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Kennung: 3059

Lenzburg, 23. September 1907 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Koautoren*in

  • Wedekind, Pamela

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

T W


Montagder 23.9.1907..


Geliebtester,

innigen Kuss für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.9.1907.! Ich bekam ihn erst heute, Sonntag wird nicht ausgetragen. Hier ist es schon ziemlich kalt, doch lieb ich es sehr in dieser frischen Luft spazieren zu laufen.

Ich freu’ mich so, dass Du schon so weit bist u. bin fast stolz, als ob ich etwas dazu getan hätte. Hoffentlich hält die Stimmung auch in Berlin an. |

Wir müssen uns in Berlin entschieden eine neue Einteilung machen, dass wir nicht so von einander abhängig sind. Ich meine, dass Du nicht mehr das Gefühl hast, wir sind zuviel zusammen. Übrigens können wir noch darüber sprechen.

Nun, mein lieber Frank, muss ich Dir sagen, dass ich nicht gern in Frankfurt die Reise unterbrechen will. Du kannst mir glauben, dass ich mich sehr danach sehne Dich wieder zu haben. Aber mit dem Kind ist es am Besten ich fahre | Nachmittags weg über Basel, Frankfurt, Leipzig die Nacht durch u. bin im Laufe des Vormittags in Berlin. Das Aussteigen in Frankfurt, in’s Hotel fahren u. da für paar Tage alles mögliche auspacken ist viel umständlicher. Wenn Du mich aus irgend einem Grund da haben willst, ich tu’ es ja sehr gern, einfacher wäre es direct zu fahren. Auch würde ich gern 1 – 2 Tage vor Dir in Berlin sein, damit dann alles in Ordnung ist. | Bitte schreib’ mir, wie Du es willst. Geld hab’ ich noch über 90 Franc u. brauchst Du mir nur das Fehlende für die Karten zu senden. Mama u. Mati verrechnen erst dann, wieviel sie diesen Monat mehr gebraucht haben u. senden Dir’s nach Berlin. Ist’s Dir so recht, geliebter Frank? Sonst brauche ich ja nichts. Ich würde Anfang nächster Woche fahren, voraussichtlich Montag. Bist Du da schon in Frankfurt? Da könnten wir uns ja am Bahnhof sehen. |

Mitten in der Nacht wache ich oft auf u. denke dann lange an Dich. Ich hab’ auch viel von Dir geträumt. Merkwürdig, als ich hierher kam, fühlte ich mich so zerschlagen von den letzten Aufregungen, dass mir alles vollkommen gleichgültig war. Und jetzt hab’ ich das Gefühl, dassSchreibversehen, statt: das. ich immer zu Hause hatte, hinaus in’s Leben. Und ich sehne mich danach Dir zeigen zu können, dass du doch einen guten Ka|maradenSchreibversehen, statt: Kameraden. in mir hast. Nur Frank, darfst Du es mir nicht zu schwer machen.

Hier war „große Wäsche“Waschtage (die arbeitsintensiv waren). u. hab’ ich die Zeit zum Lesen benützt. Die Reventlow hätte ich gerne kennen gelerntFranziska zu Reventlow, die mit Wedekind seit den 1890er Jahren befreundete Schriftstellerin, Übersetzerin und Zentralfigur der Schwabinger Boheme, lebte in München, wo Tilly Wedekind ihr bisher noch nicht begegnet ist.. Aber das ist wohl immer noch mal möglich.

Ich hätte so gern das Lied dans les fêtes des amoureux(frz.) an den Valentinstagen, ‚auf den Festen der Liebenden‘ (ein Liedtitel). Lied nicht eindeutig identifiziert. „An welches Lied sich Tilly von ungefähr erinnert, bleibt offen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 69] Es dürfte sich aber um das Lied „La Fête des amoureux“ (1886) von Paul Fauchey (Text: Georges Laure-Marguery) gehandelt haben. oder wie’s heißt gelernt, habe aber in Deinem Buchnicht identifizierte französischsprachige Liedersammlung aus Wedekinds Besitz; vielleicht hat es sich um dieses Buch gehandelt, in dem das Lied „Marion“ (siehe unten) mit Noten enthalten ist: Les plus jolies chansons du pays de France. Chansons tendres. Choisies par Catulle Mendès. Notées par Emmanuel Chabrier et Armand Gouzien. Illustrées par Lucien Métivet. Paris 1888. nur die Mariondas französische „Volkslied ‚Marion s’en va-t-a l’ou‘; vertont von dem frz. Komponisten Emmanuel Chabrier“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 69]. gefunden. Willst Du mir’s aufschreiben? | Hast Du niemand von unsern Bekannten gesehen?

Nun lebwohl für heute. Im Geiste sitze ich auf Deinem Bett, oder deinen Knien, umarme u. küsse Dich innig.

Deine Tilly |


Liebster Papa,

vielen Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 21.9.1907.. Großmama, Tante Mati grüßen herzlich. Einen schönen Kuss von Deiner Anna Pamela Wedekind


[Seite 8 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Sie lacht u. freut sich riesig u. will noch schreiben.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Grußzeilen der gut neun Monate alten Tochter Pamela Wedekind sind von ihr selbst zu Papier gebracht (die Hand wohl von der Mutter geführt). Das aufgeprägte Monogramm befindet sich außer auf Seite 1 auch auf Seite 5 (hier nicht wiedergegeben). Wedekind hat oben auf Seite 1 mit rotem Buntstift das Datum „23.9.07“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Schreibdatum ist durch den Briefinhalt belegt.

  • Schreibort

    Lenzburg
    23. September 1907 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
71-73
Briefnummer:
84
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 23.9.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

03.09.2023 14:16
Kennung: 3059

Lenzburg, 23. September 1907 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Tilly

Koautoren*in

  • Wedekind, Pamela

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

T W


Montagder 23.9.1907..


Geliebtester,

innigen Kuss für Deinen lieben Briefvgl. Frank Wedekind an Tilly Wedekind, 21.9.1907.! Ich bekam ihn erst heute, Sonntag wird nicht ausgetragen. Hier ist es schon ziemlich kalt, doch lieb ich es sehr in dieser frischen Luft spazieren zu laufen.

Ich freu’ mich so, dass Du schon so weit bist u. bin fast stolz, als ob ich etwas dazu getan hätte. Hoffentlich hält die Stimmung auch in Berlin an. |

Wir müssen uns in Berlin entschieden eine neue Einteilung machen, dass wir nicht so von einander abhängig sind. Ich meine, dass Du nicht mehr das Gefühl hast, wir sind zuviel zusammen. Übrigens können wir noch darüber sprechen.

Nun, mein lieber Frank, muss ich Dir sagen, dass ich nicht gern in Frankfurt die Reise unterbrechen will. Du kannst mir glauben, dass ich mich sehr danach sehne Dich wieder zu haben. Aber mit dem Kind ist es am Besten ich fahre | Nachmittags weg über Basel, Frankfurt, Leipzig die Nacht durch u. bin im Laufe des Vormittags in Berlin. Das Aussteigen in Frankfurt, in’s Hotel fahren u. da für paar Tage alles mögliche auspacken ist viel umständlicher. Wenn Du mich aus irgend einem Grund da haben willst, ich tu’ es ja sehr gern, einfacher wäre es direct zu fahren. Auch würde ich gern 1 – 2 Tage vor Dir in Berlin sein, damit dann alles in Ordnung ist. | Bitte schreib’ mir, wie Du es willst. Geld hab’ ich noch über 90 Franc u. brauchst Du mir nur das Fehlende für die Karten zu senden. Mama u. Mati verrechnen erst dann, wieviel sie diesen Monat mehr gebraucht haben u. senden Dir’s nach Berlin. Ist’s Dir so recht, geliebter Frank? Sonst brauche ich ja nichts. Ich würde Anfang nächster Woche fahren, voraussichtlich Montag. Bist Du da schon in Frankfurt? Da könnten wir uns ja am Bahnhof sehen. |

Mitten in der Nacht wache ich oft auf u. denke dann lange an Dich. Ich hab’ auch viel von Dir geträumt. Merkwürdig, als ich hierher kam, fühlte ich mich so zerschlagen von den letzten Aufregungen, dass mir alles vollkommen gleichgültig war. Und jetzt hab’ ich das Gefühl, dassSchreibversehen, statt: das. ich immer zu Hause hatte, hinaus in’s Leben. Und ich sehne mich danach Dir zeigen zu können, dass du doch einen guten Ka|maradenSchreibversehen, statt: Kameraden. in mir hast. Nur Frank, darfst Du es mir nicht zu schwer machen.

Hier war „große Wäsche“Waschtage (die arbeitsintensiv waren). u. hab’ ich die Zeit zum Lesen benützt. Die Reventlow hätte ich gerne kennen gelerntFranziska zu Reventlow, die mit Wedekind seit den 1890er Jahren befreundete Schriftstellerin, Übersetzerin und Zentralfigur der Schwabinger Boheme, lebte in München, wo Tilly Wedekind ihr bisher noch nicht begegnet ist.. Aber das ist wohl immer noch mal möglich.

Ich hätte so gern das Lied dans les fêtes des amoureux(frz.) an den Valentinstagen, ‚auf den Festen der Liebenden‘ (ein Liedtitel). Lied nicht eindeutig identifiziert. „An welches Lied sich Tilly von ungefähr erinnert, bleibt offen.“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 69] Es dürfte sich aber um das Lied „La Fête des amoureux“ (1886) von Paul Fauchey (Text: Georges Laure-Marguery) gehandelt haben. oder wie’s heißt gelernt, habe aber in Deinem Buchnicht identifizierte französischsprachige Liedersammlung aus Wedekinds Besitz; vielleicht hat es sich um dieses Buch gehandelt, in dem das Lied „Marion“ (siehe unten) mit Noten enthalten ist: Les plus jolies chansons du pays de France. Chansons tendres. Choisies par Catulle Mendès. Notées par Emmanuel Chabrier et Armand Gouzien. Illustrées par Lucien Métivet. Paris 1888. nur die Mariondas französische „Volkslied ‚Marion s’en va-t-a l’ou‘; vertont von dem frz. Komponisten Emmanuel Chabrier“ [Vinçon 2018, Bd. 2, S. 69]. gefunden. Willst Du mir’s aufschreiben? | Hast Du niemand von unsern Bekannten gesehen?

Nun lebwohl für heute. Im Geiste sitze ich auf Deinem Bett, oder deinen Knien, umarme u. küsse Dich innig.

Deine Tilly |


Liebster Papa,

vielen Dank für Deine liebe Kartevgl. Frank Wedekind an Pamela Wedekind, 21.9.1907.. Großmama, Tante Mati grüßen herzlich. Einen schönen Kuss von Deiner Anna Pamela Wedekind


[Seite 8 am linken Rand um 90 Grad gedreht:]

Sie lacht u. freut sich riesig u. will noch schreiben.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Mit aufgeprägtem Monogramm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Die Grußzeilen der gut neun Monate alten Tochter Pamela Wedekind sind von ihr selbst zu Papier gebracht (die Hand wohl von der Mutter geführt). Das aufgeprägte Monogramm befindet sich außer auf Seite 1 auch auf Seite 5 (hier nicht wiedergegeben). Wedekind hat oben auf Seite 1 mit rotem Buntstift das Datum „23.9.07“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Das Schreibdatum ist durch den Briefinhalt belegt.

  • Schreibort

    Lenzburg
    23. September 1907 (Montag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Briefwechsel 1905‒1918. Band 1: Briefe

Autor:
Frank Wedekind, Tilly Wedekind
Herausgeber:
Hartmut Vinçon
Verlag:
Göttingen: Wallstein
Jahrgang:
2018
Seitenangabe:
71-73
Briefnummer:
84
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 221
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Tilly Wedekind, Pamela Wedekind an Frank Wedekind, 23.9.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

03.09.2023 14:16