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Mein innigst Geliebter!
Heute kam keine 2. Post. So habe ich keine Nachricht von
Dir. So ein Tag ist für mich nur ein halber.
Ich empfing sie in Deinem Zimmer. Dann giengen Schreibversehen, statt: gingen. wir zum Thee
in’s Speisezimmer, die Türen zu meinem Zimmer waren offen, überall hell. Der
Tisch war sehr hübsch gedeckt. Die Tischordnung so:
Agnes Fr. B’s
Mutter
Allen schien es richtig u. sie fühlten sich offenbar wohl.
Es gab verschieden belegte Brödchen Schreibversehen, statt: Brötchen., kaltes Fleisch, gem. Salat, Käse, Obst,
2erlei Kuchen. Cigaretten. Hr. Dr. bot ich Wein an, aber er trank auch Thee. Zuerst war Erna etwas
zurückhaltend zur Baronin, aber sehr bald wurde das Gespräch allgemein. Ich
unterhielt mich erst mit Erna u. der Mutter von Fr. B. Hr. Dr. sprach mit Fr. Baronin. Und selbst Agnes taute dann auf u. unterhielt sich mit der Baronin
über
Mir half es freilich sehr, dass ich | immer sehr eifrig die
Zeitungen u. die Zeitschrift für
Wir trennten uns um ½ 12 um 23.30 Uhr., sie wollten noch die letzte
Trambahn erreichen.
Erna sagt sie weiß nicht was ich von ihr lernen will, sie
wolle lieber von mir lernen. So ist es ja nicht, aber ich freute mich doch sehr
darüber.
Das alles soll ja für mich Schule u. Übung sein, damit ich es lerne es auch Dir behaglich zu machen.
Bei allem habe ich ja immer nur das Eine im Auge! |
Wir sprachen sehr viel von Dir, von
Ich sah übrigens gestern an der Drucksache Hinweis auf eine Sendung, die Wedekind als Drucksache ohne Begleitschreiben zugeschickt und ihm von seiner Frau am 20.4.1916 nach Berlin nachgesandt wurde. Es handelte sich um die 16 Seiten (ohne die Werbung für den Bund für Mutterschutz und für Werke der Autorin) umfassende Broschüre „Krieg und Ehe“ von Grete Meisel-Heß, die 1915 als erste Nummer der Reihe „Kriegshefte des Bundes für Mutterschutz“ im Verlag Oesterheld und Co. in Berlin erschienen ist (vielleicht hat die für den Bund für Mutterschutz aktive Helene Stöcker die Sendung veranlasst). Ihr Auftakt lautet: „Was erwarten wir Frauen von dem großen Weltgericht? In welcher Weise wird das furchtbare Geschehen, das die Erde von Blut dampfen macht, das Todesgrausen und die Vernichtungsschrecken, durch die wir uns an den jüngsten Tag versetzt wähnen, die Urbeziehung des Lebens, die der Geschlechter, beeinflussen? [...] Die automatischen Folgen des Krieges in der Beziehung der Geschlechter werden sich ja ohne Zweifel fühlbar machen.“ [Grete Meisel-Heß: Krieg und Ehe. Berlin 1915, S. 1], dass es eine
Broschüre über Krieg u. Ehe ist. Ich hab’s gelesen u. sprach mit Erna davon. Du
bist nicht böse, dass ich es las? Ich dachte eine Drucksache kann ich ansehen.
Wenn Du sie noch nicht weggeworfen hast, bitte heb sie auf, ich würde sie gern
Erna geben. |
Ich glaube fast, wir bekommen noch schönes Osterwetter. Fall’s Schreibversehen, statt: Falls.
Du in Berlin oder Dresden oder Leipzig bist, wünsche ich Dir also recht
vergnügte Ostern! Bitte schreib mir wo Du wohnen wirst!
Hoffentlich freust Du Dich auch dass ich einen Schritt
vorwärts gemacht habe u. gieb
Sei innigst umarmt Liebster u. lass’ es Dir recht gut gehen!
Es küsst Dich herzlichst,
Deine Tilly |
den 21. April. 1916.
Lieber Papa!
?/./
Ich habe sehr gute Noten, jetzt sind Ferien. Am Montag hatte ich
Bestehend aus 4 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben
München
21. April 1916 (Freitag)
Sicher
München
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Tilly Wedekind, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 21.4.1916. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (28.10.2025).
Ariane Martin