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Hochgeehrte
Darf ich Sie bitten, es mir nicht als
Unzuverlässigkeit anzurechnen, wenn ich
Erlauben Sie mir, diese Gelegenheit wahrzunehmen,
um Ihnen für so manchen Genuß zu danken, den Sie mir als Dichterin und als
Künstlerin bereitet haben. Indem ich Sie bitte, den Ausdruck meiner
vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
Ihr ergebenster
2. April 1902.
[Beilage:]
[2 Zeilen Noten]
Die
neue Communion Das nach dem 1891 entlegen abgedruckten Gedicht „Die neue Communion“ [KSA 1/I, S. 312-314; vgl. KSA 1/II, S. 2123-2126] entstandene Lied „Die neue Communion“ [KSA 1/III, S. 121-122; vgl. KSA 1/IV, S. 1017-1028] erscheint in der Beilage zum vorliegenden Brief erstmals unter diesem Titel [vgl. KSA 1/IV, S. 1017]..
Lischen kletterte flink hinauf
Bis in die höchsten Äste,
Fing in der Schürze die Äpfel auf,
Ihrer Mutter zum Feste.
Ich lag unten verliebt und faul
Auf dem Rücken im Grase;
Mancher Apfel fiel mir ins Maul,
Mancher mir auf die Nase. |
Jetzt stand Lischen auf starkem Ast,
Schelmisch sah sie hernieder;
Ihres Leibes liebliche Last
Wiegte sich hin und wieder.
Innig umschlungen hielten sich
Splitternackt ihre Füße,
Öffneten sich und befühlten sich,
Winkten mir tausend Grüße.
Durch das Röckchen sandte der Tag
Seine goldenen Strahlen,
Was darunter geborgen lag
Farbenprächtig zu malen.
Schimmernd rings um die weiße Haut
Wob sich gedämpfte Helle;
Welcher Meister hätt’ je gebaut
Prächtiger eine Capelle! |
Das Gewölbe so luftig leicht,
Schlanke, stolze Pilaster,
Unter Flammenküssen erweicht
Lebender Alabaster;
Voller strömte das Licht herein,
Bunter bei jedem Schritte;
Ach und ein flimmernder Heiligenschein
Floß um des Hauses Mitte.
Kindlich faltet’ ich da die Händ’,
Betete fromm und brünstig:
Du mein heiligstes Sacrament,
Werde dem Sünder günstig.
Laß michs küssen in seinem Schrein,
Lieblichster Himmelsbote;
Laß mich nippen an deinem Wein,
Naschen von deinem Brote. |
Sieh und am nämlichen Abend schon
Tief in die Kissen gebettet
Ward in andächtiger Communion
Meine Seele gerettet.
Bestehend aus 4 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben
München
2. April 1902 (Mittwoch)
Sicher
München
Datum unbekannt
Datum unbekannt
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia
Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13
Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.
Frank Wedekind an Elsa Laura von Wolzogen, 2.4.1902. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (24.10.2025).
Ariane Martin