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Kennung: 2170

Lenzburg, 8. Dezember 1905 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Emilie (Mati)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Lenzburg 8. Dez. 1905


Mein lieber Frank,

letzthin bekam ich Eure liebe Karte aus der Künstlerkneipenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind, Adele Sandrock an Emilie (Mati) Wedekind, 1.12.1905. Wedekind hat nach der „Hidalla“-Vorstellung im Kleinen Theater am 1.12.1905 im Tagebuch notiert: „Nachher mit Adele Sandrock bei Habel.“ Das war die Berliner Weinstube Gebrüder Habel (Unter den Linden 30)., gerade als ich von Miezes GastspielErika Wedekind gab am Stadttheater Zürich ein Gastspiel, bei dem sie am 19.11.1905 (Mittwoch), am 1.12.1905 (Freitag) und am 3.12.1905 (Sonntag) in drei Opern sang: „Mittwoch 8 Uhr: Gastspiel der königlichen Kammersängerin Erika Wedekind, ‚Der Barbier von Sevilla‘, Oper. [...] Freitag 7 ½ Uhr: Gastspiel von Erika Wedekind, ‚Hoffmanns Erzählungen‘, Oper. [...] Sonntag Nachmittag 3 Uhr: Letztes Gastspiel von Erika Wedekind: ‚Der schwarze Domino‘, Oper.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Nr. 325, 25.11.1905, 2. Blatt, S. (2)] Emilie (Mati) Wedekind dürfte frühestens nach der Sonntagnachmittagsvorstellung von Zürich zurück nach Lenzburg gefahren sein. aus Zürich zurückkam. Es war dort sehr unterhaltend gewesen besonders wie sich Hammi um Mieze bemühte, was sie ihm sehr übel nahm. Auch die Oper war sehr hübsch. Es gab außerordentlich viele Bouquets und andere Herrlichkeiten und Mieze hatte an ihr prachtvolles Zimmer anschließend eine heizbare | Veranda auf den See hinaus von der man zu Nacht aß – und sie an Walther schrieb. Ich hatte 3 Tage zu tun bis ich mich von diesen Abweichungen von meinen Gewohnheiten erholt hatte. Nun ist wieder alles in Ordnung, denn Mama hat nun ihre Magenstörung die sie von dorten mit hierherbrachte auch glücklich hinter sich. –

Nun habe ich noch eine ernste Sache an Dich. Ich bekam gestern einen BriefDer Brief von Max Engelhardt an Emilie (Mati) Wedekind ist nicht überliefert. von Max Engelhardt, in dem meinem Direktor in BadenDirektor des Stadt- und Casinotheaters in Baden (im Kanton Aargau), einem Sommertheater, war Heinrich Hagin, zugleich Direktor des Stadttheaters in Würzburg und der Sommertheater in Baden-Baden und Karlsruhe [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 266], dann, in der letzten Spielzeit (1.6.1905 bis 20.9.1905) Friedrich Krüger [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 252]. Max Engelhardt ist nicht am Sommertheater in Baden verzeichnet, er war dort aber Heinrich Hagins „Stellvertreter“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 219] sowie als Regisseur und Schauspieler am Stadttheater Würzburg (Direktion: Heinrich Hagin) tätig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 620]. in dem er mir unter anderem schreibt, daß er, der die letzten Jahre in Würzburg Regisseur und | Charakterdarsteller war, nun außer Engagement steht. Er wohnt momentan in Leipzig, Sophienplatz 8. Sein Compagnon Hagin hat ihn damals in Baden elend betrogen, das weiß ich auch von Fürsprech(schweiz.) Rechtsanwalt. Der Jurist Heinrich Lehner war Stadtschreiber von Baden (Kanton Aargau), engagierte sich kulturell für die Stadt und war im Komitee des Stadt- und Casinotheaters in Baden, verzeichnet als „H. Lehner“ [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 266] oder „Fürsprech Lehner“ [Neuer Theater-Almanach 1906, S. 262]. Lehner aus Baden mit dem ich diesen Sommer in BesenbürenEmilie (Mati) Wedekind vertrat im Sommer 1905 „vorübergehend eine vakante Lehrerstelle im 20 km von Lenzburg entfernten Dorf Besenbüren.“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 220] darüber sprach. Ich selbst habe Engelhardt als einen durchaus anständigen Menschen kennen gelernt (und ich hatte Gelegenheit ihn kennen zu lernen.) dem ich zu großem Dank verpflichtet bin, denn er war es, der mich trotz den bösen MinenSchreibversehen, statt: Mienen. der andre/Mitgl/ieder gleich die Marie spielenEmilie (Mati) Wedekind spielte in Hermann Sudermanns Schauspiel „Heimat“ (1893) im Sommertheater in Baden die Rolle der Marie [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 219]. ließ und mir mit | wenigen ernsten Worten manches Nützliche zu meinem Spiel sagte. Drum möchte ich nichts unversucht lassen, von dem ich dächte, daß es ihm helfen könnte. Er schreibt er hätte gelesen, daß Du eine Tournee ins Ausland unternehmest und hätte sich schon hingesetzt um Dir zu schreiben, Du möchtest ihn als Darsteller engagieren dann hätte er es aber wieder sein lassen, da er daran gezweifelt hätte engagiert zu werden. So hat er an mich geschrieben. Weiter nichts. Und ich wende mich nun an Dich und möchte ihn Dir, falls Du so etwas wirklich vorhast, empfehlen. So viel | ich beurteilen konnte, ist er ein guter Charakterspieler. Ich sah ihn ja nur als Keller in der HeimatMax Engelhardt spielte in Hermann Sudermanns Schauspiel „Heimat“ (1893) im Sommertheater in Baden die Rolle des Regierungsrats Dr. von Keller. und dann ist er als Mensch wohl wert, daß man sich für ihn interessiert. Sehr gerieben ist er wohl nicht, als Geschäftsführer würde ich ihn nicht gerade anstellen. So wäre ich Dir denn sehr dankbar lieber Frank, wenn Du, falls Dir so was unter die Hände kommt, dran diesen Mann denken wolltest und Dich dann gleich mit ihm selbst in Unterhandlung setzen würdest. ‒‒‒

Im Übrigen leben wir hier unser stilles Stein|brüchlileben, das Du ja wohl kennst. Es würde mich aber auch freuen, wenn Du Engelhardt kennen lerntest. Er erinnerte mich in seinem Wesen und besonders in der Stimme viel an Sadi. ‒ Zieh nicht Deine Mundwinkel so ekelhaft herunter!

Du siehst ich muß aufhören sonst wird’s häßlich.

Thu mir nur den einen Gefallen und wenn Du mir darüber antworten willst, so thuh’ es in einem Brief an mich und nicht an Mama.

Mit herzlichsten Gruß an Doda und Dich bin ich Dein altes
Mati.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. 1 Doppelblatt. 4 Seiten beschrieben. Seitenmaß 13,5 x 21,5 cm. Gelocht. 1 Einzelblatt. 2 Seiten beschrieben. 13,5 x 21,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Empfangsort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    Lenzburg
    8. Dezember 1905 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 308
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 8.12.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

02.10.2021 20:47
Kennung: 2170

Lenzburg, 8. Dezember 1905 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Emilie (Mati)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Lenzburg 8. Dez. 1905


Mein lieber Frank,

letzthin bekam ich Eure liebe Karte aus der Künstlerkneipenicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind, Adele Sandrock an Emilie (Mati) Wedekind, 1.12.1905. Wedekind hat nach der „Hidalla“-Vorstellung im Kleinen Theater am 1.12.1905 im Tagebuch notiert: „Nachher mit Adele Sandrock bei Habel.“ Das war die Berliner Weinstube Gebrüder Habel (Unter den Linden 30)., gerade als ich von Miezes GastspielErika Wedekind gab am Stadttheater Zürich ein Gastspiel, bei dem sie am 19.11.1905 (Mittwoch), am 1.12.1905 (Freitag) und am 3.12.1905 (Sonntag) in drei Opern sang: „Mittwoch 8 Uhr: Gastspiel der königlichen Kammersängerin Erika Wedekind, ‚Der Barbier von Sevilla‘, Oper. [...] Freitag 7 ½ Uhr: Gastspiel von Erika Wedekind, ‚Hoffmanns Erzählungen‘, Oper. [...] Sonntag Nachmittag 3 Uhr: Letztes Gastspiel von Erika Wedekind: ‚Der schwarze Domino‘, Oper.“ [Neue Zürcher Nachrichten, Nr. 325, 25.11.1905, 2. Blatt, S. (2)] Emilie (Mati) Wedekind dürfte frühestens nach der Sonntagnachmittagsvorstellung von Zürich zurück nach Lenzburg gefahren sein. aus Zürich zurückkam. Es war dort sehr unterhaltend gewesen besonders wie sich Hammi um Mieze bemühte, was sie ihm sehr übel nahm. Auch die Oper war sehr hübsch. Es gab außerordentlich viele Bouquets und andere Herrlichkeiten und Mieze hatte an ihr prachtvolles Zimmer anschließend eine heizbare | Veranda auf den See hinaus von der man zu Nacht aß – und sie an Walther schrieb. Ich hatte 3 Tage zu tun bis ich mich von diesen Abweichungen von meinen Gewohnheiten erholt hatte. Nun ist wieder alles in Ordnung, denn Mama hat nun ihre Magenstörung die sie von dorten mit hierherbrachte auch glücklich hinter sich. –

Nun habe ich noch eine ernste Sache an Dich. Ich bekam gestern einen BriefDer Brief von Max Engelhardt an Emilie (Mati) Wedekind ist nicht überliefert. von Max Engelhardt, in dem meinem Direktor in BadenDirektor des Stadt- und Casinotheaters in Baden (im Kanton Aargau), einem Sommertheater, war Heinrich Hagin, zugleich Direktor des Stadttheaters in Würzburg und der Sommertheater in Baden-Baden und Karlsruhe [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 266], dann, in der letzten Spielzeit (1.6.1905 bis 20.9.1905) Friedrich Krüger [vgl. Neuer Theater-Almanach 1906, S. 252]. Max Engelhardt ist nicht am Sommertheater in Baden verzeichnet, er war dort aber Heinrich Hagins „Stellvertreter“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 219] sowie als Regisseur und Schauspieler am Stadttheater Würzburg (Direktion: Heinrich Hagin) tätig [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 620]. in dem er mir unter anderem schreibt, daß er, der die letzten Jahre in Würzburg Regisseur und | Charakterdarsteller war, nun außer Engagement steht. Er wohnt momentan in Leipzig, Sophienplatz 8. Sein Compagnon Hagin hat ihn damals in Baden elend betrogen, das weiß ich auch von Fürsprech(schweiz.) Rechtsanwalt. Der Jurist Heinrich Lehner war Stadtschreiber von Baden (Kanton Aargau), engagierte sich kulturell für die Stadt und war im Komitee des Stadt- und Casinotheaters in Baden, verzeichnet als „H. Lehner“ [vgl. Neuer Theater-Almanach 1905, S. 266] oder „Fürsprech Lehner“ [Neuer Theater-Almanach 1906, S. 262]. Lehner aus Baden mit dem ich diesen Sommer in BesenbürenEmilie (Mati) Wedekind vertrat im Sommer 1905 „vorübergehend eine vakante Lehrerstelle im 20 km von Lenzburg entfernten Dorf Besenbüren.“ [Vinçon 2021, Bd. 2, S. 220] darüber sprach. Ich selbst habe Engelhardt als einen durchaus anständigen Menschen kennen gelernt (und ich hatte Gelegenheit ihn kennen zu lernen.) dem ich zu großem Dank verpflichtet bin, denn er war es, der mich trotz den bösen MinenSchreibversehen, statt: Mienen. der andre/Mitgl/ieder gleich die Marie spielenEmilie (Mati) Wedekind spielte in Hermann Sudermanns Schauspiel „Heimat“ (1893) im Sommertheater in Baden die Rolle der Marie [vgl. Vinçon 2021, Bd. 2, S. 219]. ließ und mir mit | wenigen ernsten Worten manches Nützliche zu meinem Spiel sagte. Drum möchte ich nichts unversucht lassen, von dem ich dächte, daß es ihm helfen könnte. Er schreibt er hätte gelesen, daß Du eine Tournee ins Ausland unternehmest und hätte sich schon hingesetzt um Dir zu schreiben, Du möchtest ihn als Darsteller engagieren dann hätte er es aber wieder sein lassen, da er daran gezweifelt hätte engagiert zu werden. So hat er an mich geschrieben. Weiter nichts. Und ich wende mich nun an Dich und möchte ihn Dir, falls Du so etwas wirklich vorhast, empfehlen. So viel | ich beurteilen konnte, ist er ein guter Charakterspieler. Ich sah ihn ja nur als Keller in der HeimatMax Engelhardt spielte in Hermann Sudermanns Schauspiel „Heimat“ (1893) im Sommertheater in Baden die Rolle des Regierungsrats Dr. von Keller. und dann ist er als Mensch wohl wert, daß man sich für ihn interessiert. Sehr gerieben ist er wohl nicht, als Geschäftsführer würde ich ihn nicht gerade anstellen. So wäre ich Dir denn sehr dankbar lieber Frank, wenn Du, falls Dir so was unter die Hände kommt, dran diesen Mann denken wolltest und Dich dann gleich mit ihm selbst in Unterhandlung setzen würdest. ‒‒‒

Im Übrigen leben wir hier unser stilles Stein|brüchlileben, das Du ja wohl kennst. Es würde mich aber auch freuen, wenn Du Engelhardt kennen lerntest. Er erinnerte mich in seinem Wesen und besonders in der Stimme viel an Sadi. ‒ Zieh nicht Deine Mundwinkel so ekelhaft herunter!

Du siehst ich muß aufhören sonst wird’s häßlich.

Thu mir nur den einen Gefallen und wenn Du mir darüber antworten willst, so thuh’ es in einem Brief an mich und nicht an Mama.

Mit herzlichsten Gruß an Doda und Dich bin ich Dein altes
Mati.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 3 Blatt, davon 6 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Rautiertes Papier. 1 Doppelblatt. 4 Seiten beschrieben. Seitenmaß 13,5 x 21,5 cm. Gelocht. 1 Einzelblatt. 2 Seiten beschrieben. 13,5 x 21,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der Empfangsort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    Lenzburg
    8. Dezember 1905 (Freitag)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Berlin
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 308
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Emilie (Mati) Wedekind an Frank Wedekind, 8.12.1905. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

02.10.2021 20:47