Bitte wählen Sie je ein Dokument für die linke und rechte Seite über die Eingabefelder aus.
Sehr gehrter Schreibversehen, statt: geehrter. Herr Wedekind!
Eben kam Idinka ganz verweint nach Hause Ida Orloff wohnte bei ihrer Mutter, der Hauptmannswitwe Ida Siegler von Eberswald (Thomasiusstraße 23, 1. Stock) [vgl. Berliner Adreßbuch 1907, Teil I, S. 2307]. und sagte: Sie hätten
sie roh genanntTilly Wedekind erinnerte sich an das Geschehen: „In Graz nahm sich meine Schwester Paula das Leben. Frank sagte mir schonend, daß sie gestorben sei. Die Zeitungen, die ihren Tod ausführlich erörterten, da es sich um eine Schwägerin von Wedekind handelte, wurden vor mir versteckt. [...] Da kam Iduschka zu Besuch. [...] Und nun sagte Iduschka, meine Schwester hätte sich das Leben genommen! Ich glaubte es nicht. ‚Doch‘, sagte Iduschka, ‚es hat ja in allen Zeitungen gestanden‘, und sie fing an, mir zu erklären, auf welche grauenvolle Art Paula es getan hatte. Da stürzte Frank aus seinem Zimmer und brüllte Iduschka an, was ihr denn einfalle, sie sei ein dummes, herzloses Wesen und sie solle augenblicklich verschwinden! Iduschka fing an zu heulen und lief weg.“ [Wedekind 1969, S. 101], das hat sie so furchtbar gekränkt, dass sie ganz und
gar niedergeschlagen und trostlos ist, wir alle trösten sie damit sie sich beruhigen
soll. Ich glaube doch, Sie müssten Idinka doch
gut genug kennen und solche Rohheit bei ihr nicht
vermuten. | Wir alle haben Ihre liebe Frau viel zu gern, als, dass wir ihr je was
Unangenehmes sagen würden, vor einige TageSchreibversehen, statt: vor einigen Tagen. ‒ Pressenotizen über den Selbstmord von Wedekinds Schwägerin Paula Newes in Graz am 7.1.1907 standen seit dem 9.1.1907 in den Zeitungen (siehe unten). Wedekind hat die Nachricht von Heinrich Welti erfahren, wie er am 9.1.1907 notierte: „Abends kommt Welti, trinkt Thee mit uns und erzählt mir, als wir zum Haus hinaus sind, daß Paula Newes sich in Graz das Leben genommen.“ [Tb] haben wir die traurige Nachricht
gelesenIn der Berliner Presse war zu lesen: „Die 24jährige Schwägerin Frank Wedekinds, Paula Newes-Graz durchschnitt sich, wie uns ein Privat-Telegramm meldet, in einem Anfall von Trübsinn den Hals mit einem Rasiermesser. Sie starb nach kurzer Zeit.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 36, Nr. 14, 9.1.1907, Morgen-Ausgabe, 1. Beiblatt, S. (2)] Andernorts hieß es leicht abweichend: „Die Unglückliche verstarb auf der Stelle.“ [Selbstmord der Schwägerin Frank Wedekinds. In: Leipziger Tageblatt, Jg. 101, Nr. 9, 9.1.1907, Morgen-Ausgabe, 4. Beilag, S. (4)] und sofort waren wir alle einverstanden, ja nichts Tilly zu sagen, wesshalbSchreibversehen, statt: weshalb.
Iduschka Ihnen Herr Wedekind auch schriebHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Ida Orloff an Wedekind, 9.1.1907. – Tilly Wedekind bezog das verschollene Schreiben dagegen auf das Geschehen, das in der vorliegenden Briefkarte thematisiert ist, als sie sich erinnerte, dass Ida Orloff „umgehend einen demütigen Brief schrieb, wie leid es ihr täte, und sie sähe ein, daß sie unüberlegt gehandelt habe.“ [Wedekind 1969, S. 102] damit sie weiss, wie und ob Sie es Ihrer
Herzlicher Gruss I. v. Siegler.
Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben
Der 11.1.1907 ist als Ankerdatum gesetzt – abgeleitet vom Inhalt der Briefkarte, der sich auf den Selbstmord von Tilly Wedekinds Schwester Paula Newes am 7.1.1907 in Graz bezieht, über den die Presse in Berlin ab dem 9.1.1907 berichtet hatte (siehe Erläuterungen).
Berlin
11. Januar 1907 (Freitag)
Ermittelt (unsicher)
Berlin
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Ida von Siegler an Frank Wedekind, 11.1.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (10.12.2025).
Ariane Martin