Vergleichsansicht

Bitte wählen Sie je ein Dokument für die linke und rechte Seite über die Eingabefelder aus.

Kennung: 2687

München, 5. Juni 1905 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Sandrock, Adele

Inhalt

Hochverehrtes gnädiges FräuleinAdele Sandrock, Schauspielerin am Kaiserjubiläums-Stadttheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 603], mit dem sie einen Jahres-Gastspiel-Vertrag hatte und zuvor von 1902 bis 1904 am Deutschen Volkstheater in Wien engagiert war [vgl. Balk 1997, S. 143]. Berühmt war sie durch ihr Engagement 1895 am Wiener Burgtheater, das sie 1898 kündigte; „dem sensationellen Schritt waren mehrere Auseinandersetzungen vorausgegangen. Pläne zur Errichtung eines eigenen Theaters scheitern.“ [Balk 1997, S. 142] Karl Kraus hatte sie als Darstellerin der Gräfin Geschwitz in der Wiener „Die Büchse der Pandora“-Premiere gewinnen können (siehe unten).! Ich kann es mir nicht nehmen lassen, Ihnen für Ihre Mitwirkung bei der Aufführung meines Stückes meinen tiefsten Dank auszusprechen. Die erschütternden Herzenstöne, die ich an jenem AbendDie von Karl Kraus veranstaltete Wiener Premiere von Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) fand am 29.5.1905 in geschlossener Vorstellung statt „auf der Bühne des Trianon-Theaters im Nestroyhof [...], das Kraus für diesen Zweck gemietet hatte“ [Nottscheid 2008, S. 141]. Wedekind lernte die Schauspielerin Adele Sandrock „anläßlich der Wiener Aufführung der ‚Büchse der Pandora‘ [...] kennen“ [KSA 5/III, S. 360] – sie spielte die Rolle der Gräfin Geschwitz [vgl. KSA 3/I, S. 548]. zum erstenmal von Ihnen hörte, werde ich wohl schwerlich in meinem Leben je vergessen. Halten Sie mich, bitte, nicht für einen Kunstbarbaren, weil ich Sie bis dahin noch nie auf der Bühne gesehen hatte. Ich war bis dahin nur zweimal in WienWedekind war ein erstes Mal mit Carl Heine und seinem Ensemble bei einem Gastspiels des Ibsen-Theaters vom 2. bis 12.6.1898 im Carl-Theater in Wien, ein zweites Mal vom 14. bis 22.11.1901 zu einem Gastspiel des Jung-Wiener Theaters „Zum lieben Augustin“ im Theater an der Wien. gewesen und war dabei selber allabendlich beschäftigt. Ich rechne es mir als ein großes Glück an, daß ich Ihre gewaltige Kunst kennen lernen durfte, und bitte Sie, daran glauben zu wollen, daß ich die Ehre, die meiner Arbeit durch Ihre Mitwirkung zuteil wurde, im höchsten Maße zu schätzen weiß. Sie scheinen mir als Künstlerin dazu auserlesen, überlebensgroße Gestalten derart zu verkörpern, daß der Zuschauer gezwungen ist, an die Wirklichkeit solcher Gestalten zu glauben. In diesem Sinne wird Ihre Kunst meinem Schaffen von heute ab ein Vorbild sein. Ich wüßte mir kein höheres Glück, als ein Menschenschicksal zu schaffen, das groß und tief genug wäre, daß Sie Ihre seelische Gewalt völlig darin ausleben könnten, und dessen Darstellung Ihnen selber dabei mehr menschliche Genugtuung gewährt als die Rolle, die Sie in meinem Stück so über alle Maßen wundervoll verkörperten. Erlauben Sie mir, gnädiges Fräulein, Ihnen den Ausdruck größter Verehrung und größter Dankbarkeit zu Füßen zu legen. Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Sonstiges:
Das Korrespondenzstück ist nur im Druck überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 5.6.1905 ist als Ankerdatum gesetzt. Der Brief ist vor dem 10.6.1905 geschrieben worden (dem Datum des Erstdrucks in der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“), möglicherweise, als Wedekind erfahren hat, dass eine zweite Vorstellung der „Büchse der Pandora“ (am 15.6.1905) stattfinden werde [vgl. Wedekind an Karl Kraus, 5.6.1905], spätestens aber am 8. oder 9.6.1905 (einen Tag für den Postweg von München nach Wien gerechnet, wobei die Drucklegung des offenen Briefes noch mitbedacht werden muss und eher ein früheres Schreibdatum anzunehmen ist) sowie frühestens am 31.5.1905, als Wedekind dem Tagebuch zufolge zurück aus Wien wieder in München war („Ankunft in München“). Der Schreibort München ist durch die redaktionelle Einleitung zum Erstdruck belegt („Aus Anlaß der Mitwirkung Adele Sandrocks in seinem Stück ‚Die Büchse der Pandora‘ hat Frank Wedekind aus München an die Künstlerin folgendes Schreiben gerichtet:“).

  • Schreibort

    München
    5. Juni 1905 (Montag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Die Zeit

Herausgeber:
Isidor Singer, Heinrich Kanner
Verlag:
Wien: Verlag "Die Zeit"
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Frank Wedekind an Adele Sandrock. In: Die Zeit, Jg. 4, Nr. 972, 10.6.1905, Morgenblatt, S. 3. Der offene Brief in der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“ ist mit folgenden Worten eingeleitet: „Aus Anlaß der Mitwirkung Adele Sandrocks in seinem Stück „Die Büchse der Pandora“ hat Frank Wedekind aus München an die Künstlerin folgendes Schreiben gerichtet:“ – Nachdruck: KSA 5/II, S. 225.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Adele Sandrock, 5.6.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

28.10.2024 12:53
Kennung: 2687

München, 5. Juni 1905 (Montag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Sandrock, Adele
 
 

Inhalt

Hochverehrtes gnädiges FräuleinAdele Sandrock, Schauspielerin am Kaiserjubiläums-Stadttheater in Wien [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 603], mit dem sie einen Jahres-Gastspiel-Vertrag hatte und zuvor von 1902 bis 1904 am Deutschen Volkstheater in Wien engagiert war [vgl. Balk 1997, S. 143]. Berühmt war sie durch ihr Engagement 1895 am Wiener Burgtheater, das sie 1898 kündigte; „dem sensationellen Schritt waren mehrere Auseinandersetzungen vorausgegangen. Pläne zur Errichtung eines eigenen Theaters scheitern.“ [Balk 1997, S. 142] Karl Kraus hatte sie als Darstellerin der Gräfin Geschwitz in der Wiener „Die Büchse der Pandora“-Premiere gewinnen können (siehe unten).! Ich kann es mir nicht nehmen lassen, Ihnen für Ihre Mitwirkung bei der Aufführung meines Stückes meinen tiefsten Dank auszusprechen. Die erschütternden Herzenstöne, die ich an jenem AbendDie von Karl Kraus veranstaltete Wiener Premiere von Wedekinds Tragödie „Die Büchse der Pandora“ (1903) fand am 29.5.1905 in geschlossener Vorstellung statt „auf der Bühne des Trianon-Theaters im Nestroyhof [...], das Kraus für diesen Zweck gemietet hatte“ [Nottscheid 2008, S. 141]. Wedekind lernte die Schauspielerin Adele Sandrock „anläßlich der Wiener Aufführung der ‚Büchse der Pandora‘ [...] kennen“ [KSA 5/III, S. 360] – sie spielte die Rolle der Gräfin Geschwitz [vgl. KSA 3/I, S. 548]. zum erstenmal von Ihnen hörte, werde ich wohl schwerlich in meinem Leben je vergessen. Halten Sie mich, bitte, nicht für einen Kunstbarbaren, weil ich Sie bis dahin noch nie auf der Bühne gesehen hatte. Ich war bis dahin nur zweimal in WienWedekind war ein erstes Mal mit Carl Heine und seinem Ensemble bei einem Gastspiels des Ibsen-Theaters vom 2. bis 12.6.1898 im Carl-Theater in Wien, ein zweites Mal vom 14. bis 22.11.1901 zu einem Gastspiel des Jung-Wiener Theaters „Zum lieben Augustin“ im Theater an der Wien. gewesen und war dabei selber allabendlich beschäftigt. Ich rechne es mir als ein großes Glück an, daß ich Ihre gewaltige Kunst kennen lernen durfte, und bitte Sie, daran glauben zu wollen, daß ich die Ehre, die meiner Arbeit durch Ihre Mitwirkung zuteil wurde, im höchsten Maße zu schätzen weiß. Sie scheinen mir als Künstlerin dazu auserlesen, überlebensgroße Gestalten derart zu verkörpern, daß der Zuschauer gezwungen ist, an die Wirklichkeit solcher Gestalten zu glauben. In diesem Sinne wird Ihre Kunst meinem Schaffen von heute ab ein Vorbild sein. Ich wüßte mir kein höheres Glück, als ein Menschenschicksal zu schaffen, das groß und tief genug wäre, daß Sie Ihre seelische Gewalt völlig darin ausleben könnten, und dessen Darstellung Ihnen selber dabei mehr menschliche Genugtuung gewährt als die Rolle, die Sie in meinem Stück so über alle Maßen wundervoll verkörperten. Erlauben Sie mir, gnädiges Fräulein, Ihnen den Ausdruck größter Verehrung und größter Dankbarkeit zu Füßen zu legen. Frank Wedekind.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 0 Blatt, davon 0 Seiten beschrieben

Sonstiges:
Das Korrespondenzstück ist nur im Druck überliefert.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 5.6.1905 ist als Ankerdatum gesetzt. Der Brief ist vor dem 10.6.1905 geschrieben worden (dem Datum des Erstdrucks in der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“), möglicherweise, als Wedekind erfahren hat, dass eine zweite Vorstellung der „Büchse der Pandora“ (am 15.6.1905) stattfinden werde [vgl. Wedekind an Karl Kraus, 5.6.1905], spätestens aber am 8. oder 9.6.1905 (einen Tag für den Postweg von München nach Wien gerechnet, wobei die Drucklegung des offenen Briefes noch mitbedacht werden muss und eher ein früheres Schreibdatum anzunehmen ist) sowie frühestens am 31.5.1905, als Wedekind dem Tagebuch zufolge zurück aus Wien wieder in München war („Ankunft in München“). Der Schreibort München ist durch die redaktionelle Einleitung zum Erstdruck belegt („Aus Anlaß der Mitwirkung Adele Sandrocks in seinem Stück ‚Die Büchse der Pandora‘ hat Frank Wedekind aus München an die Künstlerin folgendes Schreiben gerichtet:“).

  • Schreibort

    München
    5. Juni 1905 (Montag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Wien
    Datum unbekannt

Erstdruck

Die Zeit

Herausgeber:
Isidor Singer, Heinrich Kanner
Verlag:
Wien: Verlag "Die Zeit"
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Frank Wedekind an Adele Sandrock. In: Die Zeit, Jg. 4, Nr. 972, 10.6.1905, Morgenblatt, S. 3. Der offene Brief in der Wiener Tageszeitung „Die Zeit“ ist mit folgenden Worten eingeleitet: „Aus Anlaß der Mitwirkung Adele Sandrocks in seinem Stück „Die Büchse der Pandora“ hat Frank Wedekind aus München an die Künstlerin folgendes Schreiben gerichtet:“ – Nachdruck: KSA 5/II, S. 225.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Es gibt keine Informationen zum Standort.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Adele Sandrock, 5.6.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

28.10.2024 12:53