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Abschiedsklängean meine liebe CousineMinna.Im August 1884 Zu Beginn der letzten Augustwoche – sie begann am Montag, den 25.8.1884 – beabsichtigte Minna von Greyerz, Lenzburg zu verlassen, um am Königlichen Konservatorium in Dresden eine Ausbildung als Klavier- und Gesangslehrerin zu beginnen [vgl. Minna von Greyerz an Wedekind, 2.-3.7.1884]. Erst im Frühjahr 1887, nach dem Tod ihrer Mutter, kehrte sie nach Lenzburg zurück..
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Und wieder lenkte
Dem Westen zu. Die Menschenkinder schliefen.
Und wieder setzt’ ich meine Feder an,
Um mich in alte Zeiten zu vertiefen.
Und auch die Gegenwart, so licht und helle,
Der Augenblick, der feierlich gedieh,
Er führet uns gewaltig von der Stelle
Und hebt uns mächtig empor ins Reich der Phantasie.
Da fällt der Schleier vom Aug’. Ein wärmendes
Umwebt den ganzen Kreis mit ungewohnter Schöne.
Gedanken werden schleunigst zum Gedicht,
Und hell erklingen des Liedes harmonische Töne. |
Ein warmer Dankesruf erschallt dem Augenblick,
Dem dieser Stunde Preis gebühret,
Und dreifaches Heil dem gütigen Geschick,
Das uns so fröhlich hier zusammengeführet.
Aus aller Herren Ländern hierher verschlagen,
Aus jeder Himmelsgegend und jedem Reich –
Es blies ein Sturm, dem Wirbelwinde gleich,
Und hat uns sämmtliche hier zusammengetragen;
Von überallher erschienen die frohen Gäste
Zu diesem H/h/erzerhebenden Jubelfeste: –––
In einer
Und wie der Lenz nunmehr zum Sommer ward
Und wie es warm und sonnig ist geworden,
Da hört’ es von dem wundervollen Reiz
Der Alpenwelt, von Bergen, Thälern und Auen —
Die Koffer werden gepackt, und eh drei Morgen grauen,
Da gehts schon im Triumphzug in die schöne Schweiz. —
Ein kleines Nest mit kreuzfidelen Leuten. |
Aus Norden kam dorthin und lebte vor langen Zeiten
Ein
Auch er kam her zu uns und seufzte viel.
Man fragte sich umsonst, warum sein Herz so trübe,
Bis endlich jemand auf den Gedanken verfiel.
Der Unglückselige leide gewiß an Liebe. —
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O Himmel, welchen Bock hab’ ich geschossen!
Bleib hier, mein Freund und zürne nicht so sehr! –
Kehr um! – Hör’ auf die Bitten der Genossen! –––
Umsonst! Da geht er hin und singt nicht mehr.
Wohl war es hart, so schnöde zu verhöhnen,
Was ihm als Theuerstes sein Herz bewahrt.
Jedoch er ist ein Mann von guter Art;
Und wer ihn kennt, der weiß ihn zu versöhnen. –––
Auch er ist hier, der lustige
Um seinen Wissensdurst zu sättigen,
Zog er hinaus in die Welt, just hin zur richtigen Quelle.
Viel Schätze bracht’ er zurück aus fernem Land,
Daß er der kranken Menschheit damit diene;
Allein das Schönste, was er dort draußen fand, |
Das ist gewiß doch unsere liebe
Jetzt, Göttin, leih’ mir Deinen höchsten Schwung!
Spann jede Sehne an, o Musenschimmel!
Erfaß mich, schöpferische Begeisterung!
Und trag’ mich mächtig empor in der Dichtung Himmel.
Doch meine Stimme ist viel zu schwach und leer.
Wie wollt’ ich können, was nur Meister wagen?
O, wenn ich jetzt nur
Wie wollt’ ich selbstbewußt in meine Laute schlagen!
Zwei Jahre nur, ihr Lieben, denket zurück!
Damals geschah der große Augenblick:
Da fand ich sie auf jener steinigen Straße
Als Führerin auf dem Wege Pfade zum Parnasse.
Und jetzt, ihr Geigen und Schalmein,
Ihr Cymbeln, Pauken und Trompeten,
Ihr Trommeln und Pfeifen alle, seid gebeten
Stimmt laut in unser Jubelorchester ein! –––
Sie stieg empor, die Höhen sind erklommen; |
Aus ihrem Mund erschallen die schönsten Lieder.
Und sie, die glücklich oben angekommen
Schaut gnädig nun auf uns und auf die liebliche Landschaft hernieder.
Gelt, liebe, gute Minna, Du zürnst mir nicht,
Weil ich so frei und offen zu Dir geredet,
Weil die Begeisterung meine Wange geröthet
Und ungezügelt aus meinen Worten spricht?!
Du bist nicht böse, weil ich getrost geschildert,
Wie Deine Muse groß zu werden begann –––
Und wenn mein Versmaß dabei auch ein wenig verwildert,
So ist ja eben das das Schönste daran.
Wie oft aus schwerer Sorgen Last und Drängen
Erlöstest du mich mit deiner Stimme Klängen.
Du sangst: „
Und mich durchrieselte ein süßer Wonne–Graus.
Mein Aug’ wird hell, und eine stille Thräne,
Drängt sich hervor, die d nur Dein Auge sieht.
Und wieder ertönt ein lauter Jubelruf
Und hallt zurück von allen Felsenwänden,
Der Dichterin, die uns schöne Gedichte schuf, |
Gebührenden Dank und Ehrerbietung zu spenden.
Das ganze Gemach erfüllt ein lichter Schein,
Von neuem rauschen jubelnd die Posaunen,
Ein Himmelsbote tritt
Und alle Welt ergreift das höchste Erstaunen.
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Mit leisen Schritten tritt er vor Dich hin,
Er naht sich dir mit ehrfurchtsvollem Neigen,
Und auf die Stirn’ der schönen Dichterin
Drückt er den Kranz aus frischen Lorbeerzweigen.
Ein Hosianna erfüllt die weite Luft,
Die Himmel jauchzen in niegeahntem Glücke –––
Der Engel geht und läßt uns nichts zurücke,
Als eine Nebelwolke von Blumenduft.
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Und nun, ihr Lieben, nehmt die Gläser in die Hand,
Erhebet euch alle stracks von euern Plätzen!
Beweiset,
Zu würdigen ihr wisset und zu schätzen. |
Stoßt wacker an und lasset die Gläser erklingen!
Blüht ja die goldne Zeit der Jugend noch.
Gepriesen sei das Dichten und das Singen!
Und unsere Cousine Minna lebe dreimal hoch!!
Hoch! Hoch! Hoch!
[Finisschnörkel]
Bestehend aus 4 Blatt, davon 7 Seiten beschrieben
Der 24.8.1884 ist als Ankerdatum gesetzt – das späteste mögliche Schreibdatum für das Gelegenheitsgedicht, das Wedekind als Briefgedicht seiner Cousine schenkte, bevor diese Anfang der letzten Augustwoche (ab 25.8.1884) nach Dresden zog [vgl. Minna von Greyerz an Wedekind, 2.-3.7.1884].
Lenzburg
24. August 1884 (Sonntag)
Ermittelt (unsicher)
Lenzburg
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Historisches Museum Schloss Lenzburg
CH-5600 Lenzburg
Schweiz
Schloss Lenzburg
Wir danken dem Historischen Museum Schloss Lenzburg für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Frank Wedekind an Minna von Greyerz, 24.8.1884. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (07.12.2025).
Anke Lindemann