Vergleichsansicht

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Kennung: 2686

Salzburg, 5. Mai 1914 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Strindberg, Friedrich

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

5.V.1914.


Lieber Frank!

Ich bin auf den Briefvgl. Frank Wedekind an Friedrich Strindberg, 4.5.1914. Der Brief ist nur als Entwurf überliefert. Der abgeschickte Brief war offenbar ausführlicher und muss auch Vorbehalte Wedekinds gegen Stoff und Handlung von Friedrich Strindbergs Drama „Menschenrecht“ enthalten haben, mit dem er seinen Namen nicht in Verbindung gebracht wissen wollte. vernichtet. –

Ich will und kann unmöglich mir gegenüber entschuldigen, was ich nicht etwa als beleidigende Tendenz, sondern als Drama, als künstliches Phantasiegebilde nahm. In Wahrheit ist es ja eine schlimme Phantasieverirrung für den, der das ganze vom subjektiven Standpunkt beurteilt. Und das sah ich früher ein: – ich schrieb nicht umsonst darin die Idee nieder, daß dieser individualistische Gegensatz zu ewigenSchreibversehen, statt: ewigem. Unfrieden, zu vernichtenden Tatsachen in der Weltgeschichte führt. Es muß zu Unheil führen: nach einem (alten) neuen Standpunkt zu schreiben und nach einem alten aufgefaßt zu | zu werden.

Auch verstehe ich nur jetzt zu gut: warum meine Großmama Unheil witterteSeine Großmutter Marie Uhl gehörte zu den von Friedrich Strindberg später genannten Personen, denen er sein Stück vorgelesen hatte [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 9.5.1914]..

Als ich den letzten so lieben Brief erhielt, dachte ich „Menschenrecht“ werde ein Unterpfand unserer Liebe. Wenn im Drama ein bischen Kunst schlummert, – ich kann es nicht beurteilen, – so bitte ich Dich, nicht di/e/n Inhalt, der mir nur als allgemeiner Stoff diente, zu beachten.

Daß ich den Stoff wählte, danke ich einem – bei uns sagt man – Rausch, d. h. nicht von Bier, sondern diversem anderen. Weil ich nach dem hohen MusterPaul Verlaine war bekannt für seine Trunksucht und galt als der Dichter des Absinths. von Verlaine glaubte, daß das eben alles gut sein muß, was einem in benebeltem Zustand einfällt, kam ich zu dem Drama, | das mir nur dazu dienen sollte, zu sagen, wie unangenehm eventuell eine verbitterte Jugend sei (Lida.eine Figur aus dem nicht überlieferten Drama „Menschenrecht“; vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 6.4.1914.); auszusprechen wie der Konflickt zwischen Alt und Neu ausgeht und am Schluß, um einer inneren Notwendigkeit zu gehorchen, die mir sagte: daß ich zu schreiben habe, was,…ich schrieb eben ohne Bedenken im Gedenken einer neuen Zeit; die innere Handlung war mir ziehmlich egal. Hauptsache: Lida, und andre Personen, ja alle in ihren psychologischen Eigenheiten.

Daß aber die Widmung Du übel auffaßt, daran dachte ich nicht. Es war doch auf keinen Fall nominellgemeint ist hier: namentlich. gemeint. Sie steht noch nirgends und wenn, so würde sie wie ich mir erst | gestern zurechtlegte, lauten:
„Dem ich alles verdanke
in Liebe gewidmet.“

Ich schreibe E/e/s nur aus dem Grunde, um zu zeigen, daß mir alles ferner lag, als eine Beleidigung. Ich wollte auf keinen Fall eine anders geartete Ironie etwa gar hineinlegen.

Ich gab mich Dir immer ganz offen, nur offenZwischen den beiden Worten befindet sich ein durchgestrichener Tintenfleck., so herzlich ich eben konnte. Bitte verzeihe, aber Du wirst doch auch der Meinung sein, daß von irgendeiner BöswilligkeitFriedrich Strindberg reagierte hier anscheinend auf eine Unterstellung Wedekinds; der Vorwurf der „Bosheit und Gehässigkeit“ gegenüber seinem Sohn kehrt in späteren Briefen Wedekinds wieder [vgl. Wedekind an Friedrich Strindberg, 24.8.1914 und 17.9.1914]. nur die Rede sein kann, wenn ich es etwa so aufgefaßt hätte. Aber mir lag alles ferner als das.

Mir kommt vor, daß ich bisher recht viel Verdrießlichkeiten Dir angetan |

2.

habe, das Unangenehmste, dessen ich mich erinnere. Aber ich sage es, um mich über mich selbst nicht hinwegzuteuschenSchreibversehen, statt: hinwegzutäuschen.. Auch ich will gern um unsrer dauernden Freundschaft willen etwas entsagen.

Ich schrieb bisher an Kurt WolffFriedrich Strindbergs Brief an Kurt Wolff ist nicht überliefert., ob er es zur Durchsicht nimmt; an R. Dehmel vom VorhandenseinFriedrich Strindberg schrieb am 3.5.1914 [irrtümlich datiert auf den 3.4.1914] an Richard Dehmel: „Nun habe ich zu den Osterzeiten in München meinem Vater, Herrn Wedekind die Grüße ausgerichtet und er erwidert sie von ganzem Herzen. Zu Ostern war es auch, da ich Ihm mein Stück ‚Menschenrecht‘ vorlas; es gefiehl Ihm recht gut und auf seinen Rat wandte ich mich damit an Kurt Wolff, Verlag Leipzig, von wo ich noch auf Antwort warte. Mittlerweile wurde es in München vervielfältigt (auf Schreibmaschinen) und nun bitte ich Herrn Dehmel, ob Sie so gütig sein wollten, ein Exemplar zu lesen: – – – / Es ist im selben Dramenstil wie etwa ‚Franziska‘; nur das Allernotwendigste ist gesagt, lyrische Stellen finden sich recht häufig, Lieder etct. Ein ganzes Hexenballett ist hineingestreut und besonders der Gegensatz zwischen dem Gesichtspunkte eines jeden einzelnen ist scharf herausgearbeitet. […] Nun bitte ich, ob ich Herrn Dehmel das Stücklein senden lassen dürfte. Denn es ruht gegenwärtig in München im Büro, von wo ich es ja addressieren lassen kann, an wen ich will. […] so freue ich mich im vorhinein auf das Urteil Herrn Dehmels, das mir mehr als jedes andre gilt.“ [Dehmel-Archiv der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg DA:Br:S 1888]. Die Exemplare sind bei mir verborgen und Keiner weiß bisher von Iihrem Vorhandensein. Das Manuskript ist in München, ein 2. eingesperrt in Mondseeim Haus der Großmutter Marie Uhl..

Nun bin ich bereit die Exemplare nach München zu senden – nur als Symbol etwa f/d/afür, daß ich ohne Deine weitere Einwilligung nichts zu tun | im Sinne habe. Ja: – das Stück ist etwa eine Intimität, was unser Verhältnis anbelangt. So gut. Ich stelle Dir das Stück zur Verfügung; wenn es Dir halbwegs als Genugtuung dienen kann, so bitte ich d/D/ich, verfüge darüber, wie es d/D/ir gut dünkt. Wenn das imstande ist, Dich zu versöhnen.

Ich bin zwar sicher, daß mir in meinem zukünftigen Lebenskampf (– der hoffentlich bald losgeht –) ich kein besseres Schicksal erwarten kann, als viele andre. Das ist mir eventuell gleich, denn es wird nicht zu ändern sein. Auch weiß ich nur zu gut, daß mein künftiges Lebenben i/n/icht ganz freudenreich sein wird. Ich verzichte auch auf solche Freuden, die sich manche in einemdie versehentlich zusammengeschriebenen Worte wurden durch einen senkrechten Strich voneinander getrennt. Leben zu liefern glauben, das den Geist in den Kanal schmeißt. |

Doch abgesehen davon.

Nimm bitte das Stück – wenn es halbwegs noch möglich ist – nicht zu ernst. Als künstlerisches Erzeugnis ist es glaube ich nicht das schlechteste. Das Persönliche bitte ich Dich, nicht zu beachten. Überhaupt gar nicht dessen zu gedenken. Fasse also auch bitte die gedachte Widmung nicht so auf; nicht wahr, Du verzeihst, wenn ich Dich darum bitte, gedenke nicht des Vergangenen.

Erich Mühsam bitte ich gleichzeitig (der letzte Brief an Dich wurde von Seite des Direktors aufgehalten, so, daß er sich unabsichtlich verspäteteDer am 29.4.1914 geschriebene Brief erreichte Wedekind erst am 4.5.1914 [vgl. Tb]..) das Manuskript nicht zu veröffentlichenFriedrich Strindberg hatte zuletzt berichtet, er habe einen Essay an Erich Mühsam versandt, der das Verhältnis der Zensurbehörde zu Wedekind zum Gegenstand hätte, und hoffe auf Abdruck in dessen Zeitschrift unter einem Pseudonym [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 29.4.1914]. Strindberg hatte Mühsam bei seinem Weihnachtsbesuch 1913 in München persönlich kennengelernt und dort wiederholt getroffen, so am 31.12.1913: „Fritz geht ins Café Stephanie und spielt 3 Schachpartien mit Mühsam.“ [Tb]; wegen irgendeines Hindernisses. Ich finde schon etwas.

Auch sagte ich, daß es kennzeichnend für alles sei, daß man jedes Stück (in dem) das etwa schärfer sei, wie „Totentanz“ oder andre verbot. Dadurch ist es natürlich unmöglich, Dich vollends in jedem Stücke zu würdigen.

Nicht wahr, Du verzeihst dies alles; Ich weiß nicht, ob Dir alles genügt. Daß ich Dich gern habe, soll uns nicht entzweien, sondern mich Dir näher bringen. Ich sehe mich Dir nahe; nahe, daß ich nur emporschauen kann, aber nicht in kalter Bewunderung, sondern in Liebe. Denn nur die bringt angenehmes ins Leben; sei es so oder so. Über „Men.“ warte ich völlig Deine Verfügungen ab. Bitte!

In herzlicher Liebe
Friedrich Strindberg.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift. Einzelne Buchstaben in Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Schreibort darf Salzburg angenommen werden, wo sich Friedrich Strindbergs Internat befand.

  • Schreibort

    Salzburg
    5. Mai 1914 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Salzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 165a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 5.5.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (11.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

24.10.2024 11:28
Kennung: 2686

Salzburg, 5. Mai 1914 (Dienstag), Brief

Autor*in

  • Strindberg, Friedrich

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

5.V.1914.


Lieber Frank!

Ich bin auf den Briefvgl. Frank Wedekind an Friedrich Strindberg, 4.5.1914. Der Brief ist nur als Entwurf überliefert. Der abgeschickte Brief war offenbar ausführlicher und muss auch Vorbehalte Wedekinds gegen Stoff und Handlung von Friedrich Strindbergs Drama „Menschenrecht“ enthalten haben, mit dem er seinen Namen nicht in Verbindung gebracht wissen wollte. vernichtet. –

Ich will und kann unmöglich mir gegenüber entschuldigen, was ich nicht etwa als beleidigende Tendenz, sondern als Drama, als künstliches Phantasiegebilde nahm. In Wahrheit ist es ja eine schlimme Phantasieverirrung für den, der das ganze vom subjektiven Standpunkt beurteilt. Und das sah ich früher ein: – ich schrieb nicht umsonst darin die Idee nieder, daß dieser individualistische Gegensatz zu ewigenSchreibversehen, statt: ewigem. Unfrieden, zu vernichtenden Tatsachen in der Weltgeschichte führt. Es muß zu Unheil führen: nach einem (alten) neuen Standpunkt zu schreiben und nach einem alten aufgefaßt zu | zu werden.

Auch verstehe ich nur jetzt zu gut: warum meine Großmama Unheil witterteSeine Großmutter Marie Uhl gehörte zu den von Friedrich Strindberg später genannten Personen, denen er sein Stück vorgelesen hatte [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 9.5.1914]..

Als ich den letzten so lieben Brief erhielt, dachte ich „Menschenrecht“ werde ein Unterpfand unserer Liebe. Wenn im Drama ein bischen Kunst schlummert, – ich kann es nicht beurteilen, – so bitte ich Dich, nicht di/e/n Inhalt, der mir nur als allgemeiner Stoff diente, zu beachten.

Daß ich den Stoff wählte, danke ich einem – bei uns sagt man – Rausch, d. h. nicht von Bier, sondern diversem anderen. Weil ich nach dem hohen MusterPaul Verlaine war bekannt für seine Trunksucht und galt als der Dichter des Absinths. von Verlaine glaubte, daß das eben alles gut sein muß, was einem in benebeltem Zustand einfällt, kam ich zu dem Drama, | das mir nur dazu dienen sollte, zu sagen, wie unangenehm eventuell eine verbitterte Jugend sei (Lida.eine Figur aus dem nicht überlieferten Drama „Menschenrecht“; vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 6.4.1914.); auszusprechen wie der Konflickt zwischen Alt und Neu ausgeht und am Schluß, um einer inneren Notwendigkeit zu gehorchen, die mir sagte: daß ich zu schreiben habe, was,…ich schrieb eben ohne Bedenken im Gedenken einer neuen Zeit; die innere Handlung war mir ziehmlich egal. Hauptsache: Lida, und andre Personen, ja alle in ihren psychologischen Eigenheiten.

Daß aber die Widmung Du übel auffaßt, daran dachte ich nicht. Es war doch auf keinen Fall nominellgemeint ist hier: namentlich. gemeint. Sie steht noch nirgends und wenn, so würde sie wie ich mir erst | gestern zurechtlegte, lauten:
„Dem ich alles verdanke
in Liebe gewidmet.“

Ich schreibe E/e/s nur aus dem Grunde, um zu zeigen, daß mir alles ferner lag, als eine Beleidigung. Ich wollte auf keinen Fall eine anders geartete Ironie etwa gar hineinlegen.

Ich gab mich Dir immer ganz offen, nur offenZwischen den beiden Worten befindet sich ein durchgestrichener Tintenfleck., so herzlich ich eben konnte. Bitte verzeihe, aber Du wirst doch auch der Meinung sein, daß von irgendeiner BöswilligkeitFriedrich Strindberg reagierte hier anscheinend auf eine Unterstellung Wedekinds; der Vorwurf der „Bosheit und Gehässigkeit“ gegenüber seinem Sohn kehrt in späteren Briefen Wedekinds wieder [vgl. Wedekind an Friedrich Strindberg, 24.8.1914 und 17.9.1914]. nur die Rede sein kann, wenn ich es etwa so aufgefaßt hätte. Aber mir lag alles ferner als das.

Mir kommt vor, daß ich bisher recht viel Verdrießlichkeiten Dir angetan |

2.

habe, das Unangenehmste, dessen ich mich erinnere. Aber ich sage es, um mich über mich selbst nicht hinwegzuteuschenSchreibversehen, statt: hinwegzutäuschen.. Auch ich will gern um unsrer dauernden Freundschaft willen etwas entsagen.

Ich schrieb bisher an Kurt WolffFriedrich Strindbergs Brief an Kurt Wolff ist nicht überliefert., ob er es zur Durchsicht nimmt; an R. Dehmel vom VorhandenseinFriedrich Strindberg schrieb am 3.5.1914 [irrtümlich datiert auf den 3.4.1914] an Richard Dehmel: „Nun habe ich zu den Osterzeiten in München meinem Vater, Herrn Wedekind die Grüße ausgerichtet und er erwidert sie von ganzem Herzen. Zu Ostern war es auch, da ich Ihm mein Stück ‚Menschenrecht‘ vorlas; es gefiehl Ihm recht gut und auf seinen Rat wandte ich mich damit an Kurt Wolff, Verlag Leipzig, von wo ich noch auf Antwort warte. Mittlerweile wurde es in München vervielfältigt (auf Schreibmaschinen) und nun bitte ich Herrn Dehmel, ob Sie so gütig sein wollten, ein Exemplar zu lesen: – – – / Es ist im selben Dramenstil wie etwa ‚Franziska‘; nur das Allernotwendigste ist gesagt, lyrische Stellen finden sich recht häufig, Lieder etct. Ein ganzes Hexenballett ist hineingestreut und besonders der Gegensatz zwischen dem Gesichtspunkte eines jeden einzelnen ist scharf herausgearbeitet. […] Nun bitte ich, ob ich Herrn Dehmel das Stücklein senden lassen dürfte. Denn es ruht gegenwärtig in München im Büro, von wo ich es ja addressieren lassen kann, an wen ich will. […] so freue ich mich im vorhinein auf das Urteil Herrn Dehmels, das mir mehr als jedes andre gilt.“ [Dehmel-Archiv der Staats- und Universitätsbibliothek Hamburg DA:Br:S 1888]. Die Exemplare sind bei mir verborgen und Keiner weiß bisher von Iihrem Vorhandensein. Das Manuskript ist in München, ein 2. eingesperrt in Mondseeim Haus der Großmutter Marie Uhl..

Nun bin ich bereit die Exemplare nach München zu senden – nur als Symbol etwa f/d/afür, daß ich ohne Deine weitere Einwilligung nichts zu tun | im Sinne habe. Ja: – das Stück ist etwa eine Intimität, was unser Verhältnis anbelangt. So gut. Ich stelle Dir das Stück zur Verfügung; wenn es Dir halbwegs als Genugtuung dienen kann, so bitte ich d/D/ich, verfüge darüber, wie es d/D/ir gut dünkt. Wenn das imstande ist, Dich zu versöhnen.

Ich bin zwar sicher, daß mir in meinem zukünftigen Lebenskampf (– der hoffentlich bald losgeht –) ich kein besseres Schicksal erwarten kann, als viele andre. Das ist mir eventuell gleich, denn es wird nicht zu ändern sein. Auch weiß ich nur zu gut, daß mein künftiges Lebenben i/n/icht ganz freudenreich sein wird. Ich verzichte auch auf solche Freuden, die sich manche in einemdie versehentlich zusammengeschriebenen Worte wurden durch einen senkrechten Strich voneinander getrennt. Leben zu liefern glauben, das den Geist in den Kanal schmeißt. |

Doch abgesehen davon.

Nimm bitte das Stück – wenn es halbwegs noch möglich ist – nicht zu ernst. Als künstlerisches Erzeugnis ist es glaube ich nicht das schlechteste. Das Persönliche bitte ich Dich, nicht zu beachten. Überhaupt gar nicht dessen zu gedenken. Fasse also auch bitte die gedachte Widmung nicht so auf; nicht wahr, Du verzeihst, wenn ich Dich darum bitte, gedenke nicht des Vergangenen.

Erich Mühsam bitte ich gleichzeitig (der letzte Brief an Dich wurde von Seite des Direktors aufgehalten, so, daß er sich unabsichtlich verspäteteDer am 29.4.1914 geschriebene Brief erreichte Wedekind erst am 4.5.1914 [vgl. Tb]..) das Manuskript nicht zu veröffentlichenFriedrich Strindberg hatte zuletzt berichtet, er habe einen Essay an Erich Mühsam versandt, der das Verhältnis der Zensurbehörde zu Wedekind zum Gegenstand hätte, und hoffe auf Abdruck in dessen Zeitschrift unter einem Pseudonym [vgl. Friedrich Strindberg an Wedekind, 29.4.1914]. Strindberg hatte Mühsam bei seinem Weihnachtsbesuch 1913 in München persönlich kennengelernt und dort wiederholt getroffen, so am 31.12.1913: „Fritz geht ins Café Stephanie und spielt 3 Schachpartien mit Mühsam.“ [Tb]; wegen irgendeines Hindernisses. Ich finde schon etwas.

Auch sagte ich, daß es kennzeichnend für alles sei, daß man jedes Stück (in dem) das etwa schärfer sei, wie „Totentanz“ oder andre verbot. Dadurch ist es natürlich unmöglich, Dich vollends in jedem Stücke zu würdigen.

Nicht wahr, Du verzeihst dies alles; Ich weiß nicht, ob Dir alles genügt. Daß ich Dich gern habe, soll uns nicht entzweien, sondern mich Dir näher bringen. Ich sehe mich Dir nahe; nahe, daß ich nur emporschauen kann, aber nicht in kalter Bewunderung, sondern in Liebe. Denn nur die bringt angenehmes ins Leben; sei es so oder so. Über „Men.“ warte ich völlig Deine Verfügungen ab. Bitte!

In herzlicher Liebe
Friedrich Strindberg.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 8 Seiten beschrieben

Schrift:
Lateinische Schrift. Einzelne Buchstaben in Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Als Schreibort darf Salzburg angenommen werden, wo sich Friedrich Strindbergs Internat befand.

  • Schreibort

    Salzburg
    5. Mai 1914 (Dienstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Salzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 165a
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Friedrich Strindberg an Frank Wedekind, 5.5.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (11.12.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Tilman Fischer

Zuletzt aktualisiert

24.10.2024 11:28