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Kennung: 4683

Heilbronn, 2. Oktober 1883 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Hermann

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Heilbronn. 2. October. 1883.


Lieber guter Freund!

Bitte sei mir nicht bös über mein langes Schweigen, denk auch nicht ich habe dich etwa weniger lieb etc. sondern die WahrheitSchreibversehen, statt: der Wahrheit. die Ehr: Theils konnte ich nicht schreiben, anderntheils war ich zu faul, da hast du jetzt die Beichte und s jetzt lieber Franklin sprich mich los von meinen Sünden wenn du kannst. Gott ist allgnädig, sei es du auch. Jetzt will ich dir erzählen.

Ich muß weit zurückgreifen. Also daß ich am 1ten Mai bei Sturm und Regen in Heilbronn ankamenSchreibversehen, statt: ankam; Hermann Plümacher begann nach dem erfolgreichen Abschluss der Schule in Schaffhausen eine Kaufmannslehre in Heilbronn., das weißt du ja schonFrank Wedekind wird die Informationen durch ein nicht überliefertes Korrespondenzstück (verfasst von Hermann Plümacher oder seine Mutter Olga), erhalten haben., auch, daß (mein) ich im Turnverein bin weißt du. Bis jetzt ist die Zeit so schnell herumgegangen, daß ich ganz erstaunt bin schon im October zu leben. Also mein PrincipalArbeitgeber eines Handlungsgehilfen – Franz Xaver Steinhauser, Kaufmann in Heilbronn, der in der Präsenzgasse 16 im 1. Stock wohnte und dort ein Kommissions- und Agenturgeschäft unterhielt [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 269, 105, 140]; er war Hermann Plümachers Lehrherr. – Zur Identifikation der Familie vgl. die biographischen Anhaltspunkte in den Briefen Hermann Plümacher an Wedekind, 9.5.1884 sowie 10.12.1884. ist | ist ein sehr liebenswürdiger lustiger, solider Herr von circa 52 Jahren ich kann mich w sehr gut mit ihm auskommen, doch nun die FrauHedwig Steinhauser, geb. Heinzler, war 44 Jahre alt., nun sie ist etwa 42, vielleicht etwas mehr, mittlere Größe, mager, ja so mager daß mans Licht durchscheinen sieht, und das wäre am Ende gleich, doch nun kommts besser. Sie ist so liebenswürdig veranlagt, daß Sie dir, wenn du bei ihr bist, die besten Worte gibt, und du bei dir sagst. Donnerkiel warum ist die nicht 30 Jahr jünger, ich würd sie sogleich freien. Doch bist du fort, so macht sie ihre Giftschleußen auf über dich, und wahrlich Rhein und Aare können in Jahren nicht so viel Wasser dem Meere zuf zu führenSchreibversehen, statt: zuführen., als die Frau Liebenswürdigkeiten über dich sagt.

Doch sind wir noch nicht fertig über mit SieSchreibversehen, statt: mit ihr.. Also was ihr GeizSchreibversehen, statt: ihren Geiz. betrifft da machst du dir keinen Begriff. Sie zementtirtSchreibversehen, statt: zementirt. uns | unser Mägen mit Kartoffelsalat 14. Mal pr. WochSchreibversehen, statt: Woche. es ist ganz schauerlich. In Jahren kriegst du nicht so viel Kartoffelsalat als ich in einer Woche fressen muß. In Zukunft wenn du Kartoffelsalat kriegst, dann sprich ein Paternoster(lat.) Vaterunser; christliches Gebet [vgl. Matthäus 6,9-13]. für mich und meine arme Seele. Und wenn ich sterb so werd ich ihr Nachts als Geist erscheinen mit Kartoffelsalat und werd Sie machen essen essen u. wieder essen.

Jetzt zu den Töchtern. FranziskaDie 1863 geborene Franziska Steinhauser heiratete im folgenden Jahr den evangelischen Pfarrer in Untersontheim Johann Hieronymus Rudolf Schaefer [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 9.5.1884 sowie 10.12.1884]. die ältere ist ein sehr hübsches Mädchen, geistreich und freundlich, hat keine von gutenSchreibversehen, statt: von den guten. Eigenschaften der alltenSchreibversehen, statt: Alten. hat die +++durch mehrfache Längs- und Querstreichungen unkenntlich gemacht.. regelmäßig und dann ist fertig. Die zweite ElisabethÜber die 1884 aus dem Kloster zurückgekehrte Elisabeth Steinhauser ist weiter nichts ermittelt. scheint auch recht zu sein, kenn Sie zwar nicht ist jetzt im Kloster. IIItens. die kleinste, GertrudGertrud Steinhauser heiratete den Dekan Gaspar und lebte beim Tod der Mutter (1929) mit ihrem Mann in Plieningen [vgl. Schwäbischer Merkur: mit Schwäbischer Kronik und Handelszeitung (Süddeutsche Zeitung), Jg. 145, Nr. 160 (Abendblatt), 6./7.4.1929, S. 8]., ist die Hoffnung der alten Frau Mamma, Sie verspricht selbst Sie an Tugenden zu übertreffen, mit einem Wort Sie ist ein Lausmädel. |

wir habens ziemlich strenge.

Morgens 7 Uhr wird das Geschäft aufgemacht, dann bis ½ 1 Uhr gearbeitet und von ½ 2 oder 2 Uhr – 7 ½ 8, 9. gearbeitet, je nach der zu verichtendenSchreibversehen, statt: verrichtenden. Arbeit.

Heilbronn ist eine sehr hübsche Stadt von 26.000 Einwohnern. Ein sehr schönes RathhausDas Heilbronner Rathaus, am Marktplatz 7, „wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts [...] erbaut [...]. 1589 bis 1593 wurde der Flügel neben der Oberamtei und das Hintergebäude errichtet und erst im 18. Jahrhundert der Zwischenbau.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 11 u. S. 95] mit prächtiger UhrAn der Kunstuhr, die 1579/80 vom Schaffhauser Uhrmacher Isaak Habrecht und seinem Gesellen Michael Müller angefertigt wurde, ist das „merkwürdigste [...] das Uhrwerk, dessen drei Ziffertafeln die mittlere Façade des Gebäudes einnehmen. Auf der ersten befinden sich die 7 Wochentage durch die Bilder der Sonne, von Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn wiedergegeben; im weiteren Kreise stehen die Zeichen des Thierkreises mit einer Gradeinteilung. Auf der mittleren Ziffertafel deuten zwei Zeiger die Stunde und Minute an. An beiden Seiten steht je ein Engel; der eine bläst in eine Posaune kurz vor dem Stundenschlag, der andere zählt mit Scepter die einzelnen Glockenschläge und dreht seine Sanduhr, wenn die Stundenglocke ausgeschlagen hat. Unter der Stundentafel stehen zwei vergoldete Widder einander gegenüber, welche bei jedem Glockenschlage vorn sich erheben und gegen einander bocken; unter diesen steht ein Hahn, der um 3, 7 und 11 Uhr die Flügel schwingt und kräht. Die oberste Tafel zeigt die Phasen des Mondes; ganz oben befindet sich die Glocke, an welche Engel mit eisernen Armen abwechslungsweise die Viertelstundenzahl anschlagen.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 12], dann ein gothisches Münsterdie im Jahr 1013 als Kathedrale angelegte St. Kilians-Kirche in der Kramgasse [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 9-11]. diverse ErrinnerungenSchreibversehen, statt: Erinnerungen. an Götzder aus Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ (1773) bekannte Ritter Gottfried von Berlichingen zu Hornberg, der mehr als 3 Jahre in Heilbronn in Haft saß. Erinnerungsorte waren der „viereckige Turm oder Götzenturm am oberen Neckar“, in dem er die erste Nacht (11.6.1519) eingekerkert war: „In einer Nische der Turmmauer ist eine Nachbildung seiner Rüstung zu sehen. Die Hauptzeit seiner Heilbronner Gefangenschaft verbrachte Göz im damaligen Gasthaus zu den drei Königen, jetzt Krone in der Lohthorstraße.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 13], die BrauereienGelistet werden 9 Brauereien: die Adlerbrauerei Heilbronn (Deutschhofstr.), Aug. u Cie Cluß (Rosenberg 13), Carl Eckert (Götzenturmstr. 49), Heinrich Frank (Fleinerstr. 26), Wilhelm Herold (Keltergasse 3), Hermann Jacob (obere Alleestr. 11), zum Löwen von Albert Neuffer (Paulinenstr. 1), Martin Stellwag (Kirchhöfle 9) und Gebr. Treudler (untere Alleestr. 17) [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 142f.] sind die Hauptanziehungspunkte.

1 Stunde von Wein Heilbronn liegt WeinsbergDie Stadt liegt etwa 6 Kilometer östlich von Heilbronn. Bürger Weinsbergs war der Arzt und Dichter Justinus Kerner, dessen Wohnhaus – ehemals Treffpunkt der schwäbischen Romantiker – und dessen Denkmal Touristen aufsuchen konnten. mit der WeibertreuDie Burgruine Weibertreu, die August Bürger in seiner Ballade „Die Weiber von Weinsberg“ (1774) bekannt machte: Nach der feindlichen Eroberung der Burg (1140) sollen die Burgfrauen, denen der König erlaubt hatte, mit dem, was sie schultern könnten, frei abzuziehen, ihre Männer auf den Schultern tragend vor dem Tod gerettet haben..

Am l3ten September bin ich in Steinin Stein] Hermann Plümacher, der in Stein am Rhein geboren wurde und mehrere Jahre vor und nach seiner Übersiedlung nach Grütli in Beersheba Springs (Tennessee, USA) dort lebte, dürfte Bürger des Orts gewesen sein. gewesen wegen dem Militärdienst., Sie haben mich nicht springenwohl im Sinne von ausmustern oder zurückstellen. lassen die Herren, ich bin tauglich und zur Infantrie ausgehoben.

Dann hab ich eine äußerst vergnügte Zeit in Stein verbrachtHermann Plümacher hielt sich vom 9.9. bis 24.9.1883 in Stein am Rhein auf [vgl. Olga Plümacher an Wedekind, 21.10.1883]. und kam vor 8 Tagen wieder hier an.

Doch jetzt zum Schluß in ein paar Tagen schreib ich dir mehr.

Sei grüßtSchreibversehen, statt: gegrüßt. von deinem Freunde
Hermann


Morgen kommt mein Principal von einer Geschäftsreise zurück und da muß ich besorgt sein, daß alles in Ordnung ist. Ich leg dir einen PreiscourantVerzeichnis von Waren mit Angabe des Verkaufspreises., bei und, dann kannst du sehen was für Gegenstände mich beschäftigen. Bitte schreib mir so bald als möglich und denk auch hin und wieder an unsere vergnügten TageZwischen dem Schulabschluss im April 1883 und dem Beginn seiner Kaufmannslehre in Heilbronn dürfte Hermann Plümacher den Freund auf Schloss Lenzburg besucht haben [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 31.1.1883]. welche wir zusammen verlebt haben.

Bitte grüße mir Mamma Papa, Mizchen, Mili, Willi, Armin und alle Bekannten und Freunde in Lenzburg.

Es grüßt und küßt dich dein
Hermann!

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Liniertes Papier mit aufgedrucktem Familienwappen (Hünerwadel). Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Seite 4 im Hoch- und Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Hermann Plümacher verwendete Geminationsstriche; an den wenigen Stellen, wo sie fehlen, ist die Konsonantenverdoppelung stillschweigend ergänzt. Seite 4 hat er zunächst, wie die anderen Seiten, mit schwarzer Tinte im Hochformat beschrieben. Am linken Rand um 90 Grad gedreht befindet sich, (ebenfalls in schwarzer Tinte) die Fortsetzung des Textes (ab: „vor 8 Tagen“). Anschließend hat Plümacher mit roter Tinte im Querformat ein Postskript über den Text geschrieben (alles in dieser Reihenfolge hier wiedergegeben).

Datum, Schreibort und Zustellweg

Empfangsort könnte auch Aarau sein.

  • Schreibort

    Heilbronn
    2. Oktober 1883 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Heilbronn
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Pharus I. Frank Wedekind. Texte, Interviews, Studien

Titel des Aufsatzes:
Frank Wedekind und Hermann Plümacher. Unveröffentlichte Briefe.
Autor:
Manfred Luchsinger
Herausgeber:
Elke Austermühl, Alfred Kessler, Hartmut Vinçon. Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag der Georg Büchner Buchhandlung
Seitenangabe:
433-434
Briefnummer:
10
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 129
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Hermann Plümacher an Frank Wedekind, 2.10.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

19.02.2024 13:27
Kennung: 4683

Heilbronn, 2. Oktober 1883 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Plümacher, Hermann

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Heilbronn. 2. October. 1883.


Lieber guter Freund!

Bitte sei mir nicht bös über mein langes Schweigen, denk auch nicht ich habe dich etwa weniger lieb etc. sondern die WahrheitSchreibversehen, statt: der Wahrheit. die Ehr: Theils konnte ich nicht schreiben, anderntheils war ich zu faul, da hast du jetzt die Beichte und s jetzt lieber Franklin sprich mich los von meinen Sünden wenn du kannst. Gott ist allgnädig, sei es du auch. Jetzt will ich dir erzählen.

Ich muß weit zurückgreifen. Also daß ich am 1ten Mai bei Sturm und Regen in Heilbronn ankamenSchreibversehen, statt: ankam; Hermann Plümacher begann nach dem erfolgreichen Abschluss der Schule in Schaffhausen eine Kaufmannslehre in Heilbronn., das weißt du ja schonFrank Wedekind wird die Informationen durch ein nicht überliefertes Korrespondenzstück (verfasst von Hermann Plümacher oder seine Mutter Olga), erhalten haben., auch, daß (mein) ich im Turnverein bin weißt du. Bis jetzt ist die Zeit so schnell herumgegangen, daß ich ganz erstaunt bin schon im October zu leben. Also mein PrincipalArbeitgeber eines Handlungsgehilfen – Franz Xaver Steinhauser, Kaufmann in Heilbronn, der in der Präsenzgasse 16 im 1. Stock wohnte und dort ein Kommissions- und Agenturgeschäft unterhielt [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 269, 105, 140]; er war Hermann Plümachers Lehrherr. – Zur Identifikation der Familie vgl. die biographischen Anhaltspunkte in den Briefen Hermann Plümacher an Wedekind, 9.5.1884 sowie 10.12.1884. ist | ist ein sehr liebenswürdiger lustiger, solider Herr von circa 52 Jahren ich kann mich w sehr gut mit ihm auskommen, doch nun die FrauHedwig Steinhauser, geb. Heinzler, war 44 Jahre alt., nun sie ist etwa 42, vielleicht etwas mehr, mittlere Größe, mager, ja so mager daß mans Licht durchscheinen sieht, und das wäre am Ende gleich, doch nun kommts besser. Sie ist so liebenswürdig veranlagt, daß Sie dir, wenn du bei ihr bist, die besten Worte gibt, und du bei dir sagst. Donnerkiel warum ist die nicht 30 Jahr jünger, ich würd sie sogleich freien. Doch bist du fort, so macht sie ihre Giftschleußen auf über dich, und wahrlich Rhein und Aare können in Jahren nicht so viel Wasser dem Meere zuf zu führenSchreibversehen, statt: zuführen., als die Frau Liebenswürdigkeiten über dich sagt.

Doch sind wir noch nicht fertig über mit SieSchreibversehen, statt: mit ihr.. Also was ihr GeizSchreibversehen, statt: ihren Geiz. betrifft da machst du dir keinen Begriff. Sie zementtirtSchreibversehen, statt: zementirt. uns | unser Mägen mit Kartoffelsalat 14. Mal pr. WochSchreibversehen, statt: Woche. es ist ganz schauerlich. In Jahren kriegst du nicht so viel Kartoffelsalat als ich in einer Woche fressen muß. In Zukunft wenn du Kartoffelsalat kriegst, dann sprich ein Paternoster(lat.) Vaterunser; christliches Gebet [vgl. Matthäus 6,9-13]. für mich und meine arme Seele. Und wenn ich sterb so werd ich ihr Nachts als Geist erscheinen mit Kartoffelsalat und werd Sie machen essen essen u. wieder essen.

Jetzt zu den Töchtern. FranziskaDie 1863 geborene Franziska Steinhauser heiratete im folgenden Jahr den evangelischen Pfarrer in Untersontheim Johann Hieronymus Rudolf Schaefer [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 9.5.1884 sowie 10.12.1884]. die ältere ist ein sehr hübsches Mädchen, geistreich und freundlich, hat keine von gutenSchreibversehen, statt: von den guten. Eigenschaften der alltenSchreibversehen, statt: Alten. hat die +++durch mehrfache Längs- und Querstreichungen unkenntlich gemacht.. regelmäßig und dann ist fertig. Die zweite ElisabethÜber die 1884 aus dem Kloster zurückgekehrte Elisabeth Steinhauser ist weiter nichts ermittelt. scheint auch recht zu sein, kenn Sie zwar nicht ist jetzt im Kloster. IIItens. die kleinste, GertrudGertrud Steinhauser heiratete den Dekan Gaspar und lebte beim Tod der Mutter (1929) mit ihrem Mann in Plieningen [vgl. Schwäbischer Merkur: mit Schwäbischer Kronik und Handelszeitung (Süddeutsche Zeitung), Jg. 145, Nr. 160 (Abendblatt), 6./7.4.1929, S. 8]., ist die Hoffnung der alten Frau Mamma, Sie verspricht selbst Sie an Tugenden zu übertreffen, mit einem Wort Sie ist ein Lausmädel. |

wir habens ziemlich strenge.

Morgens 7 Uhr wird das Geschäft aufgemacht, dann bis ½ 1 Uhr gearbeitet und von ½ 2 oder 2 Uhr – 7 ½ 8, 9. gearbeitet, je nach der zu verichtendenSchreibversehen, statt: verrichtenden. Arbeit.

Heilbronn ist eine sehr hübsche Stadt von 26.000 Einwohnern. Ein sehr schönes RathhausDas Heilbronner Rathaus, am Marktplatz 7, „wurde in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts [...] erbaut [...]. 1589 bis 1593 wurde der Flügel neben der Oberamtei und das Hintergebäude errichtet und erst im 18. Jahrhundert der Zwischenbau.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 11 u. S. 95] mit prächtiger UhrAn der Kunstuhr, die 1579/80 vom Schaffhauser Uhrmacher Isaak Habrecht und seinem Gesellen Michael Müller angefertigt wurde, ist das „merkwürdigste [...] das Uhrwerk, dessen drei Ziffertafeln die mittlere Façade des Gebäudes einnehmen. Auf der ersten befinden sich die 7 Wochentage durch die Bilder der Sonne, von Mond, Mars, Merkur, Jupiter, Venus und Saturn wiedergegeben; im weiteren Kreise stehen die Zeichen des Thierkreises mit einer Gradeinteilung. Auf der mittleren Ziffertafel deuten zwei Zeiger die Stunde und Minute an. An beiden Seiten steht je ein Engel; der eine bläst in eine Posaune kurz vor dem Stundenschlag, der andere zählt mit Scepter die einzelnen Glockenschläge und dreht seine Sanduhr, wenn die Stundenglocke ausgeschlagen hat. Unter der Stundentafel stehen zwei vergoldete Widder einander gegenüber, welche bei jedem Glockenschlage vorn sich erheben und gegen einander bocken; unter diesen steht ein Hahn, der um 3, 7 und 11 Uhr die Flügel schwingt und kräht. Die oberste Tafel zeigt die Phasen des Mondes; ganz oben befindet sich die Glocke, an welche Engel mit eisernen Armen abwechslungsweise die Viertelstundenzahl anschlagen.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 12], dann ein gothisches Münsterdie im Jahr 1013 als Kathedrale angelegte St. Kilians-Kirche in der Kramgasse [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 9-11]. diverse ErrinnerungenSchreibversehen, statt: Erinnerungen. an Götzder aus Goethes Schauspiel „Götz von Berlichingen mit der eisernen Hand“ (1773) bekannte Ritter Gottfried von Berlichingen zu Hornberg, der mehr als 3 Jahre in Heilbronn in Haft saß. Erinnerungsorte waren der „viereckige Turm oder Götzenturm am oberen Neckar“, in dem er die erste Nacht (11.6.1519) eingekerkert war: „In einer Nische der Turmmauer ist eine Nachbildung seiner Rüstung zu sehen. Die Hauptzeit seiner Heilbronner Gefangenschaft verbrachte Göz im damaligen Gasthaus zu den drei Königen, jetzt Krone in der Lohthorstraße.“ [Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 13], die BrauereienGelistet werden 9 Brauereien: die Adlerbrauerei Heilbronn (Deutschhofstr.), Aug. u Cie Cluß (Rosenberg 13), Carl Eckert (Götzenturmstr. 49), Heinrich Frank (Fleinerstr. 26), Wilhelm Herold (Keltergasse 3), Hermann Jacob (obere Alleestr. 11), zum Löwen von Albert Neuffer (Paulinenstr. 1), Martin Stellwag (Kirchhöfle 9) und Gebr. Treudler (untere Alleestr. 17) [vgl. Adressbuch der Stadt Heilbronn a. Neckar 1885, S. 142f.] sind die Hauptanziehungspunkte.

1 Stunde von Wein Heilbronn liegt WeinsbergDie Stadt liegt etwa 6 Kilometer östlich von Heilbronn. Bürger Weinsbergs war der Arzt und Dichter Justinus Kerner, dessen Wohnhaus – ehemals Treffpunkt der schwäbischen Romantiker – und dessen Denkmal Touristen aufsuchen konnten. mit der WeibertreuDie Burgruine Weibertreu, die August Bürger in seiner Ballade „Die Weiber von Weinsberg“ (1774) bekannt machte: Nach der feindlichen Eroberung der Burg (1140) sollen die Burgfrauen, denen der König erlaubt hatte, mit dem, was sie schultern könnten, frei abzuziehen, ihre Männer auf den Schultern tragend vor dem Tod gerettet haben..

Am l3ten September bin ich in Steinin Stein] Hermann Plümacher, der in Stein am Rhein geboren wurde und mehrere Jahre vor und nach seiner Übersiedlung nach Grütli in Beersheba Springs (Tennessee, USA) dort lebte, dürfte Bürger des Orts gewesen sein. gewesen wegen dem Militärdienst., Sie haben mich nicht springenwohl im Sinne von ausmustern oder zurückstellen. lassen die Herren, ich bin tauglich und zur Infantrie ausgehoben.

Dann hab ich eine äußerst vergnügte Zeit in Stein verbrachtHermann Plümacher hielt sich vom 9.9. bis 24.9.1883 in Stein am Rhein auf [vgl. Olga Plümacher an Wedekind, 21.10.1883]. und kam vor 8 Tagen wieder hier an.

Doch jetzt zum Schluß in ein paar Tagen schreib ich dir mehr.

Sei grüßtSchreibversehen, statt: gegrüßt. von deinem Freunde
Hermann


Morgen kommt mein Principal von einer Geschäftsreise zurück und da muß ich besorgt sein, daß alles in Ordnung ist. Ich leg dir einen PreiscourantVerzeichnis von Waren mit Angabe des Verkaufspreises., bei und, dann kannst du sehen was für Gegenstände mich beschäftigen. Bitte schreib mir so bald als möglich und denk auch hin und wieder an unsere vergnügten TageZwischen dem Schulabschluss im April 1883 und dem Beginn seiner Kaufmannslehre in Heilbronn dürfte Hermann Plümacher den Freund auf Schloss Lenzburg besucht haben [vgl. Hermann Plümacher an Wedekind, 31.1.1883]. welche wir zusammen verlebt haben.

Bitte grüße mir Mamma Papa, Mizchen, Mili, Willi, Armin und alle Bekannten und Freunde in Lenzburg.

Es grüßt und küßt dich dein
Hermann!

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Liniertes Papier mit aufgedrucktem Familienwappen (Hünerwadel). Doppelblatt. Seitenmaß 12,5 x 20,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben. Seite 4 im Hoch- und Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Hermann Plümacher verwendete Geminationsstriche; an den wenigen Stellen, wo sie fehlen, ist die Konsonantenverdoppelung stillschweigend ergänzt. Seite 4 hat er zunächst, wie die anderen Seiten, mit schwarzer Tinte im Hochformat beschrieben. Am linken Rand um 90 Grad gedreht befindet sich, (ebenfalls in schwarzer Tinte) die Fortsetzung des Textes (ab: „vor 8 Tagen“). Anschließend hat Plümacher mit roter Tinte im Querformat ein Postskript über den Text geschrieben (alles in dieser Reihenfolge hier wiedergegeben).

Datum, Schreibort und Zustellweg

Empfangsort könnte auch Aarau sein.

  • Schreibort

    Heilbronn
    2. Oktober 1883 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Heilbronn
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Pharus I. Frank Wedekind. Texte, Interviews, Studien

Titel des Aufsatzes:
Frank Wedekind und Hermann Plümacher. Unveröffentlichte Briefe.
Autor:
Manfred Luchsinger
Herausgeber:
Elke Austermühl, Alfred Kessler, Hartmut Vinçon. Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag der Georg Büchner Buchhandlung
Seitenangabe:
433-434
Briefnummer:
10
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 129
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Hermann Plümacher an Frank Wedekind, 2.10.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

19.02.2024 13:27