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Kennung: 2092

Lenzburg, 16. Oktober 1889 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Erika (Mieze)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank

Inhalt

Lenzburg 16. Oktober 1889.


Mein lieber Bebi!

Deinn Klagegesangvgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 12.10.1889. Die Bitte um Socken auf der Postkarte ist in Verse gefasst. hat uns ergriffen und die Socken werden jetzt wohl schon in deinen Händen oder besser gesagt an deinen PlätteisenBügeleisen; hier wohl scherzhaft: Füße. ruhen. Mamma hat einen Brief für dich angefangen wann derselbe jedoch seinen Abschluß finden wird, das wissen die Götter. Ich selbst habe deinen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Erika Wedekind, 5.10.1889. gelesen, mit getheiltem Vergnügen, denn die Passage wegen Minna hättest du ihr füglich selber schreiben können, da ich ja doch keinen Hochschein davon habe(schweiz.) keine Ahnung davon habe, worum es sich handelt. Uebrigens will ich dir nur sagen, daß Minna und ich wieder in ziemlicher Fehde begriffen sind. Sie ist natürlich nie offen und wahr, das kennt man ja an ihr und mit der größten Liebenswürdigkeit sucht sie einem die Würmer aus der Nase zu ziehen. Na sie behauptet ja immer | sie und nur sie allein könne dich verstehen und wisse mit dir zu verkehren. Mamma und ich wären eben doch nicht im Stande, das zu thun. Ich hatte allerdings bis jetzt eine höhere Meinung von dir und deinem Geist und Genie, als daß eine kleinliche Intrigantin wie es Minna ist, allein im Stande wäre, dich zu erfassen. Nun meinetwegen könnt ihr soviel „schöngeistige“ Geheimnisse haben wie ihr wollt, aber dann brauchst du deine Schwester, die dir sonst doch nichts bit/e/ten kann auch nicht mit unklaren, mystischen Aufträgen an deine Auserkorenen zu belästigen. Ich habe keine Lust irgend etwas von l eurem intimen, unbeschminkten Verkehr zu wissen und wäre sehr glücklich wenn auch Minna ihren zuckersüßen cokett-lächelnden und wahre, heiße lüsterne Küße gebenden Mund über mich und meine Verhältnisse zu halten vermöchte. Wir haben, wie du ja wohl weißt Frl MinkDie Wedekind bekannte Dame war seit vielen Wochen Pensionsgast auf Schloss Lenzburg [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 23.7.1889 und 22.9.1889]. | bei uns. Nun hat Minna entsetzlich Angst du könntest nach Hause kommen um allenfalls an diesem allerdings geistreichen gehaltvollen und großdenkenden Wesen Gefallen finden, daher ergeht sie sich in letzter Zeit uns und ihr gegenüber in solch kleinlichen, stellenweise sogar ordinären Eifersüchteleien und Intrigien, daß einem bisweilen die Galle überläuft. Dieses zur a Aufklärung, deine Minna wird natürlich nicht ermangeln dir über uns in wohlgesetzten, fein gedrechselten Worten ein bischen zu schimpfen und ein wenig Gift zu streuen. Gustav ist sehr verliebt in Minna und sie coketiert mit ihm ganz gewaltig aber immer so schlau, daß er es nicht wagt sich ihr auszusprechen und sie wird es auch nie dahin kommen lassen, denn sie hofft im Grunde ihres Herzens immer auf ihren edlen Bebi, der d nach allen Stürmen der verlockenden gleißenden Welt, des sybaritischen Lebensein genusssüchtig schwelgerisches Leben., | doch endlich den Weg zurückfinden wird, zu dem einzigen Wesen, was sich an Geist an seelischer Größe an Talent und Schönheit ihm an die Seite stellen kann. Nun ja wenn ihre Hoffnungen noch recht lange genährt und sie infolge dessen noch aufgeblasener, intriganter und selbstbewußter wird, so wünsche ich euch beiden nichts mehr als eine Vereinigung, denn das ist das einzige Mittel um sie Minna wenigstens zu einem vernünftigen, Mens wahren Menschen zu gestalten!

Indem ich dir viel tausend Grüße und eineSchreibversehen, statt: einen. Kuß auf Gnade oder Ungnade zu schicken wage, verbleibe ich deine kleine sehr, sehr unbedeutende ihre Nichtigkeit durchaus fühlende Schwester
Mieze.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Lenzburg
    16. Oktober 1889 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 311
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Erika (Mieze) Wedekind an Frank Wedekind, 16.10.1889. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

05.01.2024 15:15
Kennung: 2092

Lenzburg, 16. Oktober 1889 (Mittwoch), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Erika (Mieze)

Adressat*in

  • Wedekind, Frank
 
 

Inhalt

Lenzburg 16. Oktober 1889.


Mein lieber Bebi!

Deinn Klagegesangvgl. Frank Wedekind an Emilie Wedekind, 12.10.1889. Die Bitte um Socken auf der Postkarte ist in Verse gefasst. hat uns ergriffen und die Socken werden jetzt wohl schon in deinen Händen oder besser gesagt an deinen PlätteisenBügeleisen; hier wohl scherzhaft: Füße. ruhen. Mamma hat einen Brief für dich angefangen wann derselbe jedoch seinen Abschluß finden wird, das wissen die Götter. Ich selbst habe deinen Briefnicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Frank Wedekind an Erika Wedekind, 5.10.1889. gelesen, mit getheiltem Vergnügen, denn die Passage wegen Minna hättest du ihr füglich selber schreiben können, da ich ja doch keinen Hochschein davon habe(schweiz.) keine Ahnung davon habe, worum es sich handelt. Uebrigens will ich dir nur sagen, daß Minna und ich wieder in ziemlicher Fehde begriffen sind. Sie ist natürlich nie offen und wahr, das kennt man ja an ihr und mit der größten Liebenswürdigkeit sucht sie einem die Würmer aus der Nase zu ziehen. Na sie behauptet ja immer | sie und nur sie allein könne dich verstehen und wisse mit dir zu verkehren. Mamma und ich wären eben doch nicht im Stande, das zu thun. Ich hatte allerdings bis jetzt eine höhere Meinung von dir und deinem Geist und Genie, als daß eine kleinliche Intrigantin wie es Minna ist, allein im Stande wäre, dich zu erfassen. Nun meinetwegen könnt ihr soviel „schöngeistige“ Geheimnisse haben wie ihr wollt, aber dann brauchst du deine Schwester, die dir sonst doch nichts bit/e/ten kann auch nicht mit unklaren, mystischen Aufträgen an deine Auserkorenen zu belästigen. Ich habe keine Lust irgend etwas von l eurem intimen, unbeschminkten Verkehr zu wissen und wäre sehr glücklich wenn auch Minna ihren zuckersüßen cokett-lächelnden und wahre, heiße lüsterne Küße gebenden Mund über mich und meine Verhältnisse zu halten vermöchte. Wir haben, wie du ja wohl weißt Frl MinkDie Wedekind bekannte Dame war seit vielen Wochen Pensionsgast auf Schloss Lenzburg [vgl. Erika Wedekind an Frank Wedekind, 23.7.1889 und 22.9.1889]. | bei uns. Nun hat Minna entsetzlich Angst du könntest nach Hause kommen um allenfalls an diesem allerdings geistreichen gehaltvollen und großdenkenden Wesen Gefallen finden, daher ergeht sie sich in letzter Zeit uns und ihr gegenüber in solch kleinlichen, stellenweise sogar ordinären Eifersüchteleien und Intrigien, daß einem bisweilen die Galle überläuft. Dieses zur a Aufklärung, deine Minna wird natürlich nicht ermangeln dir über uns in wohlgesetzten, fein gedrechselten Worten ein bischen zu schimpfen und ein wenig Gift zu streuen. Gustav ist sehr verliebt in Minna und sie coketiert mit ihm ganz gewaltig aber immer so schlau, daß er es nicht wagt sich ihr auszusprechen und sie wird es auch nie dahin kommen lassen, denn sie hofft im Grunde ihres Herzens immer auf ihren edlen Bebi, der d nach allen Stürmen der verlockenden gleißenden Welt, des sybaritischen Lebensein genusssüchtig schwelgerisches Leben., | doch endlich den Weg zurückfinden wird, zu dem einzigen Wesen, was sich an Geist an seelischer Größe an Talent und Schönheit ihm an die Seite stellen kann. Nun ja wenn ihre Hoffnungen noch recht lange genährt und sie infolge dessen noch aufgeblasener, intriganter und selbstbewußter wird, so wünsche ich euch beiden nichts mehr als eine Vereinigung, denn das ist das einzige Mittel um sie Minna wenigstens zu einem vernünftigen, Mens wahren Menschen zu gestalten!

Indem ich dir viel tausend Grüße und eineSchreibversehen, statt: einen. Kuß auf Gnade oder Ungnade zu schicken wage, verbleibe ich deine kleine sehr, sehr unbedeutende ihre Nichtigkeit durchaus fühlende Schwester
Mieze.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 11,5 x 18 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

  • Schreibort

    Lenzburg
    16. Oktober 1889 (Mittwoch)
    Sicher

  • Absendeort

    Lenzburg
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    München
    Datum unbekannt

Erstdruck

Status:
Sicher

Informationen zum Standort

Münchner Stadtbibliothek / Monacensia

Maria-Theresia-Straße 23
81675 München
Deutschland
+49 (0)89 419472 13

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Nachlass Frank Wedekind
Signatur des Dokuments:
FW B 311
Standort:
Münchner Stadtbibliothek / Monacensia (München)

Danksagung

Wir danken der Münchner Stadtbibliothek / Monacensia für die freundliche Genehmigung zur Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Erika (Mieze) Wedekind an Frank Wedekind, 16.10.1889. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (22.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

05.01.2024 15:15