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Kennung: 2474

München, 18. Juni 1904 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Münchner Neueste Nachrichten, (Zeitung)

Inhalt

An die tit. RedaktionRedaktionsadresse der „Münchner Neuesten Nachrichten“ war noch Färbergraben 23/24 [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1905, Teil III, S. 119]. der „Münchner Neuesten Nachrichten[“]
München


Hochgeehrter HerrChefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“ war seinerzeit Dr. Friedrich Tresz, verantwortlich für das Feuilleton Dr. Paul Busching [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1905, Teil III, S. 119; Teil I, S. 550, 68]; so auch auf den damaligen Titelseiten der „Münchner Neuesten Nachrichten“ verzeichnet (wen Wedekind bei der Anrede im Blick hatte, kann nicht sicher gesagt werden).!

Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen mitzutheilen daß mir die BesprechungWedekind muss die Besprechung der Aufführung von „Nachtasyl“ (siehe unten), die ohne Titel, unterzeichnet „Hanns v. Gumppenberg“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 282, 19.6.1904, S. 2-3], in der Ausgabe der „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom 19.6.1904 gedruckt ist, schon am 18.6.1904 vorliegen gehabt haben, als er den vorliegenden Brief schrieb. der AufführungDas Gastspiel des Berliner Kleinen und Neuen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) [vgl. Neuer Theater Almanach 1904, S. 245f.] am Münchner Volkstheater wurde am 17.6.1904 mit „Nachtasyl. Szenen aus der Tiefe in 4 Akten von Maxim Gorki“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 279, 17.6.1904, General-Anzeiger, S. 1] eröffnet; es spielten Guido Herzfeld (Kostylew), Rosa Bertens (Wassilissa), Lucie Höflich (Natascha), Joseph Dill (Medwjedew), Eduard von Winterstein (Pepel), Friedrich Kayßler (Kleschtsch), Gertrud Eysoldt (Nastja), Richard Vallentin (Satin), Hans Waßmann („Ein Baron“), Emanuel Reicher („Ein Schauspieler“) und Max Reinhardt (Luka). ‒ Im Rahmen des Gastspiels wurde am 24.6.1904 auch Wedekinds „Erdgeist“ aufgeführt. von „Nachtasyl“ in der Nummer vom 19 JuniWedekind verweist auf die Ausgabe der „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom 19.6.1904 (siehe oben), die ihm dem vorliegenden Brief zufolge bereits am 18.6.1904 (vermutlich abends) vorlag und also bereits am Vortag ausgeliefert worden sein dürfte. Ihres geschätzten Blattes durch Herrn von Gumppenberg als eine der schamlosesten und niederträchtigsten Leistungen von Ehrabschneidung und Herabwürdigung erscheint, die jemals an die Öffentlichkeit gelangt sind. Selbstverständlich bin ich jeden Augenblick bereit, meine Ansicht vor Gericht zu vertreten und habe mir Ihrem Berichterstatter gegenüber daher keinen Vorwurf zu machen, wenn ich mich nicht direct an G ihn wende. Aber wir/e/ soll ein künstlerisches Streben auf diesem Gebiete noch möglich sein, wenn es in der Macht eines einzelnen Menschen steht, jeden Dank, auch den stärksten Ausdruck von Freude, die der Künstler dem Publicum abgewinnt, der breiteren Öffentlichkeit gegenüber direct in das Gegentheil, in Undank und Abweisung zu verkehren! Die Thatsache, daß die gestrige Vorstellung„Nachtasyl“ wurde am 17.6.1904 aufgeführt (siehe oben); ‚gestrig‘ ist ein Indiz dafür, dass der 18.6.1904 das zutreffende Schreibdatum des vorliegenden Briefs war (und keine irrtümliche Datierung anzunehmen ist). Wedekind hat die Vorstellung am 17.6.1904 gesehen: „Abends Nachtasyl.“ [Tb] von Nachtasyl einen ganz außergewöhnlichen Erfolg erzielte, einen Erfolg den | die darstellenden Künstler, die doch gewiß an allerhand Ehrungen ges/w/öhnt sind, als einen von IhnenSchreibversehen, statt: ihnen. noch nirgends erreichten bezeichneten, wird den Lesern Ihres geschätzten Blattes rundweg verschwiegen. Als einen klaren Beweis für die niedrige Bösartigkeit Ihres Berichterstatters möchte ich indessen nur folgenden SatzDer von Wedekind zitierte Satz steht in der Besprechung Hanns von Gumppenbergs ganz am Schluss: „Das wohl infolge der hohen Eintrittspreise und der noch höheren Temperatur nur mäßig besuchte Haus war sehr beifallslustig und spendete den Herren Reicher und Waßmann bei offener Szene, dem Ensemble nach allen Akten starken Applaus; am Schlusse wurden die Mitwirkenden, die mit großer Geschwindigkeit abgeschminkt in Zivil erschienen, immer wieder stürmisch an die Rampe gerufen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 282, 19.6.1904, S. 3] aus seinem Referat zitieren: „zum Schlusse wurden die Mitwirkenden, die mit großer Geschwindigkeit abgeschminkt in Zivil erschienen, immer wieder stürmisch an die Rampe gerufen“. – Daß sich jeder Künstler nach gethaner Arbeit so rasch wie nur irgendwie möglich abschminkt, ist eine Selbstverständlichkeit. Daß diese Selbstverständlichkeit hier erwähnt wird, kann keinen anderen Zweck haben, als das dem Erscheinen der Künstler vor der Rampe, das in bedeutend längeren Intervallen erfolgte, als es hier sonst üblich ist, den Werth aufrichtiger Ehrung und freudigen Dankes zu nehmen.

Ich brauche Ihnen, sehr geehrter Herr, nicht zu sagen, daß es mir völlig fern liegt, Ihr eigenes Urtheil mit demjenigen Ihres Berichterstatters zu identifizieren, möchte aber doch noch hinzufügen, daß es mir noch niemals eingefallen ist, gegen eine über mich selbst gefällte Kritik das Wort zu ergreifen.

Mit der Bitte, den Ausdruck meiner allervorzüglichsten Hochschätzung entgegen nehmen zu wollen
Frank Wedekind.


München, den 18. Juni 1904.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 21 x 27,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Seite 2 ist oben links von fremder Hand mit einer Bleistiftnotiz versehen („K F. Gr. IX.20“); zwei Passagen des Brief („schamlosesten“ bis „Herabwürdigung“ auf Seite 1 sowie „niedrige Bösartigkeit“ auf Seite 2) sind mit Bleistift unterstrichen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    18. Juni 1904 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
123-124
Briefnummer:
229
Kommentar:
Im Erstdruck sind an drei Stellen charakterisierende Formulierungen nicht abgedruckt und diese Stellen mit Auslassungspunkten versehen („........“ statt „schamlosesten und niederträchtigsten“, „........“ statt „Ehrabschneidung und“, „....“ statt „niedrige“).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Wedekind, Frank A III/3
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Zeitung) Münchner Neueste Nachrichten, 18.6.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

06.07.2024 13:11
Kennung: 2474

München, 18. Juni 1904 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Münchner Neueste Nachrichten, (Zeitung)
 
 

Inhalt

An die tit. RedaktionRedaktionsadresse der „Münchner Neuesten Nachrichten“ war noch Färbergraben 23/24 [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1905, Teil III, S. 119]. der „Münchner Neuesten Nachrichten[“]
München


Hochgeehrter HerrChefredakteur der „Münchner Neuesten Nachrichten“ war seinerzeit Dr. Friedrich Tresz, verantwortlich für das Feuilleton Dr. Paul Busching [vgl. Adreßbuch von München für das Jahr 1905, Teil III, S. 119; Teil I, S. 550, 68]; so auch auf den damaligen Titelseiten der „Münchner Neuesten Nachrichten“ verzeichnet (wen Wedekind bei der Anrede im Blick hatte, kann nicht sicher gesagt werden).!

Ich halte es für meine Pflicht, Ihnen mitzutheilen daß mir die BesprechungWedekind muss die Besprechung der Aufführung von „Nachtasyl“ (siehe unten), die ohne Titel, unterzeichnet „Hanns v. Gumppenberg“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 282, 19.6.1904, S. 2-3], in der Ausgabe der „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom 19.6.1904 gedruckt ist, schon am 18.6.1904 vorliegen gehabt haben, als er den vorliegenden Brief schrieb. der AufführungDas Gastspiel des Berliner Kleinen und Neuen Theaters (Direktion: Max Reinhardt) [vgl. Neuer Theater Almanach 1904, S. 245f.] am Münchner Volkstheater wurde am 17.6.1904 mit „Nachtasyl. Szenen aus der Tiefe in 4 Akten von Maxim Gorki“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 279, 17.6.1904, General-Anzeiger, S. 1] eröffnet; es spielten Guido Herzfeld (Kostylew), Rosa Bertens (Wassilissa), Lucie Höflich (Natascha), Joseph Dill (Medwjedew), Eduard von Winterstein (Pepel), Friedrich Kayßler (Kleschtsch), Gertrud Eysoldt (Nastja), Richard Vallentin (Satin), Hans Waßmann („Ein Baron“), Emanuel Reicher („Ein Schauspieler“) und Max Reinhardt (Luka). ‒ Im Rahmen des Gastspiels wurde am 24.6.1904 auch Wedekinds „Erdgeist“ aufgeführt. von „Nachtasyl“ in der Nummer vom 19 JuniWedekind verweist auf die Ausgabe der „Münchner Neuesten Nachrichten“ vom 19.6.1904 (siehe oben), die ihm dem vorliegenden Brief zufolge bereits am 18.6.1904 (vermutlich abends) vorlag und also bereits am Vortag ausgeliefert worden sein dürfte. Ihres geschätzten Blattes durch Herrn von Gumppenberg als eine der schamlosesten und niederträchtigsten Leistungen von Ehrabschneidung und Herabwürdigung erscheint, die jemals an die Öffentlichkeit gelangt sind. Selbstverständlich bin ich jeden Augenblick bereit, meine Ansicht vor Gericht zu vertreten und habe mir Ihrem Berichterstatter gegenüber daher keinen Vorwurf zu machen, wenn ich mich nicht direct an G ihn wende. Aber wir/e/ soll ein künstlerisches Streben auf diesem Gebiete noch möglich sein, wenn es in der Macht eines einzelnen Menschen steht, jeden Dank, auch den stärksten Ausdruck von Freude, die der Künstler dem Publicum abgewinnt, der breiteren Öffentlichkeit gegenüber direct in das Gegentheil, in Undank und Abweisung zu verkehren! Die Thatsache, daß die gestrige Vorstellung„Nachtasyl“ wurde am 17.6.1904 aufgeführt (siehe oben); ‚gestrig‘ ist ein Indiz dafür, dass der 18.6.1904 das zutreffende Schreibdatum des vorliegenden Briefs war (und keine irrtümliche Datierung anzunehmen ist). Wedekind hat die Vorstellung am 17.6.1904 gesehen: „Abends Nachtasyl.“ [Tb] von Nachtasyl einen ganz außergewöhnlichen Erfolg erzielte, einen Erfolg den | die darstellenden Künstler, die doch gewiß an allerhand Ehrungen ges/w/öhnt sind, als einen von IhnenSchreibversehen, statt: ihnen. noch nirgends erreichten bezeichneten, wird den Lesern Ihres geschätzten Blattes rundweg verschwiegen. Als einen klaren Beweis für die niedrige Bösartigkeit Ihres Berichterstatters möchte ich indessen nur folgenden SatzDer von Wedekind zitierte Satz steht in der Besprechung Hanns von Gumppenbergs ganz am Schluss: „Das wohl infolge der hohen Eintrittspreise und der noch höheren Temperatur nur mäßig besuchte Haus war sehr beifallslustig und spendete den Herren Reicher und Waßmann bei offener Szene, dem Ensemble nach allen Akten starken Applaus; am Schlusse wurden die Mitwirkenden, die mit großer Geschwindigkeit abgeschminkt in Zivil erschienen, immer wieder stürmisch an die Rampe gerufen.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 57, Nr. 282, 19.6.1904, S. 3] aus seinem Referat zitieren: „zum Schlusse wurden die Mitwirkenden, die mit großer Geschwindigkeit abgeschminkt in Zivil erschienen, immer wieder stürmisch an die Rampe gerufen“. – Daß sich jeder Künstler nach gethaner Arbeit so rasch wie nur irgendwie möglich abschminkt, ist eine Selbstverständlichkeit. Daß diese Selbstverständlichkeit hier erwähnt wird, kann keinen anderen Zweck haben, als das dem Erscheinen der Künstler vor der Rampe, das in bedeutend längeren Intervallen erfolgte, als es hier sonst üblich ist, den Werth aufrichtiger Ehrung und freudigen Dankes zu nehmen.

Ich brauche Ihnen, sehr geehrter Herr, nicht zu sagen, daß es mir völlig fern liegt, Ihr eigenes Urtheil mit demjenigen Ihres Berichterstatters zu identifizieren, möchte aber doch noch hinzufügen, daß es mir noch niemals eingefallen ist, gegen eine über mich selbst gefällte Kritik das Wort zu ergreifen.

Mit der Bitte, den Ausdruck meiner allervorzüglichsten Hochschätzung entgegen nehmen zu wollen
Frank Wedekind.


München, den 18. Juni 1904.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 1 Blatt, davon 2 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. 21 x 27,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Seite 2 ist oben links von fremder Hand mit einer Bleistiftnotiz versehen („K F. Gr. IX.20“); zwei Passagen des Brief („schamlosesten“ bis „Herabwürdigung“ auf Seite 1 sowie „niedrige Bösartigkeit“ auf Seite 2) sind mit Bleistift unterstrichen.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    18. Juni 1904 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
123-124
Briefnummer:
229
Kommentar:
Im Erstdruck sind an drei Stellen charakterisierende Formulierungen nicht abgedruckt und diese Stellen mit Auslassungspunkten versehen („........“ statt „schamlosesten und niederträchtigsten“, „........“ statt „Ehrabschneidung und“, „....“ statt „niedrige“).
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
Wedekind, Frank A III/3
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an (Zeitung) Münchner Neueste Nachrichten, 18.6.1904. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

06.07.2024 13:11