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Kennung: 4721

Aarau, 10. April 1884 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Renold, Lina

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Poesie.


In der Welt u ihrem rauhen Treiben,
Ihren Sorgen, ihrem Jagen nur nach
Glück u Ehre, nach dem Schönen, Reinen.
Mancher fraget nichts, gar nichts mehr dem nach;
Diese Welt hat ihm das tiefenSchreibversehen, statt: tiefe. Fühlen
Seiner Seele, nach dem Idealen,
Schönen, Göttlichen geraubt, in schwühlen
Dämpfen ist, sie, fremd dem Genialen.


O, wie glücklich, selig, der durchdrungen,
In der Seele ist, für dieses Hohe;
Freudig u begeistert u errungen
Frei den Schatz, und dessen Geist ihn frohe,
Leicht geschwinde trägt auf gold’nem Flügel
In das ewig grüne, schöne Land, sie
Alle Meere überwindend Hügel
Lieblich kränzte Göttin Poesie. |


Glücklich! der aus ihrem schönen Füllhorn
Knospe, Blümlein nur erhält, er darf’s nun
Pflegen, Göttin sah ihn an, ihr Füllhorn
Bringt ihm mehr nah Blumen u ihr fragt nun
Freudetrunken, liebeglühend singet
Er als Dichter ihr zu Füßen Lieder;
Ewig durch den großen Tempel klinget
Jeder Ton, dem Lauschenden dann wieder.


Dort, im schönen Thal wo ewig blühet,
Ueppige Natur u Wind leicht fächelt,
Goldne Frucht durchs dunkle Laub erglühet,
Wo der Himmel ewig blau ist, lächelt,
Hier, Du Göttin thronst mit gold’ner Leier,
Lorbeerkranze in dem Haar u alle
Sänger, die um Dich geschaart zur Feier
Freudig singen sie in kräft’gem Schalle.


Ja sie dichten, singen ihrer hohen
Herrin u doch singen sie nur Eines,
Alle nur der Einen, Schönen, Frohen
Göttin, ihr nur Kranz sie winden, keines
Dieser Blümchen geht verloren, dienen
Alle Dichter, singen nur der Liebe
Göttliche u reine Harmonien
In dem tiefsten, liebesglühnsten Triebe.


O; daß ich doch hätte Flügel, Schwingen,
In das wunderbare Land zu kommen
Und der Göttin zu den Füßen singen;
O! daß ich der reinen, warmen Sonnen
Strahlend Licht, auffassen könnt’ im Herzen,
Einen schwachen Strahl, ein matter Glanz nur;
Doch mir ist’s noch nicht vergönnt, mit Schmerzen
Tief anbetend, suche ich des Scheines Spur!


Meinen herzlichen Grussan Wedekind, dem Lina Renold das Gedicht sendet.
Lina Renold

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 21 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 10.4.1884 ist recht spekulativ als Ankerdatum gesetzt – das späteste mögliche Schreibdatum während der gemeinsamen Aarauer Schulzeit von Lina Renold und Wedekind, der an diesem Tag sein Maturazeugnis erhielt und Anfang Mai ein Studium in Lausanne begann. Für einen späten Brief innerhalb der Korrespondenz spricht die sehr persönlich gehaltene Grußformel („Meinen herzlichen Gruss“), insbesondere im Vergleich zu den anderen 3 Briefen („Grüsst Sie freundschaftlich“ [16.12.1883); „Unterdessen meinen freundlichen Gruss“ [21.2.1884]; „Meinen freundschaftlichsten Grusse“ [16.3.1884]). Als Schreibort kann der Wohnort Lina Renolds angenommen werden.

  • Schreibort

    Aarau
    10. April 1884 (Donnerstag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    Aarau
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Aarau
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Aargauer Kantonsbibliothek

Aargauerplatz
5001 Aarau
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Wedekind-Archiv
Signatur des Dokuments:
Wedekind-Archiv B, Schachtel 6, Nr. 145
Standort:
Aargauer Kantonsbibliothek (Aarau)

Danksagung

Wir danken der Aargauer Kantonsbibliothek für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Lina Renold an Frank Wedekind, 10.4.1884. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

19.07.2023 08:52
Kennung: 4721

Aarau, 10. April 1884 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Renold, Lina

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Poesie.


In der Welt u ihrem rauhen Treiben,
Ihren Sorgen, ihrem Jagen nur nach
Glück u Ehre, nach dem Schönen, Reinen.
Mancher fraget nichts, gar nichts mehr dem nach;
Diese Welt hat ihm das tiefenSchreibversehen, statt: tiefe. Fühlen
Seiner Seele, nach dem Idealen,
Schönen, Göttlichen geraubt, in schwühlen
Dämpfen ist, sie, fremd dem Genialen.


O, wie glücklich, selig, der durchdrungen,
In der Seele ist, für dieses Hohe;
Freudig u begeistert u errungen
Frei den Schatz, und dessen Geist ihn frohe,
Leicht geschwinde trägt auf gold’nem Flügel
In das ewig grüne, schöne Land, sie
Alle Meere überwindend Hügel
Lieblich kränzte Göttin Poesie. |


Glücklich! der aus ihrem schönen Füllhorn
Knospe, Blümlein nur erhält, er darf’s nun
Pflegen, Göttin sah ihn an, ihr Füllhorn
Bringt ihm mehr nah Blumen u ihr fragt nun
Freudetrunken, liebeglühend singet
Er als Dichter ihr zu Füßen Lieder;
Ewig durch den großen Tempel klinget
Jeder Ton, dem Lauschenden dann wieder.


Dort, im schönen Thal wo ewig blühet,
Ueppige Natur u Wind leicht fächelt,
Goldne Frucht durchs dunkle Laub erglühet,
Wo der Himmel ewig blau ist, lächelt,
Hier, Du Göttin thronst mit gold’ner Leier,
Lorbeerkranze in dem Haar u alle
Sänger, die um Dich geschaart zur Feier
Freudig singen sie in kräft’gem Schalle.


Ja sie dichten, singen ihrer hohen
Herrin u doch singen sie nur Eines,
Alle nur der Einen, Schönen, Frohen
Göttin, ihr nur Kranz sie winden, keines
Dieser Blümchen geht verloren, dienen
Alle Dichter, singen nur der Liebe
Göttliche u reine Harmonien
In dem tiefsten, liebesglühnsten Triebe.


O; daß ich doch hätte Flügel, Schwingen,
In das wunderbare Land zu kommen
Und der Göttin zu den Füßen singen;
O! daß ich der reinen, warmen Sonnen
Strahlend Licht, auffassen könnt’ im Herzen,
Einen schwachen Strahl, ein matter Glanz nur;
Doch mir ist’s noch nicht vergönnt, mit Schmerzen
Tief anbetend, suche ich des Scheines Spur!


Meinen herzlichen Grussan Wedekind, dem Lina Renold das Gedicht sendet.
Lina Renold

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 21 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 10.4.1884 ist recht spekulativ als Ankerdatum gesetzt – das späteste mögliche Schreibdatum während der gemeinsamen Aarauer Schulzeit von Lina Renold und Wedekind, der an diesem Tag sein Maturazeugnis erhielt und Anfang Mai ein Studium in Lausanne begann. Für einen späten Brief innerhalb der Korrespondenz spricht die sehr persönlich gehaltene Grußformel („Meinen herzlichen Gruss“), insbesondere im Vergleich zu den anderen 3 Briefen („Grüsst Sie freundschaftlich“ [16.12.1883); „Unterdessen meinen freundlichen Gruss“ [21.2.1884]; „Meinen freundschaftlichsten Grusse“ [16.3.1884]). Als Schreibort kann der Wohnort Lina Renolds angenommen werden.

  • Schreibort

    Aarau
    10. April 1884 (Donnerstag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    Aarau
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Aarau
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Aargauer Kantonsbibliothek

Aargauerplatz
5001 Aarau
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Wedekind-Archiv
Signatur des Dokuments:
Wedekind-Archiv B, Schachtel 6, Nr. 145
Standort:
Aargauer Kantonsbibliothek (Aarau)

Danksagung

Wir danken der Aargauer Kantonsbibliothek für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Lina Renold an Frank Wedekind, 10.4.1884. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

19.07.2023 08:52