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Kennung: 3137

Graz, 30. Mai 1908 - 31. Mai 1908, Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Koautoren*in

  • Newes, Lene
  • Wedekind, Pamela

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Samstag der 30.5.1908.abends.

Mein Frank, ich danke Dir, Innigstgeliebter. Du hast mir eine große Freude mit Deinem Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.5.1908. gemacht. Den andern Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.4.1908. kann ich Dir jetzt nicht schicken. Bitte mach’ Dir aber gar keine Sorgen deshalb. Wenn bittere Dinge darin vorgekommen sind, so liegt der Grund einzig u. allein darin, dass ich das Bestreben habe Dir immer näher u. näher zu kommen, Dich ganz zu verstehen u. glücklich | zu machen, u. dass ich nur zu oft fühle wie wenig mir das alles gelingt, trotz meines guten Willens. Ich werde ihn Dir geben, aber nur, wenn ich bei Dir bin, Dein Gesicht sehen kann u. Du mir gleich darauf antworten kannst.


Sonntagder 31.5.1908..

Gestern war ich schon sehr müde u. gieng zu Bett. Ich habe natürlich auch nicht viel Lust am Tegernsee hinaus zu ziehen, wenn du denkst, dass man sich langweilt. Ausserdem möchte ich nicht, dass Stollberg Dich | ausnützt, u. die Gelegenheit wäre ihm damit allerdings gegeben. Also Schluss mit München u. Umgebung. Zum Az/r/zt u. zu Langen zu gehen hast Du noch dieser Tage Zeit. Willst Du aber nicht zu „Frl. Erw.„Frühlings Erwachen“ hatte am 14.11.1908 am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) Premiere. hinfahren? Wann wird das sein? Ich freu’ mich sehr, dass es freigegebenDer Münchner Polizeipräsident Julius von der Heidte hat die öffentliche Aufführung von „Frühlings Erwachen“ am 11.5.1908 für das Münchner Schauspielhaus freigegeben [vgl. KSA 2, S. 971f.]. ist, es stand auch hier in der Zeitungnicht eindeutig ermittelt; das „Grazer Volksblatt“ hat in anderem Zusammenhang bemerkt, man lasse „den berüchtigten Schriftsteller und Schauspieler Frank Wedekind mit seiner Kindertragödie ‚Frühlings Erwachen‘ Erfolge einheimsen.“ [J. N‒r: Wiener Theater. In: Grazer Volksblatt, Jg. 41, Nr. 248, 30.5.1908, Abend-Ausgabe, S. 2]. Bist Du nun mit Halbe schon versöhnt?Wedekind notierte am 3.6.1908: „Ich versöhne mich mit Max Halbe.“ [Tb] Ich denke also es ist am Besten wir gehen nach Berlin zurück, | vorausgesetzt dass auch Du Lust dazu hast. Martha wird am 4. Juni frei, das ist Donnerstag. Einige Tage hat sie aber dann noch zu tun, bis sie reisefertig ist. Dann ist Pfingsten. Ich dachte also nach Pfingsten, am Dienstag den 9. Juni zu reisen. Übrigens Frank, hast Du auch sicher nichts dagegen, dass Martha mitkommtTilly Wedekinds jüngere Schwester Martha Newes ging am 9.6.1908 mit nach Berlin und blieb dort als Gast bis zum 10.9.1908 [vgl. Tb].? Viel mehr kosten wird es nicht, als wenn ich wieder ein 2tes Mädchen nehme, u. so haben alle Theile mehr Annehmlichkeit. Aber wenn Du Bedenken hast, sag’ sie bitte. | Wenn Du willst, dass wir früher kommen, könnten wir auch schon Freitag oder Samstag reisen. Die Donaufahrt werde ich nicht machen. Onkel Dagobert schrieb mir, dass ich um Anschluss zu haben, in Regensburg auch noch 1 Nacht übernachten müsste, so käme die Reise, trotz Ermäßigung auf der Donau teurer, wie nur mit der Bahn. Ausserdem ist das Wetter immer unsicher. Wir fahren lieber mal herunter. Besser ist es, wenn Du erst 1 – 2 Tage später nach Berlin kommst, als wir, damit schon wieder alles | in Ordnung ist. Ich gehe dieser Tage in ein ReisebureauxSchreibunsicherheit: statt: Reisebureau (nach der frz. Schreibung von Büro). (?), um zu sehen, wie ich am Besten fahre, ob bei Tag oder Nacht.

Nun, geliebter Frank, ist es Dir so recht? Nur eine Woche noch, u. Du wirst wieder mit allen häuslichen KalamitätenMissständen, Schwierigkeiten. geplagt. Drei Jahre kennen wir uns jetzt. Mich wundert’s, dass Du es noch aushältst. Oh Frank, ich habe Dir viel mehr zu danken, ich fühle jeden Tag, wieviel ich durch Dich geworden bin. |

Gestern, bei einem AusflugTilly Wedekind hat von dem Ausflug nach Gösting mit Grüßen von ihrer Mutter Mathilde Newes, ihrer Tochter Pamela Wedekind und der kleinen Lene Newes (genannt Lenerl) eine Bildpostkarte verschickt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. Graz, 30.5.1908]. nach Gösting, fand Mama im Extrablatt Dein Bild mit einer Rezensionim „Illustrirten Wiener Extrablatt“ vom 10.5.1908 (Nr. 129) über die Aufführung von „Frühlings Erwachen“ am 9.5.1908 im Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. KSA 2, S. 964]. über Frühlings-Erwachen. Sie zeigte Anna Pamela das Bild, u. fragte: wer ist das. Anna Pamela sah es lange an, u. sagte dann: Papa.

Ich denke sie wird Dich sicher erkennen.

Neulich abends mi bin ich mit meinem Bruder Carl Rad gefahren, es geht noch ganz gut.

Zensur habe ich jetzt fertig gelerntdie Rolle der Kadidja im Einakter „Die Zensur“.. Bertl muss mich jeden Tag | paarmal überhören; ich hoffe bis Berlin sicher zu sein.

Nun lebwohl, geliebter Frank u. schreibe mir bald, ob es Dir so recht ist.

Innigen Kuss
Deine Tilly


Viele Küsse meinem lieben Papa, Anna Pamela


Busserln Leni

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Grußzeilen der bald anderthalb Jahre alten Tochter Pamela Wedekind sind von ihr selbst zu Papier gebracht (die Hand wohl von der Mutter geführt), ebenso der Gruß von Lene Newes (die Hand wohl auch von Tilly Wedekind geführt). Wedekind hat oben auf Seite 1 mit roter Tinte „Graz 30. Mai 1908“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Die Schreibdaten sind durch den Briefinhalt belegt.

  • Schreibort

    Graz
    30. Mai 1908 - 31. Mai 1908
    Sicher - Sicher

  • Absendeort

    Graz
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
117-118
Briefnummer:
154
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind, Lene Newes, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 30.5.1908 - 31.5.1908. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

16.09.2023 16:29
Kennung: 3137

Graz, 30. Mai 1908 - 31. Mai 1908, Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Koautoren*in

  • Newes, Lene
  • Wedekind, Pamela

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Samstag der 30.5.1908.abends.

Mein Frank, ich danke Dir, Innigstgeliebter. Du hast mir eine große Freude mit Deinem Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 28.5.1908. gemacht. Den andern Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 25.4.1908. kann ich Dir jetzt nicht schicken. Bitte mach’ Dir aber gar keine Sorgen deshalb. Wenn bittere Dinge darin vorgekommen sind, so liegt der Grund einzig u. allein darin, dass ich das Bestreben habe Dir immer näher u. näher zu kommen, Dich ganz zu verstehen u. glücklich | zu machen, u. dass ich nur zu oft fühle wie wenig mir das alles gelingt, trotz meines guten Willens. Ich werde ihn Dir geben, aber nur, wenn ich bei Dir bin, Dein Gesicht sehen kann u. Du mir gleich darauf antworten kannst.


Sonntagder 31.5.1908..

Gestern war ich schon sehr müde u. gieng zu Bett. Ich habe natürlich auch nicht viel Lust am Tegernsee hinaus zu ziehen, wenn du denkst, dass man sich langweilt. Ausserdem möchte ich nicht, dass Stollberg Dich | ausnützt, u. die Gelegenheit wäre ihm damit allerdings gegeben. Also Schluss mit München u. Umgebung. Zum Az/r/zt u. zu Langen zu gehen hast Du noch dieser Tage Zeit. Willst Du aber nicht zu „Frl. Erw.„Frühlings Erwachen“ hatte am 14.11.1908 am Münchner Schauspielhaus (Direktion: Georg Stollberg) Premiere. hinfahren? Wann wird das sein? Ich freu’ mich sehr, dass es freigegebenDer Münchner Polizeipräsident Julius von der Heidte hat die öffentliche Aufführung von „Frühlings Erwachen“ am 11.5.1908 für das Münchner Schauspielhaus freigegeben [vgl. KSA 2, S. 971f.]. ist, es stand auch hier in der Zeitungnicht eindeutig ermittelt; das „Grazer Volksblatt“ hat in anderem Zusammenhang bemerkt, man lasse „den berüchtigten Schriftsteller und Schauspieler Frank Wedekind mit seiner Kindertragödie ‚Frühlings Erwachen‘ Erfolge einheimsen.“ [J. N‒r: Wiener Theater. In: Grazer Volksblatt, Jg. 41, Nr. 248, 30.5.1908, Abend-Ausgabe, S. 2]. Bist Du nun mit Halbe schon versöhnt?Wedekind notierte am 3.6.1908: „Ich versöhne mich mit Max Halbe.“ [Tb] Ich denke also es ist am Besten wir gehen nach Berlin zurück, | vorausgesetzt dass auch Du Lust dazu hast. Martha wird am 4. Juni frei, das ist Donnerstag. Einige Tage hat sie aber dann noch zu tun, bis sie reisefertig ist. Dann ist Pfingsten. Ich dachte also nach Pfingsten, am Dienstag den 9. Juni zu reisen. Übrigens Frank, hast Du auch sicher nichts dagegen, dass Martha mitkommtTilly Wedekinds jüngere Schwester Martha Newes ging am 9.6.1908 mit nach Berlin und blieb dort als Gast bis zum 10.9.1908 [vgl. Tb].? Viel mehr kosten wird es nicht, als wenn ich wieder ein 2tes Mädchen nehme, u. so haben alle Theile mehr Annehmlichkeit. Aber wenn Du Bedenken hast, sag’ sie bitte. | Wenn Du willst, dass wir früher kommen, könnten wir auch schon Freitag oder Samstag reisen. Die Donaufahrt werde ich nicht machen. Onkel Dagobert schrieb mir, dass ich um Anschluss zu haben, in Regensburg auch noch 1 Nacht übernachten müsste, so käme die Reise, trotz Ermäßigung auf der Donau teurer, wie nur mit der Bahn. Ausserdem ist das Wetter immer unsicher. Wir fahren lieber mal herunter. Besser ist es, wenn Du erst 1 – 2 Tage später nach Berlin kommst, als wir, damit schon wieder alles | in Ordnung ist. Ich gehe dieser Tage in ein ReisebureauxSchreibunsicherheit: statt: Reisebureau (nach der frz. Schreibung von Büro). (?), um zu sehen, wie ich am Besten fahre, ob bei Tag oder Nacht.

Nun, geliebter Frank, ist es Dir so recht? Nur eine Woche noch, u. Du wirst wieder mit allen häuslichen KalamitätenMissständen, Schwierigkeiten. geplagt. Drei Jahre kennen wir uns jetzt. Mich wundert’s, dass Du es noch aushältst. Oh Frank, ich habe Dir viel mehr zu danken, ich fühle jeden Tag, wieviel ich durch Dich geworden bin. |

Gestern, bei einem AusflugTilly Wedekind hat von dem Ausflug nach Gösting mit Grüßen von ihrer Mutter Mathilde Newes, ihrer Tochter Pamela Wedekind und der kleinen Lene Newes (genannt Lenerl) eine Bildpostkarte verschickt [vgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind. Graz, 30.5.1908]. nach Gösting, fand Mama im Extrablatt Dein Bild mit einer Rezensionim „Illustrirten Wiener Extrablatt“ vom 10.5.1908 (Nr. 129) über die Aufführung von „Frühlings Erwachen“ am 9.5.1908 im Deutschen Volkstheater in Wien [vgl. KSA 2, S. 964]. über Frühlings-Erwachen. Sie zeigte Anna Pamela das Bild, u. fragte: wer ist das. Anna Pamela sah es lange an, u. sagte dann: Papa.

Ich denke sie wird Dich sicher erkennen.

Neulich abends mi bin ich mit meinem Bruder Carl Rad gefahren, es geht noch ganz gut.

Zensur habe ich jetzt fertig gelerntdie Rolle der Kadidja im Einakter „Die Zensur“.. Bertl muss mich jeden Tag | paarmal überhören; ich hoffe bis Berlin sicher zu sein.

Nun lebwohl, geliebter Frank u. schreibe mir bald, ob es Dir so recht ist.

Innigen Kuss
Deine Tilly


Viele Küsse meinem lieben Papa, Anna Pamela


Busserln Leni

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Grußzeilen der bald anderthalb Jahre alten Tochter Pamela Wedekind sind von ihr selbst zu Papier gebracht (die Hand wohl von der Mutter geführt), ebenso der Gruß von Lene Newes (die Hand wohl auch von Tilly Wedekind geführt). Wedekind hat oben auf Seite 1 mit roter Tinte „Graz 30. Mai 1908“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Die Schreibdaten sind durch den Briefinhalt belegt.

  • Schreibort

    Graz
    30. Mai 1908 - 31. Mai 1908
    Sicher - Sicher

  • Absendeort

    Graz
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
117-118
Briefnummer:
154
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind, Lene Newes, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 30.5.1908 - 31.5.1908. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

16.09.2023 16:29