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Kennung: 4180

München, 24. November 1917 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

T. W.


München, 24.11.17


Geliebter Frank,

herzlichen Dank und Kuss für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.11.1917. u. den Eilbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)., der gestern kam. Die Karte an Pamelanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 21.11.1917. kam heute schon. Es freut mich sehr, dass Du solche Erfolge hast u. dass es Dir gut geht. Auch ich hoffe von Herzen, dass das so bleibt, wenn wir beisammen sind u. K/k/einer den andern bedrückt oder beengt.

Wenn Du jetzt nach Davos u. Aarau fährstWedekind hatte „Herakles“-Lesungen am 28.11.1917 in Davos und am 6.12.1917 in Aarau [vgl. Tb]., wirst Du wohl länger ohne Nachricht sein, denn meine Briefe werden Dich nicht erreichen. |

Es wäre sehr schön, wenn Du zu Pamela’s GeburtstagPamela Wedekinds 11. Geburtstag am 12.12.1917. zu Hause wärst, doch ist sie schon darauf vorbereitet, dass Du eventuell später kommst.

Der Vormittag ist allerdings vollständig mit Einkaufen u. Kochen ausgefüllt, doch strengt es mich gar nicht an, u. macht mir im Gegenteil Spaß. Heute haben wir Syrupplätzchenmit Sirup gebackene Plätzchen. gemacht für nächste Woche zum Damenthee, der übrigens auf Mittwoch verschoben ist. Gestern machten wir einen Apfelkuchen mit Hefenteig, er war sehr gut.

Vielleicht spielen wir später „ÜberfürchtenichtsFritz Horwitz hatte eine Aufführung von „Überfürchtenichts“ für den 6.12.1917 in München vorgeschlagen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)], was nicht zu realisieren war, da Wedekinds „Herakles“-Lesung in Aarau bereits für den 6.12.1917 angesetzt war. Frank und Tilly Wedekind traten nicht mehr zusammen auf; „Überfürchtenichts“ wurde erst posthum uraufgeführt..

Horwitz telephonierte auch wegen einer belgischen Tournee. Reise, Hotel u. sehr gutes Essen frei, ausserdem pro Tag | 100 M. Ich sagte ihm, er soll es Dir schreiben.

d’Albertsder Pianist und Komponist Eugen d’Albert und seine fünfte Ehefrau, die Pianistin Friederike (Fritzi) Jauner (Heirat am 17.12.1913); sie wohnten auf dem Zürichberg (Freudenbergstraße 87) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 6], wo Wedekind sie am 25.11.1917 ein zweites Mal besuchen sollte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)]. müssen ja herrlich wohnen, schat/d/e, dass ich nicht bei ihnen war. Grüße sie von mir.

Deine lieben Grüße an Bertl, werde ich ausrichten. Gestern war ich bei Alfred Meyer u. Frauentweder der Münchner Maler und Bildhauer Alfred Meyer (Ainmillerstraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 445] und dessen Gattin (nicht identifiziert) oder der Musiker Alfred Meyer (Schopenhauerstraße 4) [vgl. ebd.] mit Gattin (nicht identifiziert); einer von ihnen ist im Tagebuch mehrfach erwähnt – so am 13.8.1913 („im Nationalmuseum. Begegnung mit Alfred Meyer“), 6.2.1915 („Zum Thee Rosenthal und Frau Miriam Horwitz und Alfred Meyer“), 18.2.1915 („Konzert Eva Bernstein. Mit Tilly und Meyer HTR“) und 3.5.1915 („Friedenthal und Alfred Meyer zum Besuch“). zum Thee, (ich hatte sie bei der EröffnungDas von Alexander von Bernus in München gegründete Kunsthaus „Das Reich“ (Königinstraße 23) wurde am 12.11.1917 eröffnet [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. München, 13.11.1917]. des Kunsthauses „das Reich“ getroffen) Fr. Justizrat Bernstein u. eine Fr. Prof. Martinnicht identifiziert; die Gattin eines Professors. waren noch da, es war sehr nett. Fr. Justizrat ist operiert worden u. sieht viel besser. Ihre Tochter Eva freute sich sehr, dass Du in ihrem ConzertWedekind, der am 18.2.1915 „Konzert Eva Bernstein“ [Tb] notiert hatte, dürfte das zuletzt stattgefundene Konzert der jungen Geigerin Eva Bernstein (Tochter von Elsa und Max Bernstein) am 28.10.1917 um 20 Uhr besucht haben: „Eva Bernstein wird bei ihrem einzigen Geigen-Abend am Sonntag, 28. Oktober, 8 Uhr im Museum die Sonate Nr. 9 F-dur von Mozart, vier Stücke aus der Suite in a-moll von Reger und das Konzert f-moll von Lalo spielen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 539, 24.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3] Die Presse urteilte: „Eva Bernsteins feingebildete musikalische Natur, die jetzt ganz fest auf den eigenen Füßen steht, hat den Besuchern ihres letzten Konzertes anderthalb Stunden angenehmsten Genusses bereitet. Es liegt in ihrem Spiele, das sich technisch fortschreitend freier und überlegener, im Tone immer fülliger und satter gestaltet, der eigentümliche Reiz einer mit Schönheit Hand in Hand gehenden rührenden Jugendlichkeit, die warm um das Geheimnis der Musik wirbt und dort, wo sich ihr das Allerletzte noch nicht entschleiert haben kann, die Sehnsucht singen läßt.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 552, 31.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3] warst. Heute Nachmittag waren wir bei dem Tanz NachmittagTilly Wedekind besuchte mit ihren Töchtern und ihrer Schwester Martha Müller (geb. Newes) am 24.11.1917 um 16 Uhr den angekündigten „Tanz-Nachmittag“ der „Geschwister Reichert-Mariagraete“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 583, 17.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 4] in den Münchner Kammerspielen: „Nachmittags 4 Uhr: Tanz-Nachmittag Reichert-Mariagraete“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 595, 24.11.1917, General-Anzeiger, S. 2]. Eine frühere Darbietung war in der Presse gelobt worden: „Den Kern der Darbietungen bilden [...] die lieblich beschwingten und von einer unschuldsvollen, jugendlichen Begeisterung beseelten Tanzrhythmen Beatrice Mariagraetes. Und die Steigerung ins elegisch Vollere, leicht Melancholische durch Vera Mariagraete. Als hoffnungsvoller Nachwuchs gewissermaßen illustrierten das erste Stadium der Tanzkunst ein paar kleine, bewegliche Wesen, die wie ‚Spinnweb‘ und ‚Motte‘ aus Shakespeares ‚Sommernachtstraum‘ zu kommen schienen. Es gab reichen Beifall“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 526, 17.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3]. Im Jahr darauf berief man sich auf die „Geschwister Vera und Beatrice Mariagraete, welche in den Kammerspielen Münchens durch ihre eigenartige Tanzkunst Aussehen erregt haben“ [Tanzabend. In: Salzburger Volksblatt, Jg. 48, Nr. 105, 8.5.1918, S. 6]; und im Jahr davor hieß es: „Im Münchner Schauspielhaus haben die jugendlichen Wiener Tanzkünstlerinnen Primavera und Beatrice Reichert-Mariagraete einen Tanzabend veranstaltet und sehr starken, herzlichen Beifall gefunden. Die Natürlichkeit und anmutige Frische ihrer wirklich entzückenden Kunst ist über jedes Lob erhaben.“ [Neues Wiener Journal, Jg. 50, Nr. 43, 17.2.1916, S. 16] von den beiden Reichert Mariagräte in den Kammerspielen. Ich hatte 2 Freikarten, eine kaufte ich u. da saßen Martha u. ich mit beiden Kindern. Es war reizend! | Den Kindern gefiel es auch sehr! So frisch u. natürlich sind die beiden Mädeln. Allerdings bissel dick, aber sehr gut gewachsen u. sie können ziemlich viel.

Nun noch ein leidiger Punkt. Du sagtest, ich müsse das Geld nicht absolut ausgeben. Ich glaube wirklich, ich gebe nichts ü/Ü/berflüssiges aus. Meine Vergnügungen kosten nicht viel. Aber ich hatte viele Zahlungen, wie Du aus beigelegter Rechnung AufstellungDie Briefbeilage ist nicht überliefert. ersehen kannst u. dann muss man jetzt alles auf Vorrat kaufen. Ich habe jetzt auch viel Vorrat, wir haben natürlich das alles nicht gegessen. Gans, Hasen etz. wird eingeweckt, damit ich was habe wenn Du da bist. Dann brauchte ich schon lang eine Küchenwaage u. Gewichte. Der Installateur hat alle Gaslampen abgenommen, 3 Zugpendel für Elektrisch dazugegeben, Küchenlampe aufgemacht | 2 Steckkontakte gerichtet 4 Birnen geliefert etz. dafür sind 131.– M. nicht viel. Martha bezahlte für weniger Arbeit mehr wie 200 M.

Wenn Dir irgend was zu viel erscheint, können wir ja noch darüber reden.

Ich habe noch etwas über 200.– M. weil von den Kammerspielen 150 M. geschickt wurden u. ich ja ausser den 1000 M. noch etwas Geld hatte. Aber damit werde ich leider nicht reichen. Montag bekomme ich Schmierseife u. Waschpulver 50 das zu 1 M. Das ist nicht vil/e/l u. man muss froh sein, dass man’s bekommt. Und Ver|schiedenes ist mir noch angetragen, was man jetzt nötig braucht u. auch zu höheren PreißenSchreibversehen, statt: Preisen. kaufen muss. Wenn Du doch etwas Thee u. Kochchocolade mitbringen könntest! Davon habe ich ja nichts mehr.

Ich hoffe, Du bist nicht böse, dass ich noch Geld brauche. Vielleicht kannst Du mir direct von der BankWedekind hat die Dresdner Bank Filiale München per Eilbrief mit der Überweisung von 600 Mark an seine Frau beauftragt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1917 (Telegramm)] und den Betrag von 600 Mark „An Tilly“ am 3.12.1917 im Kontobuch unter Dresdner Bank notiert. etwas schicken lassen, dassSchreibversehen, statt: das. wird Dir am Wenigsten Mühe machen.

Lebwohl Geliebter, lass es Dir weiter gut gehen u. sei innig geküsst von Deiner Tilly


P.S. Dr. Sinzheimer ist gestorbenDr. phil. Siegfried Sinzheimer (Leopoldstraße 71) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 692], der langjährige Chefredakteur der „Jugend“; in einem Nachruf auf ihn heißt es: „Vermählt war Dr. Sinzheimer mit Freiin von und zu der Tann. [...] Vor mehr als 20 Jahren trat der Verstorbene in die Redaktion der ‚Jugend‘ ein, in der ihn vor allem die Leitung des literarischen Teils beschäftigte. [...] Es gibt wohl kaum einen hervorragenden Schriftsteller unserer Zeit, zu dem der Verstorbene nicht in persönlichen Beziehungen gestanden hätte.“ [Dr. Siegfried Sinzheimer †. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 592, 22.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 2f.] Einer davon war Wedekind, der in der „Jugend“ gelegentlich veröffentlicht hat., hast Du’s gelesen? Ich werde an die FrauTherese Sinzheimer (geb. von und zu der Tann), die Witwe von Siegfried Sinzheimer (siehe oben), den sie am 25.6.1891 in München geheiratet hatte, dann ausgewiesen als Schriftleiters-Witwe (Martiusstraße 4) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 713]. ein paar Zeilen schreiben.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 18 x 18 cm. Einzelblatt. 18 x 18 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf dem ersten Blatt ist unten eine Ecke abgerissen (Textverlust auf Seite 1 rechts unten und Seite 2 links unten). Seite 5 (Beginn des durch Teilung eines Doppelblatts hergestellten Einzelblatts) ist oben mit der römischen Ziffer „II.“ versehen und enthält ein aufgeprägtes Monogramm (beides hier nicht wiedergegeben). Wedekind hat oben auf Seite 1 mit rotem Buntstift das Datum „24.11.17“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    24. November 1917 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Zürich
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
477-479
Briefnummer:
726
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.11.1917. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.03.2023 17:30
Kennung: 4180

München, 24. November 1917 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

T. W.


München, 24.11.17


Geliebter Frank,

herzlichen Dank und Kuss für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 19.11.1917. u. den Eilbriefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)., der gestern kam. Die Karte an Pamelanicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 21.11.1917. kam heute schon. Es freut mich sehr, dass Du solche Erfolge hast u. dass es Dir gut geht. Auch ich hoffe von Herzen, dass das so bleibt, wenn wir beisammen sind u. K/k/einer den andern bedrückt oder beengt.

Wenn Du jetzt nach Davos u. Aarau fährstWedekind hatte „Herakles“-Lesungen am 28.11.1917 in Davos und am 6.12.1917 in Aarau [vgl. Tb]., wirst Du wohl länger ohne Nachricht sein, denn meine Briefe werden Dich nicht erreichen. |

Es wäre sehr schön, wenn Du zu Pamela’s GeburtstagPamela Wedekinds 11. Geburtstag am 12.12.1917. zu Hause wärst, doch ist sie schon darauf vorbereitet, dass Du eventuell später kommst.

Der Vormittag ist allerdings vollständig mit Einkaufen u. Kochen ausgefüllt, doch strengt es mich gar nicht an, u. macht mir im Gegenteil Spaß. Heute haben wir Syrupplätzchenmit Sirup gebackene Plätzchen. gemacht für nächste Woche zum Damenthee, der übrigens auf Mittwoch verschoben ist. Gestern machten wir einen Apfelkuchen mit Hefenteig, er war sehr gut.

Vielleicht spielen wir später „ÜberfürchtenichtsFritz Horwitz hatte eine Aufführung von „Überfürchtenichts“ für den 6.12.1917 in München vorgeschlagen [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)], was nicht zu realisieren war, da Wedekinds „Herakles“-Lesung in Aarau bereits für den 6.12.1917 angesetzt war. Frank und Tilly Wedekind traten nicht mehr zusammen auf; „Überfürchtenichts“ wurde erst posthum uraufgeführt..

Horwitz telephonierte auch wegen einer belgischen Tournee. Reise, Hotel u. sehr gutes Essen frei, ausserdem pro Tag | 100 M. Ich sagte ihm, er soll es Dir schreiben.

d’Albertsder Pianist und Komponist Eugen d’Albert und seine fünfte Ehefrau, die Pianistin Friederike (Fritzi) Jauner (Heirat am 17.12.1913); sie wohnten auf dem Zürichberg (Freudenbergstraße 87) [vgl. Adressbuch der Stadt Zürich für 1918, Teil I, S. 6], wo Wedekind sie am 25.11.1917 ein zweites Mal besuchen sollte [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.11.1917 (Brief)]. müssen ja herrlich wohnen, schat/d/e, dass ich nicht bei ihnen war. Grüße sie von mir.

Deine lieben Grüße an Bertl, werde ich ausrichten. Gestern war ich bei Alfred Meyer u. Frauentweder der Münchner Maler und Bildhauer Alfred Meyer (Ainmillerstraße 7) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 445] und dessen Gattin (nicht identifiziert) oder der Musiker Alfred Meyer (Schopenhauerstraße 4) [vgl. ebd.] mit Gattin (nicht identifiziert); einer von ihnen ist im Tagebuch mehrfach erwähnt – so am 13.8.1913 („im Nationalmuseum. Begegnung mit Alfred Meyer“), 6.2.1915 („Zum Thee Rosenthal und Frau Miriam Horwitz und Alfred Meyer“), 18.2.1915 („Konzert Eva Bernstein. Mit Tilly und Meyer HTR“) und 3.5.1915 („Friedenthal und Alfred Meyer zum Besuch“). zum Thee, (ich hatte sie bei der EröffnungDas von Alexander von Bernus in München gegründete Kunsthaus „Das Reich“ (Königinstraße 23) wurde am 12.11.1917 eröffnet [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. München, 13.11.1917]. des Kunsthauses „das Reich“ getroffen) Fr. Justizrat Bernstein u. eine Fr. Prof. Martinnicht identifiziert; die Gattin eines Professors. waren noch da, es war sehr nett. Fr. Justizrat ist operiert worden u. sieht viel besser. Ihre Tochter Eva freute sich sehr, dass Du in ihrem ConzertWedekind, der am 18.2.1915 „Konzert Eva Bernstein“ [Tb] notiert hatte, dürfte das zuletzt stattgefundene Konzert der jungen Geigerin Eva Bernstein (Tochter von Elsa und Max Bernstein) am 28.10.1917 um 20 Uhr besucht haben: „Eva Bernstein wird bei ihrem einzigen Geigen-Abend am Sonntag, 28. Oktober, 8 Uhr im Museum die Sonate Nr. 9 F-dur von Mozart, vier Stücke aus der Suite in a-moll von Reger und das Konzert f-moll von Lalo spielen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 539, 24.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3] Die Presse urteilte: „Eva Bernsteins feingebildete musikalische Natur, die jetzt ganz fest auf den eigenen Füßen steht, hat den Besuchern ihres letzten Konzertes anderthalb Stunden angenehmsten Genusses bereitet. Es liegt in ihrem Spiele, das sich technisch fortschreitend freier und überlegener, im Tone immer fülliger und satter gestaltet, der eigentümliche Reiz einer mit Schönheit Hand in Hand gehenden rührenden Jugendlichkeit, die warm um das Geheimnis der Musik wirbt und dort, wo sich ihr das Allerletzte noch nicht entschleiert haben kann, die Sehnsucht singen läßt.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 552, 31.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3] warst. Heute Nachmittag waren wir bei dem Tanz NachmittagTilly Wedekind besuchte mit ihren Töchtern und ihrer Schwester Martha Müller (geb. Newes) am 24.11.1917 um 16 Uhr den angekündigten „Tanz-Nachmittag“ der „Geschwister Reichert-Mariagraete“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 583, 17.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 4] in den Münchner Kammerspielen: „Nachmittags 4 Uhr: Tanz-Nachmittag Reichert-Mariagraete“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 595, 24.11.1917, General-Anzeiger, S. 2]. Eine frühere Darbietung war in der Presse gelobt worden: „Den Kern der Darbietungen bilden [...] die lieblich beschwingten und von einer unschuldsvollen, jugendlichen Begeisterung beseelten Tanzrhythmen Beatrice Mariagraetes. Und die Steigerung ins elegisch Vollere, leicht Melancholische durch Vera Mariagraete. Als hoffnungsvoller Nachwuchs gewissermaßen illustrierten das erste Stadium der Tanzkunst ein paar kleine, bewegliche Wesen, die wie ‚Spinnweb‘ und ‚Motte‘ aus Shakespeares ‚Sommernachtstraum‘ zu kommen schienen. Es gab reichen Beifall“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 526, 17.10.1917, Abend-Ausgabe, S. 3]. Im Jahr darauf berief man sich auf die „Geschwister Vera und Beatrice Mariagraete, welche in den Kammerspielen Münchens durch ihre eigenartige Tanzkunst Aussehen erregt haben“ [Tanzabend. In: Salzburger Volksblatt, Jg. 48, Nr. 105, 8.5.1918, S. 6]; und im Jahr davor hieß es: „Im Münchner Schauspielhaus haben die jugendlichen Wiener Tanzkünstlerinnen Primavera und Beatrice Reichert-Mariagraete einen Tanzabend veranstaltet und sehr starken, herzlichen Beifall gefunden. Die Natürlichkeit und anmutige Frische ihrer wirklich entzückenden Kunst ist über jedes Lob erhaben.“ [Neues Wiener Journal, Jg. 50, Nr. 43, 17.2.1916, S. 16] von den beiden Reichert Mariagräte in den Kammerspielen. Ich hatte 2 Freikarten, eine kaufte ich u. da saßen Martha u. ich mit beiden Kindern. Es war reizend! | Den Kindern gefiel es auch sehr! So frisch u. natürlich sind die beiden Mädeln. Allerdings bissel dick, aber sehr gut gewachsen u. sie können ziemlich viel.

Nun noch ein leidiger Punkt. Du sagtest, ich müsse das Geld nicht absolut ausgeben. Ich glaube wirklich, ich gebe nichts ü/Ü/berflüssiges aus. Meine Vergnügungen kosten nicht viel. Aber ich hatte viele Zahlungen, wie Du aus beigelegter Rechnung AufstellungDie Briefbeilage ist nicht überliefert. ersehen kannst u. dann muss man jetzt alles auf Vorrat kaufen. Ich habe jetzt auch viel Vorrat, wir haben natürlich das alles nicht gegessen. Gans, Hasen etz. wird eingeweckt, damit ich was habe wenn Du da bist. Dann brauchte ich schon lang eine Küchenwaage u. Gewichte. Der Installateur hat alle Gaslampen abgenommen, 3 Zugpendel für Elektrisch dazugegeben, Küchenlampe aufgemacht | 2 Steckkontakte gerichtet 4 Birnen geliefert etz. dafür sind 131.– M. nicht viel. Martha bezahlte für weniger Arbeit mehr wie 200 M.

Wenn Dir irgend was zu viel erscheint, können wir ja noch darüber reden.

Ich habe noch etwas über 200.– M. weil von den Kammerspielen 150 M. geschickt wurden u. ich ja ausser den 1000 M. noch etwas Geld hatte. Aber damit werde ich leider nicht reichen. Montag bekomme ich Schmierseife u. Waschpulver 50 das zu 1 M. Das ist nicht vil/e/l u. man muss froh sein, dass man’s bekommt. Und Ver|schiedenes ist mir noch angetragen, was man jetzt nötig braucht u. auch zu höheren PreißenSchreibversehen, statt: Preisen. kaufen muss. Wenn Du doch etwas Thee u. Kochchocolade mitbringen könntest! Davon habe ich ja nichts mehr.

Ich hoffe, Du bist nicht böse, dass ich noch Geld brauche. Vielleicht kannst Du mir direct von der BankWedekind hat die Dresdner Bank Filiale München per Eilbrief mit der Überweisung von 600 Mark an seine Frau beauftragt [vgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 30.11.1917 (Telegramm)] und den Betrag von 600 Mark „An Tilly“ am 3.12.1917 im Kontobuch unter Dresdner Bank notiert. etwas schicken lassen, dassSchreibversehen, statt: das. wird Dir am Wenigsten Mühe machen.

Lebwohl Geliebter, lass es Dir weiter gut gehen u. sei innig geküsst von Deiner Tilly


P.S. Dr. Sinzheimer ist gestorbenDr. phil. Siegfried Sinzheimer (Leopoldstraße 71) [vgl. Adreßbuch für München 1917, Teil I, S. 692], der langjährige Chefredakteur der „Jugend“; in einem Nachruf auf ihn heißt es: „Vermählt war Dr. Sinzheimer mit Freiin von und zu der Tann. [...] Vor mehr als 20 Jahren trat der Verstorbene in die Redaktion der ‚Jugend‘ ein, in der ihn vor allem die Leitung des literarischen Teils beschäftigte. [...] Es gibt wohl kaum einen hervorragenden Schriftsteller unserer Zeit, zu dem der Verstorbene nicht in persönlichen Beziehungen gestanden hätte.“ [Dr. Siegfried Sinzheimer †. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 70, Nr. 592, 22.11.1917, Abend-Ausgabe, S. 2f.] Einer davon war Wedekind, der in der „Jugend“ gelegentlich veröffentlicht hat., hast Du’s gelesen? Ich werde an die FrauTherese Sinzheimer (geb. von und zu der Tann), die Witwe von Siegfried Sinzheimer (siehe oben), den sie am 25.6.1891 in München geheiratet hatte, dann ausgewiesen als Schriftleiters-Witwe (Martiusstraße 4) [vgl. Adreßbuch für München 1918, Teil I, S. 713]. ein paar Zeilen schreiben.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 18 x 18 cm. Einzelblatt. 18 x 18 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Auf dem ersten Blatt ist unten eine Ecke abgerissen (Textverlust auf Seite 1 rechts unten und Seite 2 links unten). Seite 5 (Beginn des durch Teilung eines Doppelblatts hergestellten Einzelblatts) ist oben mit der römischen Ziffer „II.“ versehen und enthält ein aufgeprägtes Monogramm (beides hier nicht wiedergegeben). Wedekind hat oben auf Seite 1 mit rotem Buntstift das Datum „24.11.17“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    24. November 1917 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Zürich
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
477-479
Briefnummer:
726
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 24.11.1917. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.03.2023 17:30