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Kennung: 3

Lenzburg, 29. April 1883 - 1. Mai 1883, Briefgedicht

Autor*in

  • Greyerz, Minna von

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Was Deine Poesie’nmöglicherweise Wedekinds Sammlung „Poesie“; als Indiz dafür spricht das Stichwort „Hagelkorn“ hier in der 2. Gedichtzeile sowie die Wiederholung im Plural (Deinen „Hagelkörner“) in der Nachschrift, die auf Wedekinds Gedicht „Meinem Freunde“ (Poesie, Nr. 8) rekurrieren dürften: „Nein, du kritisirst zu strenge, / Darfst dich nicht so hoch erheben! / Du erwartest nichts als Perlen; / ’s muß auch Hagelkörner geben!“ // O, wie lächelst du verächtlich. / Jetzt versteh ich dich, auf Ehre! / „Wenn nur eine einzge Perle“, / Meinst du wol „darunter wäre!“ [KSA 1/I, S. 68] betrifft,
Stellst Du sie gleich dem Hagelkorn.
Dies off’ne Urtheil sich wol trifft,
Denn drunter fand ich manchen Dorn
Der mich natürlich hat verletzt,
Was Dich natürlich jetzt ergötzt. |


Doch fand ich drunter manch Gedicht,
Das wiederum mir gut gefiel.
VerhelenSchreibversehen, statt: Verhehlen. kann ich jedoch nicht,
Daß mir noch etwas sehr mißfiel:
Du ahmest HeineZu Wedekinds Heine-Lektüre vgl. auch die Korrespondenzen mit Oskar Schibler, Hermann Huber und Anny Barck. gründlich nach
Den Heine, der oft gar so flach. |


Originale liebst Du wohl,
Doch machst Du selbst die Mode mit;
Pflegst HeinekultusDer Heine-Kult war im 19. Jahrhundert ein internationales Phänomen und nicht auf das deutsche liberale Bürgertum beschränkt. Dagegen bestritt das konservative, deutschnational orientierte Bürgertum die literarische Bedeutung Heines. Dessen negative literarische Wertschätzung beruhte auf Vorurteilen gegenüber Heines Lebensschicksal und seiner jüdischen Herkunft. viel zu toll,
Drum Deine Muse drunter litt.
Erzürnt Dich meine Offenheit,
Bin ich gewärtig einen Streit. –

Sturmwind(griech. Mythologie) die Sturmwinde (griech. Harpyien) sind Mischwesen in Vogelgestalt mit Frauenkopf, Töchter des Meeresgottes Thaumas und der Ozomene Elektra. Minna von Greyerz dürfte ihr Alias mit Aello (Sturmwind, auch: Windsbraut) gleichgesetzt haben, da sie auch Windsbraut genannt wurde. Beide Pseudonyme nutzte sie auch im Freundschaftsbund „Fidelitas“, den sie im Herbst 1883 mit Frank Wedekind (Zephyr) und Armin Wedekind (Boreas) gegründet hat und dem Mary Gaudard („Nordpol“) und Anny Barck („Glanzpunkt“) beitraten.. |


Mai 1883. Nachschrift:
Ein paar Tage sind verflossen
Seit ich die Kritik geschrieben,
Heute mach’ ich selbst mir Glossen,
Daß zu stark ich übertrieben.
Nein, ich fand nur wen’ge Dörner
Unter Deinen „Hagelkörner“vermutlich zitiert aus Wedekinds Gedicht „Meinem Freunde“ [siehe oben die Anmerkung ,Deine Poesien‘]..
Zwar mein Urtheil will nichts heißen
Und Du selbst magst drüber lachen;
Dennoch können „Hiebe“ beißen!
Nein, verdrießlich wollt’ ich machen
Dich, mein holder Zephyr(griech. Mythologie) der milde Westwind – Bruder des Boreas, des winterlichen Nordwinds – Pseudonym Wedekinds., nicht;
Drum erzürne Dich auch nicht.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 7 x 13. Gelocht.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 29.4.1883 ist als Ankerdatum für das Briefgedicht gesetzt, ausgehend von Minna von Greyerz’ Briefgedicht vom 27.4.1883, in dem sie um die hier kritisierten Poesien bittet. Der 1.5.1883 ist als Ankerdatum für die Nachschrift gesetzt, das früheste mögliche Schreibdatum im Mai, das mehr als einen Tag („Ein paar Tage sind verflossen“) nach Abfassung des Briefgedichts liegt. Als Schreibort kann der Wohnort Minna von Greyerz’ angenommen werden.

  • Schreibort

    Lenzburg
    29. April 1883 - 1. Mai 1883
    Ermittelt (unsicher) - Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Stein am Rhein
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Pharus I. Frank Wedekind. Texte, Interviews, Studien

Titel des Aufsatzes:
Eine Lenzburger Jugendfreundschaft. Der Briefwechsel zwischen Frank Wedekind und Minna von Greyerz.
Autor:
Elke Austermühl
Herausgeber:
Elke Austermühl, Alfred Kessler, Hartmut Vinçon. Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag der Georg Büchner Buchhandlung
Seitenangabe:
346
Kommentar:
Das Briefgedicht ist im Erstdruck auf „Mai 1883“ datiert.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek. Monacensia (München) et Minna von Greyerz

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
089 419472-13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 56
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Familie Rudolf Bertschinger, Lenzburg, und dem Literaturarchiv der Monacensia, München, für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Minna von Greyerz an Frank Wedekind, 29.4.1883 - 1.5.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

03.01.2024 14:46
Kennung: 3

Lenzburg, 29. April 1883 - 1. Mai 1883, Briefgedicht

Autor*in

  • Greyerz, Minna von

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Was Deine Poesie’nmöglicherweise Wedekinds Sammlung „Poesie“; als Indiz dafür spricht das Stichwort „Hagelkorn“ hier in der 2. Gedichtzeile sowie die Wiederholung im Plural (Deinen „Hagelkörner“) in der Nachschrift, die auf Wedekinds Gedicht „Meinem Freunde“ (Poesie, Nr. 8) rekurrieren dürften: „Nein, du kritisirst zu strenge, / Darfst dich nicht so hoch erheben! / Du erwartest nichts als Perlen; / ’s muß auch Hagelkörner geben!“ // O, wie lächelst du verächtlich. / Jetzt versteh ich dich, auf Ehre! / „Wenn nur eine einzge Perle“, / Meinst du wol „darunter wäre!“ [KSA 1/I, S. 68] betrifft,
Stellst Du sie gleich dem Hagelkorn.
Dies off’ne Urtheil sich wol trifft,
Denn drunter fand ich manchen Dorn
Der mich natürlich hat verletzt,
Was Dich natürlich jetzt ergötzt. |


Doch fand ich drunter manch Gedicht,
Das wiederum mir gut gefiel.
VerhelenSchreibversehen, statt: Verhehlen. kann ich jedoch nicht,
Daß mir noch etwas sehr mißfiel:
Du ahmest HeineZu Wedekinds Heine-Lektüre vgl. auch die Korrespondenzen mit Oskar Schibler, Hermann Huber und Anny Barck. gründlich nach
Den Heine, der oft gar so flach. |


Originale liebst Du wohl,
Doch machst Du selbst die Mode mit;
Pflegst HeinekultusDer Heine-Kult war im 19. Jahrhundert ein internationales Phänomen und nicht auf das deutsche liberale Bürgertum beschränkt. Dagegen bestritt das konservative, deutschnational orientierte Bürgertum die literarische Bedeutung Heines. Dessen negative literarische Wertschätzung beruhte auf Vorurteilen gegenüber Heines Lebensschicksal und seiner jüdischen Herkunft. viel zu toll,
Drum Deine Muse drunter litt.
Erzürnt Dich meine Offenheit,
Bin ich gewärtig einen Streit. –

Sturmwind(griech. Mythologie) die Sturmwinde (griech. Harpyien) sind Mischwesen in Vogelgestalt mit Frauenkopf, Töchter des Meeresgottes Thaumas und der Ozomene Elektra. Minna von Greyerz dürfte ihr Alias mit Aello (Sturmwind, auch: Windsbraut) gleichgesetzt haben, da sie auch Windsbraut genannt wurde. Beide Pseudonyme nutzte sie auch im Freundschaftsbund „Fidelitas“, den sie im Herbst 1883 mit Frank Wedekind (Zephyr) und Armin Wedekind (Boreas) gegründet hat und dem Mary Gaudard („Nordpol“) und Anny Barck („Glanzpunkt“) beitraten.. |


Mai 1883. Nachschrift:
Ein paar Tage sind verflossen
Seit ich die Kritik geschrieben,
Heute mach’ ich selbst mir Glossen,
Daß zu stark ich übertrieben.
Nein, ich fand nur wen’ge Dörner
Unter Deinen „Hagelkörner“vermutlich zitiert aus Wedekinds Gedicht „Meinem Freunde“ [siehe oben die Anmerkung ,Deine Poesien‘]..
Zwar mein Urtheil will nichts heißen
Und Du selbst magst drüber lachen;
Dennoch können „Hiebe“ beißen!
Nein, verdrießlich wollt’ ich machen
Dich, mein holder Zephyr(griech. Mythologie) der milde Westwind – Bruder des Boreas, des winterlichen Nordwinds – Pseudonym Wedekinds., nicht;
Drum erzürne Dich auch nicht.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 7 x 13. Gelocht.
Schreibraum:
Im Querformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 29.4.1883 ist als Ankerdatum für das Briefgedicht gesetzt, ausgehend von Minna von Greyerz’ Briefgedicht vom 27.4.1883, in dem sie um die hier kritisierten Poesien bittet. Der 1.5.1883 ist als Ankerdatum für die Nachschrift gesetzt, das früheste mögliche Schreibdatum im Mai, das mehr als einen Tag („Ein paar Tage sind verflossen“) nach Abfassung des Briefgedichts liegt. Als Schreibort kann der Wohnort Minna von Greyerz’ angenommen werden.

  • Schreibort

    Lenzburg
    29. April 1883 - 1. Mai 1883
    Ermittelt (unsicher) - Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Stein am Rhein
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Pharus I. Frank Wedekind. Texte, Interviews, Studien

Titel des Aufsatzes:
Eine Lenzburger Jugendfreundschaft. Der Briefwechsel zwischen Frank Wedekind und Minna von Greyerz.
Autor:
Elke Austermühl
Herausgeber:
Elke Austermühl, Alfred Kessler, Hartmut Vinçon. Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag der Georg Büchner Buchhandlung
Seitenangabe:
346
Kommentar:
Das Briefgedicht ist im Erstdruck auf „Mai 1883“ datiert.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek. Monacensia (München) et Minna von Greyerz

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
089 419472-13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 56
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Familie Rudolf Bertschinger, Lenzburg, und dem Literaturarchiv der Monacensia, München, für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Minna von Greyerz an Frank Wedekind, 29.4.1883 - 1.5.1883. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Anke Lindemann

Zuletzt aktualisiert

03.01.2024 14:46