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Kennung: 2643

Berlin, 3. Januar 1907 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Basil, Fritz

Inhalt

Lieber verehrter Freund!

Zuerst meinen Dank dafür daß Du Frl. Erw. auf der BühneFritz Basil, nach wie vor Hofschauspieler und Regisseur am Münchner Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 510], plante in München unter seiner Regie eine Inszenierung von „Frühlings Erwachen“, die ‒ veranstaltet vom Neuen Verein ‒ realisiert wurde und mit nur einer geschlossenen Vorstellung (eine zweite wurde von der Zensur nicht genehmigt) am 28.1.1907 im Münchner Schauspielhaus stattfand: „vor den Mitgliedern und geladenen Gästen des Vereins im Schauspielhause“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 60, Nr. 46, 28.1.1907, S. 4]. bringen willst. Ich habe eben das Personenverzeichnis an Ruederer geschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Josef Ruederer, 3.1.1907. ‒ Beilage war die (verschollene) Abschrift eines im Notizbuch überlieferten vollständigen Personenverzeichnisses von „Frühlings Erwachen“ [vgl. KSA 2, S. 775]. Josef Ruederer war Vorstandsmitglied des Neuen Vereins und dessen langjähriger Vorsitzender (Vorsitzender war inzwischen Wilhelm Rosenthal). und werde morgender 4.1.1907; der Versand des (nicht erhaltenen) Soufflierbuchs von „Frühlings Erwachen“ von Berlin nach München verzögerte sich, da Max Reinhardt zunächst nicht bereit war, es herauszugeben [vgl. Wedekind an Josef Ruederer, 7.1.1907], dann aber offenbar doch [vgl. Wedekind an Josef Ruederer, 9.1.1907]. für Absendung des Soufflierbuches sorgen.

Darf ich nur auf etwas von vorn herein hinweisen. Ich wurde hier in Berlin erst zur 10. ProbeBei den Proben für die dann äußerst erfolgreiche Uraufführung von „Frühlings Erwachen“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin am 20.11.1906 war Wedekind wohl erstmals am 25.10.1906 mit dabei (das war ein Tag nach der Freigabe durch die Zensur) – er notierte: „Vormittags auf der Probe“ [Tb], dann am 27.10. 1906: „Vormittags Probe. Ich arrangiere Kirchhofsscene“ [Tb], am 30.10.1906: „Abends Probe“ [Tb], um erst am 31.10.1906 auch den Titel des Stücks zu notieren: „Fr Erwachen Probe“ [Tb]; von da an bis zum Premierenabend hat Wedekind noch eine ganze Reihe Proben besucht. | zugelassen und fand da eine leibhaftige wirkliche Tragödie mit den höchsten dramatischen Tönen vor, in der der Humor gänzlich fehlte. Ich that dann mein möglichstes um den Humor zur Geltung zu bringen, ganz besonders in der Figur der WendlaDie Rolle der Wendla Bergmann wurde in der Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (siehe oben) von Camilla Eibenschütz gespielt, Schauspielerin im Ensemble Max Reinhardts [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 287]., in allen Scenen mit ihrer MutterDie Rolle der Frau Bergmann wurde in der Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (siehe oben) von Hedwig Wangel gespielt, Schauspielerin im Ensemble Max Reinhardts [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 287]., auch in der letzten„Frühlings Erwachen“ (1906), 3. Akt, 3. Szene [vgl. KSA 2, S. 366-368]., das Intellektuelle, das Spielerische zu heben und das Leidenschaftliche zu heben dämpfen, auch in | der Schlußscene„Frühlings Erwachen“ (1906), 3. Akt, 5. Szene [vgl. KSA 2, S. 369-376]. auf dem Kirchhof. Ich glaube, daß das Stück um so ergreifender wirkt, je harmloser, je sonniger, je lachender es gespielt wird. So vor allem der MonologMoritz Stiefels letzter Monolog am Ende des 2. Akts, 7. Szene von „Frühlings Erwachen“ (1906) [vgl. KSA 2, S. 295f.]. von MoritzDie Rolle des Moritz Stiefel wurde in der Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (siehe oben) von Alexander Moissi gespielt, Schauspieler im Ensemble Max Reinhardts [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 287]., Schluß vom 2. Akt, den ich bis auf den Schluß durchaus lustig sprechen ließ. Ich glaube, daß das Stück, wenn die Tragik und Leidenschaftlichkeit betont wird, leicht abstoßend wirken kann.

Du verzeihst mir, lieber Freund | daß ich Dir diese Bemerkungen als Ergebnis der hiesigen Einstudierung mittheile. Ich bin sonst ganz sicher Dich auf der Seite des Lustigen Witzigen gegenüber dem Humorlosen zu wissen. Aber dann wären sicher Leute gekommen, die Dir vorgeworfen hätten, Du hättest mich mißverstanden.

Mit den herzlichsten Grüßen an Dich und alle unsere Freunde und Freundinnen, bin ich Dein
dankbarer Schüler
Frank Wedekind.


Berlin 3.I.7.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Berlin
    3. Januar 1907 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Berlin
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

„Die Kultur-Umschau“ der Krefelder Zeitung

Titel des Aufsatzes:
Wedekind-Briefe
Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Karl von Felner
Jahrgang:
1923
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Karl von Felner: Wedekind-Briefe. In: „Die Kultur-Umschau“ der Krefelder Zeitung, Jg. 69, Nr. 170, 9.5.1923, S. (1). In der Vorbemerkung heißt es zum Auftakt: „‚Es sind wundervolle Briefe, und sie werfen auf den Menschen Wedekind wegen der Dankbarkeit, die er immer wieder betont, und wegen des bescheiden-kindlichen Sinnes ein feines Licht.‘ Mit diesen Worten begleitet Fritz Basil die Originale der sieben von Wedekind an ihn gerichteten Briefe, die er mir in liebenswürdiger und höchst dankenswerter Weise zum alleinigen und erstmaligen Abdruck in der ‚Krefelder Zeitung‘ zur Verfügung stellt.“ ‒ Zweitdruck: GB 2, S. 170-171 (Nr. 279).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Fritz Basil
Signatur des Dokuments:
FB B 356
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Fritz Basil, 3.1.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

12.04.2024 12:28
Kennung: 2643

Berlin, 3. Januar 1907 (Donnerstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Basil, Fritz
 
 

Inhalt

Lieber verehrter Freund!

Zuerst meinen Dank dafür daß Du Frl. Erw. auf der BühneFritz Basil, nach wie vor Hofschauspieler und Regisseur am Münchner Hoftheater [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 510], plante in München unter seiner Regie eine Inszenierung von „Frühlings Erwachen“, die ‒ veranstaltet vom Neuen Verein ‒ realisiert wurde und mit nur einer geschlossenen Vorstellung (eine zweite wurde von der Zensur nicht genehmigt) am 28.1.1907 im Münchner Schauspielhaus stattfand: „vor den Mitgliedern und geladenen Gästen des Vereins im Schauspielhause“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 60, Nr. 46, 28.1.1907, S. 4]. bringen willst. Ich habe eben das Personenverzeichnis an Ruederer geschicktHinweis auf ein nicht überliefertes Begleitschreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Wedekind an Josef Ruederer, 3.1.1907. ‒ Beilage war die (verschollene) Abschrift eines im Notizbuch überlieferten vollständigen Personenverzeichnisses von „Frühlings Erwachen“ [vgl. KSA 2, S. 775]. Josef Ruederer war Vorstandsmitglied des Neuen Vereins und dessen langjähriger Vorsitzender (Vorsitzender war inzwischen Wilhelm Rosenthal). und werde morgender 4.1.1907; der Versand des (nicht erhaltenen) Soufflierbuchs von „Frühlings Erwachen“ von Berlin nach München verzögerte sich, da Max Reinhardt zunächst nicht bereit war, es herauszugeben [vgl. Wedekind an Josef Ruederer, 7.1.1907], dann aber offenbar doch [vgl. Wedekind an Josef Ruederer, 9.1.1907]. für Absendung des Soufflierbuches sorgen.

Darf ich nur auf etwas von vorn herein hinweisen. Ich wurde hier in Berlin erst zur 10. ProbeBei den Proben für die dann äußerst erfolgreiche Uraufführung von „Frühlings Erwachen“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) in Berlin am 20.11.1906 war Wedekind wohl erstmals am 25.10.1906 mit dabei (das war ein Tag nach der Freigabe durch die Zensur) – er notierte: „Vormittags auf der Probe“ [Tb], dann am 27.10. 1906: „Vormittags Probe. Ich arrangiere Kirchhofsscene“ [Tb], am 30.10.1906: „Abends Probe“ [Tb], um erst am 31.10.1906 auch den Titel des Stücks zu notieren: „Fr Erwachen Probe“ [Tb]; von da an bis zum Premierenabend hat Wedekind noch eine ganze Reihe Proben besucht. | zugelassen und fand da eine leibhaftige wirkliche Tragödie mit den höchsten dramatischen Tönen vor, in der der Humor gänzlich fehlte. Ich that dann mein möglichstes um den Humor zur Geltung zu bringen, ganz besonders in der Figur der WendlaDie Rolle der Wendla Bergmann wurde in der Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (siehe oben) von Camilla Eibenschütz gespielt, Schauspielerin im Ensemble Max Reinhardts [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 287]., in allen Scenen mit ihrer MutterDie Rolle der Frau Bergmann wurde in der Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (siehe oben) von Hedwig Wangel gespielt, Schauspielerin im Ensemble Max Reinhardts [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 287]., auch in der letzten„Frühlings Erwachen“ (1906), 3. Akt, 3. Szene [vgl. KSA 2, S. 366-368]., das Intellektuelle, das Spielerische zu heben und das Leidenschaftliche zu heben dämpfen, auch in | der Schlußscene„Frühlings Erwachen“ (1906), 3. Akt, 5. Szene [vgl. KSA 2, S. 369-376]. auf dem Kirchhof. Ich glaube, daß das Stück um so ergreifender wirkt, je harmloser, je sonniger, je lachender es gespielt wird. So vor allem der MonologMoritz Stiefels letzter Monolog am Ende des 2. Akts, 7. Szene von „Frühlings Erwachen“ (1906) [vgl. KSA 2, S. 295f.]. von MoritzDie Rolle des Moritz Stiefel wurde in der Inszenierung von „Frühlings Erwachen“ an den Kammerspielen des Deutschen Theaters (siehe oben) von Alexander Moissi gespielt, Schauspieler im Ensemble Max Reinhardts [vgl. Neuer Theater-Almanach 1907, S. 287]., Schluß vom 2. Akt, den ich bis auf den Schluß durchaus lustig sprechen ließ. Ich glaube, daß das Stück, wenn die Tragik und Leidenschaftlichkeit betont wird, leicht abstoßend wirken kann.

Du verzeihst mir, lieber Freund | daß ich Dir diese Bemerkungen als Ergebnis der hiesigen Einstudierung mittheile. Ich bin sonst ganz sicher Dich auf der Seite des Lustigen Witzigen gegenüber dem Humorlosen zu wissen. Aber dann wären sicher Leute gekommen, die Dir vorgeworfen hätten, Du hättest mich mißverstanden.

Mit den herzlichsten Grüßen an Dich und alle unsere Freunde und Freundinnen, bin ich Dein
dankbarer Schüler
Frank Wedekind.


Berlin 3.I.7.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13 x 17 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Berlin
    3. Januar 1907 (Donnerstag)
    Sicher

  • Absendeort

    Berlin
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

„Die Kultur-Umschau“ der Krefelder Zeitung

Titel des Aufsatzes:
Wedekind-Briefe
Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Karl von Felner
Jahrgang:
1923
Kommentar:
Detaillierter Nachweis: Karl von Felner: Wedekind-Briefe. In: „Die Kultur-Umschau“ der Krefelder Zeitung, Jg. 69, Nr. 170, 9.5.1923, S. (1). In der Vorbemerkung heißt es zum Auftakt: „‚Es sind wundervolle Briefe, und sie werfen auf den Menschen Wedekind wegen der Dankbarkeit, die er immer wieder betont, und wegen des bescheiden-kindlichen Sinnes ein feines Licht.‘ Mit diesen Worten begleitet Fritz Basil die Originale der sieben von Wedekind an ihn gerichteten Briefe, die er mir in liebenswürdiger und höchst dankenswerter Weise zum alleinigen und erstmaligen Abdruck in der ‚Krefelder Zeitung‘ zur Verfügung stellt.“ ‒ Zweitdruck: GB 2, S. 170-171 (Nr. 279).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Fritz Basil
Signatur des Dokuments:
FB B 356
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Fritz Basil, 3.1.1907. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

12.04.2024 12:28