München 12. Februar
1914
Sehr verehrter Herr
Fritz EngelFritz Engel in Berlin (Neue Ansbacher Straße 17) ist nach wie vor als Redakteur des „Berliner Tageblatt“ ausgewiesen [vgl. Berliner Adreßbuch 1914, Teil I, S. 624].!
Nehmen Sie erst den
aufrichtigsten Dank für das große freigebige Interesse und für das unverkennliche
WohlwollenFritz Engel hatte wenige Tage zuvor die Uraufführung von „Simson“ am 24.1.1914 im Lessingtheater anerkennend besprochen [vgl. Fritz Engel: Frank Wedekinds „Simson“. Uraufführung im Lessingtheater. Regie: Frank Wedekind. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 44, 25.1.1914, Morgen-Ausgabe, S. (2-3)]., das Sie meinem Simson zu widmen die Güte hatten. Darf ich Ihnen
beichten, daß ich das Stück mehr als einen Fund, denn als eine Arbeit
betrachte. Das wissen Sie aber so gut wie ich. Um so höher habe ich mir das
große Wohlwollen anzurechnen, mit dem Sie es willkommen hießen. |
Was die „KleiststiftungVorsitzender der Kleiststiftung in Berlin war Fritz Engel, der am 13.11.1911 im „Berliner Tageblatt“ zu ihrer Gründung aufgerufen hatte [vgl. Der Kleist-Preis 1912-1932. Eine Dokumentation. Hg. von Helmut Sembdner. Berlin 1968, S. 11-14].“
betrifft, so wäre es mir eine große Freude mich an dem Abend beteiligenWedekind notierte am 15.3.1914 in Berlin: „Vortrag im Hotel Esplanade.“ [Tb] Die gut besuchte Veranstaltung am 15.3.1914 fand an einem Nachmittag statt, um 17 Uhr im Hotel Esplanade, angezeigt als „Vortrag zum Besten der Kleist-Stiftung von Dr. Ludwig Lewin über FRANK WEDEKIND“, mit Frank Wedekind, Gertrud Eysoldt und Friedrich Kayßler als weitere Mitwirkende, „Karten zu 5 Mark und 10 Mark einschließlich Tee“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 109, 1.3.1914, Morgen-Ausgabe, 12. Beiblatt, S. (2)]. Wedekind hielt seine Kleist-Rede, dann sprach Ludwig Lewin, anschließend rezitierten Gertrud Eysoldt und Friedrich Kayßler aus „Franziska“ (das 7. Bild), „Simson“ (den Monolog des Geblendeten in der Szene I/6) und „Schloß Wetterstein“ (den Dialog zwischen Rüdiger und Leonore in der Szene I/2). „Die Künstler saßen nebeneinander an zwei Tischen, die Bücher in der Hand, und waren sich bewußt, dramatische Szenen vorzulesen. Sie versuchten daher nicht einen rezitatorischen Stil einzuhalten, sondern lasen mit allen Künsten des Bühnenmenschen, mit Mienen, Gesten und Blicken“ [ger.: Ein Wedekind-Vortrag für die Kleist-Stiftung. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 136, 16.3.1914, Montags-Ausgabe, S. (2-3)]. Erhalten ist ein Foto (eine Bildpostkarte) von dieser Veranstaltung, auf dem Ludwig Lewin, Frank Wedekind, Gertrud Eysoldt und Friedrich Kayßler abgebildet sind [Akademie der Künste zu Berlin, Ludwig-Lewin-Archiv, Nr. 178]. zu
können. Das nächstliegende wäre wohl, das zu bringen, was ich zum hundertsten
Todestag Kleists hier in München sprachWedekind hat „Heinrich v. Kleist“ [KSA 5/II, S. 420-424] zum 100. Todestag des Dichters am 20.11.1911 bei der Kleist-Feier im Münchner Schauspielhaus vorgetragen [vgl. KSA 5/III, S. 427]. Das bemerkte in seiner Besprechung der Veranstaltung im Hotel Esplanade auch der Kritiker des „Berliner Tageblatt“, der darauf hinwies, dass Wedekind seine Rede „schon einmal in München bei der Kleistfeier gehalten hatte.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 136, 16.3.1914, Montags-Ausgabe, S. (3)]. Ein bestimmtes Datum scheint nach
Ihren geehrten Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Fritz Engel an Wedekind, 11.2.1914. Fritz Engel, der Vorsitzende der Kleiststiftung, hatte bei Wedekind angefragt, ob er sich an einer Veranstaltung in Berlin zugunsten der Kleiststiftung beteiligen wolle; es ist davon auszugehen, dass der verschollene Brief auf dem entsprechenden Briefbogen mit den Aufdrucken „KLEISTSTIFTUNG“ und „BERLIN“ geschrieben war (durch Briefe des Redakteurs an andere Adressaten überliefert). noch nicht festgelegt. Vom 26 FebruarWedekind gab vom 28.3.1914 bis 2.3.1914 ein Gastspiel in „Der Marquis von Keith“ am Neuen Schauspielhaus in Königsberg, wo er dem Tagebuch zufolge am 26.2.1914 eintraf („Ankunft in Königsberg“) und am 3.3.1914 wieder abreiste („Abfahrt von Königsberg“). bis 8 MärzWedekinds Gastspiel am Schauspielhaus in Bremen in „Erdgeist“ (Vorstellung am 7.3.1914) sowie in „Der Kammersänger“ und „Der Stein der Weisen“ (Vorstellung am 8.3.1914) schloss direkt an das Gastspiel in Königsberg an. „Ankunft in Bremen“ [Tb] war am 4.3.1914, Abreise zurück nach München am 9.3.1914: „Abfahrt von Bremen, ab Hannover Schlafwagen.“ [Tb] bin ich
in Königsberg und Bremen verpflichtet. Wenn sich der Vortragsabend mit diesen
Daten kombinieren ließe, so wäre es mir ein Vergnügen daran theil zu nehmen. |
Darf ich Sie, verehrter
Herr Engel, um die Freundlichkeit ersuchen, Herrn Dr. Lewin meinen
verbindlichsten Dank für die Auszeichnung auszusprechen, die er mir damit erweist,
daß er mich zum Gegenstand seines VortragesDr. phil. Ludwig Lewin, Literaturwissenschaftler und Dramaturg in Berlin (Kaiser-Wilhelm-Straße 49) [vgl. Kürschners Deutscher Literatur-Kalender auf das Jahr 1914, Sp. 1037], Dozent an der Lessing-Hochschule in Berlin (eine freie Bildungseinrichtung) und ab Sommer 1914 deren Direktor, sprach auf der Veranstaltung am 15.3.1914 im Hotel Esplanade (siehe oben) über Wedekind, wie schon früh angekündigt war (ebenso wie Wedekinds Zusage): „Zum Besten der Kleist-Stiftung wird Dr. Ludwig Lewin am Sonntag, 15. März, im Hotel Esplanade zu Berlin einen Vortrag über Frank Wedekind halten. Der Dichter hat die Einladung, persönlich zu erscheinen, angenommen.“ [Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 98, 23.2.1914, Abend-Ausgabe, S. (3)] wählt. Mit Vergnügen erinnere ich
mich, Herrn Doctor Lewin vor einem Jahr etwaWedekind hat die Begegnung nicht notiert. Er hat Ludwig Lewin vermutlich entweder in Dresden kennengelernt, wo er sich vom 5. bis 9.2.1913 zu einem Gastspiel aufhielt, oder in Prag, wo er vom 10. bis 20.2.1913 einen Gastspielaufenthalt hatte [vgl. Tb]; davor und danach war er in München. Er sah ihn dann einen Tag vor der Veranstaltung im Hotel Esplanade (siehe oben) wieder, zugleich den Vorsitzenden der Kleiststiftung, wie er am 14.3.1914 notierte: „Abfahrt nach Berlin. [...] Fritz Engel Dr. Lewin.“ [Tb] kennen gelernt zu haben. Sollte
Herr Doctor Lewin selber etwas von mir vortragen wollen, so würde sich dazu
wohl am besten die neue, im Buchhandel noch nicht erschienenSchreibversehen, statt: erschienene. | Umarbeitung in JambenWedekind hatte „Franziska. Ein modernes Mysterium in fünf Akten“ (1912) in Versform umgearbeitet zu der „Bühnenausgabe in gebundener Rede“, die als 6. Auflage 1914 im Georg Müller Verlag herauskam [vgl. KSA 7/II, S. 998], zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht ausgeliefert war. meiner „Franziska“ empfehlen , die ich auf Wunsch
gern zusendeHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Fritz Engel, 24.2.1914. Wedekind hat – wohl kurz vor seiner Gastspielreise vom 25.2.1914 bis 9.3.1914 [vgl. Tb]; er notierte am 24.2.1914 „Schreibe eine Menge Briefe“ [Tb] – die noch unveröffentlichte Versfassung von „Franziska“ nach Berlin geschickt, da ein Auszug im „Berliner Tageblatt“ erschien [vgl. Frank Wedekind: Franziska. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 123, 9.3.1914, Montags-Ausgabe, Beilage „Der Zeitgeist“, Nr. 10, S. (1-3)]..
Darf ich Sie bitten,
verehrter Herr Fritz Engel, den Ausdruck größer Hochschätzung entgegennehmen zu
wollen von Ihrem
sehr ergebenen
Frank Wedekind.