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Kennung: 1815

München, 1. Mai 1914 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Bahr, Hermann

Inhalt

Lieber verehrter Hermann Bahr!

Empfangen Sie den allerschönsten Dank für das große GeschenkHermann Bahr hat Wedekind angekündigt, ihm sein neues Stück „Der Querulant“ (1914) widmen zu wollen (siehe unten). Die Niederschrift war soeben abgeschlossen, wie Hermann Bahr seinem Freund Josef Redlich in Wien am 30.4.1914 aus Salzburg mitteilte: „Ich hab mein neues Stück fertig“ [Fellner 1980, S. 96], das Sie mir machen wollen, genauso als hätten Sie es mir schon gemacht, mehr werde ich Ihnen nachher auch nicht danken können. Aber Ihre Güte und Liebe hat Bedenken für mich. Seit meinen frühesten Anfängen stehe ich in Ihrer Schuld. Sie waren in Österreich der erste der mich förderte, während es mir bisher noch nie gelungen ist oder vergönnt war Ihnen etwas zu nützen. Jetzt sind wir 50Hermann Bahr war am 19.7.1913 fünfzig Jahre alt geworden, Wedekind wurde am 24.7.1914 fünfzig Jahre alt. und | ich soll meine Schuldenlast Ihnen gegenüber noch vergrößert sehen, während die Möglichkeit immer geringer wird etwas davon abzutragen. An mir wäre es längst gewesen Ihnen meine Verehrung und Dankbarkeit öffentlich zu bezeugen. Aber die WidmungenWedekinds Stücke waren in den Buchausgaben bis dahin einer literarischen Figur, dem vermummten Herrn („Frühlings Erwachen“), oder Personen aus dem Freundeskreis – Carl Heine („Der Kammersänger“), Willy Grétor („Erdgeist“ in der 2. Auflage von 1903), Emil Meßthaler („Hidalla“), ohne Namensnennung seiner „Braut“ Berthe Marie Denk („Totentanz“), ohne Nachnamen seiner „Muse Tilly“ Wedekind („Oaha“), Fritz Basil („Der Stein der Weisen“), Kurt Martens („In allen Wassern gewaschen“ und 1914 „Schloß Wetterstein“), Artur Kutscher („Franziska“) – gewidmet., die ich meinen Stücken mitgab, waren meist direkt aus den Verhältnissen erwachsen, in denen sie entstanden oder zuerst zur Geltung kamen. Und ich stecke in dieser Beziehung noch tief in Schulden, besonders Harden gegenüberWedekinds Schauspiel „Bismarck“ (im Buch vordatiert auf 1916, ausgeliefert Ende 1915) war dann in der Buchausgabe „Maximilian Harden in größter Verehrung gewidmet“ [KSA 8, S. 154].. Meine Widmungen ent waren keine großzügige Freigebigkeit wie das die Ihrige wäre sondern entsprangen der Absicht, wenigstens nicht als unanständiger Mensch zu erscheinen. |

Ihre lieben freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hermann Bahr an Wedekind, 30.4.1914. Hermann Bahr hat Wedekind angekündigt, ihm sein neues Stück „Der Querulant“ (1914) widmen zu wollen. enthalten den Ausdruck „in herzlicher Verehrung widmeZitat aus dem nicht überlieferten Schreiben Hermann Bahrs (siehe oben).“. Wenn dieser Ausdruck in der Widmung stehen sollte, dann kann ich die Widmung unmöglich annehmen. Wenn Sie Ihr neues Drama, das mir sicherlich auch ohne Widmung die größte Freude sein wird, Ihrem „Freunde“ widmenDie gedruckte Widmung lautet dann: „Meinem lieben Frank Wedekind in herzlicher Freundschaft zum fünfzigsten Geburtstag“, datiert „Salzburg Pfingsten 1914“ [Hermann Bahr: Der Querulant. Komödie in vier Akten. Berlin 1914, S. (7)]. Die Widmung ist demnach am 31.5.1914 (Pfingsten) oder auch am 1.6.1914 (Pfingstmontag) endgültig formuliert gewesen. wollten, so wäre das eine Ehre und Auszeichnung die ich wenigstens hoffen dürfte noch halbwegs zu verdienen, und die uns beiden wol auch die Verehrung Anderer eintrüge. Ich darf mit Stolz sagen, daß ich seit dem Beginn Ihres Wirkens, ohne mich je einen Augenblick darin beirrt zu fühlen von ganzem Herzen Ihr Freund war. Wenn Sie mir diesen rühmlichen Vorzug öffentlich bezeugenÖffentlich angekündigte war die gedruckte Widmung in der Buchausgabe von Hermann Bahrs neuem Stück (siehe oben) auch in einer seit dem 2.5.1914 von Berlin aus verbreiteten Pressemeldung, die in verschiedenen Zeitungen nahezu gleichlautend die vorgesehene Widmung publik machte: „Das neue Stück, das Hermann Bahr beendet hat, ist eine Komödie in vier Akten und hat den Titel ‚Der Querulant‘. [...] Die Arbeit ist ‚Frank Wedekind in herzlicher Freundschaft zum fünfzigsten Geburtstag‘ zugeeignet.“ [Ein neues Werk von Hermann Bahr. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 221, 2.5.1914, Abend-Ausgabe, S. (2); vgl. Neues Wiener Journal, Jg. 22, Nr. 7370, 3.5.1914, S. 15; Salzburger Volksblatt, Jg. 44, Nr. 101, 6.5.1914, S. 8; Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 227, 4.5.1914, Morgenblatt, S. 1] und bestätigen wollen, dann nehmen | Sie herzlichsten Dank dafür von Ihrem
alten Freunde
Frank Wedekind.


Ihnen, lieber Hermann Bahr und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin die schönsten Grüße von meiner Frau und mir.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 18 x 22,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 1.5.1914 ist als Ankerdatum gesetzt – das wahrscheinliche Schreibdatum, das sich aus den Schreibkontexten der Korrespondenz um die Widmung für Wedekind in Hermann Bahrs Komödie „Der Querulant“ ergibt [vgl. Hermann Bahr an Wedekind, 30.4.1914]. Der Schreibort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    München
    1. Mai 1914 (Freitag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Salzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
290-291
Briefnummer:
411
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

KHM-Museumsverband – Theatermuseum Wien

Lobkowitzplatz 2
A-1010 Wien
Österreich

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Theatermuseum Wien
Signatur des Dokuments:
AM25147Ba
Standort:
KHM-Museumsverband – Theatermuseum Wien (Wien)

Danksagung

Wir danken dem KHM-Museumsverband – Theatermuseum (Wien) für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Hermann Bahr, 1.5.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

11.04.2024 18:18
Kennung: 1815

München, 1. Mai 1914 (Freitag), Brief

Autor*in

  • Wedekind, Frank

Adressat*in

  • Bahr, Hermann
 
 

Inhalt

Lieber verehrter Hermann Bahr!

Empfangen Sie den allerschönsten Dank für das große GeschenkHermann Bahr hat Wedekind angekündigt, ihm sein neues Stück „Der Querulant“ (1914) widmen zu wollen (siehe unten). Die Niederschrift war soeben abgeschlossen, wie Hermann Bahr seinem Freund Josef Redlich in Wien am 30.4.1914 aus Salzburg mitteilte: „Ich hab mein neues Stück fertig“ [Fellner 1980, S. 96], das Sie mir machen wollen, genauso als hätten Sie es mir schon gemacht, mehr werde ich Ihnen nachher auch nicht danken können. Aber Ihre Güte und Liebe hat Bedenken für mich. Seit meinen frühesten Anfängen stehe ich in Ihrer Schuld. Sie waren in Österreich der erste der mich förderte, während es mir bisher noch nie gelungen ist oder vergönnt war Ihnen etwas zu nützen. Jetzt sind wir 50Hermann Bahr war am 19.7.1913 fünfzig Jahre alt geworden, Wedekind wurde am 24.7.1914 fünfzig Jahre alt. und | ich soll meine Schuldenlast Ihnen gegenüber noch vergrößert sehen, während die Möglichkeit immer geringer wird etwas davon abzutragen. An mir wäre es längst gewesen Ihnen meine Verehrung und Dankbarkeit öffentlich zu bezeugen. Aber die WidmungenWedekinds Stücke waren in den Buchausgaben bis dahin einer literarischen Figur, dem vermummten Herrn („Frühlings Erwachen“), oder Personen aus dem Freundeskreis – Carl Heine („Der Kammersänger“), Willy Grétor („Erdgeist“ in der 2. Auflage von 1903), Emil Meßthaler („Hidalla“), ohne Namensnennung seiner „Braut“ Berthe Marie Denk („Totentanz“), ohne Nachnamen seiner „Muse Tilly“ Wedekind („Oaha“), Fritz Basil („Der Stein der Weisen“), Kurt Martens („In allen Wassern gewaschen“ und 1914 „Schloß Wetterstein“), Artur Kutscher („Franziska“) – gewidmet., die ich meinen Stücken mitgab, waren meist direkt aus den Verhältnissen erwachsen, in denen sie entstanden oder zuerst zur Geltung kamen. Und ich stecke in dieser Beziehung noch tief in Schulden, besonders Harden gegenüberWedekinds Schauspiel „Bismarck“ (im Buch vordatiert auf 1916, ausgeliefert Ende 1915) war dann in der Buchausgabe „Maximilian Harden in größter Verehrung gewidmet“ [KSA 8, S. 154].. Meine Widmungen ent waren keine großzügige Freigebigkeit wie das die Ihrige wäre sondern entsprangen der Absicht, wenigstens nicht als unanständiger Mensch zu erscheinen. |

Ihre lieben freundlichen Zeilennicht überliefert; erschlossenes Korrespondenzstück: Hermann Bahr an Wedekind, 30.4.1914. Hermann Bahr hat Wedekind angekündigt, ihm sein neues Stück „Der Querulant“ (1914) widmen zu wollen. enthalten den Ausdruck „in herzlicher Verehrung widmeZitat aus dem nicht überlieferten Schreiben Hermann Bahrs (siehe oben).“. Wenn dieser Ausdruck in der Widmung stehen sollte, dann kann ich die Widmung unmöglich annehmen. Wenn Sie Ihr neues Drama, das mir sicherlich auch ohne Widmung die größte Freude sein wird, Ihrem „Freunde“ widmenDie gedruckte Widmung lautet dann: „Meinem lieben Frank Wedekind in herzlicher Freundschaft zum fünfzigsten Geburtstag“, datiert „Salzburg Pfingsten 1914“ [Hermann Bahr: Der Querulant. Komödie in vier Akten. Berlin 1914, S. (7)]. Die Widmung ist demnach am 31.5.1914 (Pfingsten) oder auch am 1.6.1914 (Pfingstmontag) endgültig formuliert gewesen. wollten, so wäre das eine Ehre und Auszeichnung die ich wenigstens hoffen dürfte noch halbwegs zu verdienen, und die uns beiden wol auch die Verehrung Anderer eintrüge. Ich darf mit Stolz sagen, daß ich seit dem Beginn Ihres Wirkens, ohne mich je einen Augenblick darin beirrt zu fühlen von ganzem Herzen Ihr Freund war. Wenn Sie mir diesen rühmlichen Vorzug öffentlich bezeugenÖffentlich angekündigte war die gedruckte Widmung in der Buchausgabe von Hermann Bahrs neuem Stück (siehe oben) auch in einer seit dem 2.5.1914 von Berlin aus verbreiteten Pressemeldung, die in verschiedenen Zeitungen nahezu gleichlautend die vorgesehene Widmung publik machte: „Das neue Stück, das Hermann Bahr beendet hat, ist eine Komödie in vier Akten und hat den Titel ‚Der Querulant‘. [...] Die Arbeit ist ‚Frank Wedekind in herzlicher Freundschaft zum fünfzigsten Geburtstag‘ zugeeignet.“ [Ein neues Werk von Hermann Bahr. In: Berliner Tageblatt, Jg. 43, Nr. 221, 2.5.1914, Abend-Ausgabe, S. (2); vgl. Neues Wiener Journal, Jg. 22, Nr. 7370, 3.5.1914, S. 15; Salzburger Volksblatt, Jg. 44, Nr. 101, 6.5.1914, S. 8; Münchner Neueste Nachrichten, Jg. 67, Nr. 227, 4.5.1914, Morgenblatt, S. 1] und bestätigen wollen, dann nehmen | Sie herzlichsten Dank dafür von Ihrem
alten Freunde
Frank Wedekind.


Ihnen, lieber Hermann Bahr und Ihrer hochverehrten Frau Gemahlin die schönsten Grüße von meiner Frau und mir.

Einzelstellenkommentare

Materialität des Dokuments

Bestehend aus 2 Blatt, davon 4 Seiten beschrieben

Schrift:
Kurrent.
Schreibwerkzeuge:
Feder. Tinte.
Schriftträger:
Papier. Doppelblatt. Seitenmaß 18 x 22,5 cm. Gelocht.
Schreibraum:
Im Hochformat beschrieben.

Datum, Schreibort und Zustellweg

Der 1.5.1914 ist als Ankerdatum gesetzt – das wahrscheinliche Schreibdatum, das sich aus den Schreibkontexten der Korrespondenz um die Widmung für Wedekind in Hermann Bahrs Komödie „Der Querulant“ ergibt [vgl. Hermann Bahr an Wedekind, 30.4.1914]. Der Schreibort ist durch das Tagebuch belegt.

  • Schreibort

    München
    1. Mai 1914 (Freitag)
    Ermittelt (unsicher)

  • Absendeort

    München
    Datum unbekannt

  • Empfangsort

    Salzburg
    Datum unbekannt

Erstdruck

Gesammelte Briefe. Zweiter Band

Autor:
Frank Wedekind
Herausgeber:
Fritz Strich
Ort der Herausgabe:
München
Verlag:
Georg Müller
Jahrgang:
1924
Seitenangabe:
290-291
Briefnummer:
411
Status:
Sicher

Informationen zum Standort

KHM-Museumsverband – Theatermuseum Wien

Lobkowitzplatz 2
A-1010 Wien
Österreich

Informationen zum Bestand

Name des Bestandes:
Theatermuseum Wien
Signatur des Dokuments:
AM25147Ba
Standort:
KHM-Museumsverband – Theatermuseum Wien (Wien)

Danksagung

Wir danken dem KHM-Museumsverband – Theatermuseum (Wien) für die freundliche Genehmigung der Wiedergabe des Korrespondenzstücks.

Zitierempfehlung

Frank Wedekind an Hermann Bahr, 1.5.1914. Frank Wedekinds Korrespondenz digital. https://briefedition.wedekind.fernuni-hagen.de (21.11.2024).

Status der Bearbeitung

In Bearbeitung
Zum Prüfen bereit
Freigegeben

Erstellt von

Ariane Martin

Zuletzt aktualisiert

11.04.2024 18:18