Vergleichsansicht

Bitte wählen Sie je ein Dokument für die linke und rechte Seite über die Eingabefelder aus.

Kennung: 2610

München, 25. Juni 1911 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Polizeidirektion München, (Behörde)

Inhalt

Über das ZensurverbotDas auf Gutachten aus dem Münchner Zensurbeirat gestützte Verbot einer öffentlichen Aufführung von Wedekinds Einakter „Totentanz“ durch die Münchner Zensurbehörde [vgl. Meyer 1982, S. 212-224] datiert vom 24.5.1910 [vgl. KSA 5/III, S. 812; KSA 6, S. 668]. von
Totentanz.


Da der Einakter ,,Totentanz“ verboten ist, wendet sich der Autor an Sachverständige, und zwar an zwei HochschulprofessorenProf. Dr. phil. Franz Muncker war seit 1896 [vgl. Meyer 1982, S. 87] Königlicher Universitätsprofessor für Literaturgeschichte an der Münchner Universität und Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 413]. Prof. Dr. phil. Emil Sulger-Gebing war seit 1902 [vgl. Meyer 1982, S. 90] Professor für Literaturgeschichte an der Technischen Hochschule München [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 633]. Beide waren Mitglieder des im Frühjahr 1908 eingerichteten Zensurbeirats. der Literatur. Beide sprechen sich für die Freigabe des Stückes aus, schreiben dabei aber folgendes:

Prof. Dr. F.M. schreibt:Es folgt im nächsten Absatz ein Zitat aus dem Wedekind vom Verfasser übermittelten Brief über „Totentanz“ [vgl. Franz Muncker an Wedekind, 25.3.1911]. Wedekind erlaubte sich eine vollständige Veröffentlichung des „Gutachten des Herrn Prof. Dr. Franz Muncker“ in seinem Beitrag „Aus dem Münchner Zensurbeirat“ [vgl. Kain, Jg. 1, Nr. 6, September 1911, S. 93f.].

Ferner kann man ja wohl zweifeln, ob Erörterungen über das von Ihnen behandelte Thema, mögen sie noch so theoretisch bleiben (oder vielleicht eben, weil sie theoretisch bleiben), auf die Bühne gehören, ob sie nicht vielleicht eher zu einem Lesedrama passen.

Prof. Dr. S-G. schreibt:Es folgt im nächsten Absatz ein Zitat aus dem Wedekind als Briefbeilage vom Verfasser übermittelten Gutachten über „Totentanz“ [vgl. Emil Sulger-Gebing an Wedekind, 3.4.1911]. Wedekind erlaubte sich eine vollständige Veröffentlichung des „Gutachten des Herrn Professor Sulger-Gebing“ in seinem Beitrag „Aus dem Münchner Zensurbeirat“ [vgl. Kain, Jg. 1, Nr. 6, September 1911, S. 94f.].

Ein Zensurverbot scheint mir diesem Einakter gegenüber nicht gerechtfertigt. | Ich halte ihn für undramatisch und darum für wenig bühnenwirksam.... Die Personen ergehen sich fast ausschließlich in langatmigen theoretischen Auseinandersetzungen.

Wenn diese Sachverständigen den künstlerischen Gehalt der Arbeit bestätigten, dann würde die Polizei das Stück vielleicht frei geben.

Da die Sachverständigen den dramatischen Wert des Stückes verneinen, hat die Polizei genau genommen auch gar keinen Anlaß, das Stück freizugeben, obschon sich beide Sachverständige für die Freigabe aussprechen.

Wenn das Stück nun aber trotz der Gutachten der Sachverständigen Bühnen|wirksamkeit besitzt, so wäre in diesem unerklärlichen Widerspruch doch wol allein schon derjenige künstlerische Grund gegeben, der eine Aufführung des Stückes rechtfertigen müßte.

Fr.W.


25.6.11.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Es dürfte sich um den Entwurf eines offenen Briefes handeln. Zwei Seiten sind oben rechts durch Ziffern („2.“ und „3.“) paginiert (hier nicht wiedergegeben).

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Schreibort ist durch das Tagebuch belegt.

Der Briefentwurf dürfte als Brief nicht abgesandt worden sein; in den Akten der Münchner Zensurbehörde ist er nicht dokumentiert [vgl. KSA 5/III, S. 810].

  • Schreibort

    München
    25. Juni 1911 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort


    Datum unbekannt

  • Empfangsort


    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
255-256
Briefnummer:
373
Kommentar:
Im Erstdruck ist das Schreiben als „Entwurf“ gekennzeichnet, kein Adressat angegeben und die beiden abgekürzten Namen sind aufgelöst (neben weiteren kleinen Varianten). Die „Replik Wedekinds zum Zensurverbot seines Einakters“ [KSA 5/III, S. 811] „Totentanz“ wurde einmal ohne Hinweis auf den als Brief präsentierten Erstdruck [vgl. KSA 5/III, S. 810-812] nach der Handschrift gedruckt [KSA 5/II, S. 412], einmal mit diesem Hinweis [KSA 6, S. 691f.].
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3476/21
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Behörde) Polizeidirektion München, 25.6.1911. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

26.06.2024 11:34
Kennung: 2610

München, 25. Juni 1911 (Sonntag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Polizeidirektion München, (Behörde)
 
 

Inhalt

Über das ZensurverbotDas auf Gutachten aus dem Münchner Zensurbeirat gestützte Verbot einer öffentlichen Aufführung von Wedekinds Einakter „Totentanz“ durch die Münchner Zensurbehörde [vgl. Meyer 1982, S. 212-224] datiert vom 24.5.1910 [vgl. KSA 5/III, S. 812; KSA 6, S. 668]. von
Totentanz.


Da der Einakter ,,Totentanz“ verboten ist, wendet sich der Autor an Sachverständige, und zwar an zwei HochschulprofessorenProf. Dr. phil. Franz Muncker war seit 1896 [vgl. Meyer 1982, S. 87] Königlicher Universitätsprofessor für Literaturgeschichte an der Münchner Universität und Mitglied der Königlichen Akademie der Wissenschaften [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 413]. Prof. Dr. phil. Emil Sulger-Gebing war seit 1902 [vgl. Meyer 1982, S. 90] Professor für Literaturgeschichte an der Technischen Hochschule München [vgl. Adreßbuch für München 1911, Teil I, S. 633]. Beide waren Mitglieder des im Frühjahr 1908 eingerichteten Zensurbeirats. der Literatur. Beide sprechen sich für die Freigabe des Stückes aus, schreiben dabei aber folgendes:

Prof. Dr. F.M. schreibt:Es folgt im nächsten Absatz ein Zitat aus dem Wedekind vom Verfasser übermittelten Brief über „Totentanz“ [vgl. Franz Muncker an Wedekind, 25.3.1911]. Wedekind erlaubte sich eine vollständige Veröffentlichung des „Gutachten des Herrn Prof. Dr. Franz Muncker“ in seinem Beitrag „Aus dem Münchner Zensurbeirat“ [vgl. Kain, Jg. 1, Nr. 6, September 1911, S. 93f.].

Ferner kann man ja wohl zweifeln, ob Erörterungen über das von Ihnen behandelte Thema, mögen sie noch so theoretisch bleiben (oder vielleicht eben, weil sie theoretisch bleiben), auf die Bühne gehören, ob sie nicht vielleicht eher zu einem Lesedrama passen.

Prof. Dr. S-G. schreibt:Es folgt im nächsten Absatz ein Zitat aus dem Wedekind als Briefbeilage vom Verfasser übermittelten Gutachten über „Totentanz“ [vgl. Emil Sulger-Gebing an Wedekind, 3.4.1911]. Wedekind erlaubte sich eine vollständige Veröffentlichung des „Gutachten des Herrn Professor Sulger-Gebing“ in seinem Beitrag „Aus dem Münchner Zensurbeirat“ [vgl. Kain, Jg. 1, Nr. 6, September 1911, S. 94f.].

Ein Zensurverbot scheint mir diesem Einakter gegenüber nicht gerechtfertigt. | Ich halte ihn für undramatisch und darum für wenig bühnenwirksam.... Die Personen ergehen sich fast ausschließlich in langatmigen theoretischen Auseinandersetzungen.

Wenn diese Sachverständigen den künstlerischen Gehalt der Arbeit bestätigten, dann würde die Polizei das Stück vielleicht frei geben.

Da die Sachverständigen den dramatischen Wert des Stückes verneinen, hat die Polizei genau genommen auch gar keinen Anlaß, das Stück freizugeben, obschon sich beide Sachverständige für die Freigabe aussprechen.

Wenn das Stück nun aber trotz der Gutachten der Sachverständigen Bühnen|wirksamkeit besitzt, so wäre in diesem unerklärlichen Widerspruch doch wol allein schon derjenige künstlerische Grund gegeben, der eine Aufführung des Stückes rechtfertigen müßte.

Fr.W.


25.6.11.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 3 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 14 x 22,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Es dürfte sich um den Entwurf eines offenen Briefes handeln. Zwei Seiten sind oben rechts durch Ziffern („2.“ und „3.“) paginiert (hier nicht wiedergegeben).

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Schreibort ist durch das Tagebuch belegt.

Der Briefentwurf dürfte als Brief nicht abgesandt worden sein; in den Akten der Münchner Zensurbehörde ist er nicht dokumentiert [vgl. KSA 5/III, S. 810].

  • Schreibort

    München
    25. Juni 1911 (Sonntag)
    Sicher

  • Absendeort


    Datum unbekannt

  • Empfangsort


    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
255-256
Briefnummer:
373
Kommentar:
Im Erstdruck ist das Schreiben als „Entwurf“ gekennzeichnet, kein Adressat angegeben und die beiden abgekürzten Namen sind aufgelöst (neben weiteren kleinen Varianten). Die „Replik Wedekinds zum Zensurverbot seines Einakters“ [KSA 5/III, S. 811] „Totentanz“ wurde einmal ohne Hinweis auf den als Brief präsentierten Erstdruck [vgl. KSA 5/III, S. 810-812] nach der Handschrift gedruckt [KSA 5/II, S. 412], einmal mit diesem Hinweis [KSA 6, S. 691f.].
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3476/21
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Behörde) Polizeidirektion München, 25.6.1911. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

26.06.2024 11:34