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Kennung: 233

München, 31. Mai 1913 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Halbe, Max

Inhalt

Lieber Max!

Für Deine lieben freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Max Halbe an Wedekind, 30.5.1913. Max Halbe dürfte sich über die „Lulu“-Aufführung am 29.5.1913 (siehe unten) geäußert haben. nimm meinen herzlichen Dank. Vor allem dank ich Dir dafür, daß Du der Aufführung beiwohntestMax Halbe hat am 29.5.1913 die geschlossene Vorstellung von „Lulu. Tragödie in fünf Aufzügen mit einem Prolog von Frank Wedekind“ (1913), zusammengeführt aus den Tragödien „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ [vgl. KSA 3/II, S. 869], im Münchner Künstlertheater besucht und seine Eindrücke festgehalten: „Donnerst. [...] Abends Eröffnung des Künstlertheaters mit Wedekinds Lulu. [...] volles Haus, Stimmung zuerst aber sehr zurückhaltend. Gespielt wurde glänzend. Die Durieux zu damenhaft. Schließlich gewöhnte man sich an sie. Eine große Virtuosin bleibt sie jedenfalls! Die Zusammenziehung von ‚Erdgeist‘ und ‚Pandora‘ opfert manches Wichtige, vermittelt aber doch einen sehr starken Gesamteindruck von Glück u. Untergang der Lulu-Eva-Mignon. Der letzte Akt hat Größe, ist aber zu lang. Am Schluß war etwas Pfeifen u. Zischen, dann große Ovationen für Dichter u. Darsteller. Lulu ist von der Censur öffentlich verboten, dafür war Freitag ‚Erdgeist‘ allein u. soll trotz Erfolg u. glänzender Presse äußerst schlecht besucht gewesen sein. Wir fuhren nachher heim, ich recht kaput u. mußte mich schonen.“ [Tb Halbe, 31.5.1913] Wedekind notierte am 29.5.1913: „Lulu Aufführung im Künstlertheater“ [Tb], das von Georg Fuchs und František Zavřel geleitet wurde [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 563], der auch die Regie führte, wie der Schutzverband Deutscher Schriftsteller (siehe unten) mitteilte und das Verbot in der Presse publik machte: „Der Schutzverband Deutscher Schriftsteller (Ortsgruppe München) teilt uns mit: ‚Wie wir erfahren, hat die Zensurbehörde auch eine neuerliche Umarbeitung der Lulu-Tragödie von Wedekind, die mit der Streichung der vielangefeindeten Jack-Szene den Ansprüchen der Polizeibehörde, anscheinend völlig Genüge tun sollte, jetzt endgültig verboten. Die Publizierung, insbesondere die Plakatierung, soll verhindert, jede Benachrichtigung durch die Presse verboten werden. Umsomehr hält es der Schutzverband für seine Pflicht, dieses öffentlich kundzugeben. Die geschlossene Vorstellung findet trotz all der in den Weg gelegten Schwierigkeiten am Donnerstag, den 29. Mai, abends 7½ Uhr, im Münchner Künstlertheater statt. Die Besetzung ist folgende: Lulu: Tilla Durieux, Dr. Schön: Karl Clewing, Alva: Hermann Wlach, Schwarz: Erwin Walser, Schigolch: Emil Lind, Rodrigo: Alexander Rottmann, Geschwitz: Maria Mayer, Goll: Karl Goetz. Regie: Franz Javrel. Den Prolog spricht Frank Wedekind. Nähere Auskunft in dieser Angelegenheit erteilt der zweite Vorsitzende des Schutzverbandes, Dr. Kurt Martens, Habsburgerstraße 3/3.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 262, 25.5.1913, Morgenblatt, S. 3]. Daß Du keine Einladung erhieltst liegt nur daranAnspielung auf die Zensur; die öffentliche Aufführung von „Lulu“ (siehe oben) war am 26.5.1913 von der Münchner Polizeidirektion verboten worden [vgl. KSA 3/II, S. 1292]. daß das DinerWedekind notierte nach der geschlossenen „Lulu“-Aufführung im Künstlertheater (siehe oben) am 29.5.1913: „Banquet im Reginahotel.“ [Tb] Max Halbe war bei dem Diner im Regina Palast Hotel (Maximiliansplatz 5) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 511] nicht dabei, dafür aber anschließend mit Wedekind, Heinrich Michalski, Kurt Martens, Hans von Weber und Efraim Frisch in der Torggelstube, wie Wedekind ebenfalls am 29.5.1913 notierte: „T.St. Michalski Martens Weber Halbe Frisch“ [Tb]. gar nicht stattfand. Für diejenigen die voreilig einge|laden worden, war es jedenfalls eine große Enttäuschung. Man saß sehr unzeremoniel an getrennten Tischen und es wurde nicht ein einziges Wort gesprochen. Natürlich war die Absage die Folge der schlechten Auspizien geschäftlichen AuspizienAussichten. des Abends. Außerordentlich leid tut es mir aber daß Du infolge der geänderten Dispositionen nur einen Augenblick eine Unhöflichkeit von | seiten des/r/ Veranstalter für möglich halten konntest.

Gestern sprach ich mit Martens darüber, daß es höchste Zeit ist, daß der SchutzverbandWedekind wurde von der Ortsgruppe München des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 213], gegründet am 7.3.1913 [vgl. Schutzverband deutscher Schriftsteller e.V., Ortsgruppe München. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 253, 20.5.1913, Morgenblatt. S. 3], in seinem Kampf gegen das Verbot der „Lulu“-Aufführung unterstützt (siehe oben). So hatte sie angesichts des Verbots auf ihrer Mitgliederversammlung am 27.5.1913 im Café Luitpold eine Resolution verabschiedet, die am 28.5.1913 in der „Münchener Zeitung“ [vgl. KSA 3/II, S. 1290] und in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ (im Vorabendblatt einen Tag vordatiert) veröffentlicht wurde: „Der Schutzverband deutscher Schriftsteller (Ortsgruppe München) faßte gestern abend in einer Mitgliederversammlung nach einem Referat von Dr. Kurt Martens folgende Resolution: ‚Nach den neuesten Erfahrungen, die mit dem Zensurheirat gemacht wurden, ist es mit der Würde eines deutschen Schriftstellers künftig nicht mehr vereinbar, dem Münchener Zensurbeirat anzugehören.‘ Ferner wurde beschlossen, eine große Versammlung einzuberufen, in der über das Thema: ‚Kunst und Polizei – Münchner Zensurverhältnisse‘ gesprochen werden soll.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 268, 29.5.1913, Vorabendblatt, S. 3], wenn der Kampf gegen den ZensurbeiratDer Münchner Zensurbeirat, vom Münchner Polizeipräsidenten Julius von der Heydte berufen, um seine „zensurpolitischen Entscheidungen durch den Rat der Gutachter zu legitimieren“ [Vinçon 2014, S. 213], konstituiert nach der ersten Besprechung des Gremiums am 20.3.1908 [vgl. Meyer 1982, S. 86], sprach sich wiederholt mehrheitlich gegen die Aufführung von Wedekinds Dramen aus [vgl. KSA 5/III, S. 776f.]; „Objekt und Opfer der Zensurverbote war regelmäßig Frank Wedekind.“ [Meyer 1982, S. 68] Wedekind hat den Kampf gegen den Zensurbeirat in seinem offenen Brief „Sieben Fragen“ [KSA 5/II, S. 426-427] an 12 Mitglieder des Münchner Zensurbeirats aufgenommen [vgl. Wedekind an Fritz Basil, an Otto Crusius, an Max von Gruber, an Georg Kerschensteiner, an Emil Kraepelin, an Richard Du Moulin-Eckart, an Franz Muncker, an Ernst von Possart, an Jocza Savits, an Anton von Stadler, an Emil Sulger-Gebing, an Karl Voll, 27.12.1911] und fortgeführt [vgl. Wedekind an Münchner Zensurbeirat, 3.8.1912], das Gremium in seinen Gedichten „Zensurbeirat“ [KSA 1/I, S. 587f.], geschrieben am 2.2.1911 und bald darauf veröffentlicht [vgl. KSA 1/II, S. 1906], sowie „Herr von der Heydte“ [KSA 1/I, S. 593f.], geschrieben am 30.12.1911, veröffentlicht 1912 [vgl. KSA 1/II, S. 1659], verspottet. Erfolg haben soll, Dir seinen Dank für Deinen spontanen AustrittMax Halbe, der dem Münchner Zensurbeirat seit dessen Gründung im Frühjahr 1908 angehörte, hatte am 1.12.1911 seinen Austritt erklärt [vgl. Meyer 1982, S. 87f.], durch einen Brief an den Münchner Polizeipräsidenten Julius von der Heydte, der in zahlreichen Zeitungen abgedruckt wurde [vgl. Meyer 1982, S. 253-256]. „Max Halbe hat an die Münchner Polizei Direktion folgenden Brief unterm 1. Dezember gerichtet: ‚Der kgl. Polizei-Direktion beehre ich mich mitzuteilen, daß ich mich von heute an nicht mehr als Mitglied des Zensur-Beirats zu betrachten bitte, da mir eine weitere Mitwirkung an dieser Institution in Anbetracht der verschärften prinzipiellen Gegensätze nicht mehr ersprießlich erscheint‘“ [Max Halbes Austritt aus dem Zensur-Beirat. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 565, 3.12.1911, S. 3]. Für Max Halbe rückte am 15.3.1912 Thomas Mann nach [vgl. Meyer 1982, S. 88], der am 25.4.1913 für die Freigabe von „Lulu“ im Künstlertheater (siehe oben) stimmte [vgl. KSA 3/II, S. 1280] und am 26.5.1913 wieder aus dem Zensurbeirat austrat, zugleich auch aus dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller [vgl. KSA 3/II, S. 1290]. zu erstatten, mit dem Du diesen Kampf seinerzeit eröffnetest. Martens war durchaus meiner Ansicht und die Sache soll in nächster Sitzung zur Sprache gebracht | werden. Nochmals herzlichen Dank. Mit besten Grüßen und Empfehlungen

Dein
Frank Wedekind.


31.5.13.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 18 x 11,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief enthält oben auf Seite 1 von fremder Hand (Max Halbe?) einen Bleistiftvermerk: „Nr. 3.“

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    31. Mai 1913 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
281
Briefnummer:
399
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Max Halbe
Signatur des Dokuments:
MH B 321
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Max Halbe, 31.5.1913. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Überarbeitet von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

18.10.2024 12:03
Kennung: 233

München, 31. Mai 1913 (Samstag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Halbe, Max
 
 

Inhalt

Lieber Max!

Für Deine lieben freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Max Halbe an Wedekind, 30.5.1913. Max Halbe dürfte sich über die „Lulu“-Aufführung am 29.5.1913 (siehe unten) geäußert haben. nimm meinen herzlichen Dank. Vor allem dank ich Dir dafür, daß Du der Aufführung beiwohntestMax Halbe hat am 29.5.1913 die geschlossene Vorstellung von „Lulu. Tragödie in fünf Aufzügen mit einem Prolog von Frank Wedekind“ (1913), zusammengeführt aus den Tragödien „Erdgeist“ und „Die Büchse der Pandora“ [vgl. KSA 3/II, S. 869], im Münchner Künstlertheater besucht und seine Eindrücke festgehalten: „Donnerst. [...] Abends Eröffnung des Künstlertheaters mit Wedekinds Lulu. [...] volles Haus, Stimmung zuerst aber sehr zurückhaltend. Gespielt wurde glänzend. Die Durieux zu damenhaft. Schließlich gewöhnte man sich an sie. Eine große Virtuosin bleibt sie jedenfalls! Die Zusammenziehung von ‚Erdgeist‘ und ‚Pandora‘ opfert manches Wichtige, vermittelt aber doch einen sehr starken Gesamteindruck von Glück u. Untergang der Lulu-Eva-Mignon. Der letzte Akt hat Größe, ist aber zu lang. Am Schluß war etwas Pfeifen u. Zischen, dann große Ovationen für Dichter u. Darsteller. Lulu ist von der Censur öffentlich verboten, dafür war Freitag ‚Erdgeist‘ allein u. soll trotz Erfolg u. glänzender Presse äußerst schlecht besucht gewesen sein. Wir fuhren nachher heim, ich recht kaput u. mußte mich schonen.“ [Tb Halbe, 31.5.1913] Wedekind notierte am 29.5.1913: „Lulu Aufführung im Künstlertheater“ [Tb], das von Georg Fuchs und František Zavřel geleitet wurde [vgl. Neuer Theater-Almanach 1914, S. 563], der auch die Regie führte, wie der Schutzverband Deutscher Schriftsteller (siehe unten) mitteilte und das Verbot in der Presse publik machte: „Der Schutzverband Deutscher Schriftsteller (Ortsgruppe München) teilt uns mit: ‚Wie wir erfahren, hat die Zensurbehörde auch eine neuerliche Umarbeitung der Lulu-Tragödie von Wedekind, die mit der Streichung der vielangefeindeten Jack-Szene den Ansprüchen der Polizeibehörde, anscheinend völlig Genüge tun sollte, jetzt endgültig verboten. Die Publizierung, insbesondere die Plakatierung, soll verhindert, jede Benachrichtigung durch die Presse verboten werden. Umsomehr hält es der Schutzverband für seine Pflicht, dieses öffentlich kundzugeben. Die geschlossene Vorstellung findet trotz all der in den Weg gelegten Schwierigkeiten am Donnerstag, den 29. Mai, abends 7½ Uhr, im Münchner Künstlertheater statt. Die Besetzung ist folgende: Lulu: Tilla Durieux, Dr. Schön: Karl Clewing, Alva: Hermann Wlach, Schwarz: Erwin Walser, Schigolch: Emil Lind, Rodrigo: Alexander Rottmann, Geschwitz: Maria Mayer, Goll: Karl Goetz. Regie: Franz Javrel. Den Prolog spricht Frank Wedekind. Nähere Auskunft in dieser Angelegenheit erteilt der zweite Vorsitzende des Schutzverbandes, Dr. Kurt Martens, Habsburgerstraße 3/3.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 262, 25.5.1913, Morgenblatt, S. 3]. Daß Du keine Einladung erhieltst liegt nur daranAnspielung auf die Zensur; die öffentliche Aufführung von „Lulu“ (siehe oben) war am 26.5.1913 von der Münchner Polizeidirektion verboten worden [vgl. KSA 3/II, S. 1292]. daß das DinerWedekind notierte nach der geschlossenen „Lulu“-Aufführung im Künstlertheater (siehe oben) am 29.5.1913: „Banquet im Reginahotel.“ [Tb] Max Halbe war bei dem Diner im Regina Palast Hotel (Maximiliansplatz 5) [vgl. Adreßbuch für München 1913, Teil I, S. 511] nicht dabei, dafür aber anschließend mit Wedekind, Heinrich Michalski, Kurt Martens, Hans von Weber und Efraim Frisch in der Torggelstube, wie Wedekind ebenfalls am 29.5.1913 notierte: „T.St. Michalski Martens Weber Halbe Frisch“ [Tb]. gar nicht stattfand. Für diejenigen die voreilig einge|laden worden, war es jedenfalls eine große Enttäuschung. Man saß sehr unzeremoniel an getrennten Tischen und es wurde nicht ein einziges Wort gesprochen. Natürlich war die Absage die Folge der schlechten Auspizien geschäftlichen AuspizienAussichten. des Abends. Außerordentlich leid tut es mir aber daß Du infolge der geänderten Dispositionen nur einen Augenblick eine Unhöflichkeit von | seiten des/r/ Veranstalter für möglich halten konntest.

Gestern sprach ich mit Martens darüber, daß es höchste Zeit ist, daß der SchutzverbandWedekind wurde von der Ortsgruppe München des Schutzverbandes deutscher Schriftsteller [vgl. Adreßbuch für München 1914, Teil III, S. 213], gegründet am 7.3.1913 [vgl. Schutzverband deutscher Schriftsteller e.V., Ortsgruppe München. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 253, 20.5.1913, Morgenblatt. S. 3], in seinem Kampf gegen das Verbot der „Lulu“-Aufführung unterstützt (siehe oben). So hatte sie angesichts des Verbots auf ihrer Mitgliederversammlung am 27.5.1913 im Café Luitpold eine Resolution verabschiedet, die am 28.5.1913 in der „Münchener Zeitung“ [vgl. KSA 3/II, S. 1290] und in den „Münchner Neuesten Nachrichten“ (im Vorabendblatt einen Tag vordatiert) veröffentlicht wurde: „Der Schutzverband deutscher Schriftsteller (Ortsgruppe München) faßte gestern abend in einer Mitgliederversammlung nach einem Referat von Dr. Kurt Martens folgende Resolution: ‚Nach den neuesten Erfahrungen, die mit dem Zensurheirat gemacht wurden, ist es mit der Würde eines deutschen Schriftstellers künftig nicht mehr vereinbar, dem Münchener Zensurbeirat anzugehören.‘ Ferner wurde beschlossen, eine große Versammlung einzuberufen, in der über das Thema: ‚Kunst und Polizei – Münchner Zensurverhältnisse‘ gesprochen werden soll.“ [Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 66, Nr. 268, 29.5.1913, Vorabendblatt, S. 3], wenn der Kampf gegen den ZensurbeiratDer Münchner Zensurbeirat, vom Münchner Polizeipräsidenten Julius von der Heydte berufen, um seine „zensurpolitischen Entscheidungen durch den Rat der Gutachter zu legitimieren“ [Vinçon 2014, S. 213], konstituiert nach der ersten Besprechung des Gremiums am 20.3.1908 [vgl. Meyer 1982, S. 86], sprach sich wiederholt mehrheitlich gegen die Aufführung von Wedekinds Dramen aus [vgl. KSA 5/III, S. 776f.]; „Objekt und Opfer der Zensurverbote war regelmäßig Frank Wedekind.“ [Meyer 1982, S. 68] Wedekind hat den Kampf gegen den Zensurbeirat in seinem offenen Brief „Sieben Fragen“ [KSA 5/II, S. 426-427] an 12 Mitglieder des Münchner Zensurbeirats aufgenommen [vgl. Wedekind an Fritz Basil, an Otto Crusius, an Max von Gruber, an Georg Kerschensteiner, an Emil Kraepelin, an Richard Du Moulin-Eckart, an Franz Muncker, an Ernst von Possart, an Jocza Savits, an Anton von Stadler, an Emil Sulger-Gebing, an Karl Voll, 27.12.1911] und fortgeführt [vgl. Wedekind an Münchner Zensurbeirat, 3.8.1912], das Gremium in seinen Gedichten „Zensurbeirat“ [KSA 1/I, S. 587f.], geschrieben am 2.2.1911 und bald darauf veröffentlicht [vgl. KSA 1/II, S. 1906], sowie „Herr von der Heydte“ [KSA 1/I, S. 593f.], geschrieben am 30.12.1911, veröffentlicht 1912 [vgl. KSA 1/II, S. 1659], verspottet. Erfolg haben soll, Dir seinen Dank für Deinen spontanen AustrittMax Halbe, der dem Münchner Zensurbeirat seit dessen Gründung im Frühjahr 1908 angehörte, hatte am 1.12.1911 seinen Austritt erklärt [vgl. Meyer 1982, S. 87f.], durch einen Brief an den Münchner Polizeipräsidenten Julius von der Heydte, der in zahlreichen Zeitungen abgedruckt wurde [vgl. Meyer 1982, S. 253-256]. „Max Halbe hat an die Münchner Polizei Direktion folgenden Brief unterm 1. Dezember gerichtet: ‚Der kgl. Polizei-Direktion beehre ich mich mitzuteilen, daß ich mich von heute an nicht mehr als Mitglied des Zensur-Beirats zu betrachten bitte, da mir eine weitere Mitwirkung an dieser Institution in Anbetracht der verschärften prinzipiellen Gegensätze nicht mehr ersprießlich erscheint‘“ [Max Halbes Austritt aus dem Zensur-Beirat. In: Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 64, Nr. 565, 3.12.1911, S. 3]. Für Max Halbe rückte am 15.3.1912 Thomas Mann nach [vgl. Meyer 1982, S. 88], der am 25.4.1913 für die Freigabe von „Lulu“ im Künstlertheater (siehe oben) stimmte [vgl. KSA 3/II, S. 1280] und am 26.5.1913 wieder aus dem Zensurbeirat austrat, zugleich auch aus dem Schutzverband Deutscher Schriftsteller [vgl. KSA 3/II, S. 1290]. zu erstatten, mit dem Du diesen Kampf seinerzeit eröffnetest. Martens war durchaus meiner Ansicht und die Sache soll in nächster Sitzung zur Sprache gebracht | werden. Nochmals herzlichen Dank. Mit besten Grüßen und Empfehlungen

Dein
Frank Wedekind.


31.5.13.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 18 x 11,5 cm.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief enthält oben auf Seite 1 von fremder Hand (Max Halbe?) einen Bleistiftvermerk: „Nr. 3.“

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    31. Mai 1913 (Samstag)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
281
Briefnummer:
399
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Max Halbe
Signatur des Dokuments:
MH B 321
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Max Halbe, 31.5.1913. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Mirko Nottscheid

Überarbeitet von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

18.10.2024 12:03