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Kennung: 3743

München, 2. Juli 1914 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

T. W.


Donnerstag, 2.VISchreibversehen, statt: VII..14.
nach dem Theaternach der Eröffnungsveranstaltung zum Auftakt des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses am 2.7.1914 im Münchner Künstlertheater, bei der Shakespeares Schauspiel „Der Sturm“ gezeigt wurde..


Mein einziger, mein geliebter Frank,

leider kann ich den Brief erst morgen Früh aufgeben, denn es ist schon spät. Aber ich will doch nicht zu Bett gehen, ohne Dir zu schreiben. Morgen sind es acht Tage, dass Du wegfuhrst; vielleicht bekomme ich morgen einen Brief! Wenn Du wüsstest wie ich mich danach sehne! Ich hoffe, dass es Dir recht gut geht, u. Du auch ein kleines Bischen so an mich denkst, wie ich an Dich. |

Die Kinder sind Gottlob wohl u. vergnügt u. schicken Dir viele BusserlnKüsse.. Anna Pamela macht das Schwimmen viel Freude! Die Kleine wünschte sich eine Fahne, weil andere Kinder auch welche hatten u. fragte mich täglich 2 – 3 mal, ob ich sie schon habe!

Frau Eysold konnte leider Mittags nicht kommen, weil sie mit dem Kleinenmit dem vierjährigen Peter Eysoldt, dem Sohn von Gertrud Eysoldt (seit dem 20.12.1899 von Max Martersteig geschieden) und dem Maler Benno Berneis (Heirat am 16.11.1915 in Berlin), der in München wohnte (Nymphenburgerstraße 78) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 49]. Einiges besorgen wollte. Wir trafen uns im Theater. Ich bemühte mich krampfhaft ihr in Allem zu folgen was sie sprach. Ich sagte wohl einige Dutzend Male hintereinander: ja, ja,. Ich war so mit ihr be|schäftigt, dass ich kaum jemand andern sah oder grüßen konnte, obwohl viele Bekannte da waren. Ich fürchte, ich hab’ vielleicht auch jemand beleidigt. – Wie kommt es nur, dass mir alles so schwer wird! Wie hat die Frau über alles nachgedacht, sich mit allem beschäftigt! Nur als wir von den Kindern sprachen, verstand ich sie vollkommen u. fühlte ich mich ihr nah.

Durch Infolge eines furchtbares/n/ Gewitters musste die Vorstellung unterbrochen werden, u. dauerte daher viel länger als ich dachte. Es fing schon um 7 Uhrum 19 Uhr, wie angekündigt war: „Die Eröffnungs-Festvorstellung für geladene Gäste heute Donnerstag, 2. Juli, beginnt ausnahmsweise schon um 7 Uhr. Die Aufführung von ‚Sturm‘ am Freitag, 3. Juli, sowie alle späteren Aufführungen beginnen regelmäßig erst um 8 Uhr.“ [Münchner Künstler-Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 335, 3.7.1914, Vorabendblatt, S. 2] an u. sollte um ½ 10um 21.30 Uhr. ungefähr aus sein, so wurde es 1123 Uhr.. Frau Eysold | brachte mich im Auto bis vor’s Haus. Sie wird mir schreiben oder telephonieren, dann besuche ich sie mit den Kindern in Gräfelfingetwa 16 Kilometer von München gelegener Vorort, wo es eine Villenkolonie gab..

Wenn ich nur wüsste, geliebter Frank, wie Du über alles denkst was uns betrifft! Was hätte ich alles zu lernen u. nachzuhohlenSchreibversehen, statt: nachzuholen. um nur einiger Maaßen den Platz auszufüllen an dem ich stehe. Es ist so viel, dass ich gar nicht den Mut habe anzufangen. Der Unterschied zwischen mir u. andern dummen Gänsen ist nur der, dass ich es weiß, dass ich eine bin.

Ich werde mich aber noch in Deinen Augen sehr herabsetzen.

Sei tausendmal innigst geküsst
von Deiner
Tilly


[am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Übrigens war das heute glaub ich ein ziemlicher Durchfalldie Aufführung von Shakespeares „Sturm“ durch das Schauspielhaus Düsseldorf am Münchner Künstlertheater (siehe oben)..

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 18,5 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat auf Seite 1 am linken Seitenrand die Datumszeilen mit Bleistift angestrichen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Schreibdatum ist durch den Briefinhalt belegt (der Monat „VI“ für Juni ist eine Verschreibung).

  • Schreibort

    München
    2. Juli 1914 (Donnerstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    München
    3. Juli 1914 (Freitag)

  • Empfangsort

    Paris
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
316-317
Briefnummer:
468
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

25.09.2023 18:10
Kennung: 3743

München, 2. Juli 1914 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

T. W.


Donnerstag, 2.VISchreibversehen, statt: VII..14.
nach dem Theaternach der Eröffnungsveranstaltung zum Auftakt des Sommergastspiels des Düsseldorfer Schauspielhauses am 2.7.1914 im Münchner Künstlertheater, bei der Shakespeares Schauspiel „Der Sturm“ gezeigt wurde..


Mein einziger, mein geliebter Frank,

leider kann ich den Brief erst morgen Früh aufgeben, denn es ist schon spät. Aber ich will doch nicht zu Bett gehen, ohne Dir zu schreiben. Morgen sind es acht Tage, dass Du wegfuhrst; vielleicht bekomme ich morgen einen Brief! Wenn Du wüsstest wie ich mich danach sehne! Ich hoffe, dass es Dir recht gut geht, u. Du auch ein kleines Bischen so an mich denkst, wie ich an Dich. |

Die Kinder sind Gottlob wohl u. vergnügt u. schicken Dir viele BusserlnKüsse.. Anna Pamela macht das Schwimmen viel Freude! Die Kleine wünschte sich eine Fahne, weil andere Kinder auch welche hatten u. fragte mich täglich 2 – 3 mal, ob ich sie schon habe!

Frau Eysold konnte leider Mittags nicht kommen, weil sie mit dem Kleinenmit dem vierjährigen Peter Eysoldt, dem Sohn von Gertrud Eysoldt (seit dem 20.12.1899 von Max Martersteig geschieden) und dem Maler Benno Berneis (Heirat am 16.11.1915 in Berlin), der in München wohnte (Nymphenburgerstraße 78) [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil I, S. 49]. Einiges besorgen wollte. Wir trafen uns im Theater. Ich bemühte mich krampfhaft ihr in Allem zu folgen was sie sprach. Ich sagte wohl einige Dutzend Male hintereinander: ja, ja,. Ich war so mit ihr be|schäftigt, dass ich kaum jemand andern sah oder grüßen konnte, obwohl viele Bekannte da waren. Ich fürchte, ich hab’ vielleicht auch jemand beleidigt. – Wie kommt es nur, dass mir alles so schwer wird! Wie hat die Frau über alles nachgedacht, sich mit allem beschäftigt! Nur als wir von den Kindern sprachen, verstand ich sie vollkommen u. fühlte ich mich ihr nah.

Durch Infolge eines furchtbares/n/ Gewitters musste die Vorstellung unterbrochen werden, u. dauerte daher viel länger als ich dachte. Es fing schon um 7 Uhrum 19 Uhr, wie angekündigt war: „Die Eröffnungs-Festvorstellung für geladene Gäste heute Donnerstag, 2. Juli, beginnt ausnahmsweise schon um 7 Uhr. Die Aufführung von ‚Sturm‘ am Freitag, 3. Juli, sowie alle späteren Aufführungen beginnen regelmäßig erst um 8 Uhr.“ [Münchner Künstler-Theater. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 335, 3.7.1914, Vorabendblatt, S. 2] an u. sollte um ½ 10um 21.30 Uhr. ungefähr aus sein, so wurde es 1123 Uhr.. Frau Eysold | brachte mich im Auto bis vor’s Haus. Sie wird mir schreiben oder telephonieren, dann besuche ich sie mit den Kindern in Gräfelfingetwa 16 Kilometer von München gelegener Vorort, wo es eine Villenkolonie gab..

Wenn ich nur wüsste, geliebter Frank, wie Du über alles denkst was uns betrifft! Was hätte ich alles zu lernen u. nachzuhohlenSchreibversehen, statt: nachzuholen. um nur einiger Maaßen den Platz auszufüllen an dem ich stehe. Es ist so viel, dass ich gar nicht den Mut habe anzufangen. Der Unterschied zwischen mir u. andern dummen Gänsen ist nur der, dass ich es weiß, dass ich eine bin.

Ich werde mich aber noch in Deinen Augen sehr herabsetzen.

Sei tausendmal innigst geküsst
von Deiner
Tilly


[am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Übrigens war das heute glaub ich ein ziemlicher Durchfalldie Aufführung von Shakespeares „Sturm“ durch das Schauspielhaus Düsseldorf am Münchner Künstlertheater (siehe oben)..

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 18,5 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat auf Seite 1 am linken Seitenrand die Datumszeilen mit Bleistift angestrichen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Schreibdatum ist durch den Briefinhalt belegt (der Monat „VI“ für Juni ist eine Verschreibung).

  • Schreibort

    München
    2. Juli 1914 (Donnerstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    München
    3. Juli 1914 (Freitag)

  • Empfangsort

    Paris
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
316-317
Briefnummer:
468
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 2.7.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
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Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

25.09.2023 18:10