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Kennung: 29

Lenzburg, 28. Mai 1889 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Greyerz, Minna von

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

                                                                          Lenzburg d. 28.V.89.
   Lieber BabySpitzname Franklin Wedekinds. !
              Jetzt bist Du allerdings mal grausam gestraft für Deine unverantwortliche Nachlässigkeit, Deine bodenlose Unordentlichkeit –, es schwindelt mir wenn ich an Dich und Deine Fehler und Gebrechen denke! Oder sollte es Dir nicht einmal unangenehm sein, wenn ich Dir melde, daß nicht weniger als 500 Frs in einer Banknote in meinem Briefe lagen und dieselbe nun flöten gingen? –––  /
Adresse: FreiherrDie Adresse: Freiherr Dr. Georg von Wedekind, Casinostraße 2, ist vertikal am linken Seitenrand notiert. Dr. Georg von WedekindDr. Georg Ferdinand Rudolph Freiherr von Wedekind (1825-1899), ein Bruder der Mutter Minna von Greyerz‘, Sophie Wilhelmine Margarethe von Wedekind (1822-1887). Auf seiner Reise nach Berlin hatte Frank Zwischenstation in Darmstadt gemacht, wo seine Schwester Mati (Emilie) seit Herbst 1888 ein Mädchenpensionat besuchte. Casinostr. 2. – Darmstadt. / |
Spaß bei Seite und ärgre Dich nicht allzusehr über meine faden Witze. Ich hatte kein Geld eingelegt, sonst hätte ich Dir's vorher gesagt, damit Du Dich besser in Acht nehmen sollst, auch waren die wenigen Zeilen an meine Lenchentante Gemeint ist die Darmstädterin Magdalena Henriette von Wedekind geb. Merck (1849-1907), verheiratet mit Georg Ferdinand Rudolph Freiherr von Wedekind (1825-1899), Bruder von Minna von Greyerz' Mutter Sophie Wilhelmine Margarethe von Wedekind (1822-1887).so unbedeutend, daß also nichts oder nur eine kl. Aufmerksamkeit von uns verloren ging. Ich will Dir also verzeihen; ich tue dies ja um so lieber, als ich dadurch einen kl. Brief von Dir bekommen habe, den ich sonst wol vergebens ersehnt hätte. Letzten Sonntag frug ich eine Gänselblume, ob ich einen Brf. von Dir bekomme, die Antwort „ja" beglückte mich dermaßen, daß ich mich vor Jubel in's Gras warf u in den Maihimmel hinauf träumte u der Blumenantwort keinen Glauben schenken wollte. Lache mich aus, ich weiß ja wol, daß ich ein Schaf, eine Gans, ein Kameel in Deinen Augen bin und daß ich mit Dir als Rinoceros | keine Gemeinschaft habe. Prr, wie kann man nur so absurde Vergleiche anstellen! Angenehm berührt es mich, daß Du Dich überall, wo Du Gemütlichkeit triffst, wohl befindest. Ich kann mir nicht leicht denken, daß es Dir z.B. in Amerika behagen würde, wenigstens nicht auf die Dauer, trotzdem DodaSpitzname für Franklins jüngeren Bruder Donald Lenzelin (1871-1908), dem späteren Schriftsteller. Dich dorthin wünscht. Das Jagen u Treiben nach Geld, das wenig künstlerische Leben dasselbst (denn die Kunst wird doch mehr um bloßes Furore machen u weniger um ihrer selbst willen getrieben) würde Dir nimmer genügen, dann rathe ich Dir eher für ein dolce far niente in Italien. Unsinn, es geht mich ja nichts an – trotzdem es mich stets kümmern od. doch interessiren wird, wo Du weilst u was Du treibst. | Also immer um 5 Uhr ist der HerzoginGemeint ist die Sängerin Emilie Herzog (1859-1923), die Verlobte des Musikkritikers und Schriftstellers Heinrich Welti, seit 1890 mit ihm verheiratet. Wedekind kannte Welti (1859-1937) bereits seit seiner Aarauer Kantonsschulzeit. ihre Theestunde; mir ist als könne ich heimlich Euch belauschen u mitschlürfen von Eurem freien Künstlerleben, u zuweilen packt mich ein ganzes Fieber. – Ich bin so froh für Dich, daß Du gerade in Berlin bistWedekind hielt sich vom 18.5.- 4.7.1889 in Berlin auf. Seine Berliner Eindrücke notiert er in seinem Berliner Tagebuch (online-edition 2013). u wünsche von ganzem Herzen, daß es Dir dasselbst mit der Zeit immer besser gefallen möge; daß Du das findest, wonach Du suchst. Mit großem Amüsement lese ich jetzt immer die Episteln v. Hans TunichtgutN.n. Recherche läuft in d. neuen Zürcherzeitung über Berlin u auch Skizzen von Paris, wohin ich also im Juli, (vielleicht schon in d. 1. Hälfte) z. l00jährigen Revolutionsfeier reise. WillyFranklins jüngerer Bruder Willy (William) Lincoln (1866-1935). weilt wo weiland Du wohntest. Er wollte erst nicht als Mama ihm Deine Bude anwies u meinte sogar er wolle wieder verreisen, worauf ihmVerschreiber: "ihm" statt "ihn". TschiningAuch Tschinning geschrieben. N.n. Recherche läuft. bat zu bleiben, wo er sei, auch könne er fnoch 6 andre Zimmer dazu haben und – Willy zog dann ganz gut in Deine Stube. Na dieser Unterschied, man kennt das Zimmer |
2.
nicht wieder. Alles gute MöbelSchreibweise Minna von Greyerz' im Sinn von "lauter gute Möbel". stehen drin, Bilder an den Wänden, allerlei Siebensachen auf dem wohlgeordneten Schreibtisch, w ein Zeichen daß eben nicht geschriftstellert wird, Alles ordentlich, merkwürdig ordentlich, noch dazu für einen Bruder jüngern Datums von Dir; selbst Blumen standen in einer Wassergefüllten Vase vor dem Bild seiner BrautAm 25.8.1889 heiratete Franks Bruder Willy Anna Wilhelmine Kammerer, eine Verwandte seiner Mutter Emilie. Das Ehepaar wanderte nach Südafrika aus, wo William als Farmer und später als Schweizer Konsul in Johannesburg lebte., welcher er jedoch seit seinem Hiersein noch nie geschrieben habe, dafür eine eifrige Correspondenz mit Eeiner Andern führe, welche ihm aus Hamburg u jetzt als aus ZittauIm Südosten Sachsens an der Neiße gelegene Stadt. schreibt. MietzeSpitzname für Wedekinds Schwester Erika (1868-1944), der späteren Dresdner Hofopernsängerin. ist darüber scheinbar empört u wollte ihm heute keinen Kuß geben, als sie um 10 Uhr verreiste, um in Basel ihre Tosi Gemeint sein kann a) die weit verbreitete „Anleitung zur Singkunst aus dem Italiänischen des Herrn Peter Franz Tosi, Mitglieds der philharmonischen Akademie; mit Erläuterungen und Zusätzen von Johann Friedrich Agricola“ (Berlin 1757, u.ö.) - b) schweizerisch: dickbeleibte Weibsperson, in: Schweizerisches Idiotikon digital - Band XIII, Sp. 1810.abzuholen. Sonst aber wandelt sie mit ihm | Arm in Arm u geben die Beiden in ihrer zusammenpassenden Größe ein nettes Paar. –
Du mußt nun aber nicht glauben, daß mir das Willyzimmer mehr imponirte als das /ie/  frühere Babybude. Ich war allerdings erstaunt über den kollossalen Unterschied, der meinem Ordnungssinn um so auffallender war, als ich mich manchmal über Deine Wüstenei entsetzte. Aber – ich vermißte sie und eine sonderbare Wehmut durchschauerte mich, währenddem ich die neue Einrichtung von Willy bewunderte. Willy hat mir gleich seinen Schwestern 2 Straußenfedern geschenkt, weßhalb ich mir einen neuen, weißen Hut machen ließ; Willy u Mietze gefällt er, mir dagegen nicht, es ist der reinste Turm v. Babel; dagegen habe ich mir macht mir soeben d. Schneiderin ein neues Waschkleid rothbraun mit gelben Streifen was sehr hübsch wird, ich habe eine viel hübschere | Taille darin als in den Andern, schade daß das Kleid u ich alt sind, wenn Du wieder kommst. Also wir werden uns dann nicht umhin eines Lächelns enthalten können, wenn wir uns nicht wieder sehen. Hoffentlich lächeln, wir, es kommt nur drauf an mit was für Gefühlen od. Gesinnungen. Wenn Du mir nicht der Frühling warst, so warst Du mir doch ein köstlicher Sommertag; den Herbst werde ich allein zubringen u vor dem kalten Winter wird mein heißes Herz davon fliegen; larifari habt ihr mich gesehn, – wenngleich Du mir weder Revolver noch Ciankali gegeben. – Letzten Sonntag Abend war ich bei Euch oben und da war ich erst recht froh, daß Du fort warst, trotzdem Du mir fehltest. Xxx Xxx Xxx Xxx Xxx Xxx XxxCa. sieben, mit Tintenstrichen unleserlich gemachte Wörter.. Ich bewunderte Mietze, die drüben zum Tanz aufspielte. Willy drehte sich | mit einem Nähmädchen der Firma StolzN.n. Die Textilbranche (Baumwoll- und Leinenindustrie) war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Stadt Lenzburg. im Reigen, eine Frl. ZimmermannN.n., sehr hübsch, welche schon GugelGemeint ist ein Sohn aus der Familie des Lenzburger Musiklehrers Eugen Gugel, der von 1883-1888 den Lenzburger Musikverein leitete; vgl. Braun (1933), S. 18. s. Z. verehrte. Mietze sah reizend aus in einem neuen Waschkleid u war froh daß ich gekommen. Sie ging mit mir hernach in <denSchreibversehen Minna von Greyerz'. Fehlendes "den".> Hof u erzählte mir sehr viel aus vergangenen Zeiten bis gegen 10 Uhr. Endlich kam Tschinning u ich las noch Briefe von ihren Kindern. Willy war mit Frl. Z. hinunter, kam vor 12 nicht wieder. Mama gab mir um ½ 11 noch das Geleite, trotzdem ich allein gehen wollte. Gestern Abend s ist Willy erst um 2 zurück gekommen, da er noch mit Hans RingierAngehöriger einer alteingesessenen Lenzburger Familie, der u.a. eine Seifenfabrik gehörte. ein Ständchen der Schönen gebracht. Ich schlug Tante vor Willy als Gastwirt etc. einzulernen; doch will W. erst noch in Afrika spekuliren – falliren od. reüssiren? So, mein lieber Baber, jetzt hast Du wol mehr als genug von dem Gemurmel des Wüstenquells, trotzdem er noch lange mit seinem Geschwätz aufwarten könnte. Lebwohl!
          Dein Minkel.



Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 11,5 x 18 cm. Klein-Oktav. Gelocht.
Schreibraum:
Auf der ersten Seite ist am linken Seitenrand längs von der Hand Minna von Greyerz' notiert: "Adresse: Freyherr Dr. Georg von Wedekind. / Casinostr. 2 / Damstadt".

Datum, Schreibort und Zustellweg

Wedekind hielt sich vom 24. Mai bis 4. Juli 1889 in Berlin auf. Wahrscheinlich wurde der Brief am 29.1889 auf die Lenzburger Post gegeben, so dass ihn Wedekind vermutlich am 30.5. erhielt.

Erstdruck

Pharus I. Frank Wedekind. Texte, Interviews, Studien

Titel des Aufsatzes:
Eine Lenzburger Jugendfreundschaft. Der Briefwechsel zwischen Frank Wedekind und Minna von Greyerz.
Autor:
Elke Austermühl
Herausgeber:
Elke Austermühl, Alfred Kessler, Hartmut Vinçon. Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag der Georg Büchner Buchhandlung
Seitenangabe:
399-401
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek. Monacensia (München) et Minna von Greyerz

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
089 419472-13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 56
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Familie Rudolf Bertschinger, Lenzburg, und dem Literaturarchiv der Monacensia, München, für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Minna von Greyerz an Frank Wedekind, 28.5.1889. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Prof. Dr. Hartmut Vincon

Zuletzt aktualisiert

07.08.2023 11:46
Kennung: 29

Lenzburg, 28. Mai 1889 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Greyerz, Minna von

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

                                                                          Lenzburg d. 28.V.89.
   Lieber BabySpitzname Franklin Wedekinds. !
              Jetzt bist Du allerdings mal grausam gestraft für Deine unverantwortliche Nachlässigkeit, Deine bodenlose Unordentlichkeit –, es schwindelt mir wenn ich an Dich und Deine Fehler und Gebrechen denke! Oder sollte es Dir nicht einmal unangenehm sein, wenn ich Dir melde, daß nicht weniger als 500 Frs in einer Banknote in meinem Briefe lagen und dieselbe nun flöten gingen? –––  /
Adresse: FreiherrDie Adresse: Freiherr Dr. Georg von Wedekind, Casinostraße 2, ist vertikal am linken Seitenrand notiert. Dr. Georg von WedekindDr. Georg Ferdinand Rudolph Freiherr von Wedekind (1825-1899), ein Bruder der Mutter Minna von Greyerz‘, Sophie Wilhelmine Margarethe von Wedekind (1822-1887). Auf seiner Reise nach Berlin hatte Frank Zwischenstation in Darmstadt gemacht, wo seine Schwester Mati (Emilie) seit Herbst 1888 ein Mädchenpensionat besuchte. Casinostr. 2. – Darmstadt. / |
Spaß bei Seite und ärgre Dich nicht allzusehr über meine faden Witze. Ich hatte kein Geld eingelegt, sonst hätte ich Dir's vorher gesagt, damit Du Dich besser in Acht nehmen sollst, auch waren die wenigen Zeilen an meine Lenchentante Gemeint ist die Darmstädterin Magdalena Henriette von Wedekind geb. Merck (1849-1907), verheiratet mit Georg Ferdinand Rudolph Freiherr von Wedekind (1825-1899), Bruder von Minna von Greyerz' Mutter Sophie Wilhelmine Margarethe von Wedekind (1822-1887).so unbedeutend, daß also nichts oder nur eine kl. Aufmerksamkeit von uns verloren ging. Ich will Dir also verzeihen; ich tue dies ja um so lieber, als ich dadurch einen kl. Brief von Dir bekommen habe, den ich sonst wol vergebens ersehnt hätte. Letzten Sonntag frug ich eine Gänselblume, ob ich einen Brf. von Dir bekomme, die Antwort „ja" beglückte mich dermaßen, daß ich mich vor Jubel in's Gras warf u in den Maihimmel hinauf träumte u der Blumenantwort keinen Glauben schenken wollte. Lache mich aus, ich weiß ja wol, daß ich ein Schaf, eine Gans, ein Kameel in Deinen Augen bin und daß ich mit Dir als Rinoceros | keine Gemeinschaft habe. Prr, wie kann man nur so absurde Vergleiche anstellen! Angenehm berührt es mich, daß Du Dich überall, wo Du Gemütlichkeit triffst, wohl befindest. Ich kann mir nicht leicht denken, daß es Dir z.B. in Amerika behagen würde, wenigstens nicht auf die Dauer, trotzdem DodaSpitzname für Franklins jüngeren Bruder Donald Lenzelin (1871-1908), dem späteren Schriftsteller. Dich dorthin wünscht. Das Jagen u Treiben nach Geld, das wenig künstlerische Leben dasselbst (denn die Kunst wird doch mehr um bloßes Furore machen u weniger um ihrer selbst willen getrieben) würde Dir nimmer genügen, dann rathe ich Dir eher für ein dolce far niente in Italien. Unsinn, es geht mich ja nichts an – trotzdem es mich stets kümmern od. doch interessiren wird, wo Du weilst u was Du treibst. | Also immer um 5 Uhr ist der HerzoginGemeint ist die Sängerin Emilie Herzog (1859-1923), die Verlobte des Musikkritikers und Schriftstellers Heinrich Welti, seit 1890 mit ihm verheiratet. Wedekind kannte Welti (1859-1937) bereits seit seiner Aarauer Kantonsschulzeit. ihre Theestunde; mir ist als könne ich heimlich Euch belauschen u mitschlürfen von Eurem freien Künstlerleben, u zuweilen packt mich ein ganzes Fieber. – Ich bin so froh für Dich, daß Du gerade in Berlin bistWedekind hielt sich vom 18.5.- 4.7.1889 in Berlin auf. Seine Berliner Eindrücke notiert er in seinem Berliner Tagebuch (online-edition 2013). u wünsche von ganzem Herzen, daß es Dir dasselbst mit der Zeit immer besser gefallen möge; daß Du das findest, wonach Du suchst. Mit großem Amüsement lese ich jetzt immer die Episteln v. Hans TunichtgutN.n. Recherche läuft in d. neuen Zürcherzeitung über Berlin u auch Skizzen von Paris, wohin ich also im Juli, (vielleicht schon in d. 1. Hälfte) z. l00jährigen Revolutionsfeier reise. WillyFranklins jüngerer Bruder Willy (William) Lincoln (1866-1935). weilt wo weiland Du wohntest. Er wollte erst nicht als Mama ihm Deine Bude anwies u meinte sogar er wolle wieder verreisen, worauf ihmVerschreiber: "ihm" statt "ihn". TschiningAuch Tschinning geschrieben. N.n. Recherche läuft. bat zu bleiben, wo er sei, auch könne er fnoch 6 andre Zimmer dazu haben und – Willy zog dann ganz gut in Deine Stube. Na dieser Unterschied, man kennt das Zimmer |
2.
nicht wieder. Alles gute MöbelSchreibweise Minna von Greyerz' im Sinn von "lauter gute Möbel". stehen drin, Bilder an den Wänden, allerlei Siebensachen auf dem wohlgeordneten Schreibtisch, w ein Zeichen daß eben nicht geschriftstellert wird, Alles ordentlich, merkwürdig ordentlich, noch dazu für einen Bruder jüngern Datums von Dir; selbst Blumen standen in einer Wassergefüllten Vase vor dem Bild seiner BrautAm 25.8.1889 heiratete Franks Bruder Willy Anna Wilhelmine Kammerer, eine Verwandte seiner Mutter Emilie. Das Ehepaar wanderte nach Südafrika aus, wo William als Farmer und später als Schweizer Konsul in Johannesburg lebte., welcher er jedoch seit seinem Hiersein noch nie geschrieben habe, dafür eine eifrige Correspondenz mit Eeiner Andern führe, welche ihm aus Hamburg u jetzt als aus ZittauIm Südosten Sachsens an der Neiße gelegene Stadt. schreibt. MietzeSpitzname für Wedekinds Schwester Erika (1868-1944), der späteren Dresdner Hofopernsängerin. ist darüber scheinbar empört u wollte ihm heute keinen Kuß geben, als sie um 10 Uhr verreiste, um in Basel ihre Tosi Gemeint sein kann a) die weit verbreitete „Anleitung zur Singkunst aus dem Italiänischen des Herrn Peter Franz Tosi, Mitglieds der philharmonischen Akademie; mit Erläuterungen und Zusätzen von Johann Friedrich Agricola“ (Berlin 1757, u.ö.) - b) schweizerisch: dickbeleibte Weibsperson, in: Schweizerisches Idiotikon digital - Band XIII, Sp. 1810.abzuholen. Sonst aber wandelt sie mit ihm | Arm in Arm u geben die Beiden in ihrer zusammenpassenden Größe ein nettes Paar. –
Du mußt nun aber nicht glauben, daß mir das Willyzimmer mehr imponirte als das /ie/  frühere Babybude. Ich war allerdings erstaunt über den kollossalen Unterschied, der meinem Ordnungssinn um so auffallender war, als ich mich manchmal über Deine Wüstenei entsetzte. Aber – ich vermißte sie und eine sonderbare Wehmut durchschauerte mich, währenddem ich die neue Einrichtung von Willy bewunderte. Willy hat mir gleich seinen Schwestern 2 Straußenfedern geschenkt, weßhalb ich mir einen neuen, weißen Hut machen ließ; Willy u Mietze gefällt er, mir dagegen nicht, es ist der reinste Turm v. Babel; dagegen habe ich mir macht mir soeben d. Schneiderin ein neues Waschkleid rothbraun mit gelben Streifen was sehr hübsch wird, ich habe eine viel hübschere | Taille darin als in den Andern, schade daß das Kleid u ich alt sind, wenn Du wieder kommst. Also wir werden uns dann nicht umhin eines Lächelns enthalten können, wenn wir uns nicht wieder sehen. Hoffentlich lächeln, wir, es kommt nur drauf an mit was für Gefühlen od. Gesinnungen. Wenn Du mir nicht der Frühling warst, so warst Du mir doch ein köstlicher Sommertag; den Herbst werde ich allein zubringen u vor dem kalten Winter wird mein heißes Herz davon fliegen; larifari habt ihr mich gesehn, – wenngleich Du mir weder Revolver noch Ciankali gegeben. – Letzten Sonntag Abend war ich bei Euch oben und da war ich erst recht froh, daß Du fort warst, trotzdem Du mir fehltest. Xxx Xxx Xxx Xxx Xxx Xxx XxxCa. sieben, mit Tintenstrichen unleserlich gemachte Wörter.. Ich bewunderte Mietze, die drüben zum Tanz aufspielte. Willy drehte sich | mit einem Nähmädchen der Firma StolzN.n. Die Textilbranche (Baumwoll- und Leinenindustrie) war ein wichtiger Wirtschaftsfaktor der Stadt Lenzburg. im Reigen, eine Frl. ZimmermannN.n., sehr hübsch, welche schon GugelGemeint ist ein Sohn aus der Familie des Lenzburger Musiklehrers Eugen Gugel, der von 1883-1888 den Lenzburger Musikverein leitete; vgl. Braun (1933), S. 18. s. Z. verehrte. Mietze sah reizend aus in einem neuen Waschkleid u war froh daß ich gekommen. Sie ging mit mir hernach in <denSchreibversehen Minna von Greyerz'. Fehlendes "den".> Hof u erzählte mir sehr viel aus vergangenen Zeiten bis gegen 10 Uhr. Endlich kam Tschinning u ich las noch Briefe von ihren Kindern. Willy war mit Frl. Z. hinunter, kam vor 12 nicht wieder. Mama gab mir um ½ 11 noch das Geleite, trotzdem ich allein gehen wollte. Gestern Abend s ist Willy erst um 2 zurück gekommen, da er noch mit Hans RingierAngehöriger einer alteingesessenen Lenzburger Familie, der u.a. eine Seifenfabrik gehörte. ein Ständchen der Schönen gebracht. Ich schlug Tante vor Willy als Gastwirt etc. einzulernen; doch will W. erst noch in Afrika spekuliren – falliren od. reüssiren? So, mein lieber Baber, jetzt hast Du wol mehr als genug von dem Gemurmel des Wüstenquells, trotzdem er noch lange mit seinem Geschwätz aufwarten könnte. Lebwohl!
          Dein Minkel.



Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 11,5 x 18 cm. Klein-Oktav. Gelocht.
Schreibraum:
Auf der ersten Seite ist am linken Seitenrand längs von der Hand Minna von Greyerz' notiert: "Adresse: Freyherr Dr. Georg von Wedekind. / Casinostr. 2 / Damstadt".

Datum, Schreibort und Zustellweg

Wedekind hielt sich vom 24. Mai bis 4. Juli 1889 in Berlin auf. Wahrscheinlich wurde der Brief am 29.1889 auf die Lenzburger Post gegeben, so dass ihn Wedekind vermutlich am 30.5. erhielt.

Erstdruck

Pharus I. Frank Wedekind. Texte, Interviews, Studien

Titel des Aufsatzes:
Eine Lenzburger Jugendfreundschaft. Der Briefwechsel zwischen Frank Wedekind und Minna von Greyerz.
Autor:
Elke Austermühl
Herausgeber:
Elke Austermühl, Alfred Kessler, Hartmut Vinçon. Editions- und Forschungsstelle Frank Wedekind
Ort der Herausgabe:
Darmstadt
Verlag:
Verlag der Georg Büchner Buchhandlung
Seitenangabe:
399-401
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek. Monacensia (München) et Minna von Greyerz

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
089 419472-13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 56
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Familie Rudolf Bertschinger, Lenzburg, und dem Literaturarchiv der Monacensia, München, für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Minna von Greyerz an Frank Wedekind, 28.5.1889. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (23.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Prof. Dr. Hartmut Vincon

Zuletzt aktualisiert

07.08.2023 11:46