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Kennung: 3849

München, 14. Oktober 1901 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Berliner Tageblatt, (Zeitung)
  • Engel, Fritz

Inhalt

An die geehrte Redaction des Berliner Tageblattes.


Sehr geehrter HerrFritz Engel, Redakteur des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1902, Teil II, Sp. 319], war verantwortlich für das Feuilleton (Chefredakteur war Arthur Levysohn); er dürfte angesprochen sein, da Wedekind auf Fritz Engels Besprechung der Uraufführung des „Marquis von Keith“ anspielt (siehe unten).

darf ich Sie höflichst ersuchen, von folgendem Notiz nehmen zu wollen: Herr Dr. OberländerDr. phil. Hans Oberländer, Geschäftsführer der „Theatergesellschaft Schall und Rauch m.b.H.“ [Adreßbuch für Berlin 1902, Teil I, S. 1731] in Berlin (Unter den Linden 44), war zugleich Direktor der Bühne Schall und Rauch (Unter den Linden 44), ein Kabarett, das am 9.10.1901 eröffnet worden ist [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 263]. Fritz Engel hat die Premierenvorstellung kritisch besprochen [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 515, 10.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. Gemeldet wurde: „Das Programm der […] Eröffnungsvorstellung von ‚Schall und Rauch‘ wurde […] gekürzt und gelangt mit Ausnahme einiger von der Censur nachträglich beanstandeter Stellen unverändert zur täglichen Wiederholung.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 517, 11.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (3)] von der Vereinigung „Schall und Rauch[“] beehrt mich mit der Anfragenicht überliefert: erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Oberländer an Wedekind, 10.10.1901. ob ich bereit wäre, nächste Woche in seinen Vorstellungen mitzuwirken. So ehrenvoll mir dieser Antrag ist, glaube ich ihn dennoch ablehnen zu müssen, in der aufrichtigen Befürchtung daß man mich in meinen minderwertigen Productionen mindestens | ebenso verhöhnen wird, wie man meinen Marquis v. Keith“ verhöhntDie Uraufführung des „Marquis von Keith“ am 11.10.1901 (Freitag), im Rahmen des 2. Literarischen Abends im Residenztheater in Berlin unter der Regie von Martin Zickel, fiel bei der Kritik durch. Fritz Engel meinte, der Abend mit diesem Stück sei „kein Sieg“ gewesen, sondern „das Gegenteil“, nämlich „das, was man eine fröhliche Leiche nennt.“ [F.E.: Literatur im Residenztheater. „Marquis von Keith“ von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 519, 12.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)] hat |

Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit noch auf einen eigenthümlichen Widerspruch hinzuweisen. Der eine Theil der Berliner Presse verurtheilt meinen „Marquis v. Keith[“] als das „allerdümmste“ kindlichste, Allereinfältigste“ was dem Berliner Publicum jemals vorgesetzt wurde. Der andere Theil spricht meinem Stück zwar nicht jeden den geistigen Gehalt ab, denunziert dafür aber meine Kunst alsEs folgt ein freies Zitat aus der Besprechung der Uraufführung des „Marquis von Keith“ von Julius Hart am 13.10.1910 in der Berliner Tageszeitung „Der Tag“ (Nr. 453): „Vielleicht giebt’s in der deutsche Literatur nichts, was so gemein ist, einen solchen Caliban-Charakter trägt, wie die Kunst Frank Wedekinds.“ [KSA 4, S. 519f.] „das Allergemeinste, das gegenwärtig in der deutschen Literatur existiert.“ |

Dieser eklatante Widerspruch in den Urtheilen hochstehender Autoritäten muß notwendiger Weise seinen vernünftigen Grund haben und drängt mir angesichts des obenerwähnten Antrages den leisen bescheidenen Zweifel auf: sollte man in Berlin vielleicht thatsächlich keine Würdigung für ‒ ‒ ‒ wirklichen HumorFritz Engel hatte Wedekind zwar an sich „einen wahrhaft revolutionären Humor“ zugeschrieben, was aber für den „Marquis von Keith“ nicht gelte: „Aber den Humor“ habe der Autor hier „verächtlich in den Winkel gestellt“ [F.E.: Literatur im Residenztheater. „Marquis von Keith“ von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 519, 12.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. besitzen?

Indem ich Sie ersuche, geehrter Herr, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
ergebenst.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. Notizbuchseiten. 11 x 17 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Briefentwurf ist im Notizbuch überliefert [Nb 10, Blatt 2r, 1v, 2v, 3r]; auf dieser Grundlage dürfte ein Brief geschrieben und versandt worden sein.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 14.10.1901 ist als Ankerdatum gesetzt. Wedekind schrieb den Brief unter dem Eindruck der Pressestimmen zur Uraufführung des „Marquis von Keith“ (11.10.1901) in Berlin, allen voran die Besprechung von Julius Hart, die am 13.10.1901 erschien [vgl. KSA 4, S. 520]. Unmittelbar nachdem diese Kritik vorlag, dürfte er den Brief verfasst haben, vermutlich noch in Berlin.

  • Schreibort

    München
    14. Oktober 1901 (Montag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3501/10
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Zeitung) Berliner Tageblatt, Fritz Engel, 14.10.1901. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.07.2024 18:40
Kennung: 3849

München, 14. Oktober 1901 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Berliner Tageblatt, (Zeitung)
  • Engel, Fritz
 
 

Inhalt

An die geehrte Redaction des Berliner Tageblattes.


Sehr geehrter HerrFritz Engel, Redakteur des „Berliner Tageblatt“ [vgl. Deutscher Litteratur-Kalender auf das Jahr 1902, Teil II, Sp. 319], war verantwortlich für das Feuilleton (Chefredakteur war Arthur Levysohn); er dürfte angesprochen sein, da Wedekind auf Fritz Engels Besprechung der Uraufführung des „Marquis von Keith“ anspielt (siehe unten).

darf ich Sie höflichst ersuchen, von folgendem Notiz nehmen zu wollen: Herr Dr. OberländerDr. phil. Hans Oberländer, Geschäftsführer der „Theatergesellschaft Schall und Rauch m.b.H.“ [Adreßbuch für Berlin 1902, Teil I, S. 1731] in Berlin (Unter den Linden 44), war zugleich Direktor der Bühne Schall und Rauch (Unter den Linden 44), ein Kabarett, das am 9.10.1901 eröffnet worden ist [vgl. Neuer Theater-Almanach 1902, S. 263]. Fritz Engel hat die Premierenvorstellung kritisch besprochen [vgl. Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 515, 10.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. Gemeldet wurde: „Das Programm der […] Eröffnungsvorstellung von ‚Schall und Rauch‘ wurde […] gekürzt und gelangt mit Ausnahme einiger von der Censur nachträglich beanstandeter Stellen unverändert zur täglichen Wiederholung.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 517, 11.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (3)] von der Vereinigung „Schall und Rauch[“] beehrt mich mit der Anfragenicht überliefert: erschlossenes Korrespondenzstück: Hans Oberländer an Wedekind, 10.10.1901. ob ich bereit wäre, nächste Woche in seinen Vorstellungen mitzuwirken. So ehrenvoll mir dieser Antrag ist, glaube ich ihn dennoch ablehnen zu müssen, in der aufrichtigen Befürchtung daß man mich in meinen minderwertigen Productionen mindestens | ebenso verhöhnen wird, wie man meinen Marquis v. Keith“ verhöhntDie Uraufführung des „Marquis von Keith“ am 11.10.1901 (Freitag), im Rahmen des 2. Literarischen Abends im Residenztheater in Berlin unter der Regie von Martin Zickel, fiel bei der Kritik durch. Fritz Engel meinte, der Abend mit diesem Stück sei „kein Sieg“ gewesen, sondern „das Gegenteil“, nämlich „das, was man eine fröhliche Leiche nennt.“ [F.E.: Literatur im Residenztheater. „Marquis von Keith“ von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 519, 12.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)] hat |

Erlauben Sie mir bei dieser Gelegenheit noch auf einen eigenthümlichen Widerspruch hinzuweisen. Der eine Theil der Berliner Presse verurtheilt meinen „Marquis v. Keith[“] als das „allerdümmste“ kindlichste, Allereinfältigste“ was dem Berliner Publicum jemals vorgesetzt wurde. Der andere Theil spricht meinem Stück zwar nicht jeden den geistigen Gehalt ab, denunziert dafür aber meine Kunst alsEs folgt ein freies Zitat aus der Besprechung der Uraufführung des „Marquis von Keith“ von Julius Hart am 13.10.1910 in der Berliner Tageszeitung „Der Tag“ (Nr. 453): „Vielleicht giebt’s in der deutsche Literatur nichts, was so gemein ist, einen solchen Caliban-Charakter trägt, wie die Kunst Frank Wedekinds.“ [KSA 4, S. 519f.] „das Allergemeinste, das gegenwärtig in der deutschen Literatur existiert.“ |

Dieser eklatante Widerspruch in den Urtheilen hochstehender Autoritäten muß notwendiger Weise seinen vernünftigen Grund haben und drängt mir angesichts des obenerwähnten Antrages den leisen bescheidenen Zweifel auf: sollte man in Berlin vielleicht thatsächlich keine Würdigung für ‒ ‒ ‒ wirklichen HumorFritz Engel hatte Wedekind zwar an sich „einen wahrhaft revolutionären Humor“ zugeschrieben, was aber für den „Marquis von Keith“ nicht gelte: „Aber den Humor“ habe der Autor hier „verächtlich in den Winkel gestellt“ [F.E.: Literatur im Residenztheater. „Marquis von Keith“ von Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 30, Nr. 519, 12.10.1901, Morgen-Ausgabe, S. (2)]. besitzen?

Indem ich Sie ersuche, geehrter Herr, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
ergebenst.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Bleistift.
Schriftträger:
Papier. Notizbuchseiten. 11 x 17 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Briefentwurf ist im Notizbuch überliefert [Nb 10, Blatt 2r, 1v, 2v, 3r]; auf dieser Grundlage dürfte ein Brief geschrieben und versandt worden sein.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 14.10.1901 ist als Ankerdatum gesetzt. Wedekind schrieb den Brief unter dem Eindruck der Pressestimmen zur Uraufführung des „Marquis von Keith“ (11.10.1901) in Berlin, allen voran die Besprechung von Julius Hart, die am 13.10.1901 erschien [vgl. KSA 4, S. 520]. Unmittelbar nachdem diese Kritik vorlag, dürfte er den Brief verfasst haben, vermutlich noch in Berlin.

  • Schreibort

    München
    14. Oktober 1901 (Montag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3501/10
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Zeitung) Berliner Tageblatt, Fritz Engel, 14.10.1901. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
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Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

10.07.2024 18:40