Vergleichsansicht

Bitte wählen Sie je ein Dokument für die linke und rechte Seite über die Eingabefelder aus.

Kennung: 4770

München, 6. Juli 1910 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Holthoff, Edmund

Inhalt

Sehr geehrter Herr PfarrerEdmund Holthoff, katholischer Pfarrer, am 23.6.1890 zum Priester geweiht, anschließend Kaplan in der Kreuzkirche in Görlitz, dann als Religionslehrer in Neiße tätig, von 1896 bis 1907 Pfarrer in Kauffung an der Katzbach im Kreis Schönau, seit 1909 in Thiemendorf im Kreis Steinau [vgl. Archiv für schlesische Kirchengeschichte 22 (1964), S. 256], schrieb Wedekind (siehe unten) der Notiz von fremder Hand auf dem vorliegenden Brief zufolge aus Kauffung an der Katzbach (siehe den Hinweis zur Materialität).!

Der Name Holthoff in der Kaiserin v. N.„EUGEN HOLTHOFF, der stärkste Mann der Welt“ [KSA 3/I, S. 58], umworbene Artistenfigur in Wedekinds Tanzpantomime „Die Kaiserin von Neufundland. Große Pantomime in drei Bildern“ (1897), die Anfang „1897 entstanden“ [KSA 3/II, S. 777] ist und im selben Jahr in der Sammlung „Die Fürstin Russalka“ (1897) im Albert Langen Verlag erschien. Sie wurde am 12.3.1902 in München bei den Elf Scharfrichtern mit Heinrich Kunolt in der Rolle des Athleten Eugen Holthoff uraufgeführt [vgl. KSA 3/II, S. 794, 797]; weitere Aufführungen kamen nicht zustande. ist ein reiner Zufall. Der stärkste Mann der mir Modell gestanden hieß LombergEwald Lomberg, Ringer und „Champion der Kettensprenger“ [Signor Salterini: Bomberg, der Athlet. In: Innsbrucker Nachrichten, Jg. 56, Nr. 50, 3.3.1909, S. 1], war der Partner von Bernhard Leitner (siehe unten): „Von Athleten und Ringkämpfern, die sich in neuerer Zeit einen Namen gemacht, seien erwähnt: [...] Ewald Lomberg und Bernhard Leitner“ [Saltarino 1895, S. 31]. „Die Leistungen [...], wie die von Lomberg und Leitner, sind [...] zur Genüge bekannt“ [A.St.: Elberfelder Athleten. In: Internationale Illustrierte Athleten-Zeitung, Jg. 4, Nr. 120, 21.4.1895, S. 3]. Willy Rudinoff habe von Ewald Lomberg als Vorbild für die Figur in der Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ (siehe oben) erzählt: „Der Held der Handlung gehörte zu der ‚Salon-Athlethen- und Kettensprenger-Nummer; Lomberg und Leitner, genannt: die deutschen Eichen‘. Beide waren gut gewachsene, ‚schöne‘ Männer. Leitner, ein Rheinländer, ‚brach unter dem Sturm der Liebe zusammen, von dem sein Leben durchbraust wurde‘. Lomberg, weniger intelligent, verheiratete sich in Wiesbaden mit einer sehr reichen Witwe, die dann wahnsinnig wurde.“ [‒tt‒: Wedekind und Rudinoff in Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 162, Nr. 1611, 12.10.1941, Das Wochenende, Nr. 29, S. (7)] und da ich ihn nicht kompromitirenSchreibversehen, statt: kompromittieren. wollte suchte ich nach einem Namen von ähnlichenSchreibversehen, statt: ähnlichem. Klang. Ich kenne weder eine Familie noch einen Herrn mit Namen Holtoff. Lomberg lernte ich in Paris kennenWedekind notierte am 21.12.1892 in Paris über die Athleten Ewald Lomberg (siehe oben), den er bereits hier Holtoff nannte, und Bernhard Leitner (siehe unten), die er über Willy Rudinoff kennengelernt hatte: „Leitner und Holtoff sind die beiden stärksten Männer der Welt und im Casinó d. P. engagirt [...]. Holtoff setzt sich an unsern Tisch. Er ist ein schöner Mensch mit der einem starken Manne eigenen harmlos-selbstgefälligen Kindlichkeit. Er erzählt wie sie sich beim Austritt aus dem Casino mit Fäusten der Weiber hätten erwehren müssen. Zu fünf und zwanzig seien sie über sie hergefallen ... Hübsch, die Pariserinnen – was? – Er ist aus Elberfeld, war Handelsreisender wie Leitner auch.“ [Tb] wo er mit einem anderen stärksten Mann, dem KettensprengerKettensprengen war „ein Tric, den zuerst der Elberfelder Bernhard Leitner im Jahre 1890 dem Publikum zeigte.“ [Saltarino 1895, S. 38] Eine Zirkusreklame hat ihn entsprechend beworben: „Herr Leitner, erster original Kettensprenger, welcher durch Anspannung der Arm- und Brustmuskeln eiserne Ketten sprengt.“ [Pester Lloyd, Jg. 38, Nr. 150, 2.6.1891, S. (7)] „Der Salon-Athlet Bernhard Leitner [...] entwickelte im Zersprengen von eisernen Ketten [...] eine staunenswerthe Kraft.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 90, Nr. 418, 18.8.1896, Morgen-Ausgabe, 3. Beilage, S. 6024] Leitner auftrat, der sich auch als Schriftstellerals Verfasser einer Autobiografie [vgl. Bernhard Leitner: Wie wurde ich stark? Düsseldorf 1897], verfasst von „Bernhard Leitner, dem bekannten Kraftmenschen und Kettensprenger“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 46, 25.2.1897, S. 1507]. betätigte. Lomberg war | das Weltkind und Leitner der Philosoph.

Sie können sich denken, geehrter Herr Pfarrer, daß mir Ihr Interesse für meine Arbeiten eine ganz außergewöhnliche, unerwartete Freude war. Darf ich Ihnen gestehen daß seit meiner Konfirmationszeit die Beschäftigung mit religiösen Fragen für mich geradezu eine Leidenschaft war. So frei ich auch immer mit Bibelcitaten umgegangen bin, glaube ich doch nicht, daß sich in meinen Arbeiten ein einziger Ausfall gegen die Religion findet.

Ihren freundlichen Grußnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Edmund Holthoff an Wedekind, 5.7.1910. erwidere ich mit Vergnügen und bin
in vorzüglicher Hochschätzung
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


München Prinzregentenstr. 50

6.7.10.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 18,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 oben ist von fremder Hand mit Bleistift ein Vermerk zum Briefempfänger notiert: „Adressat: Edmund Holthoff, kath. Pfarrer, in Kauffung a. d. Katzbach, später Waldhausen/Hannover, Heuerstr. 27.“

Datum, Schreibort und Zustellweg

Empfangsort war der Notiz von fremder Hand auf dem Brief zufolge Kauffung an der Katzbach in Schlesien (siehe den Hinweis zur Materialität).

  • Schreibort

    München
    6. Juli 1910 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Kauffung
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Wedekind, Frank A I/53
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Edmund Holthoff, 6.7.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

02.09.2024 21:12
Kennung: 4770

München, 6. Juli 1910 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Holthoff, Edmund
 
 

Inhalt

Sehr geehrter Herr PfarrerEdmund Holthoff, katholischer Pfarrer, am 23.6.1890 zum Priester geweiht, anschließend Kaplan in der Kreuzkirche in Görlitz, dann als Religionslehrer in Neiße tätig, von 1896 bis 1907 Pfarrer in Kauffung an der Katzbach im Kreis Schönau, seit 1909 in Thiemendorf im Kreis Steinau [vgl. Archiv für schlesische Kirchengeschichte 22 (1964), S. 256], schrieb Wedekind (siehe unten) der Notiz von fremder Hand auf dem vorliegenden Brief zufolge aus Kauffung an der Katzbach (siehe den Hinweis zur Materialität).!

Der Name Holthoff in der Kaiserin v. N.„EUGEN HOLTHOFF, der stärkste Mann der Welt“ [KSA 3/I, S. 58], umworbene Artistenfigur in Wedekinds Tanzpantomime „Die Kaiserin von Neufundland. Große Pantomime in drei Bildern“ (1897), die Anfang „1897 entstanden“ [KSA 3/II, S. 777] ist und im selben Jahr in der Sammlung „Die Fürstin Russalka“ (1897) im Albert Langen Verlag erschien. Sie wurde am 12.3.1902 in München bei den Elf Scharfrichtern mit Heinrich Kunolt in der Rolle des Athleten Eugen Holthoff uraufgeführt [vgl. KSA 3/II, S. 794, 797]; weitere Aufführungen kamen nicht zustande. ist ein reiner Zufall. Der stärkste Mann der mir Modell gestanden hieß LombergEwald Lomberg, Ringer und „Champion der Kettensprenger“ [Signor Salterini: Bomberg, der Athlet. In: Innsbrucker Nachrichten, Jg. 56, Nr. 50, 3.3.1909, S. 1], war der Partner von Bernhard Leitner (siehe unten): „Von Athleten und Ringkämpfern, die sich in neuerer Zeit einen Namen gemacht, seien erwähnt: [...] Ewald Lomberg und Bernhard Leitner“ [Saltarino 1895, S. 31]. „Die Leistungen [...], wie die von Lomberg und Leitner, sind [...] zur Genüge bekannt“ [A.St.: Elberfelder Athleten. In: Internationale Illustrierte Athleten-Zeitung, Jg. 4, Nr. 120, 21.4.1895, S. 3]. Willy Rudinoff habe von Ewald Lomberg als Vorbild für die Figur in der Pantomime „Die Kaiserin von Neufundland“ (siehe oben) erzählt: „Der Held der Handlung gehörte zu der ‚Salon-Athlethen- und Kettensprenger-Nummer; Lomberg und Leitner, genannt: die deutschen Eichen‘. Beide waren gut gewachsene, ‚schöne‘ Männer. Leitner, ein Rheinländer, ‚brach unter dem Sturm der Liebe zusammen, von dem sein Leben durchbraust wurde‘. Lomberg, weniger intelligent, verheiratete sich in Wiesbaden mit einer sehr reichen Witwe, die dann wahnsinnig wurde.“ [‒tt‒: Wedekind und Rudinoff in Zürich. In: Neue Zürcher Zeitung, Jg. 162, Nr. 1611, 12.10.1941, Das Wochenende, Nr. 29, S. (7)] und da ich ihn nicht kompromitirenSchreibversehen, statt: kompromittieren. wollte suchte ich nach einem Namen von ähnlichenSchreibversehen, statt: ähnlichem. Klang. Ich kenne weder eine Familie noch einen Herrn mit Namen Holtoff. Lomberg lernte ich in Paris kennenWedekind notierte am 21.12.1892 in Paris über die Athleten Ewald Lomberg (siehe oben), den er bereits hier Holtoff nannte, und Bernhard Leitner (siehe unten), die er über Willy Rudinoff kennengelernt hatte: „Leitner und Holtoff sind die beiden stärksten Männer der Welt und im Casinó d. P. engagirt [...]. Holtoff setzt sich an unsern Tisch. Er ist ein schöner Mensch mit der einem starken Manne eigenen harmlos-selbstgefälligen Kindlichkeit. Er erzählt wie sie sich beim Austritt aus dem Casino mit Fäusten der Weiber hätten erwehren müssen. Zu fünf und zwanzig seien sie über sie hergefallen ... Hübsch, die Pariserinnen – was? – Er ist aus Elberfeld, war Handelsreisender wie Leitner auch.“ [Tb] wo er mit einem anderen stärksten Mann, dem KettensprengerKettensprengen war „ein Tric, den zuerst der Elberfelder Bernhard Leitner im Jahre 1890 dem Publikum zeigte.“ [Saltarino 1895, S. 38] Eine Zirkusreklame hat ihn entsprechend beworben: „Herr Leitner, erster original Kettensprenger, welcher durch Anspannung der Arm- und Brustmuskeln eiserne Ketten sprengt.“ [Pester Lloyd, Jg. 38, Nr. 150, 2.6.1891, S. (7)] „Der Salon-Athlet Bernhard Leitner [...] entwickelte im Zersprengen von eisernen Ketten [...] eine staunenswerthe Kraft.“ [Leipziger Tageblatt, Jg. 90, Nr. 418, 18.8.1896, Morgen-Ausgabe, 3. Beilage, S. 6024] Leitner auftrat, der sich auch als Schriftstellerals Verfasser einer Autobiografie [vgl. Bernhard Leitner: Wie wurde ich stark? Düsseldorf 1897], verfasst von „Bernhard Leitner, dem bekannten Kraftmenschen und Kettensprenger“ [Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel, Nr. 46, 25.2.1897, S. 1507]. betätigte. Lomberg war | das Weltkind und Leitner der Philosoph.

Sie können sich denken, geehrter Herr Pfarrer, daß mir Ihr Interesse für meine Arbeiten eine ganz außergewöhnliche, unerwartete Freude war. Darf ich Ihnen gestehen daß seit meiner Konfirmationszeit die Beschäftigung mit religiösen Fragen für mich geradezu eine Leidenschaft war. So frei ich auch immer mit Bibelcitaten umgegangen bin, glaube ich doch nicht, daß sich in meinen Arbeiten ein einziger Ausfall gegen die Religion findet.

Ihren freundlichen Grußnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Edmund Holthoff an Wedekind, 5.7.1910. erwidere ich mit Vergnügen und bin
in vorzüglicher Hochschätzung
Ihr ergebener
Frank Wedekind.


München Prinzregentenstr. 50

6.7.10.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 18,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 oben ist von fremder Hand mit Bleistift ein Vermerk zum Briefempfänger notiert: „Adressat: Edmund Holthoff, kath. Pfarrer, in Kauffung a. d. Katzbach, später Waldhausen/Hannover, Heuerstr. 27.“

Datum, Schreibort und Zustellweg

Empfangsort war der Notiz von fremder Hand auf dem Brief zufolge Kauffung an der Katzbach in Schlesien (siehe den Hinweis zur Materialität).

  • Schreibort

    München
    6. Juli 1910 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Kauffung
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Wedekind, Frank A I/53
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Edmund Holthoff, 6.7.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

02.09.2024 21:12