Bitte wählen Sie je ein Dokument für die linke und rechte Seite über die Eingabefelder aus.
15/24/ten Juni 1883.
Mein Freund!
Inzwischen bin ich aber mit meinen Ausführungen
nicht mehr ganz im Einklang, ich suche
Wenn Du nun nachgerade etwas ungehalten wirst
über meine ewige Schreiberei über die Pläne, so kann ich es Dir gar nicht verargen;
aber binnen kurzer Frist – nach Empfang eines Briefes von Dir – werde ich Dir
etwas vollendet zusenden. Ziehe Deine Mundwinkel nicht zu einem Lächeln
zusammen, nein, meine Aussage wird zur Wahrheit und zwar aus einem ganz einfachen Grunde: Nun ist bald
das Ende des Monates da, dh. die Zeit da ich kein Geld mehr habe und das ist
wohl das beste Mittel, mich zur Arbeit anzuhalten. – Vor Allem bitte ich, wie
gewohnt, mir eine grausame Kritik aus, streiche was Dir nicht gefällt an, füge Gedanken
bei – für Alles bin ich Dir sehr verbunden. Täusche mich ja nicht, bleib’
Deinem Worte: „Sei sicher, dass Du Dich, soweit es in meiner Gewalt steht,
nicht blamiren wirst“ treu. Christlicher Milde bedarf ich nicht; denn ich bin
kein Christ; da gefällt mir der Mohamedanismus besser. |
Ein ander Mal über diesen Gegenstand. –
Es sind nun 8
Tage her vermutlich die Ursache für die Datumskorrektur in der Kopfzeile; Hermann Huber dürfte am 15.6.1883 begonnen haben, den Brief zu schreiben. seit ich die vorigen Seiten
geschrieben und unterdessen ist Vieles, vieles geschehen, so dass ich nun zur
Arbeit genöthigt bin: Du wirst mich verstehen! Keine Rose ohne Dornen, kein
Rausch ohne Kater, und bei den Türken kommt es vor, dass sie auf die treibende Liebe krank werden,
welche Unahnnehmlichkeit
sich auch bei den Völkern eingebürgert hat, die die türk. Sitten nachgeahmt
haben und so ist es denn gekommen, das auch im Abendland, speciell in
Strassburg Ereignisse eintreten, so wonnevollen Anfanges, lebenspendenden Verlaufes
und – aergerlichen Endes. – Darum erh ei/ä/lstSchreibversehen, statt: erhältst. Die erwähnte Beilage ist nicht überliefert. Du nun die ersten 2. Scenen, die Du mir
beurtheilen magst. Bald soll der Rest des Iten Actes nachfolgen. Behalte alle
Manuscripte bei Dir zurück. Vielleicht werde ich den 5füssigen JambusVersmaß mit 5 unbetonten und 5 betonten Silben im Wechsel. doch begraben. –
Es ist doch etwas Schönes um die Erfahrung und um
die Welt, | Ohne Dich zu beleidigen, aber in Bezug auf die Welt, ist man in Aarau doch jämmerlich
dumm. –
Dass Du mir nicht schreibst ärgert mich nicht;
denn von Dir ist nichts Anderes zu erwarten und doch würde mich so ein
Brieflein
Dir grosses Vergnügen wünscht
Hermann
Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben
Straßburg
24. Juni 1883 (Sonntag)
Sicher
Straßburg
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Hermann Huber an Frank Wedekind, 24.6.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (29.10.2025).
Anke Lindemann