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I
ten
April 1883.
Mein Franklin!
n entsprungen, die Treue des Freundes auf’s Spiel
zu setzen! Ich unwürdiger Freund habe gewagt den Freund, meinen Franklin, zu
prüfen!! Erst jetzt, jetzt sehe ich die Verworfenheit des Teufel
– – – – –
Lies
II.
Ich staune ob diesem Schaffen, ich blicke dieses
Kommen und gehen – und siehe! auch der Mann steht da, wie Gott ihn erzeugt! Sie
zieht sich zurück, l
„So ist es recht“ lächelte sie mich küssend, ihren Lilienarme um mich
schlingend. Ich schlief einen süssen Schlaf, was folgte, weiss ich nicht mehr.
.//. |
Ich wollte mit ihr nach meinem Taumel ein
Gespräch über die Schönheit des weiblichen Körpers im Gegensatz zum männlichen
t/s/
– – – –
Was den Brief
Im Uebrigen sind die Germanen Bezeichnung für die Mitglieder der Studentenverbindung Germania Straßburg. durchaus liebenswürdig, wenn ich mir
eine Gesellschaft wünschte, wären es diese, die ich mir dazu erküren möchte.
Ich will allein bleiben, warten bis Jemand kommt, den ich an mein Herz
drücken kann, oh, das wird ein Leben sein. Bis dahin will ich riesig arbeiten,
wie man es auf der Kantonsschule,
wenigstens ich, nicht kennt. Ich habe meinen Eltern geschrieben: „Sorgen braucht Ihr
Euch keine zu machen, ich werde arbeiten, um mir einen Namen zu erwerben, dann aber
will ich auch die Jugendfreuden geni
– Zu Dir: im 3ten Semester will ich Dr.
philosophiae sein. Das ist mein das Ziel meiner Abgeschlossenheit. | Meine
Antiken Eltern., erlaube mir
den derben Ausdruck – sind durch den frater herzlich weich geworden; schreiben SieSchreibversehen, statt: sie. mir, ich soll
zurückhaltend sein und schicken mir so fein Geld, wie ich es nur wünschen kann,
(125 Mark pro Monat) Dafür geb’ ich aber auch nobel, was Dir schon die flotte Lage der BudeHermann Huber wohnte im Zentrum Straßburgs auf dem Münsterplatz 6 [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 28.4.1883 (Postkarte)]. anzeigen mag.
Trotzdem wirst d/D/u meine bisweilige Jammerstimme in den Briefe wohl
begreifen.
– – – –
Du siehst, Franklin, arbeiten muss man, ich habe gearbeitet
( darum hab’ ich’s auch so göttlich weit gebracht! in Anlehnung an „Faust I“ (Wagner, Nacht) „Und wie wir’s dann zuletzt so herrlich weit gebracht.“ [Goethes Werke (WA), Bd. 14, S. 35. = V. 573] Faust) Schibler ochst auf die MaturitätOskar Schibler, Freund und ehemaliger Mitschüler Wedekinds und Hermann Hubers, erlangte im Sommer an der Kantonsschule Solothurn die Hochschulreife., um es ebenfalls göttlich weit
zu bringen, Dich bitte ich, auch herab zu steigen zu den Menschen, ihnen Sand
in die Augen zu streuen, um dann als Gott Alles zu verklären! Es bedarf ja dazu,
so himmli sch wenig, vor Allem stelle den SchlatterAugust Schlatter besuchte mit Wedekind die Abschlussklasse des Gymnasiums an der Kantonsschule Aarau. durch Deine
Aufsätze in Schatten! Bei Hr. HärriHans Rudolf Härri-Linder war Direktionssekretär, später Expeditionschef auf der Staatskanzlei, und wohnte in der Rathhausgasse 5 in Aarau [Adress-Buch der Stadt Aarau, 1884, S. 26]. kannst Du
Hefte abholen, die ich für Dich nach Aarau gebracht. (Geologie) |
III.
Es war am 21ten April Abends, als ich von der Germania
zu einem Commers festlicher Umtrunk einer Studentenverbindung.
eingeladen zu sein die Ehre hatte. Die Gesellschaft bestand aus lauter
Deutschen, ich war der einzige Schweizer und diesem Umstande habe ich es vielleicht
zu verdanken, dass die Unterhaltung so anziehend sich gestaltet hat. Der mir
gegenübersitzende Commilito meinte, es sollte eigentlich jeder Philologe und
Geschichtsforscher erst einige Zeit in der Schweiz zugebracht haben, um die
altgriechisch-römischen Staatsverhältnisse kennen zu lernen, da, wo das Volk
die öffentlichen Angelegenheiten bespreche; aber, fügte er bei, ich fürchte es
artet Alles in Kleinigkeitskrämerei aus, die Bürger bekommen keinen Einblick in
das grosse Staatsgetriebe
„Gewiss würde es für einen deutschen Philologen
von grossem Nutzen sein | sich in diesen Staat hineinzuleben, damit er kennen
lernen würde ein Volk, das weiss, dass es selbst der Staat ist, dass
alle Bürger gleichberechtigte Glieder des Körpers seien, dass nicht der Einzige
es ist, dass nicht Wenige es sind, die den Staat bilden, sondern das gesammte Volk. –
„Sie meinen also die schweizerische Nation“
„Nun sind wir glücklich zu einem terminus technicus Fachausdruck. gelangt“
„Sie erlauben mir doch, mich freimüthig
ausdrücken zu dürfen, ohne Gefahr zu laufen, Ihren schweiz. Nationalstolz zu
beleidigen?“
„Bitte, reden Sie so, wie Sie denken. Zumal was
meinen schweiz. Nationalstolz
anlangt, da sprechen Sie erst recht offen. Denn es hat sich in mir die
Ueberzeugung gebildet, dass der Nationalstolz zu einer Eitelkeit werden kann,
die weit hässlicher ist, als vermeinte Schönheit. Zwar ein | Schweizer koennte
noch am Ehesten Gefahr laufen, ein Deutscher – –
„Ja wohl, die Deutschen bilden eine Nation, zu
der deutschen Nation gehören auch die Deutschschweizer & Oestreicher und es
wird eine Zeit kommen, da die Schweiz aus den Fugen gehen wird und der deutsche Theil an’s Reich fällt.“
Er hatte seine Meinung höflich ausgesprochen, da machte
mir sein Deutschmichelhochmut der deutsche Michel; populäre Verkörperung von Klischees (hier: Hochmut) des Deutschen. In Karikaturen ist das Erkennungszeichen des deutschen Michel die Schlafmütze.
mein Blut wallen und ich sagte:
Gewiss, wir sind in einer Entwickelung begriffen.
Aber bis jene Staatenbildung, die Ihnen vor Augen schwebt, vor sich gehen wird
mögen noch manche Generationen
folgen. Unter Nation verstehe
ich keine Race; selbst die Sprache gibt kein unbedingtes Mittel ab zur Bildung
einer Nation. Dafür seid Ihr Deutschen und wir Schweizer das beste Beispiel.
Wie lange seid Ihr Deutsche eine Nation?
Sachsen, Pommern, Strelitzer, Lausitzer,
Görlitzer, Badenser, Schaumberger, Hannoveraner, Anhaltner, Franzosen gar und
wie alle die Gott begnadeten 36 Höflein und Stätlein
heissen mögen: Es ist ja allbekannt Anspielung auf die beiden nicht genehmigten Reisen Friedrich Schillers von der Karlsschule bei Stuttgart nach Mannheim, zur Uraufführung seines Schauspiels „Die Räuber“ (13.1.1782) und zu einer weiteren Reise in die Stadt, woraufhin er für 2 Wochen arrestiert wurde und Herzog Karl Eugen ihm den Kontakt strikt untersagte. Die Ereignisse schilderte Andreas Streicher in seinem Buch: Schillers Flucht von Stuttgart und Aufenthalt in Mannheim von 1782 bis 1785 (Stuttgart 1836).,
dass der Herzog von
Würtemberg Schillern,
nachdem dieser nach
IV.
wir Schweizer aber sind eine Nation die Alte Eidgenossenschaft (1353/1386), die auf der Grundlage mehrerer im 13./14. Jahrhundert geschlossener Bündnisse aus den Acht (ab 1513 Dreizehn) Alten Orten bestand. – Hermann Huber hatte im Geschichtsunterricht der IV. Klasse des Gymnasiums noch die „Geschichte der schweizerischen Bünde“ gelernt [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1882/83, S. 17], Wedekind, der nach dem revidierten Lehrplan unterrichtet wurde, nicht mehr [vgl. Programm der Aargauischen Kantonsschule 1883/84, S. 21]. und schon seit 500 Jahren wollten
wir Schweizer sein, dieser Wille ist im Volksblute und wenn Ihr die
Schweizer mit EuremSchreibversehen, statt: Euren.
Waffen deutsch machen wolltet, den deutschen Ad
sich gebracht, um ihr Vaterland zu erhalten, das
verloren hätte das leuchtende Ziel, auch fernerhin, grosse Aufgaben, der Schweizer
würdige grosse Thaten zu vollbringen, das
– – lieber Franklin, meine Augen müssen
unmenschlich gefunkelt haben, ich muss noch andere theils republicanische
theils heidnische Dinge erzählt haben, das | gute deutsche
Reichsunterthanenblut fühlte sich wie vor einem Dämonen unheimelig und gieng
hinaus; mein Nachbar fragte mich etwas Gleichgültiges; ich trank mein Glas aus
und gieng nach Hause. (Tagebuch)
Es ist recht anregend mit solchen Leuten zu verkehren, da
eröffnete sich mir ein ganz neuer Gesichtskreis, eine ganz andere
Anschauungsweise und – seitdem ich hier bin, weiss ich sicher nicht mehr, wie hoch
heute das Barometer und Thermometer stehen, während ich das in Aarau wissen musste & eventl täglich vernahm. – –
Wie Du siehst, ist Vieles dem Tagbuch entnommen,
das ich mir angelegt u in das ich alle Vorkommnisse sofort nach der That
eintrage.
Lasse Dir nur nicht einfallen, ich hätte den
Nun ist mir wohl, doch noch nicht ganz, bis Du
mich von den Sünden, die ich an Dir begangen lossprichst – den Kniff und die
Hinterlist, um Dich zu prüfen &
Ich muss es Dir ohne Hehl gestehen, Du hast
Lebe wohl &
sei gegrüsst &
geküsst
von Deinem
PS. Aber lass’ mich doch nicht so unendlich lang auf einen Brief warten Hermann Huber musste erneut längere Zeit auf Antwort warten [vgl. Hermann Huber an Wedekind, 31.5.1883].!
Bestehend aus 8 Blatt, davon 16 Seiten beschrieben
Straßburg
28. April 1883 (Samstag)
Sicher
Straßburg
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Hermann Huber an Frank Wedekind, 28.4.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.10.2025).
Anke Lindemann