Vergleichsansicht

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Kennung: 4604

Charlottenburg, 17. Oktober 1905 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Arnold, Gertrud

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

L. H. W!

Eben klingelt B. an – er habe gestern noch auf mich gewartet, wie Alles gegangen sei! Ich antwortete sehr kühl – wir hätten nur wenig gesprochenWedekind notierte am 16.10.1905 mittags ein Treffen mit Gertrud Arnold in der Berliner Weinstube Gebrüder Habel – „Mittags bei Habel mit Plulle“ [Tb] – unter dem Spitznamen der Schauspielerin. „Die Berliner Kollegen nannten sie ‚Plulle‘. Diese allgemeine Bezeichnung zeigt deutlich die innige Beziehung, die zwischen Gertrud Arnold und ihrem Kollegenkreis bestanden hat.“ [Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1932, S. 99] Bei dem Gespräch dürfte es um die Übergabe der bis dahin von Gertrud Arnold gespielten weiblichen Hauptrolle in der Berliner „Hidalla“-Inszenierung an Tilly Newes (siehe unten) gegangen sein., u. ich habe die Ansicht, daß Sie wohl für ErsatzGertrud Arnold spielte seit der Berliner Premiere von „Hidalla“ am 26.9.1905 im Kleinen Theater (Direktion: Victor Barnowsky) erfolgreich die weiblichen Hauptrolle der Fanny Kettler (ihr Partner in der männlichen Hauptrolle Karl Hetmann war Wedekind, der mit ihr „eine intime Beziehung“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 229] eingegangen war), musste sie dann aber an Tilly Newes abgeben, was im Gespräch mit Wedekind am 16.10.1905 Thema gewesen sein dürfte (siehe oben) und am 17.10.1905, von Wedekind als „Skandal“ [Tb] notiert, in einem Gespräch um 17 Uhr (siehe unten) zwischen ihm, Gertrud Arnold und dem Direktor Victor Barnowsky wohl definitiv entschieden wurde. Tilly Newes traf dem Tagebuch zufolge am 18.10.1905 aus Frankfurt am Main in Berlin ein („Ankunft von Tilly Newes“) und trat am 27.10.1905 erstmals in der Rolle auf („Erstes Auftreten von Tilly Newes“), die zuvor Gertrud Arnold gespielt hatte – zuletzt am 30.10.1905 („Letztes Auftreten von Gertrud Arnold“), wobei allerdings klar war, dass sie diese Rolle ohnehin hätte aufgeben müssen, da sie zum 23.11.1905 ein Gastspiel in New York antrat, von dem die Presse schon Wochen zuvor berichtet hatte: „Am Irving Place-Theater“ werde „Gertrud Arnold vier Monate lang spielen“ [Berliner Bühnenkünstler in New-York. In: Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 477, 19.9.1905, Morgen-Ausgabe, S. (3)]. Gertrud Arnold trat insofern die weibliche Hauptrolle in „Hidalla“ lediglich verfrüht an Tilly Newes ab, was eine längere Vorgeschichte hatte. Wedekind, der seit der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ am 29.5.1905 mit Tilly Newes in der Hauptrolle starkes Interesse an ihr hatte, schrieb am 2.8.1904 einen „Brief an Barnowski über Tilly Newes“ [Tb], der antwortete, dass er „die Dame engagieren werde“ [Victor Barnowsky an Wedekind, 5.8.1905]. Wedekind wiederum schrieb ihr kurz nach der „Hidalla“-Premiere nach Frankfurt am Main, er könne sich „nichts sehnlicher wünschen als Dich für Hidalla hier zu haben“ [Frank Wedekind an Tilly Newes (Wedekind), 1.10.1905]. Die Entscheidung fiel, als Victor Barnowsky am 13.10.1905 Tilly Newes in Frankfurt am Main aufsuchte [vgl. Tilly Newes (Wedekind) an Frank Wedekind, 13.10.1905] und sie daraufhin an das Kleine Theater in Berlin engagierte. durch Frl. N. hätten sorgen wollen, nicht aber daran dächten, die Dame gleich spielen, also mich | durch sie quasi verdrängen zu lassen. Herr Dir B. fragte mich ob ich also glaube, er wünsche das, u. ich sagte „ja“! Darauf sagte er, daß Sie den Wunsch hätten die Dame solle schon Dienstagam 24.10.1905, an dem die 25. Vorstellung der Berliner „Hidalla“-Inszenierung stattfand: „25. Aufführung von Hidalla in Berlin. Ich gebe ein Banket im Restaurant Astoria. Nachher geht die ganze Gesellschaft zu Stallmann.“ [Tb] Die Rolle der Fanny Kettler spielte bei dieser Jubiläumsvorstellung noch Gertrud Arnold [vgl. Wedekind an Gertrud Arnold, 24.10.1905]; ihre Nachfolgerin trat erstmals am 27.10.1905 (Freitag) in der Rolle auf: „Erstes Auftreten von Tilly Newes“ [Tb]. spielen, es ginge so nicht weiter, er wolle nicht in der schiefen Lage bleiben, u. | wir müßten eine Aussprache zu dritt haben. Ich komme also um 5um 17 Uhr am 17.10.1905, ein Gespräch zwischen Wedekind, Gertrud Arnold und dem Direktor Victor Barnowsky im Kleinen Theater, rechtzeitig vor Beginn der „Hidalla“-Vorstellung um 20 Uhr, bei der Wedekind und Gertrud Arnold dann wieder wie seit Wochen fast allabendlich gemeinsam auf der Bühne standen. Dieses Gespräch, das die Übergabe der weiblichen Hauptrolle von Gertrud Arnold an Tilly Newes betraf (siehe oben), notierte Wedekind am 17.10.1905 unter dem Stichwort „Skandal“ [Tb]., u. werde als erstes sagen, daß ich Ihnen meine gestrige Unterredung mit H. B. ganz mitgeteilt, – trotzdem ich damit gestehe, daß ich arg indiskret gewesen! – Ich bin aber nur ein Weib, dem man ja so tausendmal schwereres angetan, | wie sich Jemand denken kann! Diesen Brief dürfte ich ja auch nicht an Sie schreiben; ich tue es, weil ich mich zitternd an meinen Glauben an Sie klammere – geht mir der heute Nachmittag verloren, dann werde ich sehr ruhig sein! Momentan bin ich wieder im Fieber; ich bin durch die gestrige Aufregungdas Gespräch Gertrud Arnolds mit Wedekind am 16.10.1905 (siehe oben). verfrüht krank geworden, u. fühle mich jammervoll |

[Seite 1 um 90 Grad gedreht am linken Seitenrand:]

Also – um 5 Uhr! Bis dahin D/I/hre Fanny.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Briefschluss ist um 90 Grad gedreht auf den linken Seitenrand der Seite 1 geschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 17.10.1905 ist als Ankerdatum gesetzt – das wahrscheinliche Schreibdatum, abgeleitet vom Briefinhalt in Verbindung mit dem Tagebuch. Schreibort war dem Briefinhalt zufolge Charlottenburg.

  • Schreibort

    Charlottenburg
    17. Oktober 1905 (Dienstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Charlottenburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 123
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Gertrud Arnold an Frank Wedekind, 17.10.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

19.09.2024 09:55
Kennung: 4604

Charlottenburg, 17. Oktober 1905 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Arnold, Gertrud

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

L. H. W!

Eben klingelt B. an – er habe gestern noch auf mich gewartet, wie Alles gegangen sei! Ich antwortete sehr kühl – wir hätten nur wenig gesprochenWedekind notierte am 16.10.1905 mittags ein Treffen mit Gertrud Arnold in der Berliner Weinstube Gebrüder Habel – „Mittags bei Habel mit Plulle“ [Tb] – unter dem Spitznamen der Schauspielerin. „Die Berliner Kollegen nannten sie ‚Plulle‘. Diese allgemeine Bezeichnung zeigt deutlich die innige Beziehung, die zwischen Gertrud Arnold und ihrem Kollegenkreis bestanden hat.“ [Deutsches Bühnen-Jahrbuch 1932, S. 99] Bei dem Gespräch dürfte es um die Übergabe der bis dahin von Gertrud Arnold gespielten weiblichen Hauptrolle in der Berliner „Hidalla“-Inszenierung an Tilly Newes (siehe unten) gegangen sein., u. ich habe die Ansicht, daß Sie wohl für ErsatzGertrud Arnold spielte seit der Berliner Premiere von „Hidalla“ am 26.9.1905 im Kleinen Theater (Direktion: Victor Barnowsky) erfolgreich die weiblichen Hauptrolle der Fanny Kettler (ihr Partner in der männlichen Hauptrolle Karl Hetmann war Wedekind, der mit ihr „eine intime Beziehung“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 229] eingegangen war), musste sie dann aber an Tilly Newes abgeben, was im Gespräch mit Wedekind am 16.10.1905 Thema gewesen sein dürfte (siehe oben) und am 17.10.1905, von Wedekind als „Skandal“ [Tb] notiert, in einem Gespräch um 17 Uhr (siehe unten) zwischen ihm, Gertrud Arnold und dem Direktor Victor Barnowsky wohl definitiv entschieden wurde. Tilly Newes traf dem Tagebuch zufolge am 18.10.1905 aus Frankfurt am Main in Berlin ein („Ankunft von Tilly Newes“) und trat am 27.10.1905 erstmals in der Rolle auf („Erstes Auftreten von Tilly Newes“), die zuvor Gertrud Arnold gespielt hatte – zuletzt am 30.10.1905 („Letztes Auftreten von Gertrud Arnold“), wobei allerdings klar war, dass sie diese Rolle ohnehin hätte aufgeben müssen, da sie zum 23.11.1905 ein Gastspiel in New York antrat, von dem die Presse schon Wochen zuvor berichtet hatte: „Am Irving Place-Theater“ werde „Gertrud Arnold vier Monate lang spielen“ [Berliner Bühnenkünstler in New-York. In: Berliner Tageblatt, Jg. 34, Nr. 477, 19.9.1905, Morgen-Ausgabe, S. (3)]. Gertrud Arnold trat insofern die weibliche Hauptrolle in „Hidalla“ lediglich verfrüht an Tilly Newes ab, was eine längere Vorgeschichte hatte. Wedekind, der seit der Wiener Premiere der „Büchse der Pandora“ am 29.5.1905 mit Tilly Newes in der Hauptrolle starkes Interesse an ihr hatte, schrieb am 2.8.1904 einen „Brief an Barnowski über Tilly Newes“ [Tb], der antwortete, dass er „die Dame engagieren werde“ [Victor Barnowsky an Wedekind, 5.8.1905]. Wedekind wiederum schrieb ihr kurz nach der „Hidalla“-Premiere nach Frankfurt am Main, er könne sich „nichts sehnlicher wünschen als Dich für Hidalla hier zu haben“ [Frank Wedekind an Tilly Newes (Wedekind), 1.10.1905]. Die Entscheidung fiel, als Victor Barnowsky am 13.10.1905 Tilly Newes in Frankfurt am Main aufsuchte [vgl. Tilly Newes (Wedekind) an Frank Wedekind, 13.10.1905] und sie daraufhin an das Kleine Theater in Berlin engagierte. durch Frl. N. hätten sorgen wollen, nicht aber daran dächten, die Dame gleich spielen, also mich | durch sie quasi verdrängen zu lassen. Herr Dir B. fragte mich ob ich also glaube, er wünsche das, u. ich sagte „ja“! Darauf sagte er, daß Sie den Wunsch hätten die Dame solle schon Dienstagam 24.10.1905, an dem die 25. Vorstellung der Berliner „Hidalla“-Inszenierung stattfand: „25. Aufführung von Hidalla in Berlin. Ich gebe ein Banket im Restaurant Astoria. Nachher geht die ganze Gesellschaft zu Stallmann.“ [Tb] Die Rolle der Fanny Kettler spielte bei dieser Jubiläumsvorstellung noch Gertrud Arnold [vgl. Wedekind an Gertrud Arnold, 24.10.1905]; ihre Nachfolgerin trat erstmals am 27.10.1905 (Freitag) in der Rolle auf: „Erstes Auftreten von Tilly Newes“ [Tb]. spielen, es ginge so nicht weiter, er wolle nicht in der schiefen Lage bleiben, u. | wir müßten eine Aussprache zu dritt haben. Ich komme also um 5um 17 Uhr am 17.10.1905, ein Gespräch zwischen Wedekind, Gertrud Arnold und dem Direktor Victor Barnowsky im Kleinen Theater, rechtzeitig vor Beginn der „Hidalla“-Vorstellung um 20 Uhr, bei der Wedekind und Gertrud Arnold dann wieder wie seit Wochen fast allabendlich gemeinsam auf der Bühne standen. Dieses Gespräch, das die Übergabe der weiblichen Hauptrolle von Gertrud Arnold an Tilly Newes betraf (siehe oben), notierte Wedekind am 17.10.1905 unter dem Stichwort „Skandal“ [Tb]., u. werde als erstes sagen, daß ich Ihnen meine gestrige Unterredung mit H. B. ganz mitgeteilt, – trotzdem ich damit gestehe, daß ich arg indiskret gewesen! – Ich bin aber nur ein Weib, dem man ja so tausendmal schwereres angetan, | wie sich Jemand denken kann! Diesen Brief dürfte ich ja auch nicht an Sie schreiben; ich tue es, weil ich mich zitternd an meinen Glauben an Sie klammere – geht mir der heute Nachmittag verloren, dann werde ich sehr ruhig sein! Momentan bin ich wieder im Fieber; ich bin durch die gestrige Aufregungdas Gespräch Gertrud Arnolds mit Wedekind am 16.10.1905 (siehe oben). verfrüht krank geworden, u. fühle mich jammervoll |

[Seite 1 um 90 Grad gedreht am linken Seitenrand:]

Also – um 5 Uhr! Bis dahin D/I/hre Fanny.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Briefschluss ist um 90 Grad gedreht auf den linken Seitenrand der Seite 1 geschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 17.10.1905 ist als Ankerdatum gesetzt – das wahrscheinliche Schreibdatum, abgeleitet vom Briefinhalt in Verbindung mit dem Tagebuch. Schreibort war dem Briefinhalt zufolge Charlottenburg.

  • Schreibort

    Charlottenburg
    17. Oktober 1905 (Dienstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Charlottenburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 123
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Gertrud Arnold an Frank Wedekind, 17.10.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

19.09.2024 09:55