Vergleichsansicht

Bitte wählen Sie je ein Dokument für die linke und rechte Seite über die Eingabefelder aus.

Kennung: 448

München, 5. Mai 1910 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Sternheim, Carl

Inhalt

Sehr geehrter Herr Sternheim!

Für Samstag Nachmittag haben meine Frau und ich leider schon Karten für den ZirkusFür Samstag, den 7.5.1910 notierte Wedekind im Tagebuch: „Mit Tilly und Annapamela [Wedekind] im Zircus Sarasani.“. Außerdem habe ich auch gerade augenblicklich unermeßlich viel Arbeit mit meinen Verlegerischen KämpfenDer Verleger Bruno Cassirer (Berlin) hatte nach langwierigen Verhandlungen im Oktober 1908 von Albert Langen (München) den Verlag von Wedekinds Büchern erworben. Die persönlichen und geschäftlichen Beziehungen zwischen Autor und Verleger verschlechterten sich bereits im Laufe des Jahres 1909 zusehends. Zur Verschärfung des Konfliktes trug neben Wedekinds generellem Misstrauen und dem Streit um die Bühnenrechte – die Cassirer für sich beanspruchte, während sie nach Wedekinds Auffassung nach der Lösung des Vertrages mit Langen an ihn selbst zurückgefallen waren – auch die Tatsache bei, dass Wedekind den Verlag seines Einakters „Der Stein der Weisen“ (1909) nicht Cassirer, sondern dessen Vetter Paul Cassirer (Berlin) übertrug, der sich zu dieser Zeit vergeblich um den Gesamtverlag von Wedekinds Werk bemühte. Ab Frühjahr 1910 wurde der Streit öffentlich ausgetragen: Anfang März bot Cassirer die Rechte am Verlag Wedekinds sowie seine Lagervorräte per Annonce im „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ [Jg. 77 (1910), Nr. 56, 10.3.1910, S. 3079] zum Verkauf an. Wedekind reagierte am 21.3.1910 mit einer bissigen Erklärung an die Sortimentsbuchhändler im „Berliner Tageblatt“, in der er sich bereit erklärte, „der Verlagsbuchhandlung BRUNO CASSIRER für den Fall, daß sie den Verlag meiner Werke zu einem seinem Wert angemessenen Preis verkauft, ein angemessenes Schmerzensgeld auszuzahlen“ [KSA 5/II, S. 360]. In der Folge konnte ein Prozess nur mit Mühe und durch Vermittlung gemeinsamer Freunde, darunter Maximilian Harden, vermieden werden. Am 5.7.1910 trat Cassirer schließlich die Rechte an Wedekinds Werk für 30.000 Mark an den Münchner Verleger Georg Müller ab, mit dem Wedekind bereits im April und Mai 1910 Verträge über den Verlag der Einakter „In allen Wassern gewaschen“, „Mit allen Hunden gehetzt“ und „In allen Satteln gerecht“ (1910; später vereinigt zu „Schloß Wetterstein“, 1912) abgeschlossen hatte [vgl. Tb, 21.4.1910; zu Einzelheiten vgl. außerdem KSA 5/III, S. 126–130 und 750–752 sowie Kutscher 3, S. 80f.].. Trotzdem würde es mich sehr interessieren | wenn wir wieder einmal über unsere gemeinsame SacheDer Hinweis bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Reihe von Zusammenkünften im März 1910, an denen neben Sternheim und Wedekind auch der Verleger und Kunsthändler Paul Cassirer sowie die Schriftsteller Karl Vollmöller und Friedrich Freska teilgenommen hatten. Die Initiative dazu ging offenbar von Sternheim aus, der Wedekind während eines Besuchs in München am Nachmittag des 12.3.1910 „die Gründung einer Liga“ [Tb] vorschlug. Über das erste Treffen der Gruppe am 15.3.1910 im Hause Sternheim in Höllriegelskreuth notierte Thea Sternheim am folgenden Tag in ihrem Tagebuch: „Am 15ten Zusammenkunft zwischen Paul Cassirer, Wedekind, Vollmöller und Karl wegen eines zu gründenden demokratischen Vereins. Bis spät abends angeregte Unterhaltung, besonders über [Max] Reinhardtsche Theaterangelegenheiten. Wedekind ernst und überlegen, Karl diesmal zurückhaltender, Vollmöller schlau und lebhaft.“ [Tb Sternheim/CD]. Über ein weiteres Treffen am folgenden Tag, diesmal in der Wohnung der Wedekinds, schreibt Thea Sternheim: „Mittags zu Wedekinds, wo sich die Herrn wieder versammeln mit dem Hinzukommen des Schriftstellers Freksa.“ [ebd.; vgl. auch Wedekinds Tagebucheintrag vom 16.3.1910: „Um 4 Uhr Conferenz bei mir Sternheim Cassirer Freksa Vollmöller | Abendessen mit den Theilhabern im Hotel Marienbad.“] Ein weiteres „Gespräch mit Sternheim“ [Tb] hielt Wedekind für den 18.3.1911 fest. Zum Inhalt der Gespräche ist nichts überliefert. Sie dienten offenbar der Gründung eines Vereins bzw. einer festeren Gruppe zur gemeinsamen Wahrnehmung politischer Intreressen vor allem auf literarisch-kulturellem Gebiet. Das Unternehmen kam aber in dieser Form nicht zustande, möglicherweise weil der Anfang 1910 in Berlin gegründete Schutzverband Deutscher Schriftsteller diese Funktion bald übernahm. In diesem Zusammenhang gehört auch das von Sternheim, Wedekind sowie weiteren Mitunterzeichnern konzipierte Protestschreiben gegen polizeiliche Zensurverbote, das miteinem Brief von Sternheim und Wedekind an Arthur Schnitzler vom 22.12.1911 überliefert ist. sprechen könnten. Vielleicht kommen Sie in nächster Zeit einmal in die StadtSternheim und Wedekind waren sich ausweislich Wedekinds Tagebuch zuletzt am 18.3.1910 begegnet. Für das gesamte weitere Jahr ist kein weiteres persönliches Treffen dokumentiert..

Mit besten Empfehlungen auch an Ihre Frau Gemahlin
Ihr
FrWedekind.


5.5.10.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 ist ein Datierungsvermerk von fremder Hand (Fritz Strich?) in Bleistift geschrieben: „5.V.1910“.

Datum, Schreibort und Zustellweg

München als Schreibort ist durch Wedekinds Tagebucheintrag vom 5.5.1910 gesichert.

  • Schreibort

    München
    5. Mai 1910 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Höllriegelskreuth
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
241
Briefnummer:
353
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Burgerbibliothek Bern

Münstergasse 63
3000 Bern
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Fritz Strich
Signatur des Dokuments:
N Fritz Strich 6 (18)
Standort:
Burgerbibliothek Bern (Bern)

Danksagung

Wir danken der Burgerbibliothek Bern für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Carl Sternheim, 5.5.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Zuletzt aktualisiert

01.07.2019 09:48
Kennung: 448

München, 5. Mai 1910 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Sternheim, Carl
 
 

Inhalt

Sehr geehrter Herr Sternheim!

Für Samstag Nachmittag haben meine Frau und ich leider schon Karten für den ZirkusFür Samstag, den 7.5.1910 notierte Wedekind im Tagebuch: „Mit Tilly und Annapamela [Wedekind] im Zircus Sarasani.“. Außerdem habe ich auch gerade augenblicklich unermeßlich viel Arbeit mit meinen Verlegerischen KämpfenDer Verleger Bruno Cassirer (Berlin) hatte nach langwierigen Verhandlungen im Oktober 1908 von Albert Langen (München) den Verlag von Wedekinds Büchern erworben. Die persönlichen und geschäftlichen Beziehungen zwischen Autor und Verleger verschlechterten sich bereits im Laufe des Jahres 1909 zusehends. Zur Verschärfung des Konfliktes trug neben Wedekinds generellem Misstrauen und dem Streit um die Bühnenrechte – die Cassirer für sich beanspruchte, während sie nach Wedekinds Auffassung nach der Lösung des Vertrages mit Langen an ihn selbst zurückgefallen waren – auch die Tatsache bei, dass Wedekind den Verlag seines Einakters „Der Stein der Weisen“ (1909) nicht Cassirer, sondern dessen Vetter Paul Cassirer (Berlin) übertrug, der sich zu dieser Zeit vergeblich um den Gesamtverlag von Wedekinds Werk bemühte. Ab Frühjahr 1910 wurde der Streit öffentlich ausgetragen: Anfang März bot Cassirer die Rechte am Verlag Wedekinds sowie seine Lagervorräte per Annonce im „Börsenblatt für den deutschen Buchhandel“ [Jg. 77 (1910), Nr. 56, 10.3.1910, S. 3079] zum Verkauf an. Wedekind reagierte am 21.3.1910 mit einer bissigen Erklärung an die Sortimentsbuchhändler im „Berliner Tageblatt“, in der er sich bereit erklärte, „der Verlagsbuchhandlung BRUNO CASSIRER für den Fall, daß sie den Verlag meiner Werke zu einem seinem Wert angemessenen Preis verkauft, ein angemessenes Schmerzensgeld auszuzahlen“ [KSA 5/II, S. 360]. In der Folge konnte ein Prozess nur mit Mühe und durch Vermittlung gemeinsamer Freunde, darunter Maximilian Harden, vermieden werden. Am 5.7.1910 trat Cassirer schließlich die Rechte an Wedekinds Werk für 30.000 Mark an den Münchner Verleger Georg Müller ab, mit dem Wedekind bereits im April und Mai 1910 Verträge über den Verlag der Einakter „In allen Wassern gewaschen“, „Mit allen Hunden gehetzt“ und „In allen Satteln gerecht“ (1910; später vereinigt zu „Schloß Wetterstein“, 1912) abgeschlossen hatte [vgl. Tb, 21.4.1910; zu Einzelheiten vgl. außerdem KSA 5/III, S. 126–130 und 750–752 sowie Kutscher 3, S. 80f.].. Trotzdem würde es mich sehr interessieren | wenn wir wieder einmal über unsere gemeinsame SacheDer Hinweis bezieht sich mit großer Wahrscheinlichkeit auf eine Reihe von Zusammenkünften im März 1910, an denen neben Sternheim und Wedekind auch der Verleger und Kunsthändler Paul Cassirer sowie die Schriftsteller Karl Vollmöller und Friedrich Freska teilgenommen hatten. Die Initiative dazu ging offenbar von Sternheim aus, der Wedekind während eines Besuchs in München am Nachmittag des 12.3.1910 „die Gründung einer Liga“ [Tb] vorschlug. Über das erste Treffen der Gruppe am 15.3.1910 im Hause Sternheim in Höllriegelskreuth notierte Thea Sternheim am folgenden Tag in ihrem Tagebuch: „Am 15ten Zusammenkunft zwischen Paul Cassirer, Wedekind, Vollmöller und Karl wegen eines zu gründenden demokratischen Vereins. Bis spät abends angeregte Unterhaltung, besonders über [Max] Reinhardtsche Theaterangelegenheiten. Wedekind ernst und überlegen, Karl diesmal zurückhaltender, Vollmöller schlau und lebhaft.“ [Tb Sternheim/CD]. Über ein weiteres Treffen am folgenden Tag, diesmal in der Wohnung der Wedekinds, schreibt Thea Sternheim: „Mittags zu Wedekinds, wo sich die Herrn wieder versammeln mit dem Hinzukommen des Schriftstellers Freksa.“ [ebd.; vgl. auch Wedekinds Tagebucheintrag vom 16.3.1910: „Um 4 Uhr Conferenz bei mir Sternheim Cassirer Freksa Vollmöller | Abendessen mit den Theilhabern im Hotel Marienbad.“] Ein weiteres „Gespräch mit Sternheim“ [Tb] hielt Wedekind für den 18.3.1911 fest. Zum Inhalt der Gespräche ist nichts überliefert. Sie dienten offenbar der Gründung eines Vereins bzw. einer festeren Gruppe zur gemeinsamen Wahrnehmung politischer Intreressen vor allem auf literarisch-kulturellem Gebiet. Das Unternehmen kam aber in dieser Form nicht zustande, möglicherweise weil der Anfang 1910 in Berlin gegründete Schutzverband Deutscher Schriftsteller diese Funktion bald übernahm. In diesem Zusammenhang gehört auch das von Sternheim, Wedekind sowie weiteren Mitunterzeichnern konzipierte Protestschreiben gegen polizeiliche Zensurverbote, das miteinem Brief von Sternheim und Wedekind an Arthur Schnitzler vom 22.12.1911 überliefert ist. sprechen könnten. Vielleicht kommen Sie in nächster Zeit einmal in die StadtSternheim und Wedekind waren sich ausweislich Wedekinds Tagebuch zuletzt am 18.3.1910 begegnet. Für das gesamte weitere Jahr ist kein weiteres persönliches Treffen dokumentiert..

Mit besten Empfehlungen auch an Ihre Frau Gemahlin
Ihr
FrWedekind.


5.5.10.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf Seite 1 ist ein Datierungsvermerk von fremder Hand (Fritz Strich?) in Bleistift geschrieben: „5.V.1910“.

Datum, Schreibort und Zustellweg

München als Schreibort ist durch Wedekinds Tagebucheintrag vom 5.5.1910 gesichert.

  • Schreibort

    München
    5. Mai 1910 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Höllriegelskreuth
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
241
Briefnummer:
353
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Burgerbibliothek Bern

Münstergasse 63
3000 Bern
Schweiz

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Fritz Strich
Signatur des Dokuments:
N Fritz Strich 6 (18)
Standort:
Burgerbibliothek Bern (Bern)

Danksagung

Wir danken der Burgerbibliothek Bern für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Carl Sternheim, 5.5.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Zuletzt aktualisiert

01.07.2019 09:48