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Kennung: 5051

München, 29. Dezember 1890 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie

Inhalt

München 29.XII 90.


Liebe Mama

du kannst dir nicht denken welche Freude Du mir mit dem Bildedie Sendung zu Weihnachten und das Begleitschreiben sind nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 23.12.1890. gemacht. Es ist außerdem so ziemlich das einzige Geschenk daß ichSchreibversehen, statt: das ich. erhalten, abgesehen vielleicht von einenSchreibversehen, statt: von einem. Lebkuchenherzen den mirSchreibversehen, statt: das mir. ein Bekannter mal zufällig in’s Caffee mitgebracht hatte. Seit Miezes AbreiseErika Wedekind hatte ihren Bruder am 7.12.1890 in München besucht [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 6.12.1890] und reiste spätestens am 11.12.1890 weiter nach Dresden [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 12.12.1890]. brennt mir dieser Brief an dich auf der Seele, aber gerade über Weihnachten war ich von | einem abscheulichen Zahngeschwür geplagt, was mich nicht einmal in Ruhe essen, geschweige denn mich sonst noch meines Lebens oder gar der/s/ Festes freuen ließ. Ich hoffe und wünsche dir von ganzen Herzen, daß du trotz deiner gegenwärtigen Vereinsamung eine fröhlichere Weihnacht mögest gefeiert haben.

Was im übrigen meinem Thun und Treiben betrifft, so warte ich b/s/eit mehr als einem halben Jahr auf das Erscheinen meines StückesManuskripte seines Lustspiels „Kinder und Narren“ hatte Wedekind am 26.8.1890 bzw. am 27.8.1890 an die beiden Bühnenverlage Felix Bloch Erben und Albert Entsch (Theodor Entsch, Inhaber seit 1883) geschickt [vgl. KSA 2, S. 636f.]. Beide Verlage lehnten das Stück ab. Da er keinen Verleger fand, ließ er das Buch auf eigene Kosten bei der Münchner Buchdruckerei R. Warth drucken, das Erscheinen verzögerte sich jedoch bis Anfang 1891 [vgl. KSA 2, S. 630]., das sich in unverantwortlicher Weise | Weise verzögert hat. Mein einziger Trost dabei ist daß ich indessen schon bald wieder ein zweites fertigAn „Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie“ arbeitete Wedekind seit Oktober 1890. Im April 1891 schloss er die Arbeit daran ab, das Stück erschien im Oktober 1891 im Verlag Jean Groß, Zürich [vgl. KSA 2, S. 763f.]. habe, daß/s/ dann so Gott W/w/ill nicht so lange auf sich warten läßt. Über mein Stück könnte ich dir mit dem besten Gewissen sehr viel Lobenswerthes schreiben, aber ich fürchte mich dadurch lächerlich zu machen. Ich bitte dich daher, dich noch ein zwei Monate zu gedulden, dann werden es Andere thun.

Auf Mieze hatte ich mich von ganzem Herzen gefreut, aber sie hat mir Moral gepredigt. Von dem Gedanken Privatunterricht zu nehmen rieth ich ihr dringend ab. | 1. weil sie eine gute „Schülerin“ ist, 2. weil sie am ConservatoriumErika Wedekind wurde am Königlichen Konservatorium für Musik in Dresden aufgenommen und besuchte zunächst die Klasse von Professor Gustav Scharfe, nach dessen Tod wurde sie Schülerin von Professorin Aglaja Orgeni. außer Singen auch Schauspielkunst Exerciren e ct mitmachen muß. 3. weil sie vom Conservatorium aus, wenn sie sich bewährt eventuell gleich zur Bühne herangezogen wird, 4. weil sie als Conservatoristin alle Vorstellungen und Concerte mehr oder weniger frei hat und 5. weil sie wenn sie nicht reüssirtkeinen Erfolg hat., dann doch schließlich ihre Zeugnisse besitzt, die ihr eine selbstständige Stellung in der Gesellschaft sichern. Sie wendete mir ein, man sage in Lenzburg allgemein, Minna’s StimmeWedekinds Cousine Minna von Greyerz hatte das Dresdner Konservatorium von 1884 bis 1887 besucht und Klavier und Gesang studiert. sei am Conservatorium verdorben worden. Ich entgegnete ihr daß sie noch den einen großen Vortheil habe, am Conservatorium nämlich, daß sie, wenn es ihr nicht gut gehe, das ja dann auch von sich behaupten könne.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief ist nur unvollständig überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    29. Dezember 1890 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
213-214
Briefnummer:
80
Kommentar:
Das Brieffragment ist im Erstdruck gekürzt abgedruckt, die Auslassung am Ende ist durch drei Punkte markiert. Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 248-249 (Nr. 114).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 29.12.1890. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

24.01.2024 16:56
Kennung: 5051

München, 29. Dezember 1890 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Emilie
 
 

Inhalt

München 29.XII 90.


Liebe Mama

du kannst dir nicht denken welche Freude Du mir mit dem Bildedie Sendung zu Weihnachten und das Begleitschreiben sind nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Emilie Wedekind an Frank Wedekind, 23.12.1890. gemacht. Es ist außerdem so ziemlich das einzige Geschenk daß ichSchreibversehen, statt: das ich. erhalten, abgesehen vielleicht von einenSchreibversehen, statt: von einem. Lebkuchenherzen den mirSchreibversehen, statt: das mir. ein Bekannter mal zufällig in’s Caffee mitgebracht hatte. Seit Miezes AbreiseErika Wedekind hatte ihren Bruder am 7.12.1890 in München besucht [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 6.12.1890] und reiste spätestens am 11.12.1890 weiter nach Dresden [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 12.12.1890]. brennt mir dieser Brief an dich auf der Seele, aber gerade über Weihnachten war ich von | einem abscheulichen Zahngeschwür geplagt, was mich nicht einmal in Ruhe essen, geschweige denn mich sonst noch meines Lebens oder gar der/s/ Festes freuen ließ. Ich hoffe und wünsche dir von ganzen Herzen, daß du trotz deiner gegenwärtigen Vereinsamung eine fröhlichere Weihnacht mögest gefeiert haben.

Was im übrigen meinem Thun und Treiben betrifft, so warte ich b/s/eit mehr als einem halben Jahr auf das Erscheinen meines StückesManuskripte seines Lustspiels „Kinder und Narren“ hatte Wedekind am 26.8.1890 bzw. am 27.8.1890 an die beiden Bühnenverlage Felix Bloch Erben und Albert Entsch (Theodor Entsch, Inhaber seit 1883) geschickt [vgl. KSA 2, S. 636f.]. Beide Verlage lehnten das Stück ab. Da er keinen Verleger fand, ließ er das Buch auf eigene Kosten bei der Münchner Buchdruckerei R. Warth drucken, das Erscheinen verzögerte sich jedoch bis Anfang 1891 [vgl. KSA 2, S. 630]., das sich in unverantwortlicher Weise | Weise verzögert hat. Mein einziger Trost dabei ist daß ich indessen schon bald wieder ein zweites fertigAn „Frühlings Erwachen. Eine Kindertragödie“ arbeitete Wedekind seit Oktober 1890. Im April 1891 schloss er die Arbeit daran ab, das Stück erschien im Oktober 1891 im Verlag Jean Groß, Zürich [vgl. KSA 2, S. 763f.]. habe, daß/s/ dann so Gott W/w/ill nicht so lange auf sich warten läßt. Über mein Stück könnte ich dir mit dem besten Gewissen sehr viel Lobenswerthes schreiben, aber ich fürchte mich dadurch lächerlich zu machen. Ich bitte dich daher, dich noch ein zwei Monate zu gedulden, dann werden es Andere thun.

Auf Mieze hatte ich mich von ganzem Herzen gefreut, aber sie hat mir Moral gepredigt. Von dem Gedanken Privatunterricht zu nehmen rieth ich ihr dringend ab. | 1. weil sie eine gute „Schülerin“ ist, 2. weil sie am ConservatoriumErika Wedekind wurde am Königlichen Konservatorium für Musik in Dresden aufgenommen und besuchte zunächst die Klasse von Professor Gustav Scharfe, nach dessen Tod wurde sie Schülerin von Professorin Aglaja Orgeni. außer Singen auch Schauspielkunst Exerciren e ct mitmachen muß. 3. weil sie vom Conservatorium aus, wenn sie sich bewährt eventuell gleich zur Bühne herangezogen wird, 4. weil sie als Conservatoristin alle Vorstellungen und Concerte mehr oder weniger frei hat und 5. weil sie wenn sie nicht reüssirtkeinen Erfolg hat., dann doch schließlich ihre Zeugnisse besitzt, die ihr eine selbstständige Stellung in der Gesellschaft sichern. Sie wendete mir ein, man sage in Lenzburg allgemein, Minna’s StimmeWedekinds Cousine Minna von Greyerz hatte das Dresdner Konservatorium von 1884 bis 1887 besucht und Klavier und Gesang studiert. sei am Conservatorium verdorben worden. Ich entgegnete ihr daß sie noch den einen großen Vortheil habe, am Conservatorium nämlich, daß sie, wenn es ihr nicht gut gehe, das ja dann auch von sich behaupten könne.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief ist nur unvollständig überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    29. Dezember 1890 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Erster Band

(Band 1)

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
213-214
Briefnummer:
80
Kommentar:
Das Brieffragment ist im Erstdruck gekürzt abgedruckt, die Auslassung am Ende ist durch drei Punkte markiert. Neuedition: Vinçon 2021, Bd. 1, S. 248-249 (Nr. 114).
Status:
Ermittelt (sicher)

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

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Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 191
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 29.12.1890. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

24.01.2024 16:56