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Kennung: 4825

Veyrier, 8. August 1894 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Donald (Doda)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Hôtel Beau-Séjour

Lieber Bebi!

Deinen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Donald Wedekind, 29.6.1894. vom 29. des 6. Monats habe ich erhalten und es ist eigentlich schade daß du von London fortFrank Wedekind kehrte Ende Juni 1894 von London nach Paris zurück; in dem verschollenen Brief dürfte er seinem Bruder seine neue Pariser Adresse mitgeteilt haben. bist, indem ich dich aller Wahrscheinlichkeit Geschäfte halber dort aufgesucht hätte. Indessen schadet es weiter auch nichts und von deinem Standpunkt aus hast du vollkommen recht. London ist nicht die Stadt welche einen in schweren Zeiten aufheitern kann.

Jetzt schreibe ich dir eigentlich im Auftrage von Mieze. Erstens läßt sie sich sehr entschuldigen, daß S/s/ie Hami Mitteilung von der GeldsendungHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 10.7.1894. machte, aber sie war gezwungen es zu tun | indem sie sonst das Geld dir nicht sofort hätte zukommen lassenSchreibversehen (Auslassung), statt: lassen können.. Sie hielt sich vier Wochen in der Schweiz auf, die halbe Zeit im Steinbrüchlidas Wohnhaus der Mutter Emilie Wedekind in Lenzburg nach dem Verkauf von Schloss Lenzburg., die übrigen vierzehn Tage mit Mama in Hertensteinvermutlich der im Kanton Luzern am Vierwaldstättersee gelegene Urlaubsort, den Donald Wedekind möglicher besuchte, als er seinen Freund Elias Tomarkin auf dem Weg ins Berner Oberland begleitete (siehe unten); denkbar ist aber auch der gleichnamige Ort beim Kurort Baden im Kanton Aargau, nur 20 Kilometer von Lenzburg entfernt., wo ich sie besuchte. Sie ist sehr guter Dinge, und jammert nur, daß sie ungeheuer angestrengt wird, was ich glaube, daß auch unbedingt der Fall ist. Mittwoch vor n/8/ Tagenam 1.8.1894; Erika Wedekinds Auftritt als Sängerin ließ sich nicht belegen. trat sie wieder auf.

Zürich ist ruhiger geworden, wenn es überhaupt einmal lebendig war. Ich habe zwar freundliche Bekannte | noch dort gelassen, aber man sprach allgemein von Sommerfrischen, so daß ich vermute es wird kaum mehr jemand dort sein. Henkell ist ins Schwefelbad, Tomar begleitete ich ein Stück weit ins Berner Oberland, von wo er aber am selben Tag wieder in/na/ch der FlorastraßeElias Tomarkin wohnte in Zürich in der Florastraße 50) [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 24.9.1890]. zurückkehrte.

Bölsche und Hart und Frau haben die Absicht den Winter in Rom zuzubringen, wozu ich ihnen sehr geraten habe. Khaynach traf indessen in Zürich ein und beschäftigt sich mit der Herausgabe eine großen „Zotenwerksvermutlich Friedrich von Khaynachs autobiographische „Studienblätter aus den Wanderfahrten eines Malers“ (Zürich 1895, erschienen im Verlags-Magazin J. Schabelitz). Das Buch sei „nach dem Horizont des Herrn Müller aus Borna das non plus ultra des Unanständigen, Gemeinen, Frechen, Gottlosen.“ [Die Redenden Künste (Leipziger Konzertsaal), Jg. 2, Nr. 27, 1.4.1896, S. 847] urteilte die Kritik, „voll von – gelinde gesagt – Geschmacklosigkeiten“ und „Roheiten“ [Die Kunst für Alle, Jg. 11, Nr. 10, 15.2.1896, S. 159], und empfahl, Khaynach solle „sein bischen poetische Begabung in einen bessern Dienst als den der Religionsspötterei und Unsittlichkeit stellen“ [Oesterreichisches Literaturblatt, Jg. 6, Nr. 11, 1.6.1897, Sp. 347]., wie er es selbst nennt. Ich glaube nicht, daß er im Stande ist, ein solches | Werk zu etwas Außerordentlichem zu gestalten und die Hauptsache scheint sein Portrait zu sein, mit dem es geschmückt sein wird.

Monsieur Bazalgette, ein junger Pariser Dichter, kam hier nach Zürich und machte einen besonders guten Eindruck durch seine milde Art, überall etwas Schönes zu finden. +/Ic/h halte ihn durch und durch für einen Gentleman. Was seine literarische Stellung anlangt, so kann ich natürlich nichts wissen, aber ein gutes Zeichen schien mir daß er nie von seinen Werken sprach. Er will in Wien mit andern Parisern eine Revuedie seit Dezember 1894 erscheinende Zeitschrift „Le Magazine International. Organe trimestriel de la Sociéte internationale artistique“ (Paris). Wie aus den vorangestellten Statuten der ersten Nummer hervorgeht, gehörte Léon Bazalgette gemeinsam mit Otto Ackermann, Serge Murat und Laurence Jerrold zum Vorstand der Gesellschaft und zum Redaktionskomitee der Zeitschrift (Place Wagram 3, Paris). Als Ehrenkomitee der Gesellschaft wurden Michael Georg Conrad, Karl Henckell, Havelock Ellis, Jean Ozoulet, Elie Ducommun und Baron de Suttner genannt [vgl. Le Magazine International, Jg. 1, Nr. 1, Dezember 1894, S. (III, VI)]. herausgeben und hat soweit ich urteilen kann, gute RelationenBeziehungen.. Jedenfalls ist | er Stockpariser. Ich gab ihm Deine Adresse und versprach ihm Dich ihn beim/i/hm Dir anzumelden. Sollte es schon zu spät sein, würde ich das sehr bereuen.

Max Halbe tauchte wiederum in Zürich auf, fing mit einigen Leuten Streit an, schrie andren die Ohren voll und spielte sowohl den großen Dichter als auch den wohlüberlegenden Geschäftsmann aus. Dann reiste er wieder ab.

Bruno Wille kam mit seiner FrauAuguste Wille (geb. Krüger), seit 1890 mit Bruno Wille verheiratet. hier her, hielt in der „Eintrachtder 1840 gegründete Arbeiterbildungsverein Eintracht Zürich. Bruno Wille, Schriftsteller, freireligiöser Prediger und Mitbegründer der Freien Volksbühne Berlin, referierte in Zürich (Vereinslokal im Zunfthaus der Schumacher, Neumarkt 5) [vgl. Adreßbuch der Stadt Zürich 1894, Teil III, S. 69] am 27.7.1894 zu dem Thema: „Die Veredlung der Menschheit auf sozialem Wege“; die Presse berichtete: „Im deutschen Verein ‚Eintracht‘ referierte am Freitag abend Hr. Dr. Bruno Wille [...] vor einem sehr zahlreichen, aus allen Ständen, namentlich auch Studenten zusammengesetzten Publikum. […] Der Vortrag wird mit vielem Beifall aufgenommen. An ihn knüpft sich eine längere Diskussion, die wir [...] nur kurz wiedergeben können. [...] Zum Schluß empfiehlt Redner lebhaft, Volksbühnen zu errichten und sich die Werke der Dichter anzuschaffen. Er schließt mit den Worten: Jeder arbeite an seiner eigenen Befreiung! Schluß der Versammlung 11½ Uhr. Sie verlief völlig ruhig.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 115, Nr. 208, 29.7.1894, S. (2)]“ einen Vortrag und schob wieder ab. Im Übrigen hat er mir au|außerordentlichSchreibversehen (aufgrund von Seitenumbruch), statt: außerordentlich. gefallen. Er ist auch äußerlich eine imposante Erscheinung ohne das geringste Merkmal es sein zu wollen.

Tomar giebt, so viel ich weiß demnächst sein BuchDer erste Teil von Elias Tomarkins Roman „Der rote Heinrich“ erschien erst 1897 unter dem Pseudonym Ernst Thoma mit dem Titel „Eine Lebensgeschichte“ in Karl Henckells Verlag. heraus.

Auch ich habe mich endgültig von Zürich losgesagt und denke den Winter nach Berlin zu gehen, sofern es mir möglich ist dort zu bleiben. Einstweilen habe ich hier in Veyrier bei Genf eine herrliche Einsiedlerstätte gefunden wo ich mich | im denkbar schönsten Landstrich und einer sehr kleinen Gesellschaft von nur Südländern außerordentlich wohl fühle. So wohl als ich mich überhaupt bei immer verzwickter Lage fühlen kann. Ich denke noch wenigstens vier Wochen hier zu bleiben, denn der Ort ist so gelegen, daß ich die Stadt nicht entbehre, ich kann mit der Voie étroite in einer v/V/iertelstunde in Genf sein: der Platz liegt noch auf Schweizerboden, am Fuß des SalèveDer Mont Salève ist ein in den Savoyer Voralpen gelegener, 18 km langer Bergrücken (bis 1379 m), auf den von der Endstation der Straßenbahn seit 1893 eine elektrische Zahnradbahn führte..

So viel mir Hami erzählt hat will er für September eine Reise nach Pa|ris machen. Du wirst ihn dann jedenfalls sehen und ich freue mich für dich, daß du Besuch bekommst.

Schreibe mir, wenn es dir möglich ist, noch hierher und sei versichert, daß du mir mit einem Brief eine große Freude machst. Außerdem wünsche ich dir alles Gute, denn ich denke auch fromme Wünsche, von Andern für uns selber gesprochen tun einem im ganzen wohl. Ich bin dein treuer Bruder
Donald


Hôtel Beau-Séjour
Veyrier près Genève

le 7/8/. Août(frz.) August. 1894

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 am oberen Rand findet sich von fremder Hand mit Bleistift die Notiz: „Donald Wedekind“.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Veyrier
    8. August 1894 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    Veyrier
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Paris
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Deutsches Literaturarchiv Marbach/KH

Schillerhöhe 8-10
71672 Marbach am Neckar
Bundesrepublik Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
A: Klement, Alfred von
Signatur des Dokuments:
A: Klement, Alfred von, Otto-Erich-Hartleben-Sammlung
Standort:
Deutsches Literaturarchiv Marbach (Marbach am Neckar)

Danksagung

Wir danken dem Deutschen Literaturarchiv Marbach und der Kurt Hiller Gesellschaft e. V. für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Donald (Doda) Wedekind an Frank Wedekind, 8.8.1894. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

10.10.2023 15:14
Kennung: 4825

Veyrier, 8. August 1894 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Donald (Doda)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Hôtel Beau-Séjour

Lieber Bebi!

Deinen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Donald Wedekind, 29.6.1894. vom 29. des 6. Monats habe ich erhalten und es ist eigentlich schade daß du von London fortFrank Wedekind kehrte Ende Juni 1894 von London nach Paris zurück; in dem verschollenen Brief dürfte er seinem Bruder seine neue Pariser Adresse mitgeteilt haben. bist, indem ich dich aller Wahrscheinlichkeit Geschäfte halber dort aufgesucht hätte. Indessen schadet es weiter auch nichts und von deinem Standpunkt aus hast du vollkommen recht. London ist nicht die Stadt welche einen in schweren Zeiten aufheitern kann.

Jetzt schreibe ich dir eigentlich im Auftrage von Mieze. Erstens läßt sie sich sehr entschuldigen, daß S/s/ie Hami Mitteilung von der GeldsendungHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Erika Wedekind an Frank Wedekind, 10.7.1894. machte, aber sie war gezwungen es zu tun | indem sie sonst das Geld dir nicht sofort hätte zukommen lassenSchreibversehen (Auslassung), statt: lassen können.. Sie hielt sich vier Wochen in der Schweiz auf, die halbe Zeit im Steinbrüchlidas Wohnhaus der Mutter Emilie Wedekind in Lenzburg nach dem Verkauf von Schloss Lenzburg., die übrigen vierzehn Tage mit Mama in Hertensteinvermutlich der im Kanton Luzern am Vierwaldstättersee gelegene Urlaubsort, den Donald Wedekind möglicher besuchte, als er seinen Freund Elias Tomarkin auf dem Weg ins Berner Oberland begleitete (siehe unten); denkbar ist aber auch der gleichnamige Ort beim Kurort Baden im Kanton Aargau, nur 20 Kilometer von Lenzburg entfernt., wo ich sie besuchte. Sie ist sehr guter Dinge, und jammert nur, daß sie ungeheuer angestrengt wird, was ich glaube, daß auch unbedingt der Fall ist. Mittwoch vor n/8/ Tagenam 1.8.1894; Erika Wedekinds Auftritt als Sängerin ließ sich nicht belegen. trat sie wieder auf.

Zürich ist ruhiger geworden, wenn es überhaupt einmal lebendig war. Ich habe zwar freundliche Bekannte | noch dort gelassen, aber man sprach allgemein von Sommerfrischen, so daß ich vermute es wird kaum mehr jemand dort sein. Henkell ist ins Schwefelbad, Tomar begleitete ich ein Stück weit ins Berner Oberland, von wo er aber am selben Tag wieder in/na/ch der FlorastraßeElias Tomarkin wohnte in Zürich in der Florastraße 50) [vgl. Donald Wedekind an Frank Wedekind, 24.9.1890]. zurückkehrte.

Bölsche und Hart und Frau haben die Absicht den Winter in Rom zuzubringen, wozu ich ihnen sehr geraten habe. Khaynach traf indessen in Zürich ein und beschäftigt sich mit der Herausgabe eine großen „Zotenwerksvermutlich Friedrich von Khaynachs autobiographische „Studienblätter aus den Wanderfahrten eines Malers“ (Zürich 1895, erschienen im Verlags-Magazin J. Schabelitz). Das Buch sei „nach dem Horizont des Herrn Müller aus Borna das non plus ultra des Unanständigen, Gemeinen, Frechen, Gottlosen.“ [Die Redenden Künste (Leipziger Konzertsaal), Jg. 2, Nr. 27, 1.4.1896, S. 847] urteilte die Kritik, „voll von – gelinde gesagt – Geschmacklosigkeiten“ und „Roheiten“ [Die Kunst für Alle, Jg. 11, Nr. 10, 15.2.1896, S. 159], und empfahl, Khaynach solle „sein bischen poetische Begabung in einen bessern Dienst als den der Religionsspötterei und Unsittlichkeit stellen“ [Oesterreichisches Literaturblatt, Jg. 6, Nr. 11, 1.6.1897, Sp. 347]., wie er es selbst nennt. Ich glaube nicht, daß er im Stande ist, ein solches | Werk zu etwas Außerordentlichem zu gestalten und die Hauptsache scheint sein Portrait zu sein, mit dem es geschmückt sein wird.

Monsieur Bazalgette, ein junger Pariser Dichter, kam hier nach Zürich und machte einen besonders guten Eindruck durch seine milde Art, überall etwas Schönes zu finden. +/Ic/h halte ihn durch und durch für einen Gentleman. Was seine literarische Stellung anlangt, so kann ich natürlich nichts wissen, aber ein gutes Zeichen schien mir daß er nie von seinen Werken sprach. Er will in Wien mit andern Parisern eine Revuedie seit Dezember 1894 erscheinende Zeitschrift „Le Magazine International. Organe trimestriel de la Sociéte internationale artistique“ (Paris). Wie aus den vorangestellten Statuten der ersten Nummer hervorgeht, gehörte Léon Bazalgette gemeinsam mit Otto Ackermann, Serge Murat und Laurence Jerrold zum Vorstand der Gesellschaft und zum Redaktionskomitee der Zeitschrift (Place Wagram 3, Paris). Als Ehrenkomitee der Gesellschaft wurden Michael Georg Conrad, Karl Henckell, Havelock Ellis, Jean Ozoulet, Elie Ducommun und Baron de Suttner genannt [vgl. Le Magazine International, Jg. 1, Nr. 1, Dezember 1894, S. (III, VI)]. herausgeben und hat soweit ich urteilen kann, gute RelationenBeziehungen.. Jedenfalls ist | er Stockpariser. Ich gab ihm Deine Adresse und versprach ihm Dich ihn beim/i/hm Dir anzumelden. Sollte es schon zu spät sein, würde ich das sehr bereuen.

Max Halbe tauchte wiederum in Zürich auf, fing mit einigen Leuten Streit an, schrie andren die Ohren voll und spielte sowohl den großen Dichter als auch den wohlüberlegenden Geschäftsmann aus. Dann reiste er wieder ab.

Bruno Wille kam mit seiner FrauAuguste Wille (geb. Krüger), seit 1890 mit Bruno Wille verheiratet. hier her, hielt in der „Eintrachtder 1840 gegründete Arbeiterbildungsverein Eintracht Zürich. Bruno Wille, Schriftsteller, freireligiöser Prediger und Mitbegründer der Freien Volksbühne Berlin, referierte in Zürich (Vereinslokal im Zunfthaus der Schumacher, Neumarkt 5) [vgl. Adreßbuch der Stadt Zürich 1894, Teil III, S. 69] am 27.7.1894 zu dem Thema: „Die Veredlung der Menschheit auf sozialem Wege“; die Presse berichtete: „Im deutschen Verein ‚Eintracht‘ referierte am Freitag abend Hr. Dr. Bruno Wille [...] vor einem sehr zahlreichen, aus allen Ständen, namentlich auch Studenten zusammengesetzten Publikum. […] Der Vortrag wird mit vielem Beifall aufgenommen. An ihn knüpft sich eine längere Diskussion, die wir [...] nur kurz wiedergeben können. [...] Zum Schluß empfiehlt Redner lebhaft, Volksbühnen zu errichten und sich die Werke der Dichter anzuschaffen. Er schließt mit den Worten: Jeder arbeite an seiner eigenen Befreiung! Schluß der Versammlung 11½ Uhr. Sie verlief völlig ruhig.“ [Neue Zürcher Zeitung, Jg. 115, Nr. 208, 29.7.1894, S. (2)]“ einen Vortrag und schob wieder ab. Im Übrigen hat er mir au|außerordentlichSchreibversehen (aufgrund von Seitenumbruch), statt: außerordentlich. gefallen. Er ist auch äußerlich eine imposante Erscheinung ohne das geringste Merkmal es sein zu wollen.

Tomar giebt, so viel ich weiß demnächst sein BuchDer erste Teil von Elias Tomarkins Roman „Der rote Heinrich“ erschien erst 1897 unter dem Pseudonym Ernst Thoma mit dem Titel „Eine Lebensgeschichte“ in Karl Henckells Verlag. heraus.

Auch ich habe mich endgültig von Zürich losgesagt und denke den Winter nach Berlin zu gehen, sofern es mir möglich ist dort zu bleiben. Einstweilen habe ich hier in Veyrier bei Genf eine herrliche Einsiedlerstätte gefunden wo ich mich | im denkbar schönsten Landstrich und einer sehr kleinen Gesellschaft von nur Südländern außerordentlich wohl fühle. So wohl als ich mich überhaupt bei immer verzwickter Lage fühlen kann. Ich denke noch wenigstens vier Wochen hier zu bleiben, denn der Ort ist so gelegen, daß ich die Stadt nicht entbehre, ich kann mit der Voie étroite in einer v/V/iertelstunde in Genf sein: der Platz liegt noch auf Schweizerboden, am Fuß des SalèveDer Mont Salève ist ein in den Savoyer Voralpen gelegener, 18 km langer Bergrücken (bis 1379 m), auf den von der Endstation der Straßenbahn seit 1893 eine elektrische Zahnradbahn führte..

So viel mir Hami erzählt hat will er für September eine Reise nach Pa|ris machen. Du wirst ihn dann jedenfalls sehen und ich freue mich für dich, daß du Besuch bekommst.

Schreibe mir, wenn es dir möglich ist, noch hierher und sei versichert, daß du mir mit einem Brief eine große Freude machst. Außerdem wünsche ich dir alles Gute, denn ich denke auch fromme Wünsche, von Andern für uns selber gesprochen tun einem im ganzen wohl. Ich bin dein treuer Bruder
Donald


Hôtel Beau-Séjour
Veyrier près Genève

le 7/8/. Août(frz.) August. 1894

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 am oberen Rand findet sich von fremder Hand mit Bleistift die Notiz: „Donald Wedekind“.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Veyrier
    8. August 1894 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    Veyrier
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Paris
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Deutsches Literaturarchiv Marbach/KH

Schillerhöhe 8-10
71672 Marbach am Neckar
Bundesrepublik Deutschland

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
A: Klement, Alfred von
Signatur des Dokuments:
A: Klement, Alfred von, Otto-Erich-Hartleben-Sammlung
Standort:
Deutsches Literaturarchiv Marbach (Marbach am Neckar)

Danksagung

Wir danken dem Deutschen Literaturarchiv Marbach und der Kurt Hiller Gesellschaft e. V. für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Donald (Doda) Wedekind an Frank Wedekind, 8.8.1894. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

10.10.2023 15:14