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Kennung: 3121

Wien, 22. Mai 1908 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly

Inhalt

HOTEL TEGETTHOFF, I., JOHANNESGASSE 23, WIEN.
TELEGRAMME:
TEGETTHOFFHOTEL, WIEN.


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.5.1908 (Kartenbrief) und 21.5.1908 (Brief).. Es freut mich ungemein, daß Du Dich soweit wohl fühlst. Ich glaube auch daß die freie Luft und das herrliche Wetter Dir in Graz besser zustatten kommen als hier. Ich selber freue mich, morgen Abend endlich fortzukommen. Ich bewohne ein kleines Zimmer nach der Straße, so daß sich des Lärms wegen die/das/ Fenster nicht gut öffnen läßt während ein immer geheizter Kamin der an der Wand hinauf läuft, eine entsetzliche Hitze hervorläuftSchreibversehen, statt: hervorruft (vermutlich).. Ich schreibe das nicht weil ich mich nicht darüber hinwegsetzen könnte, | aber Du denkst sonst vielleicht wieder daß ich wie im Schlaraffenland lebe.

Gestern war ich also richtig bei Onkel DagobertWedekind war am 21.5.1908 bei Dagobert Engländer (Wien III, Dampfschiffstraße 4), dem Inspektor der Donau-Dampfschiffs-Gesellschaft und einer seiner Trauzeugen, mit dem er sich gut verstand, auf einer Feier, an der ansonsten ihm mehr oder weniger fremde Verwandte seiner Frau zugegen waren., es war sein und seines Bruders Hochzeitstag. Ich war darauf gespannt gewesen, Professor EngländerRichard Engländer, k. k. Professor für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Wien, wie Dagobert Engländer ein Bruder von Tilly Wedekinds Mutter Mathilde Newes. näher kennen zu lernen. Ich glaube aber, er ist ein großer Mies-Macher, wir kamen uns nicht einen Schritt nah. Ich bitte dich aber, dieses/n/ Eindruck nicht weiterzuerzählen. Während des ganzen Abends hatte ich das unbehagliche Gefühl, daß es nicht richtig sei, daß Du nicht dabei wä/a/rst. Deshalb gab ich auch die Karteeine kollektiv auf der Familienfeier verfasste Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind, Mathilde Engländer, Dagobert Engländer, Karl Lillin, Laura Engländer, Richard Engländer, Stephanie Engländer an Tilly Wedekind, 21.5.1908]., die an Dich geschrieben wurde gestern Abend nicht mehr auf. Jetzt werde ich sie mit diesem Brief in den Kasten werfen. Den Schluß des AbendsWedekind hat am 21.5.1908 nicht notiert, was er abends unternahm. Er traf sich dem vorliegenden Brief zufolge zu späterer Stunde mit dem Musikkritiker und Theaterreferenten Robert Hirschfeld im Perschill (Wien I, Naglergasse 1), Restaurant und Pilsener Bierhaus „zum Kühfuß“ (Inhaber: Eduard Perschill), wo auch Josef Jarno zugegen war, Direktor des Theaters in der Josefstadt und des Lustspieltheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 652, 656]. | verbrachte ich mit Dr. Hirschfeld bei Perschill, wo einem jetzt das gute Bier nach der Hitze des Tages vorzüglich schmeckt.

Ich gehe jetzt gleich auf in das Reisebüreau um mir für morgen Abend ein Bett zu bestellenim Nachtzug nach München vom 23. auf den 24.5.1908.. In München will ich versuchen in dem neuen Hotel am Maximiliansplatz (gegenüber Parkhotel) zu wohnen, da die andern Hotels jedenfallSchreibversehen, statt: jedenfalls. überfüllt sind. Ich weiß augenblicklich den Namen nicht werde Dir aber sofort telegraphieren. Heute AbendWedekind notierte am 22.5.1908 lediglich, nach der siebenten Vorstellung von „Frühlings Erwachen“ am Deutschen Volkstheater, seinem letzten Auftritt als vermummter Herr im Rahmen seines Wiener Gastspiels, sei er mit Wolfgang Quincke, der mit ihm gemeinsam die Regie bei der Inszenierung der Kindertragödie geführt hat, bei Perschill gewesen: „Frl. Erw. 7. Nachher mit Quinke bei Perschill.“ [Tb] Ob er sich zusätzlich noch bei Hartmann (Kärntnerring 10), einem anderen gern besuchten Wiener Restaurant, mit Anton Geiringer traf, Sekretär am Deutschen Volkstheater und für die Kassenverwaltung zuständig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 650], ist unklar. werde ich noch mit Jarno zusammentreffen, der gestern auch bei Perschill war. Nach der Vorstellung bin ich voraussichtlich | mit Geiringer bei Hartmann.

Nun lebwohl, geliebte Tilly und thu alles was Du für Deine Gesundheit thun kannst. Ich freue mich sehr, daß wir uns bald wieder in Berlin zusammen sind, aber wie herrlich wäre es, wenn wir jetzt gleich nach München in unsere Wohnung ziehenWedekind hat diese Wohnung dem Tagebuch zufolge zwar am 18.4.1908 bereits gemietet („Wohnung gemietet Prinzregentenstraße 50“), sie war aber noch nicht frei. könnten. Grüße und küsse Anna Pamela von mir und sei innigst geküßt von Deinem
Frank.


HerlicheSchreibversehen, statt: Herzliche. Grüße an Papa und Mama und unsere Lieben.


22.8/5/.8.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 22,5 cm. Mit gedrucktem Briefkopf. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Dem Briefinhalt zufolge hat Wedekind den Brief am 22.5.1908 in den Briefkasten geworfen.

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
104-105
Briefnummer:
141
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.5.1908. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

16.09.2023 15:08
Kennung: 3121

Wien, 22. Mai 1908 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wedekind, Tilly
 
 

Inhalt

HOTEL TEGETTHOFF, I., JOHANNESGASSE 23, WIEN.
TELEGRAMME:
TEGETTHOFFHOTEL, WIEN.


Geliebteste Tilly!

Herzlichsten Dank für Deine beiden lieben Briefevgl. Tilly Wedekind an Frank Wedekind, 20.5.1908 (Kartenbrief) und 21.5.1908 (Brief).. Es freut mich ungemein, daß Du Dich soweit wohl fühlst. Ich glaube auch daß die freie Luft und das herrliche Wetter Dir in Graz besser zustatten kommen als hier. Ich selber freue mich, morgen Abend endlich fortzukommen. Ich bewohne ein kleines Zimmer nach der Straße, so daß sich des Lärms wegen die/das/ Fenster nicht gut öffnen läßt während ein immer geheizter Kamin der an der Wand hinauf läuft, eine entsetzliche Hitze hervorläuftSchreibversehen, statt: hervorruft (vermutlich).. Ich schreibe das nicht weil ich mich nicht darüber hinwegsetzen könnte, | aber Du denkst sonst vielleicht wieder daß ich wie im Schlaraffenland lebe.

Gestern war ich also richtig bei Onkel DagobertWedekind war am 21.5.1908 bei Dagobert Engländer (Wien III, Dampfschiffstraße 4), dem Inspektor der Donau-Dampfschiffs-Gesellschaft und einer seiner Trauzeugen, mit dem er sich gut verstand, auf einer Feier, an der ansonsten ihm mehr oder weniger fremde Verwandte seiner Frau zugegen waren., es war sein und seines Bruders Hochzeitstag. Ich war darauf gespannt gewesen, Professor EngländerRichard Engländer, k. k. Professor für Maschinenbau an der Technischen Hochschule Wien, wie Dagobert Engländer ein Bruder von Tilly Wedekinds Mutter Mathilde Newes. näher kennen zu lernen. Ich glaube aber, er ist ein großer Mies-Macher, wir kamen uns nicht einen Schritt nah. Ich bitte dich aber, dieses/n/ Eindruck nicht weiterzuerzählen. Während des ganzen Abends hatte ich das unbehagliche Gefühl, daß es nicht richtig sei, daß Du nicht dabei wä/a/rst. Deshalb gab ich auch die Karteeine kollektiv auf der Familienfeier verfasste Bildpostkarte [vgl. Frank Wedekind, Mathilde Engländer, Dagobert Engländer, Karl Lillin, Laura Engländer, Richard Engländer, Stephanie Engländer an Tilly Wedekind, 21.5.1908]., die an Dich geschrieben wurde gestern Abend nicht mehr auf. Jetzt werde ich sie mit diesem Brief in den Kasten werfen. Den Schluß des AbendsWedekind hat am 21.5.1908 nicht notiert, was er abends unternahm. Er traf sich dem vorliegenden Brief zufolge zu späterer Stunde mit dem Musikkritiker und Theaterreferenten Robert Hirschfeld im Perschill (Wien I, Naglergasse 1), Restaurant und Pilsener Bierhaus „zum Kühfuß“ (Inhaber: Eduard Perschill), wo auch Josef Jarno zugegen war, Direktor des Theaters in der Josefstadt und des Lustspieltheaters [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 652, 656]. | verbrachte ich mit Dr. Hirschfeld bei Perschill, wo einem jetzt das gute Bier nach der Hitze des Tages vorzüglich schmeckt.

Ich gehe jetzt gleich auf in das Reisebüreau um mir für morgen Abend ein Bett zu bestellenim Nachtzug nach München vom 23. auf den 24.5.1908.. In München will ich versuchen in dem neuen Hotel am Maximiliansplatz (gegenüber Parkhotel) zu wohnen, da die andern Hotels jedenfallSchreibversehen, statt: jedenfalls. überfüllt sind. Ich weiß augenblicklich den Namen nicht werde Dir aber sofort telegraphieren. Heute AbendWedekind notierte am 22.5.1908 lediglich, nach der siebenten Vorstellung von „Frühlings Erwachen“ am Deutschen Volkstheater, seinem letzten Auftritt als vermummter Herr im Rahmen seines Wiener Gastspiels, sei er mit Wolfgang Quincke, der mit ihm gemeinsam die Regie bei der Inszenierung der Kindertragödie geführt hat, bei Perschill gewesen: „Frl. Erw. 7. Nachher mit Quinke bei Perschill.“ [Tb] Ob er sich zusätzlich noch bei Hartmann (Kärntnerring 10), einem anderen gern besuchten Wiener Restaurant, mit Anton Geiringer traf, Sekretär am Deutschen Volkstheater und für die Kassenverwaltung zuständig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1909, S. 650], ist unklar. werde ich noch mit Jarno zusammentreffen, der gestern auch bei Perschill war. Nach der Vorstellung bin ich voraussichtlich | mit Geiringer bei Hartmann.

Nun lebwohl, geliebte Tilly und thu alles was Du für Deine Gesundheit thun kannst. Ich freue mich sehr, daß wir uns bald wieder in Berlin zusammen sind, aber wie herrlich wäre es, wenn wir jetzt gleich nach München in unsere Wohnung ziehenWedekind hat diese Wohnung dem Tagebuch zufolge zwar am 18.4.1908 bereits gemietet („Wohnung gemietet Prinzregentenstraße 50“), sie war aber noch nicht frei. könnten. Grüße und küsse Anna Pamela von mir und sei innigst geküßt von Deinem
Frank.


HerlicheSchreibversehen, statt: Herzliche. Grüße an Papa und Mama und unsere Lieben.


22.8/5/.8.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14,5 x 22,5 cm. Mit gedrucktem Briefkopf. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Dem Briefinhalt zufolge hat Wedekind den Brief am 22.5.1908 in den Briefkasten geworfen.

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
104-105
Briefnummer:
141
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 320
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 22.5.1908. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
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Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

16.09.2023 15:08