschreibe auf dem Consulat meine Vollmachtserklärung, wobei mich Dr. Stumm zum Schweizer stempelt. Schreibe an Mama.“ [Tb 3.5.1892] hat es als selbstverständlich vorausgesetzt.

Ich gratulire Dir und uns allen dazu, daß es dir nun doch gelungen den Handel ab|zuschließen. Wir Alle haben Ursache, Dir dafür zu DankenSchreibversehen, statt: zu danken.. Das ResultatDer Kaufpreis für Schloss Lenzburg betrug 120.000 Franken [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 157]. ist, wenn auch kein glänzendes, so doch immerhin kein schlechtes. Es entspricht durchaus dem, was ich im besten Falle gehofft hatte. Das Nähere ließe sich natürlich nur beurtheilen, wenn ich wüßte, wie du es mit dem InventarEinem früheren Interessenten hatte Emilie Wedekind die zahlreichen Sammlungen und Antiquitäten von Friedrich Wilhelm Wedekind pauschal angeboten [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 19.9.1890]. gehalten. Indessen bitte ich dich, in dieser Hinsicht ganz nach deinem Gutdünken zu verfahren. Du selber bist dank deiner Anschaffungen ja doch am meisten dabei interessirt.

Ich wage es kaum dich zu fragen, was du nunmehr zu thun gedenkst, indem ich dank | meiner mangelnden Stellung nicht in der Lage bin, bestimmend auf Dich einzuwirken. Wenn du Mati um dich zu haben gedenkst wäre es gewiß das verfehlteste nicht, wenn du mit ihr hierher kämst, indem Mati hier etwas lernen könnte, in guter Gesellschaft verkehren würde, und davor geschützt wäre, aus Mangel an anständigem Verkehr auf Abwege zu gerathen. Übrigens kämst auch du dabei natürlich in erster Linie in Betracht. In Lenzburg hat sich dir die Überzeugung aufgedrängt, daß du einer gewissen körperlichen Arbeit bedarfst um dich wohl zu fühlen. Wenn einer das begreift, so bin ich es, indem ich mich in Lenzburg körperlich auch nie besonders wohl gefühlt und immer an den Folgen | von mangelnder Bewegung, Herzklopfen, Schwere in den Gliedern e. ct. gelitten habe. Ich hege die feste Überzeugung, daß deine Gesundheit hier in dieser Hinsicht in keiner Weise gefährdet wäre, indem die Ausdehnung der Stadt viel mehr Bewegung mit sich bringt, als Du Dir in Lenzburg mit aller körperlichen Arbeit machen kannst. Dabei kannst du dirs hier so behaglich wie möglich machen und kämst vielleicht doch noch einmal dazu, Dein Leben, bis zu einem gewissen Grad wenigstens zu genießen. Darf ich dich bitten, dir dies reiflich zu überlegen, so viel wie möglich an dich selbst und möglichst wenig an Andere zu denken. Vielleicht daß du Andern damit am meisten nützstSchreibversehen, statt: nützt..

Verzeih daß ich dirSchreibversehen (Auslassung), statt: ich mich dir. in diesem Moment da du einen Sieg errungen, mit guten Rathschlägen zu nahen wage. Ich bitte dich nur wenigstens an meiner guten Absicht nicht zu zweifeln und verbleibe mit herzlichsten Grüßen
dein DankbarerSchreibversehen, statt: dankbarer. Sohn
Franklin.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat zuerst die Außenseiten des Doppelblattes beschrieben und die Rückseite des Doppelblattes daher mit einer „2.“ nummeriert (hier nicht wiedergegeben).

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Paris
    3. Mai 1892 (Dienstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Paris
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
231-233
Briefnummer:
93
Kommentar:
Im Erstdruck unvollständig ediert; die Auslassung ist nicht markiert. Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 258-259 (Nr. 120).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 3.5.1892. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

05.02.2024 14:24
Kennung: 5068

Paris, 3. Mai 1892 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

Paris 3.V.92.


Liebe Mama,

ich beeile mich die unterzeichnete BevollmächtigungAls Miterbe von Schloss Lenzburg musste Wedekind seiner Mutter eine Vollmacht zu dessenVerkauf ausstellen. Die Presse berichtete: „Ein Herr Jessup aus Philadelphia hat von der Erbschaft des Hrn. Dr. Wedekind das Schloß Lenzburg gekauft. Derselbe gedenkt an der alten Ritterburg bedeutende Restaurationsbauten vorzunehmen.“ [Der Bund, Jg. 43, Nr. 120, 29.4.1892, Erstes Blatt, S. (3)]. Tatsächlich verzögerte sich der Verkauf des Schlosses aufgrund von Streitigkeiten mit dem Gemeinderath von Lenzburg wegen der Sicherung des Schlossfelsens [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 155-157] bis Mitte März 1893 [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 1.3.1893]. so rasch wie möglich zu expedirenabzusenden.. Daß ich mich bei der Unterzeichnung als Schweizer ausgewiesenDurch den Eintrag im Familienpass seines Vaters war Frank Wedekind US-amerikanischer Staatsbürger [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 157f.]. ist eine Unrichtigkeit. Herr Dr. StummMitarbeiter des Schweizer Konsulats in Paris. Veranlasst durch einen Brief seiner Mutter [vgl. Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 30.4.1892], hatte Wedekind die benötigte Vollmacht dort beantragt und nach einem fehlgeschlagenen Versuch („Ich komme zu spät in’s Schweizer Consulat“, Tb 2.5.1892) erhalten: „Unterschreibe auf dem Consulat meine Vollmachtserklärung, wobei mich Dr. Stumm zum Schweizer stempelt. Schreibe an Mama.“ [Tb 3.5.1892] hat es als selbstverständlich vorausgesetzt.

Ich gratulire Dir und uns allen dazu, daß es dir nun doch gelungen den Handel ab|zuschließen. Wir Alle haben Ursache, Dir dafür zu DankenSchreibversehen, statt: zu danken.. Das ResultatDer Kaufpreis für Schloss Lenzburg betrug 120.000 Franken [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 157]. ist, wenn auch kein glänzendes, so doch immerhin kein schlechtes. Es entspricht durchaus dem, was ich im besten Falle gehofft hatte. Das Nähere ließe sich natürlich nur beurtheilen, wenn ich wüßte, wie du es mit dem InventarEinem früheren Interessenten hatte Emilie Wedekind die zahlreichen Sammlungen und Antiquitäten von Friedrich Wilhelm Wedekind pauschal angeboten [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 19.9.1890]. gehalten. Indessen bitte ich dich, in dieser Hinsicht ganz nach deinem Gutdünken zu verfahren. Du selber bist dank deiner Anschaffungen ja doch am meisten dabei interessirt.

Ich wage es kaum dich zu fragen, was du nunmehr zu thun gedenkst, indem ich dank | meiner mangelnden Stellung nicht in der Lage bin, bestimmend auf Dich einzuwirken. Wenn du Mati um dich zu haben gedenkst wäre es gewiß das verfehlteste nicht, wenn du mit ihr hierher kämst, indem Mati hier etwas lernen könnte, in guter Gesellschaft verkehren würde, und davor geschützt wäre, aus Mangel an anständigem Verkehr auf Abwege zu gerathen. Übrigens kämst auch du dabei natürlich in erster Linie in Betracht. In Lenzburg hat sich dir die Überzeugung aufgedrängt, daß du einer gewissen körperlichen Arbeit bedarfst um dich wohl zu fühlen. Wenn einer das begreift, so bin ich es, indem ich mich in Lenzburg körperlich auch nie besonders wohl gefühlt und immer an den Folgen | von mangelnder Bewegung, Herzklopfen, Schwere in den Gliedern e. ct. gelitten habe. Ich hege die feste Überzeugung, daß deine Gesundheit hier in dieser Hinsicht in keiner Weise gefährdet wäre, indem die Ausdehnung der Stadt viel mehr Bewegung mit sich bringt, als Du Dir in Lenzburg mit aller körperlichen Arbeit machen kannst. Dabei kannst du dirs hier so behaglich wie möglich machen und kämst vielleicht doch noch einmal dazu, Dein Leben, bis zu einem gewissen Grad wenigstens zu genießen. Darf ich dich bitten, dir dies reiflich zu überlegen, so viel wie möglich an dich selbst und möglichst wenig an Andere zu denken. Vielleicht daß du Andern damit am meisten nützstSchreibversehen, statt: nützt..

Verzeih daß ich dirSchreibversehen (Auslassung), statt: ich mich dir. in diesem Moment da du einen Sieg errungen, mit guten Rathschlägen zu nahen wage. Ich bitte dich nur wenigstens an meiner guten Absicht nicht zu zweifeln und verbleibe mit herzlichsten Grüßen
dein DankbarerSchreibversehen, statt: dankbarer. Sohn
Franklin.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 21 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat zuerst die Außenseiten des Doppelblattes beschrieben und die Rückseite des Doppelblattes daher mit einer „2.“ nummeriert (hier nicht wiedergegeben).

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Paris
    3. Mai 1892 (Dienstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Paris
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
231-233
Briefnummer:
93
Kommentar:
Im Erstdruck unvollständig ediert; die Auslassung ist nicht markiert. Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 258-259 (Nr. 120).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 3.5.1892. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

05.02.2024 14:24