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Kennung: 2814

Wien, 15. Juli 1905 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Denk, Berthe Marie

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Mein heissgeliebtester Frank Wedekind!

Nach Deinen beiden sonderbaren Briefenvgl. Wedekind an Berthe Marie Denk, 14.7.1905. Der andere, früher geschriebene Brief ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Berthe Marie Denk, 12.7.1905., die ich eben erhielt nehme ich an, dass Dir entweder die grosse HitzeBerthe Marie Denk hatte bereits auf die große Hitze in Wien angespielt [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 7.7.1905] und spielte nun auf die „außerordentliche Hitze“ [Gewitter mit Blitz und Hagelschlag. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 108, Nr. 314, 12.7.1905, Morgenblatt, S. 6] in München an. in den Kopf gestiegen oder Du mich frozzeln willst, oder dass Du aus irgend einem mir nicht bekannten Grunde auf mich bös bist! ‒ Das mit dem | nicht telegraphierenBerthe Marie Denk hat Wedekind wissen lassen, er möge ihr keine Telegramme mehr schicken [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 11.7.1905], worauf er verschnupft reagierte [vgl. Wedekind an Berthe Marie Denk, 14.7.1905]. war nicht so bös gemeint! In Österreich bekommt man nämlich zu jedem Telegramm ein RecepisRezepisse (in Österreich gebräuchlich) = Empfangsbescheinigung.t das man unterschreiben muss u. wurde ich deshalb neulich aus dem Schlaf geweckt weil ich Nm. nicht zu Hause war als der Postbote kam. Nun gibt es im Menschenleben Augenblicke wo man eben nicht gerne gestört wird! Begreifst Du das mein geliebtester Bräuti|gam alias Dr. SchigorskiFigur aus Max Halbes Drama „Jugend“ (1893), ein Asket und religiöser Fanatiker.? ‒ Oder vielleicht liebst Du mich nicht mehr? Das würde mich sehr kränken! Bitte komm doch nach Wien, ‒ ich sehne mich sehr nach Dir u. möchte Dir so gerne ein paar Stunden Deines Daseins versüssen! ‒ Ist mein StückWedekind hat Berthe Marie Denk, die offenbar die letzte Nummer der „Fackel“ von Karl Kraus noch nicht zur Kenntnis genommen hat, sein neues dort gedrucktes Stück „Totentanz“ zugeeignet: „Meiner Braut in innigster Liebe gewidmet.“ [Frank Wedekind: Totentanz. Drei Szenen. In: Die Fackel, Jg. 7, Nr. 183/184, 4.7.1905, S. 1] Der Widmung vorangestellt ist „ohne Angabe der Zitatstelle“ [KSA 6, S. 623] ein griechisch geschriebenes Motto (ein Zitat aus Matthäus 21,13) [vgl. KSA 6, S. 99]: „Wahrlich, ich sage euch: Die Huren mögen wohl eher ins Reich Gottes kommen als ihr. Jesus.“ [KSA 6, S. 623] schon fertig? Spielt es in Andalusien? Mir ist was besseres als AdalusienSchreibversehen, statt: Andalusien. eingefallen:! Neapel, der Sitz der Camorra„ein Geheimbund [...] in Neapel, der die Verletzung der Gesetze förmlich organisiert hat“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. Bd. 13. Leipzig und Wien 1908, S. 53], jene „geheime Verbindung im vormaligen Königreich Neapel, deren Zweck auf Geldgewinn durch Erpressungen bei allen Geschäften und in allen Ständen hinauslief.“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. Bd. 3. Leipzig und Wien 1905, S. 722]. Weisst, was die „Camorra“ ist. Eine Art geheimbundSchreibversehen, statt: Geheimbund. | denen nichts heilig ist, ‒ etc. etc! Ich kann Dir das nicht so definieren! Jedenfalls sind sie gefürchtet sogar von der Polizei! Man kann nichts ausrichten gegen sie! ‒

Liebster, schreibe mir sofort einen lieben Brief u. wenn Du mich liebst so komm nach Wien! ‒ Ich hab Dich noch immer sehr lieb u. möchte dass Du es weisst! Bin ich noch immer Deine ‒
Braut?

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 20 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat oben auf Seite 1 mit blauem Buntstift das Datum „16.7.5.“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 15.7.1905 ist als Ankerdatum gesetzt – das wahrscheinliche Schreibdatum nach Wedekinds auf dem Brief notiertem Empfangsdatum 16.7.1905, einen Tag für den Postweg von Wien nach München gerechnet. Im Tagebuch hat er allerdings den Empfang am 17.7.1907 notiert: „Brief von Bertha Maria.“

  • Schreibort

    Wien
    15. Juli 1905 (Samstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Wien
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur, Heft 131/132: Frank Wedekind

Titel des Aufsatzes:
Eine Liebe von Frank. Der Briefwechsel zwischen Frank Wedekind und Berthe Marie Denk
Herausgeber:
Elinor Waldmann
Verlag:
München: edition text + kritik
Jahrgang:
1996
Seitenangabe:
109
Briefnummer:
14
Kommentar:
Im Erstdruck ist der Brief auf den 16.7.1905 datiert.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 31
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Berthe Marie Denk an Frank Wedekind, 15.7.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

27.10.2024 09:44
Kennung: 2814

Wien, 15. Juli 1905 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Denk, Berthe Marie

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Mein heissgeliebtester Frank Wedekind!

Nach Deinen beiden sonderbaren Briefenvgl. Wedekind an Berthe Marie Denk, 14.7.1905. Der andere, früher geschriebene Brief ist nicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Berthe Marie Denk, 12.7.1905., die ich eben erhielt nehme ich an, dass Dir entweder die grosse HitzeBerthe Marie Denk hatte bereits auf die große Hitze in Wien angespielt [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 7.7.1905] und spielte nun auf die „außerordentliche Hitze“ [Gewitter mit Blitz und Hagelschlag. In: Allgemeine Zeitung, Jg. 108, Nr. 314, 12.7.1905, Morgenblatt, S. 6] in München an. in den Kopf gestiegen oder Du mich frozzeln willst, oder dass Du aus irgend einem mir nicht bekannten Grunde auf mich bös bist! ‒ Das mit dem | nicht telegraphierenBerthe Marie Denk hat Wedekind wissen lassen, er möge ihr keine Telegramme mehr schicken [vgl. Berthe Marie Denk an Wedekind, 11.7.1905], worauf er verschnupft reagierte [vgl. Wedekind an Berthe Marie Denk, 14.7.1905]. war nicht so bös gemeint! In Österreich bekommt man nämlich zu jedem Telegramm ein RecepisRezepisse (in Österreich gebräuchlich) = Empfangsbescheinigung.t das man unterschreiben muss u. wurde ich deshalb neulich aus dem Schlaf geweckt weil ich Nm. nicht zu Hause war als der Postbote kam. Nun gibt es im Menschenleben Augenblicke wo man eben nicht gerne gestört wird! Begreifst Du das mein geliebtester Bräuti|gam alias Dr. SchigorskiFigur aus Max Halbes Drama „Jugend“ (1893), ein Asket und religiöser Fanatiker.? ‒ Oder vielleicht liebst Du mich nicht mehr? Das würde mich sehr kränken! Bitte komm doch nach Wien, ‒ ich sehne mich sehr nach Dir u. möchte Dir so gerne ein paar Stunden Deines Daseins versüssen! ‒ Ist mein StückWedekind hat Berthe Marie Denk, die offenbar die letzte Nummer der „Fackel“ von Karl Kraus noch nicht zur Kenntnis genommen hat, sein neues dort gedrucktes Stück „Totentanz“ zugeeignet: „Meiner Braut in innigster Liebe gewidmet.“ [Frank Wedekind: Totentanz. Drei Szenen. In: Die Fackel, Jg. 7, Nr. 183/184, 4.7.1905, S. 1] Der Widmung vorangestellt ist „ohne Angabe der Zitatstelle“ [KSA 6, S. 623] ein griechisch geschriebenes Motto (ein Zitat aus Matthäus 21,13) [vgl. KSA 6, S. 99]: „Wahrlich, ich sage euch: Die Huren mögen wohl eher ins Reich Gottes kommen als ihr. Jesus.“ [KSA 6, S. 623] schon fertig? Spielt es in Andalusien? Mir ist was besseres als AdalusienSchreibversehen, statt: Andalusien. eingefallen:! Neapel, der Sitz der Camorra„ein Geheimbund [...] in Neapel, der die Verletzung der Gesetze förmlich organisiert hat“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. Bd. 13. Leipzig und Wien 1908, S. 53], jene „geheime Verbindung im vormaligen Königreich Neapel, deren Zweck auf Geldgewinn durch Erpressungen bei allen Geschäften und in allen Ständen hinauslief.“ [Meyers Großes Konversations-Lexikon. 6. Aufl. Bd. 3. Leipzig und Wien 1905, S. 722]. Weisst, was die „Camorra“ ist. Eine Art geheimbundSchreibversehen, statt: Geheimbund. | denen nichts heilig ist, ‒ etc. etc! Ich kann Dir das nicht so definieren! Jedenfalls sind sie gefürchtet sogar von der Polizei! Man kann nichts ausrichten gegen sie! ‒

Liebster, schreibe mir sofort einen lieben Brief u. wenn Du mich liebst so komm nach Wien! ‒ Ich hab Dich noch immer sehr lieb u. möchte dass Du es weisst! Bin ich noch immer Deine ‒
Braut?

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 20 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Wedekind hat oben auf Seite 1 mit blauem Buntstift das Datum „16.7.5.“ notiert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 15.7.1905 ist als Ankerdatum gesetzt – das wahrscheinliche Schreibdatum nach Wedekinds auf dem Brief notiertem Empfangsdatum 16.7.1905, einen Tag für den Postweg von Wien nach München gerechnet. Im Tagebuch hat er allerdings den Empfang am 17.7.1907 notiert: „Brief von Bertha Maria.“

  • Schreibort

    Wien
    15. Juli 1905 (Samstag)
    Ermittelt (sicher)

  • Absendeort

    Wien
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Text + Kritik. Zeitschrift für Literatur, Heft 131/132: Frank Wedekind

Titel des Aufsatzes:
Eine Liebe von Frank. Der Briefwechsel zwischen Frank Wedekind und Berthe Marie Denk
Herausgeber:
Elinor Waldmann
Verlag:
München: edition text + kritik
Jahrgang:
1996
Seitenangabe:
109
Briefnummer:
14
Kommentar:
Im Erstdruck ist der Brief auf den 16.7.1905 datiert.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 31
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Berthe Marie Denk an Frank Wedekind, 15.7.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
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Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

27.10.2024 09:44