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Kennung: 3247

Berlin, 1. Februar 1910 (Dienstag), Kartenbrief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly

Inhalt

Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
in München
Wohnung (Straße und Hausnummer) Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebte Tilly! Ich habe die Nacht wenig geschlafenWedekind reiste am 31.1.1910 mit dem Nachtzug nach Berlin, um die in seinen Notizbüchern unter dem Stichwort „Contra Cassirer“ [vgl. KSA 5/III, S. 126-141] dokumentierten Streitigkeiten mit seinem Verleger Bruno Cassirer, der den Verkauf der Rechte an Wedekinds Werken verweigerte, persönlich zu klären: „Ich packe den ganzen Tag. Nehme Geld auf der Bank auf. Tilly begleitet mich zur Bahn. Abendessen. Schlaflose Fahrt.“ [Tb]. Hier nahm ich ein BadWedekind notierte am 1.2.1910: „Wohne Habsburger Hof. Bad. Besuch bei Cassirer.“ [Tb] Wedekind hat die heftige Auseinandersetzung mit Bruno Cassirer am 1.2.1910 in dessen Verlagsräumen im Berliner Bezirk Tiergarten (Derfflingerstraße 16) in seinem Dialogfragment „Scene mit Cassirer“ [vgl. KSA 7/I, S. 564] szenisch gestaltet. im Habsburger Hof, frühstückte und ging dann zu Cassirer. Als ich ihn zur Rede stellte, warum er die Fragen in meinen Briefen nicht beantwortete, drohte er sofort, mich durch seine Leute hinauswerfen zu lassen und hatte auch schon auf den elektrischen Knopf gedrückt, wenn ich recht gesehen habe. Darauf riß mir die Geduld. Ich versetzte ihm ein paar Ohrfeigen. Er zog sich zur Thür zurück und zwei seiner Leute traten ein. Er hetzte sie wie Hunde auf mich, aber es hat mich niemand angerührt. Ich zog ruhig meinen Rock an und nahm Hut und Stock und ging. Darauf ging ich eine Stunde im Thiergarten spazieren, schreibe Dir jetzt diese Karte und werde | dann wohl mit Barnowsky sprechenWedekind notierte am 1.2.1910 (im Anschluss an seinen Besuch bei Bruno Cassirer): „Besuch bei Barnowsky“ [Tb]. Sein Gespräch mit Victor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin (Unter den Linden 44) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 290], betraf die Inszenierung seines Schwanks „Der Liebestrank“ (1899), der zusammen mit dem Einakter „Die Zensur“ am 6.10.1910 am Kleinen Theater Premiere hatte (ein Gastspiel Wedekinds). wegen Liebestrank. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß die Geschichte ganz anders als wie ich sie Dir hier erzählt habe, in die Zeitung kommt. Ich halte es aber nicht für wahrscheinlich, daß Cassirer die Zeitungen benachrichtigtBruno Cassirer hat sich mit der Sache nicht an die Presse gewandt. Der Verleger gab dann allerdings im weiteren Verlauf der Streitigkeiten mit seinem Autor am 10.3.1910 im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ eine Anzeige auf, in der er Wedekinds Werke zum Verkauf anbot [vgl. KSA 5/III, S. 752].. Ich werde vorderhand niemandem etwas davon erzählenWedekind hat die heftige Auseinandersetzung mit Bruno Cassirer am 1.2.1910 in Berlin, bei der er sich zu Tätlichkeiten hinreissen ließ, später Maximilian Harden erzählt [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 25.4.1910], der bei den Streitigkeiten zu vermitteln suchte.. Wenn ein Brief von Cassirer kommt, dann öffne ihn bitte und telegraphiere mir in wenigen Worten den Inhalt. Dann schick den Brief auch sofort hierher, Habsburger Hof am Anhalter Bahnhof. Ich werde Cassirer vorderhand meine Adresse nicht mittheilen, damit er nicht glaubt, daß ich eine Unterredung mit ihm wünsche. Ich hoffe, geliebte Tilly, | daß es Dir und Anapamela recht gut geht. Ich kann hier vorderhand nichts thun als abwarten. Dir und Annapamela herzlichste Grüße und Küsse.
Dein Frank

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte. Bleistift.
Schriftträger:
1. Papier. Kartenbrief. Doppelblatt. Seitenmaß 12 x 8 cm. Gelocht. 2. Liniertes Papier. Einzelblatt. 11 x 9 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Empfängeradresse ist mit Tinte, der Mitteilungstext mit Bleistift geschrieben. Das Einzelblatt, die beschriebene Seite 4, ein von einem größeren Blatt abgerissener Zettel, war in den Kartenbrief eingelegt. Der Kartenbrief ist mit einer aufgedruckten Briefmarke von 10 Pfennig frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Poststempels – 1.2.1910 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Poststempel Berlin: „12 – 1 N“ (= 12 bis 13 Uhr).

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
137
Briefnummer:
198
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.2.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

16.09.2023 21:00
Kennung: 3247

Berlin, 1. Februar 1910 (Dienstag), Kartenbrief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly
 
 

Inhalt

Kartenbrief


An
Frau Tilly Wedekind
in München
Wohnung (Straße und Hausnummer) Prinzregentenstrasse 50 |


Geliebte Tilly! Ich habe die Nacht wenig geschlafenWedekind reiste am 31.1.1910 mit dem Nachtzug nach Berlin, um die in seinen Notizbüchern unter dem Stichwort „Contra Cassirer“ [vgl. KSA 5/III, S. 126-141] dokumentierten Streitigkeiten mit seinem Verleger Bruno Cassirer, der den Verkauf der Rechte an Wedekinds Werken verweigerte, persönlich zu klären: „Ich packe den ganzen Tag. Nehme Geld auf der Bank auf. Tilly begleitet mich zur Bahn. Abendessen. Schlaflose Fahrt.“ [Tb]. Hier nahm ich ein BadWedekind notierte am 1.2.1910: „Wohne Habsburger Hof. Bad. Besuch bei Cassirer.“ [Tb] Wedekind hat die heftige Auseinandersetzung mit Bruno Cassirer am 1.2.1910 in dessen Verlagsräumen im Berliner Bezirk Tiergarten (Derfflingerstraße 16) in seinem Dialogfragment „Scene mit Cassirer“ [vgl. KSA 7/I, S. 564] szenisch gestaltet. im Habsburger Hof, frühstückte und ging dann zu Cassirer. Als ich ihn zur Rede stellte, warum er die Fragen in meinen Briefen nicht beantwortete, drohte er sofort, mich durch seine Leute hinauswerfen zu lassen und hatte auch schon auf den elektrischen Knopf gedrückt, wenn ich recht gesehen habe. Darauf riß mir die Geduld. Ich versetzte ihm ein paar Ohrfeigen. Er zog sich zur Thür zurück und zwei seiner Leute traten ein. Er hetzte sie wie Hunde auf mich, aber es hat mich niemand angerührt. Ich zog ruhig meinen Rock an und nahm Hut und Stock und ging. Darauf ging ich eine Stunde im Thiergarten spazieren, schreibe Dir jetzt diese Karte und werde | dann wohl mit Barnowsky sprechenWedekind notierte am 1.2.1910 (im Anschluss an seinen Besuch bei Bruno Cassirer): „Besuch bei Barnowsky“ [Tb]. Sein Gespräch mit Victor Barnowsky, Direktor des Kleinen Theaters in Berlin (Unter den Linden 44) [vgl. Neuer Theater-Almanach 1910, S. 290], betraf die Inszenierung seines Schwanks „Der Liebestrank“ (1899), der zusammen mit dem Einakter „Die Zensur“ am 6.10.1910 am Kleinen Theater Premiere hatte (ein Gastspiel Wedekinds). wegen Liebestrank. Es ist natürlich nicht ausgeschlossen, daß die Geschichte ganz anders als wie ich sie Dir hier erzählt habe, in die Zeitung kommt. Ich halte es aber nicht für wahrscheinlich, daß Cassirer die Zeitungen benachrichtigtBruno Cassirer hat sich mit der Sache nicht an die Presse gewandt. Der Verleger gab dann allerdings im weiteren Verlauf der Streitigkeiten mit seinem Autor am 10.3.1910 im „Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel“ eine Anzeige auf, in der er Wedekinds Werke zum Verkauf anbot [vgl. KSA 5/III, S. 752].. Ich werde vorderhand niemandem etwas davon erzählenWedekind hat die heftige Auseinandersetzung mit Bruno Cassirer am 1.2.1910 in Berlin, bei der er sich zu Tätlichkeiten hinreissen ließ, später Maximilian Harden erzählt [vgl. Wedekind an Maximilian Harden, 25.4.1910], der bei den Streitigkeiten zu vermitteln suchte.. Wenn ein Brief von Cassirer kommt, dann öffne ihn bitte und telegraphiere mir in wenigen Worten den Inhalt. Dann schick den Brief auch sofort hierher, Habsburger Hof am Anhalter Bahnhof. Ich werde Cassirer vorderhand meine Adresse nicht mittheilen, damit er nicht glaubt, daß ich eine Unterredung mit ihm wünsche. Ich hoffe, geliebte Tilly, | daß es Dir und Anapamela recht gut geht. Ich kann hier vorderhand nichts thun als abwarten. Dir und Annapamela herzlichste Grüße und Küsse.
Dein Frank

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent. Empfängeradresse in lateinischer Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte. Bleistift.
Schriftträger:
1. Papier. Kartenbrief. Doppelblatt. Seitenmaß 12 x 8 cm. Gelocht. 2. Liniertes Papier. Einzelblatt. 11 x 9 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Empfängeradresse ist mit Tinte, der Mitteilungstext mit Bleistift geschrieben. Das Einzelblatt, die beschriebene Seite 4, ein von einem größeren Blatt abgerissener Zettel, war in den Kartenbrief eingelegt. Der Kartenbrief ist mit einer aufgedruckten Briefmarke von 10 Pfennig frankiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Datum des Poststempels – 1.2.1910 – darf als Schreibdatum angenommen werden.

Uhrzeit im Poststempel Berlin: „12 – 1 N“ (= 12 bis 13 Uhr).

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
137
Briefnummer:
198
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 1.2.1910. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

16.09.2023 21:00