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Kennung: 2259

München, 2. April 1902 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wolzogen, Elsa Laura von

Inhalt

Hochgeehrte gnädige Fraumöglicherweise die Lautenliedsängerin, Komponistin und Schriftstellerin Elsa Laura von Wolzogen (geb. Seemann von Mangern) in Berlin (Burggrafenstraße 1) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1902, Teil I, S. 1913], die dritte Ehefrau von Ernst von Wolzogen, Direktor des Bunten Theaters (Überbrettl), mit der Wedekind bald gemeinsam auftreten sollte – bei seinem Gastspiel vom 14. bis 26.5.1902 an Ernst von Wolzogens Buntem Theater (Überbrettl) in Berlin [vgl. Wedekind an Max Halbe, 7.5.1902], von dem er zunächst annahm, es werde bereits am 9.5.1902 beginnen [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.5.1902].!

Darf ich Sie bitten, es mir nicht als Unzuverlässigkeit anzurechnen, wenn ich so lange brauchteDas Lied „Die neue Communion“ taucht auf Repertoirelisten auf, die Wedekind zur Vorbereitung der Tournee der Elf Scharfrichter vom 29.7.1901 bis 4.8.1901 dienten [vgl. KSA 1/IV, S. 1024f.], die mit dem Gastspiel am Wilhelma-Theater in Cannstadt bei Stuttgart ihren Auftakt (20./21.7.1901) nahm und mit dem Gastspiel im Spielhaus der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt (26. bis 30.7.1901) ihren Höhepunkt hatte. Ernst von Wolzogens Buntes Theater (Überbrettl) gastierte zwar ab dem 4.7.1901 ebenfalls im Wilhelma-Theater [vgl. Cannstatter Zeitung, Jg. 61, Nr. 145, 24.6.1901, S. 3] und vom 9. bis 11.7.1901 im Spielhaus der Künstlerkolonie [vgl. Darmstädter Tagblatt, Jg. 164, Nr. 151, 1.7.1901, S. 3910], aber Wedekind dürfte Elsa Laura von Wolzogen da kaum begegnet sein, da das Bunte Theater (Überbrettl) bereits ab dem 18.7.1901 in Bonn gastierte; wann und bei welcher Gelegenheit er ihr sein Lied versprach, ist unklar., um Ihnen beiliegende Zeilendie als Lied ausgewiesene Gedichtbeilage (siehe unten). zu senden; aber die Feder streubtSchreibversehen, statt: sträubt. sich gegen manches, was der Mund auszusprechenWedekind hat den nun aufgeschriebenen Liedtext „Die neue Communion“ (siehe unten) bei Auftritten der Elf Scharfrichter während ihrer Tournee vom 29.7.1901 bis 3.8.1901 gesungen (siehe oben), also mündlich vorgetragen. | wagt. Um so höher kann ich mich dafür auch durch Ihre liebenswürdige BitteHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Elsa Laura von Wolzogen an Wedekind, 1.4.1902. Die Künstlerin dürfte Wedekind gebeten haben, ihr das Lied „Die neue Communion“ (siehe unten) wie versprochen zu schicken. geehrt betrachten.

Erlauben Sie mir, diese Gelegenheit wahrzunehmen, um Ihnen für so manchen Genuß zu danken, den Sie mir als Dichterin und als Künstlerin bereitet haben. Indem ich Sie bitte, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
Ihr ergebenster
Frank Wedekind.


München

2. April 1902.


[Beilage:]


[2 Zeilen Noten]


Die neue CommunionDas nach dem 1891 entlegen abgedruckten Gedicht „Die neue Communion“ [KSA 1/I, S. 312-314; vgl. KSA 1/II, S. 2123-2126] entstandene Lied „Die neue Communion“ [KSA 1/III, S. 121-122; vgl. KSA 1/IV, S. 1017-1028] erscheint in der Beilage zum vorliegenden Brief erstmals unter diesem Titel [vgl. KSA 1/IV, S. 1017]..


Lischen kletterte flink hinauf
Bis in die höchsten Äste,
Fing in der Schürze die Äpfel auf,
Ihrer Mutter zum Feste.


Ich lag unten verliebt und faul
Auf dem Rücken im Grase;
Mancher Apfel fiel mir ins Maul,
Mancher mir auf die Nase. |


Jetzt stand Lischen auf starkem Ast,
Schelmisch sah sie hernieder;
Ihres Leibes liebliche Last
Wiegte sich hin und wieder.


Innig umschlungen hielten sich
Splitternackt ihre Füße,
Öffneten sich und befühlten sich,
Winkten mir tausend Grüße.


Durch das Röckchen sandte der Tag
Seine goldenen Strahlen,
Was darunter geborgen lag
Farbenprächtig zu malen.


Schimmernd rings um die weiße Haut
Wob sich gedämpfte Helle;
Welcher Meister hätt’ je gebaut
Prächtiger eine Capelle! |


Das Gewölbe so luftig leicht,
Schlanke, stolze Pilaster,
Unter Flammenküssen erweicht
Lebender Alabaster;


Voller strömte das Licht herein,
Bunter bei jedem Schritte;
Ach und ein flimmernder Heiligenschein
Floß um des Hauses Mitte.


Kindlich faltet’ ich da die Händ’,
Betete fromm und brünstig:
Du mein heiligstes Sacrament,
Werde dem Sünder günstig.


Laß michs küssen in seinem Schrein,
Lieblichster Himmelsbote;
Laß mich nippen an deinem Wein,
Naschen von deinem Brote. |


Sieh und am nämlichen Abend schon
Tief in die Kissen gebettet
Ward in andächtiger Communion
Meine Seele gerettet.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 17,5 cm. 2 Seiten beschrieben. Gelocht. Beilage: Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 17,5 cm. 4 Seiten beschrieben. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief enthält als Beilage eine Reinschrift des Lieds „Die neue Communion“ (1902): „Die Reinschrift überliefert 11 Strophen des Liedes sowie die Zeilen 1 u. 2 der Melodie ohne Textunterlegung. Die Notation bricht danach ab.“ [KSA 1/IV, S. 1019]

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    2. April 1902 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Kommentar:
Nur die Briefbeilage liegt bisher gedruckt vor: KSA 1/III, S. 121-122.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3478
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Elsa Laura von Wolzogen, 2.4.1902. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

01.11.2024 07:33
Kennung: 2259

München, 2. April 1902 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Wolzogen, Elsa Laura von
 
 

Inhalt

Hochgeehrte gnädige Fraumöglicherweise die Lautenliedsängerin, Komponistin und Schriftstellerin Elsa Laura von Wolzogen (geb. Seemann von Mangern) in Berlin (Burggrafenstraße 1) [vgl. Adreßbuch für Berlin 1902, Teil I, S. 1913], die dritte Ehefrau von Ernst von Wolzogen, Direktor des Bunten Theaters (Überbrettl), mit der Wedekind bald gemeinsam auftreten sollte – bei seinem Gastspiel vom 14. bis 26.5.1902 an Ernst von Wolzogens Buntem Theater (Überbrettl) in Berlin [vgl. Wedekind an Max Halbe, 7.5.1902], von dem er zunächst annahm, es werde bereits am 9.5.1902 beginnen [vgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 7.5.1902].!

Darf ich Sie bitten, es mir nicht als Unzuverlässigkeit anzurechnen, wenn ich so lange brauchteDas Lied „Die neue Communion“ taucht auf Repertoirelisten auf, die Wedekind zur Vorbereitung der Tournee der Elf Scharfrichter vom 29.7.1901 bis 4.8.1901 dienten [vgl. KSA 1/IV, S. 1024f.], die mit dem Gastspiel am Wilhelma-Theater in Cannstadt bei Stuttgart ihren Auftakt (20./21.7.1901) nahm und mit dem Gastspiel im Spielhaus der Künstlerkolonie auf der Mathildenhöhe in Darmstadt (26. bis 30.7.1901) ihren Höhepunkt hatte. Ernst von Wolzogens Buntes Theater (Überbrettl) gastierte zwar ab dem 4.7.1901 ebenfalls im Wilhelma-Theater [vgl. Cannstatter Zeitung, Jg. 61, Nr. 145, 24.6.1901, S. 3] und vom 9. bis 11.7.1901 im Spielhaus der Künstlerkolonie [vgl. Darmstädter Tagblatt, Jg. 164, Nr. 151, 1.7.1901, S. 3910], aber Wedekind dürfte Elsa Laura von Wolzogen da kaum begegnet sein, da das Bunte Theater (Überbrettl) bereits ab dem 18.7.1901 in Bonn gastierte; wann und bei welcher Gelegenheit er ihr sein Lied versprach, ist unklar., um Ihnen beiliegende Zeilendie als Lied ausgewiesene Gedichtbeilage (siehe unten). zu senden; aber die Feder streubtSchreibversehen, statt: sträubt. sich gegen manches, was der Mund auszusprechenWedekind hat den nun aufgeschriebenen Liedtext „Die neue Communion“ (siehe unten) bei Auftritten der Elf Scharfrichter während ihrer Tournee vom 29.7.1901 bis 3.8.1901 gesungen (siehe oben), also mündlich vorgetragen. | wagt. Um so höher kann ich mich dafür auch durch Ihre liebenswürdige BitteHinweis auf ein nicht überliefertes Schreiben; erschlossenes Korrespondenzstück: Elsa Laura von Wolzogen an Wedekind, 1.4.1902. Die Künstlerin dürfte Wedekind gebeten haben, ihr das Lied „Die neue Communion“ (siehe unten) wie versprochen zu schicken. geehrt betrachten.

Erlauben Sie mir, diese Gelegenheit wahrzunehmen, um Ihnen für so manchen Genuß zu danken, den Sie mir als Dichterin und als Künstlerin bereitet haben. Indem ich Sie bitte, den Ausdruck meiner vorzüglichsten Hochschätzung entgegenzunehmen
Ihr ergebenster
Frank Wedekind.


München

2. April 1902.


[Beilage:]


[2 Zeilen Noten]


Die neue CommunionDas nach dem 1891 entlegen abgedruckten Gedicht „Die neue Communion“ [KSA 1/I, S. 312-314; vgl. KSA 1/II, S. 2123-2126] entstandene Lied „Die neue Communion“ [KSA 1/III, S. 121-122; vgl. KSA 1/IV, S. 1017-1028] erscheint in der Beilage zum vorliegenden Brief erstmals unter diesem Titel [vgl. KSA 1/IV, S. 1017]..


Lischen kletterte flink hinauf
Bis in die höchsten Äste,
Fing in der Schürze die Äpfel auf,
Ihrer Mutter zum Feste.


Ich lag unten verliebt und faul
Auf dem Rücken im Grase;
Mancher Apfel fiel mir ins Maul,
Mancher mir auf die Nase. |


Jetzt stand Lischen auf starkem Ast,
Schelmisch sah sie hernieder;
Ihres Leibes liebliche Last
Wiegte sich hin und wieder.


Innig umschlungen hielten sich
Splitternackt ihre Füße,
Öffneten sich und befühlten sich,
Winkten mir tausend Grüße.


Durch das Röckchen sandte der Tag
Seine goldenen Strahlen,
Was darunter geborgen lag
Farbenprächtig zu malen.


Schimmernd rings um die weiße Haut
Wob sich gedämpfte Helle;
Welcher Meister hätt’ je gebaut
Prächtiger eine Capelle! |


Das Gewölbe so luftig leicht,
Schlanke, stolze Pilaster,
Unter Flammenküssen erweicht
Lebender Alabaster;


Voller strömte das Licht herein,
Bunter bei jedem Schritte;
Ach und ein flimmernder Heiligenschein
Floß um des Hauses Mitte.


Kindlich faltet’ ich da die Händ’,
Betete fromm und brünstig:
Du mein heiligstes Sacrament,
Werde dem Sünder günstig.


Laß michs küssen in seinem Schrein,
Lieblichster Himmelsbote;
Laß mich nippen an deinem Wein,
Naschen von deinem Brote. |


Sieh und am nämlichen Abend schon
Tief in die Kissen gebettet
Ward in andächtiger Communion
Meine Seele gerettet.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 4 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 17,5 cm. 2 Seiten beschrieben. Gelocht. Beilage: Doppelblatt. Seitenmaß 13,5 x 17,5 cm. 4 Seiten beschrieben. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.
Sonstiges:
Der Brief enthält als Beilage eine Reinschrift des Lieds „Die neue Communion“ (1902): „Die Reinschrift überliefert 11 Strophen des Liedes sowie die Zeilen 1 u. 2 der Melodie ohne Textunterlegung. Die Notation bricht danach ab.“ [KSA 1/IV, S. 1019]

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    München
    2. April 1902 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Kommentar:
Nur die Briefbeilage liegt bisher gedruckt vor: KSA 1/III, S. 121-122.
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
L 3478
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Elsa Laura von Wolzogen, 2.4.1902. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

01.11.2024 07:33